Herr Kurze, Ihre Andeutungen waren reichlich diffus. Sie waren auch nicht bereit, sie deutlicher zu erklären. Wenn Sie das schon in einer solchen unvergleichlichen - in Anführungsstrichen - Sensibilität ins Plenum zerren, dann will ich Ihnen ganz deutlich sagen: Ich finde es sehr mutig und empfinde es als Vertrauensbeweis, dass mein Verband den Mut hatte, mich zu seiner Vorsitzenden zu machen. Dazu stehe ich und diese Arbeit macht Spaß.
Vielen Dank, Frau Bull. - Damit ist die Debatte abgeschlossen und wir stimmen ab. Die Fraktion DIE LINKE hat beantragt, ihren Antrag mit einem kleinen Einschub an den Sozialausschuss zu überweisen. In diesem Fall
wäre der Alternativantrag mit überwiesen. Wer stimmt diesem Überweisungsantrag zu? - Die Antragsteller. Wer stimmt dagegen? - Die Koalitionsfraktionen.
Jetzt stimmen wir über den Antrag selbst ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Antragsteller. Wer stimmt dagegen? - Alle anderen Fraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt worden.
Jetzt stimmen wir über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 5/2577 ab. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Antragsteller und die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Die Fraktion DIE LINKE. Dann ist das so beschlossen. Ich darf noch hinzufügen, dass es hierbei um einen schriftlichen Bericht an den gesamten Landtag geht, der nicht nur Angelegenheit eines Ausschusses ist.
Bevor ich den Tagesordnungspunkt 17 aufrufe, habe ich die Freude, auf der Tribüne Damen und Herren des Volkshochschul-Bildungswerkes Magdeburg sowie Seniorinnen uns Senioren aus Merseburg begrüßen zu können.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, unser Antrag mit dem Titel „Mehr Transparenz für öffentlich-private Partnerschaften“ ruft bei den meisten Kolleginnen und Kollegen gewisse Assoziationen hervor. Als Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker ist Ihnen PPP, also die Beteiligung privater Bauunternehmen, zumeist im Bereich des Schulbaus, sicherlich schon begegnet. Als Landtagsabgeordnete waren wir alle mit dem Bau der bundesweit ersten teilprivat betriebenen Justizvollzugsanstalt in Burg-Madel konfrontiert.
PPP - Public Private Partnership - zu Deutsch: öffentlichprivate Partnerschaft - ÖPP - bezeichnet also das Finanzieren und, wie bei der JVA, auch das Betreiben von staatlichen Einrichtungen durch private Unternehmen.
Nach Angaben der ÖPP Deutschland AG, die im Jahr 2008 gegründet wurde und die Banken, Baukonzerne, Regierungen des Bundes und der Länder sowie kommunale Vertretungen eint, gibt es bundesweit aktuell etwa 150 PPP-Modellprojekte. Das entspreche lediglich 4 % aller öffentlichen Baumaßnahmen und müsse dringend auf mindestens 12 % ausgebaut werden, meint die Deutschland AG. Dies meinen also die Lobbyisten.
Dass PPP oder ÖPP größere Entwicklungspotenziale habe, meint auch die EU-Kommission in ihrer Mitteilung
- wie gesagt, nur in einer Mitteilung - vom November 2009 - dies ist auch der Anlass für unseren Antrag. Das zeigt sich schon bei dem ausufernden Titel des Papiers KOM(2009) 615: „Mobilisierung privater und öffentlicher Investitionen zur Förderung der Konjunktur und eines langfristigen Strukturwandels: Ausbau öffentlich-privater Partnerschaften“.
Da jedoch in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise die Zahl der Projekte stagniere, sei es - ich zitiere - „umso dringender und wichtiger, neue Möglichkeiten zur Förderung und Entwicklung von ÖPPs zu eruieren“.
Die EU-Kommission sieht folglich den Beitrag der EU für mehr ÖPP insbesondere bei der Finanzierung durch die Strukturfonds. Dies geschehe zum Teil jetzt schon durch die Wirtschaftsprogramme Jaspers, Jessica und Jeremie. Laut Papier sollen ÖPPs aber langfristig eine stärkere Rolle spielen. Deshalb will die EU-Kommission eine ÖPP-Fachgruppe einsetzen, die den Mitgliedstaaten Maßnahmen - ich zitiere - „zur Beseitigung der Hindernisse für die Entwicklung der ÖPPs und zur Förderung ihrer Nutzung erarbeitet“. - Dies ist auf Seite 14 der Mitteilung nachzulesen.
