(Herr Gürth, CDU: Das ist aber nicht die Defini- tion des gegenwärtigen Steuerrechts! Da zählen Facharbeiter dazu!)
Das ist schön. Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich dachte schon, Sie wollten mir das Wort nicht mehr geben, als Sie sagten, das sei die letzte Wortmeldung.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich sehe schon, die Diskussion im Finanzausschuss wird sehr lebhaft geführt werden. Ich kenne Frau Dr. Klein nicht nur heute kämpferisch, ich habe sie auch ansonsten schon so erlebt, Herr Tullner. Das ist nicht das erste Mal.
Wir beginnen also heute recht temperamentvoll und emotional mit den Beratungen zu einem, wie ich finde, der wichtigsten Gesetze im Finanzbereich, nämlich der Änderung der Landeshaushaltsordnung. Für mich und für uns ist das ein weiterer Baustein, mit welchem wir unser System einer nachhaltigen Finanzpolitik in Sachsen-Anhalt vervollständigen.
In den vergangenen Jahren haben wir schon die verschiedenen Elemente einer zukunftsorientierten Politik verabschiedet, Herr Kosmehl.
Dazu gehört - ich bin gern dazu bereit, weil ich weiß, dass Sie nicht so drinstecken und manches auch verdrängen - eine verbindlichere mittelfristige Finanzplanung. Dazu gehört natürlich auch das Personalentwicklungskonzept; es ist sehr umstritten, aber wichtig.
Dazu gehören die Rückführung der Neuverschuldung und auch die Bildung der Vorsorgeelemente. Das sind, wie Sie wissen, die Steuerschwankungsreserve, der Pensionsfonds und die Zukunftsstiftung.
Drei Jahre lang hat Sachsen-Anhalt keine neuen Schulden aufgenommen. Das war in den Jahren 2007 und 2008 im Haushaltsvollzug möglich. Im Jahr 2009 haben wir bereits im Aufstellungsverfahren auf eine Neuverschuldung verzichtet. Diese positive Entwicklung konnte nun aufgrund der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise nicht fortgesetzt werden, weil diese zu beträchtlichen Einnahmeausfällen führte.
Aber die Krise machte zugleich deutlich, wie wichtig und wie nötig die Einrichtung und vor allem die regelmäßige Bedienung der Vorsorgeelemente Steuerschwankungsreserve, Pensionsfonds und Zukunftsstiftung ist. Es ist aus meiner Sicht deshalb unbedingt sicherzustellen, dass diese in Zukunft so schnell wie möglich wieder aufgefüllt werden, damit wir in schwierigen Zeiten und Situationen darauf zurückgreifen können.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Warum beschäftigen wir uns heute mit einem Änderungsgesetz zur Landeshaushaltsordnung, das insbesondere eine veränderte Schuldenregelung zum Ziel hat? - Wir tun dies nicht, weil der Finanzminister, wie Sie, Herr Tullner, unterstellen, der Meinung ist: Wir können das jetzt machen; das gibt ein gutes Bild, auch dem Bund gegenüber; und schließlich können wir das mit dem Haushaltsgesetz auch wieder ändern.
Vielmehr machen die Ihnen allen bekannten Ausgangsbedingungen aus meiner Sicht eine solche Änderung der Landeshaushaltsordnung notwendig. Das sind die bis jetzt aufgelaufenen Schulden des Landes Sachsen-Anhalt in Höhe von 21 Milliarden € und natürlich die damit
verbundene Zinsbelastung in Höhe von rund 9 % des Jahresetats, Mittel, die wir für andere Dinge ausgeben könnten. Genau diese Fakten bedingen eine striktere Regelung.
Wir sind auch aufgrund der Ergebnisse der Föderalismuskommission II dazu gezwungen. Die im Ergebnis dieser Kommission erfolgte Änderung des Grundgesetzes legt es den Ländern auf, ab dem Jahr 2020 die Haushalte in normaler konjunktureller Lage grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.
Sie haben Recht, Frau Dr. Hüskens. Auch wir haben uns im Arbeitskreis gefragt: Was ist denn das? Wie kann man das besser definieren? Wann kann man von einer Abweichung von der Normallage sprechen? Welche Dimension muss eine solche Abweichung haben? - Das ist schwer einzuschätzen. Darüber muss man diskutieren und man muss vielleicht eine bessere Definition finden. Das heißt also, dann dürfen keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden.
Bis zu diesem Jahr sind die Länder gehalten, die Neuverschuldung stufenweise abzubauen. Danach sind Kreditaufnahmen nur noch bei ungünstigen konjunkturellen Entwicklungen möglich, zum Beispiel in Ausnahmesituationen wie Naturkatastrophen oder der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise. Auch dies wäre eine solche Ausnahmesituation.
