Protocol of the Session on February 19, 2010

Frau Hampel, stimmen Sie mir zu, dass es genau zwei Punkte gibt, die die Höhe der Sätze zumindest infrage stellen? Das Bundesverfassungsgericht kritisierte nämlich zum einen, dass die Abteilung für Bildung bei Kindern und Jugendlichen auf null ist.

Stimmen Sie mir des Weiteren zu, wenn ich sage, dass allein der Hinweis darauf, dass von jetzt an die Möglichkeit besteht, einmalige Leistungen zu beziehen, so gewertet werden kann, dass auch die Höhe noch einmal zur Diskussion gestellt werden muss?

Darin kann ich Ihnen zustimmen. Ja, so ist es.

Vielen Dank, Frau Hampel. - Nun erhält Frau Dr. Hüskens das Wort, die für die FDP spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt ja Themen, bezüglich deren Rot-Rot schon ganz gut funktioniert.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich muss eine Bemerkung loswerden: Ich finde es ziemlich faszinierend, dass in den 110 Tagen, in denen Schwarz-Gelb in Berlin regiert, die SPD offensichtlich die Finger in die Steckdose gesteckt, delete gemacht hat und seitdem für nichts mehr, was davor stattgefunden hat, verantwortlich ist.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich muss offen gestehen, dass ich so nicht herumrennen könnte. Offensichtlich haben Sie keine Probleme damit, eine neue Jacke anzuziehen und eine neue Rolle zu spielen.

(Herr Tögel, SPD: Wenn Sie das als Mövenpick- Partei so sehen, kann man es nicht ändern!)

- Herr Tögel, der Zwischenruf gibt mir die Gelegenheit, auf das Schreiben hinzuweisen, das der Bundestagspräsident an Ihren parlamentarischen Geschäftsführer gerichtet hat, in dem er Ihnen zu dem Thema eine relativ klare Ansage macht. Ich empfehle allen Kollegen im Landtag, das zu lesen. Eigentlich sollte die SPD sich für das, was sie gemacht hat, schämen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass wir heute das Urteil des Bundesverfassungsgerichts diskutieren, war so sicher wie das Amen in der Kirche. An dem Dienstag, an dem das Urteil verkündet worden ist, musste ich eine lange Strecke mit dem Auto fahren, etwa drei Stunden lang. Ich habe in dieser Zeit Nachrichten gehört. Ich muss gestehen, dass es schon ziemlich interessant war zu verfolgen, wie sich die Meldungen innerhalb der drei Stunden verändert haben.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Am Anfang stand das wörtliche Zitat des Gerichts. Ich lese es noch einmal vor: Die Festsetzungen der Leistungen müssen auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren tragfähig zu rechtfertigen sein. Schätzungen ins Blaue laufen jedoch einem Verfahren realitätsgerechter Ermittlungen zuwider. - Weiter heißt es: Die Beträge erweisen sich im Ergebnis nicht als evident unzureichend.

Nun steht es mir nicht zu, ein Gericht zu kritisieren. Vielleicht hätte man es einfacher formulieren können. Interessant ist aber, dass es nach drei Stunden, als ich aus dem Auto ausstieg, hieß: Die Beträge sind zu niedrig, sie müssen angehoben werden; Hartz IV ist gescheitert; alles muss anders werden.

(Frau Hampel, SPD: Was hören Sie für einen Sender?)

So, meine Damen und Herren, können wir als Politiker mit solchen Gerichtsurteilen nicht umgehen.

(Herr Gürth, CDU: Die Linken meinen das auch nicht ernst; das ist nur populistisch gemeint! - Frau Bull, DIE LINKE: Wenn wir Sie nicht hät- ten, Herr Gürth!)

Aber, meine Damen und Herren, ich finde den Antrag der Fraktion DIE LINKE insofern gut, als er tatsächlich einmal Anlass sein sollte, die Frage zu stellen, wofür die Gesellschaft gegenüber einem Einzelnen als Ganzes einsteht und welche Gegenleistung die Gesellschaft im Gegenzug von einem Einzelnen erwarten kann.