„Die Kommission überprüft die einschlägigen Vorschriften und Verfahren, um zu gewährleisten, dass es in Fällen, in denen Mittel aus dem Gemeinschaftshaushalt fließen, bei der Zuweisung öffentlicher Mittel keine Diskriminierung zwischen der privaten oder öffentlichen Verwaltung des Projekts gibt.“
Hierzu muss ich, falls sich jemand an dem Wort „Verwaltung“ stört, sagen: Das ist eine Schwäche der Übersetzung, gemeint ist „öffentliche oder private Hand“.
Während das EU-Papier im Bundesrat im Februar auf breite Zustimmung traf, möchten wir doch auf die kritischen Punkte bei PPP und deren weiterer Förderung eingehen. Der Vorschlag der Kommission, EU-Strukturfondsmittel stärker an die Vergabe in Form von PPP zu binden, muss vor dem Kontext der beginnenden Haushaltsverhandlungen zum EU-Haushalt ab dem Jahr 2014 gesehen werden.
Das gibt einen Vorgeschmack auf die Ausrichtung: noch mehr Wettbewerb statt sozialem Ausgleich, mehr Geld für die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Außenwirkung der EU, weniger Geld für unterfinanzierte öffentliche Haushalte und ihre Aufgaben. - Damit sind wir wieder bei PPP.
Was ist das Hauptargument der PPP-Fans? - Die Finanznot der öffentlichen Haushalte. Ich zitiere Herbert Bodner, einen der ausgewiesenen Fans von PPP und Präsident des Hauptverbandes der Bauindustrie sowie Vorstandschef der Bilfinger Berger AG, Deutschlands zweitgrößtem Baukonzern:
„Wir sind davon überzeugt, dass die öffentliche Hand angesichts der Kassenlage verstärkt auf PPP-Projekte zurückgreifen muss.“
Das sagte er dem „Handelsblatt“ am 5. Oktober 2009 anlässlich der Übergabe „seines“ Gefängnisses in BurgMadel.
Aber sind fehlende Mittel der öffentlichen Hand gute Voraussetzungen für eine Partnerschaft? - Die Not des einen wird zum Geschäft des anderen. Der Eigentümer wird zum Mieter, und das in Verträgen mit einer Dauer
von bis zu 30 Jahren. Das geschieht noch dazu in sensiblen staatlichen Aufgabenbereichen wie dem Strafvollzug, der Bildung, der Verwaltung.
PPP kann keine Lösung für verschuldete Kommunen, Länder oder den Bund sein. Es ist maximal eine kurzzeitige kreative Buchführung, weil die jahrelangen Mietzahlungen an den Investor nicht als Schulden ausgewiesen werden. Außerdem verlieren die Parlamentarierinnen und Parlamentarier die Möglichkeit, über das mit Steuergeldern bezahlte Eigentum mitzubestimmen. Diese Einschränkung der demokratischen Kontrolle führte im vergangenen Jahr dazu, dass der Leipziger Stadtrat die Sanierung von Schulen mittels PPP ablehnte.
Bei den meisten kommunalen Projekten in zweistelliger Millionenhöhe haben regionale kleinere Firmen nicht einmal eine Chance bei der Vergabe, wie auch die Anhörung vor dem Wirtschafts- und dem Finanzausschuss im Jahr 2007 im Landtag ergab.
PPP ist völlig intransparent und undemokratisch, wenn Verträge seitens der Investoren, Berater und Banken dem Betriebsgeheimnis unterstellt und somit ungesehen abgesegnet werden oder wenn nach Einsicht vertraglich Stillschweigen vereinbart wird, wie es in Halle und Magdeburg schon der Fall war. - So viel zu dem öffentlichen Partner.
Jetzt zu dem privaten. Dieser hat im Gegenzug eine langfristige planbare Gewinneinnahme, was im Baugeschäft sonst normalerweise nicht der Fall ist. Nun kann man Privatunternehmen die Orientierung auf Gewinnmaximierung schwerlich vorwerfen, allerdings sind die Pflichtaufgaben der öffentlichen Hand dafür nicht die richtige Spielwiese; denn hierbei geht es um das Gemeinwohlinteresse. Diesen Zielkonflikt kann PPP nicht ausräumen.
Kommen wir noch einmal auf das Betreibermodell der JVA Burg-Madel zurück. Die Anwälte und Berater der Bilfinger Berger AG haben einen 3 000 Seiten mächtigen Vertrag in 13 dicke Ordner gequetscht. Ich will jetzt nicht fragen, wer das wirklich alles gelesen hat - eventuell die Frau Justizministerin.
