Protocol of the Session on June 18, 2010

Ich glaube, Frau Take hat heute früh gesagt: Wir alle wollen ein Land entwickeln, ein lebens- und liebenswertes Sachsen-Anhalt. Ich glaube, das haben Sie in Ihrem Beitrag gesagt.

(Frau Take, CDU: Das ist richtig!)

Das ist auch bei uns unstrittig. Deswegen haben auch wir unsere wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen auch in diesen Kontext gestellt.

Sachsen-Anhalt mag durchaus ein gutes Land für Unternehmen sein, die hier mit billigen Löhnen oder billigen Grundstückskosten agieren möchten - das kann durchaus sein -, oder ein Land, in dem die Gewerbeflächen von den Kommunen zu Niedrigstpreisen oder möglichst noch subventioniert erworben werden können, das heißt zu Preisen, ohne eine entsprechende steuerliche Gegenleistung zu erhalten.

Für Beschäftigte, die existenzsichernd bezahlt werden möchten, für gut ausgebildete Fachkräfte - das Thema hatten wir heute bereits -, die sich in diesem Land langfristige Perspektiven erarbeiten möchten, die auch Karriere machen möchten, ist Sachsen-Anhalt jedoch offenbar viel zu wenig attraktiv.

(Herr Gürth, CDU: Ich glaube, die Redezeit ist um!)

Denn in Bezug auf die Attraktivität der Arbeitsplätze sind wir auf Platz 14. Deswegen ist uns der Jubel um Platz 2 unverständlich.

(Herr Tullner, CDU: Ist die Zeit nicht bald um?)

Wenn man einmal hinterfragt, wer eigentlich gefragt worden ist, dann wird man feststellen: Es waren die Unternehmer, die gefragt worden sind.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Meine Damen und Herren! Für DIE LINKE ist der Platz 14 in Bezug auf die Attraktivität der Arbeitsplätze im Sinne der fast eine Million Beschäftigen in SachsenAnhalt politisch bedeutsamer als der Platz 2 in der Bewertung durch die Unternehmen im Hinblick auf billige Arbeitskräfte und billige kommunale Flächen.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Gürth, CDU: Als Sie regiert haben, hatten wir Platz 1 in der Ar- beitslosenstatistik in ganz Deutschland!)

- Was haben wir gehabt, als wir regiert haben?

(Herr Gürth, CDU: Platz 1 in der Arbeitslosensta- tistik! - Herr Gallert, DIE LINKE: Wissen Sie, Herr Gürth, jetzt sind wir an der zweiten Stelle! - Wei- tere Zurufe)

Herr Gürth, wir reden heute - -

(Herr Gallert, DIE LINKE, auf der Regierungs- bank sitzend: Jetzt habt ihr es gemerkt! - Heiter- keit)

- Das ist kein Probesitzen, das hier stattfindet.

(Heiterkeit)

Wir reden heute über Arbeitslosenquoten von 12,8 %. Aber auch diesbezüglich muss man einmal hinterfragen: Was sind denn die statistischen Effekte? - Das wissen Sie genauso gut wie ich. Die Unterbeschäftigung liegt bei 227 000 im Monat Mai 2010. Das sind 18,9 % der Menschen, die in Sachsen-Anhalt leben. Das sind Zahlen, die wir vor 20 Jahren schon einmal hatten. Aber auf solche billigen Dinge will ich mich gar nicht einlassen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Das zweite Thema unseres Antrages ist: Wo sehen wir den Bedarf, in der Wirtschaftsförderung noch einmal nachzujustieren? Denn wir hatten jüngst vernommen, dass es offenbar notwendig sei, die Regeln für die Wirtschaftsförderung im Bereich der GAW neu zu justieren. Herr Minister Haseloff hat das bekannt gegeben und hat sich vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle offenbar vorrechnen lassen, wie wir bis zum Jahr 2019 eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung erreichen können.

(Zuruf von Minister Herrn Dr. Haseloff)

Uns würde interessieren, dass Sie damit auch einmal an die Öffentlichkeit gehen, weil tatsächlich die Frage steht: Was haben die Investitionen in den letzten Jahren bewirkt?