Zur Unterstützung dieses Kurses erhalten fünf finanzschwache Länder neun Jahre lang Konsolidierungshilfen, die gemeinsam vom Bund und von allen Ländern aufgebracht werden. Bei uns in Sachsen-Anhalt belaufen sich diese Hilfen auf 80 Millionen € jährlich, das sind netto rund 68 Millionen €. Diese Hilfen sind aber mit Auflagen verbunden. So wird auf der Grundlage einer Konsolidierungsvereinbarung ein Begleitsystem eingerichtet, das mit einer Bestandsaufnahme beginnt und dann einen Konsolidierungspfad festlegt.
Mit der geplanten Änderung der Landeshaushaltsordnung wird die Aufnahme von Krediten in unserem Land nicht völlig ausgeschlossen. Ausgeschlossen ist jedoch die Finanzierung von zusätzlichen Ausgabewünschen über eine Neuverschuldung.
Müssen im Falle der Ausnahmesituation gemäß § 18 (neu) LHO neue Kredite aufgenommen werden, so ist dafür auch ein verbindlicher Tilgungsplan aufzustellen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Tilgung bei anzunehmender guter Konjunkturentwicklung zügig zu erfolgen hat. Was bedeutet das? - Das heißt, im ersten Jahr ohne Kreditaufnahme muss bereits mit der Tilgung begonnen werden, spätestens jedoch im vierten Jahr, das auf die Kreditaufnahme folgt.
Das hat zur Folge, dass bei einem Wirtschaftswachstum die Steuereinnahmen zur Rücklagenbildung bei den Vorsorgeelementen und zur Rückführung der Gesamtverschuldung genutzt werden, also nicht für weitere Ausgabensteigerungen, sondern für die Bedienung der Vorsorgeelemente und für die Rückführung der Schulden. Das bedeutet aber auch, dass es während dieser Zeit zu einer höheren Ausgabenbelastung kommt.
Mithilfe eines solchen Tilgungsplanes wird die Neuverschuldung relativ zeitnah abgebaut, was zu einer spürbaren Entspannung bei der Zinsbelastung führt. Eben das, Frau Dr. Klein, wollen wir damit erreichen: den Gestaltungsspielraum erhalten durch weniger Zinsen. Das
Neben der Erstellung des Tilgungsplanes für die Aufnahme der neuen Schulden - das ist das, was wir jetzt in § 18 aufgenommen haben - soll regelmäßig auch die Gesamtverschuldung - wir haben noch immer Schulden in Höhe von 20 Milliarden € - zurückgeführt werden. Deswegen wird in die mittelfristige Finanzplanung ein Entschuldungskonzept eingebaut. Mit der Festlegung des Tilgungsplanes und des Entschuldungskonzepts übernimmt der Landtag die Verantwortung für die Rückführung der Verschuldung über einen längeren Zeitraum im Gegensatz zum bisherigen Verfahren, bei dem der Landtag nur im Rahmen des jährlichen Haushaltsplans über Tilgung oder Nichttilgung im betreffenden Zeitraum entschieden hat.
Darüber hinaus muss die Landesregierung jährlich über die Einhaltung dieses Tilgungsplans und des Entschuldungskonzepts Bericht erstatten, was die Stellung des Parlaments als Kontrollorgan gegenüber der Landesregierung aus unserer Sicht unterstreicht.
Mit dem vorliegenden Entwurf wird nicht nur die veränderte Verschuldungsregelung verabschiedet, sondern es werden zudem auch die Mitwirkungsrechte des Parlaments gestärkt, zum Beispiel im Rahmen der Unterrichtung des Landtages bei Landesbeteiligungen an Unternehmen. Es sind noch andere Punkte enthalten.
Ich habe wiederholt auf die zentrale Bedeutung der Vorsorgeelemente Steuerschwankungsreserve, Pensionsfonds und Zukunftsstiftung hingewiesen. Ich finde es wichtig und begrüße es außerordentlich, dass diese durch die Aufnahme in § 62 LHO - Rücklagen - auch einen verbindlicheren Charakter erhalten.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Entwicklungen in den letzten Monaten haben deutlich gezeigt, dass gehandelt werden muss, um dem Land SachsenAnhalt Gestaltungsspielräume zu erhalten - nicht auszuweiten, sondern zu erhalten. Wir begrüßen, dass die angestrebte Änderung bereits ab dem Jahr 2013 in Kraft treten soll, weil die augenblickliche Situation der Landesfinanzen aus unserer Sicht keine Alternative zulässt. Wir können uns schlicht und ergreifend keine lange Übergangsphase bis 2019 leisten. Wir müssen jetzt handeln.