Um es vorweg klar zu sagen: Wir als Liberale gehen davon aus, dass die Gemeinschaft allen hilft, die Hilfe

brauchen. Ich erwarte im Gegenzug von jedem, dass er mit seiner Arbeit und seinem Steueraufkommen dazu beiträgt, dass die Kosten, die dafür nötig sind, erwirtschaftet werden.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Natürlich wissen wir als Liberale, dass es in unserem Bundesland viele Menschen gibt, die angesichts der Arbeitsmarktlage keine Arbeit finden können. Es bleibt aber als Gesellschaft unsere Aufgabe, alles daranzusetzen, dass Menschen, die ihren Lebensunterhalt aufgrund von Arbeitslosigkeit nicht erwirtschaften können, Arbeit finden. Es bleibt unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich Arbeitslosigkeit nicht vererbt.

Davon, meine Damen und Herren, können wir uns auch nicht freikaufen,

(Beifall bei der FDP)

indem wir zum Beispiel einen hohen Lebensunterhalt finanzieren. Bevor Sie jetzt komisch gucken, sage ich, dass ich eigentlich den Kollegen Koch meine, der in einem Stoßseufzer gesagt hat, dass wir in diesem Bereich letztlich aufgeben würden, ordentlich zahlen müssten, und dann wäre es schon gut. - Nein, das ist auch nicht gut.

Wir können uns aber - das ist ein Punkt, der bei sozialer Gerechtigkeit immer berücksichtigt werden muss - auch nicht der Mühe entziehen, gegenüber den Menschen, die entsprechende Steuermittel erwirtschaften und die zahlen müssen, sicherzustellen, dass wir zwischen den Belastungen der Steuerzahler und den staatlichen Transferleistungen gerecht austarieren.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Beide Seiten müssen die staatlichen Regelungen als gerecht betrachten. Wir haben auch Sorge dafür zu tragen, dass sich Missbrauch in dem Rahmen hält, mit dem wir bei Gesetzesverstößen allgemein leben müssen.

Es stellt sich die Frage, ob der Antrag der Fraktion DIE LINKE, einen Eckregelsatz in Höhe von 500 € festzusetzen, eigentlich diesen Grundüberlegungen entspricht. Bei der Beantwortung dieser Frage komme ich zu dem Ergebnis, dass er das nicht tut. Ich möchte dies gern an einem Beispiel verdeutlichen. Frau Bull erzählte einiges zum Lohnabstandsgebot und zu anderen Dingen.

Wer heute zusammen mit seinem Partner und zwei Kindern in Magdeburg lebt und Leistungen nach Hartz IV bezieht, erhält inklusive aller Leistungen etwa 2 000 € an staatlichen Leistungen. Wenn die Eltern die Zuverdienstmöglichkeiten ohne Abzüge nutzen, sind es 2 200 €.

(Herr Kurze, CDU: Netto!)

- Netto. Darin habe ich Regelsätze, Mietkosten, Kosten der Unterkunft, Kosten für den Kindergartenplatz und den Betrag aller übrigen staatlichen Leistungen eingerechnet. Wenn wir nun einmal schauen, wie viel die beiden Eltern im Monat verdienen müssten, um ein Nettoeinkommen in Höhe von 2 200 € zu erhalten

(Frau Bull, DIE LINKE: Kindergeld dazurechnen!)

- berücksichtigen wir dabei auch Sozialversicherungen und Steuern -, dann müsste jedes Elternteil 1 500 € verdienen. Das entspricht einem Stundenlohn von 9,20 €.

(Frau Hampel, SPD: Wie realistisch ist das bei uns?)