Ich habe schon etwas dazu gesagt, was bei den Menschen angekommen ist. Deswegen waren wir vor eineinhalb Jahren in diesem Hohen Hause so scharf und kritisch, als wir gewissermaßen die Entkoppelung von Investitionsvorhaben und Arbeitsplätzen kritisiert haben. Das ist für uns ein wesentliches Element. Wir fühlen uns auch bestätigt, wenn man sich einmal die Dinge ansieht, die in den letzten zwei Jahren hier passiert sind.

Meine Damen und Herren! Wir haben sehr oft über Wirtschaftsfragen diskutiert und haben gefragt: Die Krise, die Krise, ja wo ist sie denn eigentlich bei uns?

(Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

Im Bereich der Wirtschaftsförderung, im Bereich des Investitionsgeschehens konnten wir kaum einen Investitionsstau feststellen. Die Bilanzen der Investitionsbank oder der NordLB haben uns darin bestätigt.

Das Problem, das wir hatten, ist offenbar, dass einige Unternehmen, die vielleicht darauf aus waren, hier sozusagen billig zu Geld kommen, nicht investiert haben. In anderen Bereichen haben jedoch Investitionen stattgefunden.

Herr Minister, Sie haben in Ihrer Pressemitteilung vom März 2010 darauf hingewiesen: In dem Bereich, in dem die Investitionen nicht an Arbeitsplätze gebunden waren, waren es 36 Anträge mit einem Investitionsvolumen von 74 Millionen €. Dadurch wurden rund 2 300 Arbeitsplätze gesichert.

Herrgott noch mal, was sind denn das für Zahlen? Deswegen sagen wir: Jawohl, im Lande Sachsen-Anhalt steht wieder im Vordergrund, dass wir von dieser Entkoppelung wieder wegkommen.

Wir wollen, dass mit vernünftigen Investitionszahlen wieder vernünftige Arbeitsplätze verbunden werden. Die Investitionsförderung muss an neue Jobs gebunden werden. Sie muss an gute Arbeitsbedingungen geknüpft werden. Wir sind gespannt, falls wir in die Verlegenheit kommen, darüber im Wirtschaftsausschuss zu diskutie

ren, wie Sie die neue Regelung für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ab Januar 2011 ändern wollen.

(Herr Gürth, CDU: Die Redezeit ist schon vor- bei!)

Dabei sollten wir immer vor Augen haben, dass im nächsten Jahr die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa voll durchschlagen wird. Ich denke, Sachsen-Anhalt muss ordentlich aufgestellt sein, um den entsprechenden Auswirkungen begegnen zu können. Deshalb darf man eben nicht mit billigen Arbeitsplätzen und mit billigen Arbeitskräften werben. Man muss vielmehr vermitteln, dass in Sachsen-Anhalt ordentlich bezahlt wird. Die Größenordnung, über die wir reden, kennen Sie.

Ich komme zum letzten Punkt. Dann ist meine Redezeit leider schon abgelaufen.

(Oh! bei der CDU)

Es geht um das, was Herr Ministerpräsident Böhmer zum Thema Forschung und Entwicklung gestern hier gesagt hat. Ich weiß nicht, ob das Hohe Haus das so registriert hat. Es war nicht so ganz einfach, in seiner Rede die Highlights herauszufinden; für mich war das eines. Er hat deutlich gemacht, wie wir bei der Entwicklung innovativer und wissensbasierter Produktionszweige in Sachsen-Anhalt dastehen. Auch diese Zahlen sind Ihnen bekannt. Sie wurden vor wenigen Tagen veröffentlicht. Wir mussten feststellen, dass wir hinsichtlich der Investitionen in die Forschung bei einheimischen Unternehmen auf dem vorletzten Platz vor dem Saarland liegen.

Das ist wirklich ein Problem, meine Damen und Herren. Da ist die Wirtschaftsförderung stark gefordert. Wir haben in den letzten Jahren etwa 4 % unseres Haushaltsvolumens in den Bereich Forschung und Entwicklung gesteckt haben. Das ist eine Menge Geld. Es sind viele Institute entstanden. Die kann ich in den letzten 14 Sekunden nicht alle aufzählen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Aber das ist in etwa vergleichbar mit dem Niveau von Bayern und Baden-Württemberg, anteilig gesehen. Trotzdem stellen wir fest, dass sich der Abstand zwischen Ost und West in den letzten zehn Jahren nicht verringert hat. Deshalb müssen wir noch einmal darüber nachzudenken, wie zum Beispiel die wissensbasierte Wirtschaftsförderung neu aufgestellt werden muss. Die Forschungslandschaft in Sachsen-Anhalt ist wirklich massiv mit finanziellen Mitteln unterstützt worden. Aber in den Unternehmen passiert zu wenig.

