Protocol of the Session on April 30, 2010

„Wir in der späteren Bundesrepublik Deutschland erhielten die kostbare Chance der Freiheit. Vielen Millionen Landsleuten bleibt sie bis heute versagt.“

Ich glaube, wir alle in diesem Hohen Hause sind dankbar, dass dieser Satz heute nicht mehr gilt.

(Beifall im ganzen Hause)

Aber die geschichtliche Wirklichkeit, die dahintersteht, darf nicht vergessen werden. Der Barbarei des Nationalsozialismus folgten in Ostdeutschland die Verbrechen des Stalinismus. Der Oberbürgermeister von Crimmitschau wurde nun von seinen eigenen zwangsvereinigten SED-Genossen ins Gefängnis gebracht.

Die überlebenden Häftlinge von Langenstein-Zwieberge wurden über die Nutzung der von ihnen gebauten Tunnelanlage belogen. Die Gedenkfeiern auf dem Gelände des Lagers wurden zum rituellen Selbstbetrug missbraucht.

Die Menschen im Westen Deutschlands und für eine bestimmte Zeit auch im Osten Deutschlands erhielten die Freiheit 1945 als kostbare Chance von außen nach einer verheerenden Niederlage, einem schrecklichen Untergang, nach der Befreiung. Die Freiheit 1989 erkämpften wir uns selbst. Diese Aktuelle Debatte würde ohne diesen Kampf und ohne diesen Sieg heute nicht stattfinden. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall im ganzen Hause)

Ich danke Ihnen, Herr Miesterfeldt, für Ihren Beitrag. - Der Fraktionsvorsitzende Herr Gallert hat um das Wort gebeten. Bitte schön.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil ich ausdrücklich auf den Redebeitrag des Ministerpräsidenten eingehen wollte, und zwar an dieser Stelle ausschließ

lich auf diesen Redebeitrag, weil ich ihn in seiner Gesamtaussage ausdrücklich unterstütze

(Beifall bei der LINKEN)

und ihn für sehr wegweisend gehalten habe. Aber gerade deshalb erlaube ich mir an drei Stellen, einen Dissens anzumelden.

Herr Ministerpräsident, Sie haben eine Formulierung gebraucht, die lautete: Viele Deutsche haben in diesem Krieg in guter Absicht und in totaler Verblendung gekämpft. - Dass sie in totaler Verblendung gekämpft haben, dürfte konsensfähig sein. Hinsichtlich der Äußerung, dass man in einen solchen, für jeden vernünftig denkenden Menschen erkennbaren Angriffs-, Aggressions- und Vernichtungskrieg mit einer guten Absicht hineingehen kann, melde ich aber Dissens an.

(Herr Stahlknecht, CDU: Das hat er nicht ge- macht! Das ist doch gar nicht passiert! Da müs- sen Sie besser zuhören! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Ich habe sehr genau zugehört.

Zweitens. Herr Böhmer, ich melde an einer zweiten Stelle Dissens an. Sie haben gesagt: Dieser Krieg ist nach Deutschland in gleicher Weise zurückgekehrt. - Wer sich mit den historischen Realitäten der Strategie der verbrannten Erde in der Sowjetunion bei dem Rückzug der deutschen Wehrmacht auseinandergesetzt hat, der weiß, dass trotz aller Verbrechen in der Nachkriegszeit, die auch von Besatzern ausgeführt worden sind, diese These nicht zu halten ist; sonst sähe auch dieses Land hier heute anders aus.

Drittens. Es gab zumindest bei Wahlen in der Weimarer Republik nie eine Mehrheit für die Faschisten. Anfang 1933 wurde bei der entsprechenden Reichstagswahl etwa ein Drittel der Stimmen für die Faschisten abgegeben. Die Machtposition eines Adolf Hitler ist nicht durch diese Wahl entstanden. Sie ist ihm vom Reichspräsidenten Hindenburg verliehen worden, von einem Reichspräsidenten, der sich auf die Mehrheiten bürgerlicher Parteien gestützt hatte. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Also! - Herr Stahlknecht, CDU: Mann, oh Mann! - Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, danke für Ihre Beiträge. - Die Aktuelle Debatte ist damit abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Beratung

Vierter Zwischenbericht der Enquetekommission „Die Gestaltung einer zukunftsfähigen Personalentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes Sachsen-Anhalt“

Beschluss des Landtages - Drs. 5/21/638 B

Beschlussempfehlung der Enquetekommission - Drs. 5/2537

Ich darf nun die Berichterstatterin der Enquetekommission, die Abgeordnete Frau Nicole Rotzsch, bitten, ihren Bericht abzugeben. Frau Rotzsch, Sie haben das Wort.

