Protocol of the Session on June 18, 2010

Weiterer Erfolg des Stadtumbaus Ost erfordert Altschuldenentlastung

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/2641

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Henke von der Fraktion DIE LINKE. Herr Henke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Altschuldenhilfegesetz trat im Jahr 1993 in Kraft und wurde im Jahr 2001 geändert. Es entlastete die ostdeutschen Wohnungsunternehmen teilweise von den ihnen zwangsauferlegten Kreditlasten aus DDR-Zeiten.

An dieser Stelle lohnt bereits ein Blick in die Koalitionsverträge. Zuerst ein Blick in den Koalitionsvertrag unserer Landesregierung. Darin ist vermerkt - Zitat -:

„Langfristig sollen die Altschulden für alle dauerhaft leer stehenden und abzureißenden Wohnungen erlassen werden.“

Auch im aktuellen Koalitionsvertrag auf der Bundesebene ist formuliert - Zitat -:

„Der Erfolg des Programms Stadtumbau Ost soll nicht durch ungelöste Altschuldenprobleme einzelner Wohnungsunternehmen beim Abriss von Wohnungsleerstand gefährdet werden.“

Auf dem Papier sind sich also alle einig. Ich frage daher: Was unternahm unsere Landesregierung zur Umsetzung des zitierten Koalitionsvorhabens und warum tat sie dies?

Nachdenklich stimmt ein Blick über die Landesgrenze, zugegebenermaßen in ein anderes Bundesland, aber mit den gleichen politischen Koalitionsparteien wie hier. In Thüringen wird heute über einen auffallend anders formulierten Antrag der CDU-SPD-Regierungskoalition beraten. Deshalb möchte ich Ihr Interesse auf diesen, einen die bundespolitische Zuständigkeit betreffenden

Antrag lenken; denn dort fordern die Regierungsfraktionen erst einmal einen Bericht, als hätte es zum Beispiel die Evaluierung des Bund-Länder-Programms sowie die Stellungnahme und die Empfehlungen der Lenkungsgruppe nie gegeben.

Obwohl die Zahlen längst vorliegen, wird dort der Bundesebene gefolgt. Die Bundesregierung lobte ein Gutachten zur Wirkungsanalyse der Altschulden aus, das frühestens im Herbst 2010 erstellt sein wird. Es ist davon auszugehen, dass die thüringischen Koalitionäre über mehr Regierungsinsiderwissen verfügen als die Fraktion DIE LINKE in der Opposition.

Auch wird deutlich, dass mit einer Klärung der Altschuldenproblematik auf der Bundesebene in diesem Jahr und wahrscheinlich auch im Jahr 2011 noch nicht zu rechnen ist, auch deshalb, weil fälschlicherweise immer behauptet wird, dass mit der Verlängerung der Abruffrist bis zum Jahr 2013 alles geklärt sein würde. Hierbei wird aber verkannt, dass dabei nur Unternehmen gemäß § 6a AHG erfasst sind, die bis 2003 den Antrag stellten. Wieso eigentlich nur jene?

Die Lage wurde seitdem nicht besser. Dieser willkürlich festgelegte Stichtag benachteiligt viele andere Wohnungsunternehmen. Der Stichtag muss aus dem AHG gestrichen werden.

Auf der im Antrag erwähnten Leipziger Tagung am 23. Februar 2010 wurde durch Rainer Bomba, Staatssekretär im BMVBS, der Eindruck vermittelt, „mit einer Altschuldenregelung sei noch in diesem Jahr zu rechnen“. Aber welchen Inhalts diese Regelung sein würde, das ließ er in diesem ohnehin herrlich mehrdeutigen Satz unvollendet. Nachrichten wie die aus Thüringen lassen jedoch Gegenteiliges befürchten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Antragseinreichung war noch nicht bekannt, was sich in dieser Woche zutragen würde. Der Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer hat dem Bauausschuss des Bundestages eine Information gegeben, die die Brisanz des heute vorliegenden Antrages unerwartet erhöht.

Nach seinen Angaben sollen die Städtebaufördermittel und die Mittel für die KfW-Förderprogramme „Energieeffizient Bauen“ und „Energieeffizient Sanieren“ drastisch, um die Hälfte, reduziert werden. Das Ganze soll im kommenden Jahr umzusetzen sein. Ich frage deshalb: Heißt das, dass es auch zu einer Streichung der Streichungspläne für Altschulden kommt?

Der brandenburgische Bauminister Vogelsänger befürchtet jetzt die Halbierung der Mittel und die Schwächung der Wohnungswirtschaft in seinem Land. Unser Bauminister Dr. Daehre hat heute Vormittag angekündigt, dass er uns zu diesem Sachverhalt auf den neuesten Stand bringen wird.

(Zuruf von Herrn Rotter, CDU)

Sehr geehrte Damen und Herren! Was droht? Was geschieht, wenn in dieser Wahlperiode, wie zu befürchten, nichts geschieht

(Zuruf von Herrn Heft, DIE LINKE)

oder wenn - im Gegenteil - gar eine Kürzung der bisherigen Altschuldenentlastung bevorsteht?

Die Verbände der Wohnungswirtschaft berichten, dass infolge der Finanzkrise viele internationale Banken die Erfahrungen aus dem US-Geschäft auf den deutschen

Immobilienmarkt übertragen. Die Banken bezweifeln die Kreditwürdigkeit vieler ostdeutscher Wohnungsunternehmen, weil diese häufig verschuldet seien und einen hohen Wohnungsleerstand aufwiesen. Deswegen würden manche Kreditinstitute keine Kredite mehr gewähren.