Frau Bull hat von Leistungsanreizen geredet. An dieser Stelle haben wir bereits jetzt ein ernsthaftes Problem. Nun betrachte ich den Vorschlag der Linken. Diesen habe ich mit dem gleichen Modell berechnet und komme auf einen Betrag von 2 083 €, den jeder Elternteil verdienen müsste. Das entspricht einem Stundenlohn von 12,77 €. Angesichts dessen müssten, so glaube ich, beide Fraktionen einmal über ihren Ansatz zum Mindeststundenlohn nachdenken.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Ihre Rechnung möch- te ich sehen!)

- Herr Thiel, die gebe ich Ihnen gern. - Um es einmal plastisch darzustellen: Der öffentliche Dienst ist ein Bereich, den die meisten von Ihnen gut im Blick haben. Wenn man einmal schaut, was Elternteile in diesem Bereich verdienen müssen, dann landet man bei der Entgeltgruppe E 5.

Ich lese einmal vor, was jemand in dieser Entgeltgruppe leisten muss, um seine Arbeit zu erfüllen: Arbeitsaufgaben mit wechselnden Problemstellungen, die nach Anweisung ausgeführt werden und Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, wie sie im Regelfall durch eine abgeschlossene drei- bis dreieinhalbjährige Berufsausbildung vermittelt werden können, oder gleichwertige Tätigkeiten, die durch mehrjährige praktische Berufserfahrung ausgeübt werden können. - Wir reden an diese Stelle also nicht über jemanden, der angelernt ist.

(Frau Fischer, SPD: Was soll das bedeuten?)

Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass die Fraktion DIE LINKE mit dem Vorschlag, der auch in Ihrem Bundeswahlprogramm steht, dafür sorgt, dass wir einen gerechten Ausgleich bekommen. Sie haben sich einfach dafür entschieden, den Menschen, die von Hartz IV abhängig sind, zu versprechen, mit Ihnen würde es mehr geben. Sie werfen uns vor, die Gesellschaft zu spalten. Dazu sage ich ganz klar: Damit haben Sie begonnen!

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Uns als Liberalen ist eine soziale Gerechtigkeit wichtig. Wir als Liberale stehen für eine solidarische Gesellschaft, in der allen geholfen wird, die Hilfe benötigen. Wir wissen, dass sich nicht alle Menschen selber helfen können. Aber wir stehen auch für diejenigen ein, die jeden Monat arbeiten und den anderen helfen. Sie müssen ihnen helfen wollen. Wenn sie nämlich den Eindruck haben, dass sie die Deppen der Nation sind, dann werden wir zu einer Gesellschaft werden, die in zwei Lager gespaltet ist. Das wollen wir Liberale nicht.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Frau Dr. Hüskens, möchten Sie Fragen beantworten? - Zunächst von Herrn Gallert. Bitte.

Es ist eher eine Intervention; auf die inhaltlichen Dinge werde ich nicht eingehen. Ich bedauere es, in der letzten Landtagssitzung bereits bei den Kollegen der SPD dafür geworben zu haben, ein bisschen mehr Verständnis für die Kollegen der FDP zu haben. Meine Bitte geht nun in die andere Richtung. Sie, Kollegin Hüskens, haben die Kollegen der SPD mehrfach dafür gescholten, dass sie

es begrüßt haben, dass Hartz-IV-Gesetze aufgehoben worden sind, die sie mit beschlossen hätten. Ich sage ausdrücklich: Wir sind die Letzten, die niemandem Lernfähigkeit zubilligen. Insofern ist das zwar ein Vorwurf, den man aber entkräften kann.

Aber wenn Sie einen solchen Vorwurf erheben, dann muss man daran erinnern, dass auch die Kollegen der FDP damals im Bundesrat dieses Gesetz mit beschlossen haben. Ihre Fraktionsvorsitzende im Bundestag Frau Homburger redet davon, dass dieses Urteil eine schallende Ohrfeige für Rot-Grün gewesen sei. - Dann aber bitte auch für die FDP, die diesem Gesetz im Bundesrat zugestimmt hat, Kollegin Hüskens.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)