Meine Damen und Herren! Dann ist zunächst der Fraktionsvorsitzende Herr Scharf an der Reihe. Dann wollen Sie, Herr Wolpert, intervenieren. Herr Scharf, bitte schön, Sie haben als Fraktionsvorsitzender das Wort. - Danke für Ihren Beitrag, Frau Budde.
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich denke, der Vorwurf von Kollegin Budde ist mehr wert als eine Entgegnung in Form einer Kurzintervention vom Platz aus. Ich will ganz deutlich sagen, Frau Kollegin Budde: Sie sollten sich bessere Zuarbeiten für Ihre Reden machen lassen.
Wenn Sie behaupten, die CDU schließe ihre Akten weg, sie seien im Archiv nicht zugänglich, und sich dabei auf den ansonsten von mir durchaus geachteten Altbischof Noack beziehen, dann liegen Sie ganz falsch. Wenn Sie richtig recherchiert hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass ich Herrn Altbischof Noack in dieser Hinsicht bereits deutlich in die Schranken gewiesen habe. Das hat er tatsächlich behauptet. Aber die Behauptung wird nicht dadurch wahrer, dass er sie aufgestellt hat.
Die CDU hat ihre Akten im Schloss Wesseling im Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung gemäß dem Stiftungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland jedem Mann und jeder Frau zur öffentlichen wissenschaftlichen Bearbeitung zugänglich gemacht. Die Akten sind da und jeder kann dort hineinschauen.
Es wird geforscht, auch über die wechselvolle Geschichte der CDU. Wir wissen selber, dass die Geschichte der CDU aufzuarbeiten ist. Es sind noch längst nicht alle Kapitel im Osten und Westen so aufgearbeitet, wie man es sich eigentlich wünscht, um ein halbwegs geschlossenes Geschichtsbild der CDU präsentieren zu können. Diese Aufgabe steht an.
Aber ich muss mich strikt dagegen verwahren, dass irgendjemand irgendwelche Akten der CDU zurückhält,
um diese geschichtliche Aufarbeitung zu behindern. Das kann ich beim besten Willen nicht so stehen lassen.
(Beifall bei der CDU - Frau Budde, SPD: Wenn ich eine falsche Information habe, nehme ich das zurück!)
Kollege Gallert, Sie bestehen zu Recht darauf, dass wir eine qualifizierte Auseinandersetzung im Parlament führen sollen und führen müssen. Wenn Sie dann aber zitieren, wenn Sie halb zitieren, wenn Sie beim Zitieren Wahrheiten bewusst weglassen und wenn Sie Interpretationen aus Halbtexten entwerfen, die beim besten Willen so nicht ableitbar sind,
dann verschärfen Sie bewusst die Diskussion in diesem Hause. Das, denke ich, tut einem gemeinsamen Agieren gegen den Extremismus keinen guten Dienst. Ich bitte, dass Sie sich dabei künftig entschieden zurückhalten.
Im Übrigen muss man Ihnen an dieser Stelle vorhalten, dass Sie in Ihren Reihen durchaus Leute haben, die extremistische Ansichten haben und bei denen Sie offensichtlich nicht die Kraft haben, sich von ihnen zu distanzieren.
Arbeiten Sie bitte auch an Ihrer eigenen Geschichte. Ich weiß sehr wohl, dass Sie in Ihren Reihen viele geschätzte Kolleginnen und Kollegen haben, mit denen wir sehr vernünftig zusammenarbeiten. Aber solange Sie nicht die Kraft haben, sich von einer Sahra Wagenknecht, die sich als Stalinistin feiern lässt, richtig zu distanzieren, so lange stimmt in Ihrer Partei etwas nicht. Daran müssen Sie wirklich einmal arbeiten.
Solange sie dieses nicht hinbekommen, müssen Sie sich nicht über den Vorwurf wundern, dass Sie sich mit extremistischen Kräften, die Sie in Ihren Reihen dulden, nicht ordentlich auseinandersetzen; diese Jacke müssen Sie sich schon anziehen.
Herr Wolpert hatte angekündigt zu intervenieren. Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Gallert hat ebenfalls um das Wort gebeten. Meine Damen und Herren! Ich würde darum bitten, dass wir langsam zum Schluss der Aktuellen Debatte kommen. Bitte schön, Herr Wolpert.
Keine Angst, Herr Präsident, ich will es nicht unnötig hinauszögern. Aber ich denke, es ist es wert, auf den Beitrag von Frau Budde einzugehen; denn mir ist eines aufgefallen.
Frau Budde, mir hat der Bereich sehr gut gefallen, in dem Sie die Gemeinsamkeiten hervorgehoben haben und gesagt haben, wie wir vorgehen wollen. Ich denke aber, es wird nicht helfen, wenn Sie die Verantwortung von Herrn Erben dadurch nicht zu beleuchten versuchen, dass Sie darauf verweisen, dass die SPD eine der Parteien war, die stark verfolgt wurden, und zwar unter beiden Regimen. Das ist völlig unbestritten. Das kann aber nicht dazu führen, dass generell ein Dispens erteilt wird für das Handeln aller anderen SPD-Mitglieder in der Gegenwart.