Die Banken berücksichtigen nicht, dass es bisher kaum Insolvenzen von Wohnungsgesellschaften gegeben hat, dass kaum Mietschulden bestehen und dass die Wohnungsunternehmen nach deutschen Verhältnissen stabil sind.

Fazit: Internationale Banken wollen die hiesigen Verhältnisse nicht anerkennen und wollen auf diese Weise dem Markt ihre Bedingungen aufzwingen. Altschulden erleichtern dieses perfide Vorhaben, weil sie die Bonität der Wohnungsunternehmen und somit deren Marktstellung schwächen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ein ähnlicher wie der heute hier zu beratende Antrag ist von der Bundestagsfraktion DIE LINKE am 23. März 2010 eingebracht worden. Außerdem gibt es einen ähnlichen Antrag vom gleichen Tage von der SPD-Fraktion. Der Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat im Mai 2010 über diese Anträge beraten. Dort sagte Lutz Freitag, der streitbare Präsident des GdW Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. - Zitat -:

„Alle Wohnungsunternehmen müssen unabhängig von ihrer Leerstandsquote von den Altschulden entlastet werden.“

Daher müsse die Politik die erforderlichen Haushaltsmittel für die Altschuldenentlastung der von 2010 bis 2016 abzureißenden Wohnungen bereitstellen.

Nicht nur er wählte kräftige Worte. Die wohnungswirtschaftlichen Verbände Sachsen-Anhalts formulierten im Mai 2010 als Mindestforderung an die Politik - Zitat -:

„… eine gesetzliche Regelung zur Altschuldenhilfeentlastung für jede abgerissene Wohnung als notwendige Rahmenbedingung für den Erfolg des Stadtumbaus in den neuen Ländern noch im Jahr 2010“.

Nur so könnten die Wohnungsunternehmen den Stadtumbau auch künftig gestalten; denn zusätzlich zu den in den vergangenen zehn Jahren abgerissenen 65 000 Wohnungen sollen bis 2013 noch weitere fast 9 000 Wohnungen rückgebaut werden. Zitat:

„Jedes fünfte Wohnungsunternehmen geht von einer Verschlechterung der Geschäftslage innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre aus. Maßgebliche Gründe hierfür sind die demografische Entwicklung, die Situation der öffentlichen Haushalte und die bislang ungelöste Altschuldenfrage bei Abriss.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn die erwähnten Kürzungspläne des Bundes umgesetzt werden, droht uns ein riesiger Dominoeffekt, und zwar beginnend mit der Halbierung der Bundesmittel für den Stadtumbau. Dies führt dazu, dass die Kofinanzierungsmittel auf Landes- und kommunaler Ebene ebenfalls halbiert werden können oder müssen. Und was wird das? - Das wird eine Haushaltskonsolidierung der ganz hinterlistigen Art.

(Beifall bei der LINKEN)

Davor haben viele seit Langem gewarnt. Diese Haushaltskonsolidierung geht zulasten unserer Städte, der Wohnungswirtschaft, der Bauwirtschaft, der Mieterinnen und Mieter sowie der Beschäftigten des Baugewerbes.

(Herr Scheurell, CDU: Erzählen Sie einmal, wie die Altschulden zustande gekommen sind!)

- Ein Blick in die Antragsbegründung beantwortet Ihnen diese Frage, Herr Kollege Scheurell.

(Herr Scheurell, CDU: Na ja!)

Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.

(Beifall bei der LINKEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Wie es um die öffentlichen Haushalte, insbesondere auf kommunaler Ebene, bestellt ist, bedarf keiner gesonderten Erwähnung.

Die wohnungswirtschaftlichen Verbände fordern nicht von ungefähr - Zitat - „eine verlässliche Finanzausstattung der Städte- und Wohnungsbauförderung in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen“. Das heißt, nach belastenden Altschulden und der unzureichenden kommunalen Finanzausstattung sind die Kosten der Unterkunft als drittes Problem für die Liquidität der Wohnungsunternehmen und damit als Voraussetzung für den weiteren Erfolg des Stadtumbaus Ost zu nennen. Hierzu die Fachverbände:

„Die Herabsetzung von Angemessenheitskriterien muss verhindert und auch künftig den von Arbeitslosigkeit Betroffenen der Zugang zu modernem Wohnraum ermöglicht werden.“

Weiter hinten heißt es:

„Die Verbände lehnen Pauschalierungen bei den KdU ab.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits im März 2010 ist die Bundesagentur für Arbeit mit dem Vorschlag auf heftigen Widerspruch gestoßen, eine Wohnkostenpauschale einzuführen, um - Zitat - „Leistungsbezieher zu einem preisbewussten Verhalten zu veranlassen“.

DIE LINKE lehnt einen solchen Vorschlag ab; denn eine solche Pauschalierung wäre ein Einfallstor für Kürzungen des Regelsatzes unter das gesellschaftliche Existenzminimum.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Niemand kann ernsthaft annehmen, diese Pauschalen wären dann höher als die heutigen Sätze. In vielen Städten fehlen Wohnungen mit niedriger Grundmiete oder befinden sich die Wohnungen in einem schlechten energetischen Zustand, sodass hohe Heizkosten anfallen. Die Verdrängung von Mietern aus teuren, weil guten Wohnlagen wäre die Folge. Neue soziale Brennpunkte entstünden

(Frau Weiß, CDU: So ein Quatsch!)