Frau Rotzsch, Berichterstatterin der Enquetekommission „Die Gestaltung einer zukunftsfähigen Personalentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes Sachsen-Anhalt“:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der vorliegenden Drucksache erstattet die Enquetekommission „Die Gestaltung einer zukunftsfähigen Personalentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes“ dem Landtag ihren Vierten Zwischenbericht für die Zeit vom 13. Juni 2009 bis zum 18. September 2009.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, ich bitte doch um Aufmerksamkeit.

Frau Rotzsch, Berichterstatterin der Enquetekommission „Die Gestaltung einer zukunftsfähigen Personalentwicklung im öffentlichen Dienst des Landes Sachsen-Anhalt“:

Als Vorsitzende der Kommission freue ich mich, Ihnen diesen Bericht heute vorlegen zu dürfen.

Wie schon bei den drei vorangegangen Zwischenberichten kommt die Enquetekommission ihrer Verpflichtung laut Einsetzungsbeschluss vom 27. April 2007 in der Drs. 5/21/638 B nach und unterrichtet den Landtag halbjährlich, um wichtige Erkenntnisse in künftige Entscheidungen der Landesregierung zur Personalentwicklung einfließen lassen zu können. Dieser bedeutenden Verpflichtung und gleichzeitig anspruchsvollen Herausforderung kommen wir hiermit gern nach.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie wissen, soll die Enquetekommission auf der Grundlage einer Evaluation und Bestimmung der Landesaufgaben die notwendigen qualitativen und quantitativen Entwicklungen des Landespersonals in Sachsen-Anhalt darstellen. Zudem soll bewertet werden, inwieweit die Erfüllung dieser öffentlichen Aufgaben mit den zur Verfügung stehenden finanziellen und personellen Ressourcen in erforderlichem Umfang und der notwendigen Qualität möglich ist.

Die Kommission hat gemäß dem Raster des Einsetzungsbeschlusses das Ressort für Wirtschaft und Arbeit, die allgemeine Finanzverwaltung, speziell Limsa und das Landesinformationszentrum sowie die Staatskanzlei angehört. Zudem wurde das Landesverwaltungsamt, wie ich bereits bei der Vorstellung des Dritten Zwischenberichts erwähnte, aufgrund eines Vorschlags des Innenministeriums gesondert betrachtet, um das Landesverwaltungsamt als Querschnitts- und Bündelungsbehörde in dessen Gesamtheit erfassen und bewerten zu können.

Die Mitglieder der Enquetekommission haben im Zuge dessen natürlich auch den begonnenen Diskussions- und Entscheidungsprozess fortgeführt und wieder gemeinsame Empfehlungen formuliert, die zu sachdienlichen Lösungen hinsichtlich der Kernfragen des Einsetzungsbeschlusses führen sollen.

An dieser Stelle möchte ich nochmals anmerken, dass die Kommission im Rahmen ihrer Arbeit mehrmals darauf hingewiesen hat, dass die gemeinsam erarbeiteten Empfehlungen, die vor allem auf qualitative Gesichtspunkte abzielen, stärker als bisher in die Fortschreibung

des Personalentwicklungskonzepts eingearbeitet werden.

Die Empfehlungen geben der Landesregierung die Möglichkeit, derartige Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen und die Arbeit der Enquetekommission verstärkt in die Personalentwicklung des Landes einfließen zu lassen und nicht in der Schublade zu versenken. Die Impulse sollten aufgenommen werden, vor allem weil diese Vorschläge auf der Basis von umfassenden Anhörungen der Ministerien, von Fachleuten und Interessenvertretungen entstanden sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Enquetekommission hat daher im Rahmen ihrer 25. Sitzung am 5. Februar 2010 einstimmig - ich betone: einstimmig - beschlossen, die Landesregierung aufzufordern, gegenüber dem Landtag schriftlich Stellung zu nehmen, wann und wie die Landesregierung beabsichtigt, die von allen Fraktionen getragenen Empfehlungen umzusetzen.

Daher bedauere ich es als Vorsitzende sehr, dass einige Parlamentarier von diesem Ansinnen - aus welchen Gründen auch immer - abweichen, weil nicht nur eine Menge Arbeit und ein enormer zeitlicher Aufwand hinter der Enquetekommission liegen, sondern die gemeinsamen Empfehlungen - wie das Wort schon ausdrückt - von den Kommissionsmitgliedern aller Fraktionen beschlossen worden sind.