Wir verringern damit die Belastung durch weiter steigende Zinsen. Mit einer strikten Haushaltsaufstellung und Haushaltsführung vermeiden wir zusätzliche Belastungen, die die jungen Generationen schultern müssen. Wir sollten daher der Versuchung widerstehen, den möglichen Zeitraum für den Abbau der Neuverschuldung bis zum Jahr 2019 zu strecken. Das erfordert natürlich auch genügend Selbstdisziplin; denn bei veränderten politischen Schwerpunkten müssen diese durch Einsparungen an anderer Stelle finanziert werden. Das unterstreicht auch die Stellungnahme der FDP-Fraktion.
Das entspricht aber auch der Lebenswirklichkeit. Denn jeder private Haushalt weiß: Man kann nur das Geld ausgeben, das man eingenommen hat. Diese Weisheit ist eigentlich sehr simpel. Wir vergessen sie aber ganz gern, wenn es um öffentliche Haushalte geht.
Neben der verringerten Zinsbelastung muss die Verabschiedung einer vorzeitigen strikten Verschuldungsregelung aber auch als Signal an den Bund und an die anderen Bundesländer gewertet werden, nämlich dass Sachsen-Anhalt seine Probleme ernsthaft angeht. Mit der
Verabschiedung des Gesetzes wird die Verhandlungsposition unseres Landes hinsichtlich der Konsolidierungsvereinbarungen gestärkt und die Richtigkeit der Entscheidung, Sachsen-Anhalt Konsolidierungshilfen zukommen zu lassen, unterstrichen.
Mit der vorliegenden Schuldenregelung wird auch nicht, wie oft behauptet wird, die Handlungsfähigkeit des Staates beeinträchtigt; denn es wird ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, dem Land in Krisenzeiten zusätzliche Finanzmittel aus Krediten in die Hand zu geben, damit die Situation bewältigt werden kann.
Die öffentliche Hand kann damit in wirtschaftlich ganz schwachen Zeiten aktiv eingreifen, sie wird aber dazu gezwungen, in konjunkturell günstigeren Zeiten die aufgenommenen Schulden wieder abzubauen, sodass der Haushalt nicht auf Dauer belastet wird.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist die konsequente Fortsetzung eines Weges, der im Jahr 2006 begonnen wurde und vom Finanzminister mit der Formel „konsolidieren, investieren, vorsorgen“ beschrieben wird. Die SPD-Fraktion steht zu diesem Weg und trägt deshalb auch das Konzept einer veränderten Verschuldungsregelung mit. Es gibt keine sinnvolle, das heißt zukunftsorientierte Alternative.
Ich weiß, dass wir über viele Einzelheiten im Finanzausschuss beraten werden. Es ist richtig: Auch über Begriffe wie „erhebliche Beeinträchtigung der Finanzlage“ oder „rechtzeitige Information“ - was ist darunter zu verstehen? - müssen wir dort reden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Fischer, es gibt drei Nachfragen von Herrn Kosmehl, von Frau Dr. Hüskens und von Herrn Tullner. Ich würde jetzt auch nur diese drei Nachfragen zulassen, um dann den Tagesordnungspunkt zu beenden. - Zunächst Herr Kosmehl.
Frau Kollegin Fischer, Sie sind in Finanzdingen immer sehr nah an den Zahlen. Deshalb traue ich es mich, diese Frage zu stellen. Können Sie bestätigen, dass die Jahre, in denen - Sie haben zu Recht darauf hingewiesen - das Land Sachsen-Anhalt keine neuen Schulden gemacht hat, also die Jahre 2007, 2008 und 2009, in den letzten 20 Jahren die drei Jahre waren, in den das Land Sachsen-Anhalt die höchsten Steuereinnahmen zu verzeichnen hatte?
Ich weiß genauso wie Sie, dass diese Einnahmen dazu beigetragen haben, dass wir keine neuen Schulden aufnehmen mussten. Selbstverständlich ist das auch eine normale konjunkturelle Entwicklung, die uns geholfen hat.
Frau Fischer, ich weiß nicht, ob ich vielleicht unaufmerksam war. Können Sie mir einmal ganz kurz erklären,
warum Sie heute für die Aufnahme eines Neuverschuldungsverbotes in die Landeshaushaltsordnung sind, obwohl Sie das vor knapp einem Jahr noch abgelehnt haben?