Herr Doege hat im Finanzausschuss am 4. Dezember 2006 zu bedenken gegeben, dass der Ausschuss, wenn er die vom Landesrechnungshof erhobenen Einwände ernsthaft prüfen wolle, das gesamte umfangreiche Vertragswerk durcharbeiten müsse. Dies könne nicht die Aufgabe des Ausschusses sein und dürfte sein Leistungsvermögen überschreiten. - Na, ja.
Jedenfalls hat Sachsen-Anhalt jetzt eine Vollzugsanstalt, in der Dienstleistungen wie Essensausgabe, Werkstätten, Bibliotheken und Wäschedienst privatisiert sind. Das Land bezahlt dafür monatlich 1,7 Millionen €; das ergibt im Jahr insgesamt 20 Millionen € und bis zum Jahr 2034 mehr als 510 Millionen €. Das ist ein Supergeschäft für den Konzern aus Mannheim, wie ich denke. Er hat lediglich 10 % der Gesamtkosten inklusive Baukosten, also 100 Millionen €, investiert. Bei einem so geringen Projektrisiko reichte das den Banken zur Finanzierung.
Um eine ordentliche Rendite aus PPP zu ziehen, sparen die Investoren an Personal und Material oder auch an der Qualifizierung des Personals.
Am 30. November 2009 beklagte der Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Anton Bachl ge
genüber der Nachrichtenagentur ddp Folgendes: Der Bau der JVA Burg-Madel als PPP-Projekt sei deutlich teurer geworden als die Errichtung einer solchen Einrichtung in Eigenregie des Landes. Nicht zuletzt aufgrund dieser Erkenntnis habe Bayern erst vor Kurzem die Planung für ein PPP-Projekt zur Errichtung einer JVA in Augsburg gestoppt.
Die Probleme in Burg seien nicht nur finanziell gravierend, sondern vor allem auch struktureller Natur. Der hohe Krankenstand sei vorrangig in der schlechten Bezahlung, in fehlenden Beförderungsperspektiven und in der nachlassenden Motivation der Bediensteten begründet. Der BSBD warnte davor, dass am falschen Platz der Gesellschaft gespart werde.
Ein wichtiger Aspekt bei PPP ist somit die Auswirkung auf die Beschäftigten, insbesondere die der öffentlichen Verwaltung. Es bedeutet: Vorhandene öffentliche Fachkompetenz von den Bauabteilungen bis zu Fachverwaltungen im Kultur- und Sozialbereich werden verdrängt, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden ihrer angestammten Tätigkeit mittelfristig beraubt. Somit wird die Fähigkeit des Staates geschwächt, sich selbst wirtschaftlich im öffentlichen Interesse zu organisieren. Deshalb opponiert neben der GEW und Ver.di auch der Städte- und Gemeindebund gegen die Euphorie in Bezug auf PPP.
Selbst wenn man diese politische, gesellschaftliche Problematik ausblendet und PPP rein fiskalisch betrachtet, zeigt sich eine negative Bilanz. Bereits im Jahr 2006 haben die Präsidenten der Landesrechnungshöfe in einem Beschluss festgehalten - ich zitiere -:
„Bei PPP-Projekten treten andere laufende Ausgaben an die Stelle von Zins- und Tilgungslasten und belasten künftige Haushalte. PPP-Projekte, die sich die öffentliche Hand konventionell finanziert nicht leisten kann, darf sie sich ebenso wenig alternativ finanziert leisten.“
Der hiesige Landesrechnungshof kam bei einer aktuellen Wirtschaftlichkeitsprüfung der PPP-Projekte in Halle zu der Bewertung, dass es bei den meisten Objekten keine Vorteile bringe. Dies ist nachzulesen in der OnlineAusgabe vom 6. April 2010. Nach Einschätzung des Landesrechnungshofes werden für Halle finanzielle Mehraufwendungen während der 25-jährigen Vertragslaufzeit entstehen.
Eine Alternative kann unseres Erachtens nur sein, die Kommunen und Länder wieder in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben erfüllen zu können. Statt einer Fortführung der jahrelangen verfehlten Steuerpolitik muss es Einnahmen für die Kommunen geben.
Der Städte- und Gemeindebund rechnet im Jahr 2010 mit einer Verschuldung in Höhe von 15 Milliarden €. Wir fordern deshalb die Landesregierung auf, im Bundesrat die aufgabenbezogene Finanzierung der öffentlichen Haushalte einzufordern. Ein hilfreiches Instrument dafür ist die Abschaffung der Gewerbesteuerumlage der Kommunen an Bund und Land.