Protocol of the Session on June 18, 2010

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

der gewissermaßen die gute wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen-Anhalt verdammt.

(Herr Tullner, CDU: Der Teufel nicht! Der Hemm- schuh!)

- Nicht einmal das, Herr Tullner; nicht einmal ein Hemmschuh. Wir wollen die Bremsen lockern. Deswegen haben wir im zweiten Teil unseres Antrags ein paar Dinge vorgeschlagen. Dazu komme ich später.

Wenn hier schon Wahlkampfreden gehalten werden, dann ist die spannende Frage: Wo stehen wir denn eigentlich ein Dreivierteljahr vor der Landtagswahl?

(Herr Tullner, CDU: Gut!)

Ist das Erreichte noch nicht das Erreichbare? Sind wir auf dem richtigen Kurs?

(Herr Tullner, CDU: Ja!)

- Ja, sagt Herr Tullner. Das war immer die SED-Logik des IX. und X. Parteitages: Das zu Erreichende haben wir nicht erreicht, aber wir sind auf einem guten Kurs.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Tullner, CDU: Un- verschämtheit! - Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE - Unruhe)

Das war auch schon damals der Slogan der führenden Partei auf dem Territorium von Sachsen-Anhalt. Daher wundert mich an dieser Stelle einiges nicht.

(Herr Tullner, CDU: Billige Polemik!)

Zurück zum Kern des Themas. Wir werden nahezu täglich von sehr unterschiedlichen Meldungen überhäuft. Kammern, Verbände, Institute äußern sich. Es wird von Aufhellung gesprochen. Wir haben das Tal durchschritten. Es gibt krisenbedingte Insolvenzen. Die Auftragsbücher sind voll, die Auftragsbücher sind leer. Wir reden von gefühlten Erwartungen des Geschäftsklimas. Wir reden von gefühlten Umsätzen. Wir reden von Arbeitslosigkeit. Wir reden von Neuinvestitionen.

Die Medien sind durchaus voll mit diesen Dingen. Wie gelingt es jetzt dem geneigten Politiker zu bewerten: Wo sind wir in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes Sachsen-Anhalt eigentlich angekommen?

An dieser Stelle will ich eine erste Bewertung vorwegnehmen. Dann können wir uns trefflich darüber streiten, ob sie stimmt. Die These, die wir vertreten, lautet: Sachsen-Anhalt bewegt sich durchaus auf den Konjunkturwellen, durch Konjunkturhöhen und -täler, die sozusa

gen die globale Konjunktur in Deutschland widerspiegeln.

Eigentlich ist es egal, wer mit wem wo regiert. Die Wirtschaft hält sich nun einmal nicht an Legislaturperioden. Das heißt, es stellt sich die Frage, die auch heute früh aufkam: Sind wir nun das Musterländle? Oder sind wir das Land zwischen roter Laterne und Musterländle?

(Herr Gürth, CDU: Was hätten Sie denn gern?)

- Herr Gürth, ich erinnere mich an die Diskussion Ende 2001/Anfang 2002 über das Thema: Wo stehen wir denn in Sachsen-Anhalt?

(Herr Kosmehl, FDP: Sie haben uns runtergewirt- schaftet! - Unruhe)

Damals haben Ihre beiden Parteien maßgeblich gesät: Wir sind das Land der roten Laterne. Punkt 1.

(Herr Kosmehl, FDP: Richtig! - Herr Gürth, CDU: Und wo sind wir heute? - Zurufe von Herrn Kley, FDP, und von der CDU)

Punkt 2. Wir haben uns heute über Zahlen verständigt. Herr Haseloff hat gesagt: Herr Thiel, Sie müssen die Zahlen, die Sie verwenden, genau sehen und nur die realen und von vielen bestätigten Zahlen verwenden.

Ich nehme einmal die realen und von vielen bestätigten Zahlen aus dem Jahr 2001/2002. Damals hatte das Land Sachsen-Anhalt eine der höchsten Wachstumsraten in Deutschland.

(Herr Gürth, CDU, lacht)

- Ja, Herr Gürth, das sind die Zahlen.

(Herr Gürth, CDU: Wo habt ihr denn die Zahlen her?)

Sachsen-Anhalt lag deutlich vor den anderen Bundesländern.

(Minister Herr Dr. Haseloff: 2008 auch!)

- Ich komme gleich dazu, Herr Haseloff.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Langsam vorarbeiten!)

Ich will nur darauf verweisen: Wenn wir von der roten Laterne oder vom Musterländle reden, dann muss man sich einfach auch einmal anschauen, wo wir tatsächlich stehen. Nun werden wieder einige sagen: Sie reden das Land schlecht. Aber wir können über diese Dinge ja einmal diskutieren.

(Herr Tullner, CDU: Damals war Schwarz-Gelb schon im Kommen! Deshalb waren die Zahlen so gut! - Zurufe: Oh! - Unruhe)

- Wissen Sie, als Sie in den Jahren 2003 und 2004 die Regierung übernommen haben, ging es mit dem Wirtschaftswachstum wieder nach unten. Auch das muss man feststellen.