Hier ist tatsächlich ein Umschwung erforderlich. Wir werden darüber sicherlich im Wirtschaftsausschuss diskutieren. Auf diese Debatte freue ich mich. Ich hoffe, dass Sie unserem Antrag vollen Herzens zustimmen können, obwohl er in Punkt 1 einige kritische Anmerkungen enthält. - In diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Dr. Thiel, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Wirtschaftsminister Herr Dr. Haseloff.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielleicht erst einmal zwei Korrekturen, Herr Thiel. Es geht um die unabhängige Studie des IAB. Das ist nicht unsere Studie, sondern wir nehmen sie genauso zur Kenntnis wie Sie. Deswegen haben wir darauf keinen Einfluss.

In Deutschland sind 16 000 Unternehmer befragt worden. Wenn die Sachsen-Anhalt gut finden - sage ich einmal ganz platt -, dann können wir alle gemeinsam darauf stolz sein. Das ist die Botschaft, die man daraus entnehmen kann.

(Beifall bei der CDU)

Diese Studie sagt bei dem Punkt Attraktivität der Arbeitsplätze nichts über die Struktur, Bezahlung und Ausgestaltung der Arbeitsplätze aus. Sondern dazu ist gefragt worden: Halten Sie das gesamtgesellschaftliche und persönliche Umfeld für geeignet, um Führungskräfte nach Sachsen-Anhalt zu ziehen? Man wollte damit feststellen, ob eine Verlegung aller wesentlichen unternehmerischen Aktivitäten bis hin zu den FuE-Kapazitäten gelingen kann, wenn man hier eine Investition getätigt hat. Was erlebe ich beim Akquirieren vor allen Dingen der höher qualifizierten Jobs?

In dieser Hinsicht haben wir imagemäßig einen Nachholbedarf. Das wissen wir. Wir sind nicht Dresden. Wir sind nicht München. Wir sind mitten in Deutschland und damit logistisch sehr hervorragend gelegen. Wir haben drei Oberzentren - eigentlich sind es zwei, aber wir rechnen Dessau mit dazu - mit Namen, die in Deutschland leider immer noch nicht bei jedem positiv belegt sind. Wir haben alle dafür zu sorgen, dass sich das Image des Landes in der Außenwirkung so darstellt, wie sich unsere sonstigen Leistungsdaten inzwischen darstellen. Daran können wir alle mitwirken.

Ich lade Sie alle dazu ein, weil es auch um Stolz, um Selbstbewusstsein und um Respekt vor der Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Arbeitgeber in diesem Lande geht, die es verdammt noch mal verdient haben, dass wir die in den letzten 20 Jahren erbrachte Transformationsleistung auch entsprechend zu würdigen wissen.

Sie schwenken dann auf das aktuelle fachpolitische Krisenmanagement um. Dazu muss ich die zweite Korrektur anbringen. Wir haben die GRW-Richtlinie nicht vor zwei Jahren verändert, sondern es wird erst seit einem Dreivierteljahr nach den veränderten Konditionen gefördert. Die Förderrichtlinie wurde verändert, weil wir von allen wesentlichen Verantwortlichen, von den Arbeitgeberverbänden, von allen Partnern im Forum für Wirtschaft und Arbeit und auch von den Instituten, die wir befragt haben, die ganz klare Ansage bekommen haben - die anderen ostdeutschen Bundesländer haben das schon wesentlich früher eingezogen -, dass die während der Krise verloren gegangene Liquidität und die riesigen Aufwendungen, die getätigt wurden, damit nicht entlassen werden musste, obwohl die Auftragsbücher nicht voll waren, durch ein entsprechendes Förderschema bei Investitionen respektiert und anerkannt werden, damit die Investitionen nicht behindert werden.

Wir merken schon bei den ausgereichten Fördermittelbescheiden, dass sich zwar die Zahl der Arbeitsplätze nicht vom ersten Tag an erhöht, aber das Beschäftigungsvolumen sukzessive über die Monate hinweg ansteigt, weil ein expandierendes Unternehmen zusätz