(Zustimmung von Frau Gorr, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nunmehr kurz wesentliche Erkenntnisse der Anhörung zu den von mir benannten Schwerpunktbereichen ansprechen, die ausführlich im Vierten Zwischenbericht der Enquetekommission beschrieben und dargestellt sind.

Zum Schwerpunktbereich Wirtschaft und Arbeit. Die Anzuhörenden kritisierten, dass die Begründung des Stellenabbaus mit der demografischen Entwicklung bezogen auf das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit nicht sachgerecht sei, da die Aufgaben einen relativ starken Bezug zur Fläche hätten und sich diese nicht automatisch mit der sinkenden Bevölkerungszahl verringern würden. Zudem würde das Aufgabenspektrum stark von gesetzlichen Veränderungen beeinflusst, was diesen Aspekt zusätzlich verstärkt. Der aktuelle Stellenbestand und die Personalausstattung ließen die Aufgabenerfüllung nur noch eingeschränkt zu. Insbesondere seien Probleme hinsichtlich kompetenter junger Fachkräfte vorhanden bzw. absehbar.

Wenngleich im Bereich der Fortbildung finanzielle Ressourcen bestehen, sieht man das Ressort Wirtschaft und Arbeit seitens der Anzuhörenden aufgrund dessen fachlicher Spezialisierung jedoch nicht als Ausbildungsbehörde. Effizienzreserven durch Ausgliederungspotenziale sind ausreichend genutzt worden, was zu positiven haushaltsmäßigen Effekten geführt habe. Offene Potenziale werden beispielsweise in länderübergreifenden Kooperationen gesehen.

Zum Schwerpunktbereich Landesverwaltungsamt. Ähnlich wie im Ressort Wirtschaft und Arbeit sehen die Anzuhörenden keinen Zusammenhang zwischen Aufgabenumfang und Bevölkerungsentwicklung. Vergleiche mit anderen Bundesländern seien vor allem wegen gravierender unterschiedlicher Aufgabenverteilungen innerhalb der Behörden der allgemeinen Mittelinstanz schwierig. Der Altersdurchschnitt des Personals sei außerordentlich unbefriedigend. Die zu erwartenden Personalabgän

ge könnten weder durch Personalzuführung seitens der Landesverwaltung noch durch den beschlossenen Einstellungskorridor abgefangen werden. Es mangelt an Spezialisten und im Allgemeinen an Nachwuchskräften.

Hinsichtlich möglicher Einsparpotenziale verwiesen Anzuhörende darauf, dass viele Aufgaben des Landesverwaltungsamts mit denen der Landkreise korrespondieren würden. Es müsse vermieden werden, dass Aufgaben gleichzeitig an verschiedenen Stellen erledigt würden. Es sei notwendig, dass Land und Kommunen die vorhandenen Ressourcen gemeinsam nutzten.

Kritisch sei auch die stetige Aufgabenverdichtung durch weit mehr als 200 hinzugekommene Aufgaben zu bewerten. Im Zuge dessen müsse darüber nachgedacht werden, ob man weitere Zentralisierungen von Aufgaben durchführen bzw. inwieweit man sich bestimmte Aufgaben noch leisten könne. Es wurde zur Untersetzung von Stellenabbauraten vorgeschlagen, eine systematische Organisationsuntersuchung mit externer Unterstützung durchzuführen.

Zur allgemeinen Finanzverwaltung, speziell Limsa. Zum Anhörungszeitpunkt konnte eine abschließende Bewertung des Stellenbestands der im Aufbau befindlichen Limsa nicht vorgenommen und ein inhaltlich fundiertes Stellenziel nicht formuliert werden. Das linear ermittelte Stellenziel von 55 Stellen im Jahr 2020 müsse daher nach Abschluss der Evaluierung und nach Klärung einzelner Fragen einer Neubewertung unterzogen werden. Dennoch verwies man darauf, dass die Limsa Immobilienfachleute bei Beachtung der Frage der Mischarbeitsplätze benötige.

Gerade für die Limsa sei es ausgesprochen wichtig, neu eingestellten Mitarbeitern, die ausgebildet und spezialisiert worden seien, eine ihrer Qualifizierung entsprechende Perspektive zu bieten. Es sei verhängnisvoll, wenn man die ausgebildeten Spezialisten nicht halten könne.

Da seit Anfang 2008 etwa 15 bis 20 % der Stellen infolge von Stellenverlagerungen unbesetzt geblieben bzw. benötigte Stellen nicht vorhanden seien, folge eine hohe Belastung für die gegenwärtig vorhandenen Mitarbeiter, die jedoch mit einem erstaunlichen Arbeitseinsatz getragen und ausgeglichen werde.