Das Gleiche gilt auch für die Blockparteien. Dadurch, dass es Blockparteien gab, heißt es noch lange nicht, dass diese grundsätzlich unter Generalverdacht zu stellen sind.
Es ist meines Erachtens aber durchaus notwendig, auch zuzugeben, dass es in den Blockparteien Kapitel gibt, die durchaus nicht nur Sonnenseiten hatten. Dazu muss man dann auch stehen. Ich denke, wir alle werden in unseren Parteiannalen Dinge finden, von denen wir nicht begeistert sind und die im Namen unserer eigenen oder der Vorgängerparteien geschehen sind.
- Das steht völlig außer Frage. - Das Problem ist nur: Wenn Sie Herrn Tullner vorwerfen, er hätte in der Kuratoriumssitzung die Möglichkeit gehabt, den politischen Druck herauszunehmen, das Kuratorium hätte diese Chance jedoch verpasst, dann verkehren Sie natürlich die Tatsachen.
Den politischen Druck hat der Staatssekretär nämlich in die Diskussion hineingebracht, indem er über die Zeitungen versucht hat, diese Veranstaltung zu verhindern, und nicht dadurch, dass er in den Gremien vorgetragen hat, was ihn stören würde. Das ist der Punkt.
Dass dann das Kuratorium nicht in der Lage war oder nicht willens war, die Fehler zu reparieren, die der Staatssekretär gemacht hat, das mag man extra beleuchten, aber das exkulpiert nicht den Staatssekretär.
Herr Gallert, zu Ihrer Rede - Sie sind rhetorisch sehr geschickt - muss ich sagen - ich habe es auch vorher schon gesagt -: Sie bezweifeln bei den Wissenschaftlern, die Sie zitiert haben, die Leitplankenvorstellungen, außerhalb deren man den Extremismus festmachen kann. Sie selbst allerdings bestimmen, welche Wissenschaftler sich noch im Konsens befinden, welchen man glauben darf und welchen nicht mehr. Das ist auch eine selektive Wahrnehmung.
Eines sehe ich deutlich; denn ich habe auch zugehört, welche Reden Herr Höhn zum Beispiel gehalten hat, und finde das sehr mutig. Ich weiß, dass Herrn Höhns Meinung in Ihrer Partei nicht allumfassend gebilligt wird. Er erhält nicht die hundertprozentige Unterstützung.
Ihr ganzes Engagement gegen Extremismus - in welche Richtung auch immer - würde um einiges glaubwürdiger werden, wenn Sie in Ihrem Verhältnis zur Vergangenheit etwas mehr Transparenz zeigen würden, insbesondere in der Frage der Stasi-Zugehörigkeit, die Sie durch dieses Parlament noch immer nicht haben überprüfen lassen. Das möchte ich einmal klar sagen.
Es gibt noch zwei Wortmeldungen. Der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Gallert und die Vorsitzende der SPD-Fraktion Frau Budde haben um das Wort gebeten. Ich bitte darum, dass wir dann - mit ihrer freundlichen Erlaubnis - langsam zum Schluss kommen. - Herr Gallert, bitte.
Der Kollege Scharf hat mich doch noch einmal gereizt, ans Mikro zu gehen. Da haben wir sie jetzt wieder alle, unsere Probleme, die wir in den Jahren seit der Gründung des Landes Sachsen-Anhalt in dieser Frage mit uns herumschleppen. Es ist nämlich die Frage, ob man den so genannten Extremismusvorwurf, die Frage nach dem Feind des Grundgesetzes auch erst einmal gegen den politischen Konkurrenten verwenden kann, der hier mit im Raum sitzt. Das ist tatsächlich ein offenes Problem.
Ich hatte bisher den Eindruck, Herr Scharf, dass wir wirklich versuchen, diese Debatte außen vor zu lassen. Das hat der Kollege Kosmehl in seiner Rede am Anfang auch eindeutig ein Stück weit zu realisieren versucht. Aber wir können diesen Konsens gern aufkündigen, Herr Scharf.
Es gibt genug Mitglieder in meiner Partei, die zum Teil wütend über die Auftritte Ihrer Parteimitglieder vor Ort reagiert haben, wenn es um solche Fragen ging. Ich kenne die Flyer aus dem Wahlkampf, alle, auch „Kriminelle Ausländer raus!“ usw. usf. Das gibt es. Dazu sage ich ausdrücklich: Lassen Sie uns versuchen, diese Dinge nicht als Waffen gegen uns in Stellung zu bringen. Lassen Sie es uns versuchen, diese Dinge in den Parteien so zu klären, dass wir gemeinsam vorwärtskommen.
Mir fällt viel ein zum Kollegen Koch und zu einigen anderen auch. Das werde ich in diesem Zusammenhang nicht thematisieren. Aber Sie können diesen Konsens aufkündigen und dann werden wir es hier tun. Herr Scharf, ich frage nur: Wer ist der Nutznießer?
Ich habe eine Menge politischer Differenzen mit Sahra Wagenknecht, aber eine Stalinistin ist sie definitiv nicht.