(Herr Tullner, CDU: Das waren die ganzen Altlas- ten! - Herr Kosmehl, FDP: Oh!)

Deswegen sage ich: Man sollte die eigene politische Kraft, die man in die Wirtschaft steckt, niemals anhand von Legislaturperioden bewerten, sondern auf die Auswirkungen schauen.

(Herr Gürth, CDU: Ich habe die Zahlen Gott sei Dank alle mit! Ich werde sie noch einmal vorle- sen!)

Jetzt zum Thema Musterländle. Am 8. Juni 2010 gab es auf der Titelseite der „Volksstimme“ die Information: Wir sind dank unseres guten Fachkräfteangebots auf Platz 2 in Deutschland angekommen. Die unabhängigen Wirtschaftsinstitute hätten uns bescheinigt: Platz 1 beim Fachkräfteangebot, Platz 1 beim regionalen Lohnniveau, Platz 1 bei der kommunalen Abgabenlast und Platz 1 bei den Preisen von Gewerbeflächen. Es gab noch ein paar kleine Bereiche, wo wir Platz 13 oder 14 sind. Das betrifft die Attraktivität von Arbeitsplätzen, die Forschung und Entwicklung usw. usf.

Dann muss man doch einmal hinterfragen: Was sind denn tatsächlich die Vorteile, die wir zum Beispiel haben? Nehmen wir einmal das Beispiel kommunale Abgabenlast. Die Unternehmen können sich doch freuen, wenn sie den Kommunen im Bereich der Steuern weniger zu zahlen haben. Die Unternehmen können sich doch darüber freuen, dass sie ihre Steuern gar nicht bei uns entrichten müssen. Die vielen kleinen mittelständischen Unternehmen zahlen an dieser Stelle überhaupt keine Steuern.

Man kann auch sagen: Vorteil bei Preisen und Verfügbarkeit von Gewerbeflächen. Man muss danach fragen. Gewerbeflächen werden in der Regel mit hohem Aufwand bereitgestellt. Hat einmal jemand nachgerechnet, zu welchen Preisen die Gewerbeflächen dann verkauft werden?

Ich könnte Ihnen einige weitere Beispiele nennen. Das will ich mir jetzt ersparen. Aber das können wir im Wirtschaftsausschuss durchaus noch einmal diskutieren.

(Herr Tullner, CDU: Genau!)

Ich sage kein Geheimnis: Der Verkauf wird oftmals mit Verlusten für die öffentliche Hand durchgeführt. Der Flächenverbrauch wird nahezu ungehemmt genehmigt.

(Zustimmung bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

- Wie kommt die Entwicklung bei den Menschen an, Herr Gürth? Das ist eine sehr gute Frage, die Sie gerade aufwerfen.

Dazu stellen wir fest: Nach der Statistik des Statistischen Landesamts für 2009 liegen wir mit einem Jahresverdienst von 22 500 € 5 000 € unter dem Bruttodurchschnittsverdienst von Deutschland. Das ist das, was von der Investitionskraft, die wir in das Land gesetzt haben, tatsächlich bei den Menschen ankommt.

Außerdem stellt sich die Frage: Welche Arbeitsplätze haben wir? - Wenn man sich die Entwicklung seit 2006 anschaut, als im Land sozusagen neue Konstellationen aufrufen worden sind, um die Dinge zu beeinflussen, dann stellen wir fest: Ja, statistisch ist die Zahl der Arbeitsplätze nahezu konstant geblieben. Sie hat sich nur in einigen wesentlichen Bereichen geändert: Die Zahl der Vollzeit- und unbefristeten SV-pflichtigen Beschäftigungsverhältnisse hat deutlich abgenommen und die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse hat deutlich zugenommen. - So viel zu dem Thema: Was kommt bei den Menschen an?

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben in diesem Hohen Hause oft genug darüber diskutiert, dass Lohnzurückhaltung die Binnennachfrage drosselt und dass dadurch kaum Anreize geschaffen werden für zusätzliche Investitionen oder Arbeitsplätze für den bedeutsamen Binnenmarkt.

Das heißt, wenn wir Sachsen-Anhalt bewerten - - Das sollten wir im bevorstehenden Landtagswahlkampf durchaus differenziert tun. Sie werden dann Ihre Erfolge benennen und wir werden den Finger in die Wunde legen. Das ist an dieser Stelle nichts Unnormales. Deswegen sagen wir immer: Sachsen-Anhalt ist ein sich sehr differenziert entwickelndes Land.

Ich glaube, Frau Take hat heute früh gesagt: Wir alle wollen ein Land entwickeln, ein lebens- und liebenswertes Sachsen-Anhalt. Ich glaube, das haben Sie in Ihrem Beitrag gesagt.