Protocol of the Session on January 21, 2010

Damit wurde ein Zeichen gesetzt und den Mitgliedstaaten ein Leitfaden an die Hand gegeben, um dem hohen Ziel, Armut und Ausgrenzung zu verringern, ein Stück näher zu kommen. Deutschland hat darauf reagiert und am 27. Mai 2009 den Aktionsplan „Nationale Strategie für Deutschland zur Umsetzung des Europäischen Jahres 2010 gegen Armut und soziale Ausgrenzung“ an die EU-Kommission weitergeleitet.

Der vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales erstellte Aktionsplan ist auch für die Länder ein unverzichtbares Arbeitspapier nicht nur für das Jahr 2010 - der Staatsminister ging darauf bereits ein -, sondern auch Richtschnur für das soziale, gesellschaftliche und politische Handeln in den nächsten Jahren.

In der Vorbemerkung des Strategiepapiers unter der Bezeichnung „Mit neuem Mut“ heißt es:

„Armutsrisiken sind eine gesellschaftliche Realität, aber eine Realität, die durch politisches Handeln und durch eine bessere Vernetzung der bereitstehenden Hilfsangebote verändert werden kann.“

Die CDU-Fraktion teilt diese Auffassung uneingeschränkt. Wir alle wissen, dass Armut, mangelhafte Bildung und Qualifikation, Arbeitslosigkeit, Migrationsprobleme, Wohnungslosigkeit, Verschuldung, Krankheiten, Suchtprobleme, Behinderungen sowie alt und nicht mehr leistungs

fähig zu sein zur sozialen Ausgrenzung führen können und weitere, neue Probleme nach sich ziehen.

Meine Damen und Herren! Trotz vielfältiger politischer Maßnahmen in den letzten Jahren weist sowohl der zweite Armuts- und Reichtumsbericht 2008 des Landes Sachsen-Anhalt als auch der dritte Armuts- und Reichtumsbericht 2008 des Bundes auf weiterhin bestehende Ungleichheiten bei der Chancenlage vieler Menschen hin. Nachteile erwachsen Geringqualifizierten, Beschäftigten im Niedriglohnbereich und insbesondere Alleinerziehenden sowie Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Haushalten.

Die Landesregierung und der Landtag haben darauf mit einer Vielzahl von Maßnahmen und Projekten reagiert - wohl wissend, dass dies nicht ausreicht, Armut und soziale Ausgrenzung zu vermeiden. Auch im Rahmen des hier in Rede stehenden europäischen Jahres sind von der Landesregierung Maßnahmen geplant worden. Meine Vorredner sind darauf bereits eingegangen.

Der Schlüssel zur Armutsbekämpfung liegt nach Auffassung der CDU bei den Themen Bildung und Beschäftigung. Ein wichtiges Ziel ist es dabei, Bildungschancen für alle, unabhängig von der sozialen Herkunft, zu gewährleisten und jedem Kind durch individuelle Förderung von Anfang an die Möglichkeit zum Aufstieg durch Bildung zu geben.

Durch eine massive Förderung der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und durch die Nutzung und Umsetzung von europäischen Programmen, zum Beispiel des ESF- Programms „ Projekt zur Vermeidung von Schulversagen und zur Senkung des vorzeitigen Schulabbruchs“, versucht unser Land, allen Schülerinnen und Schülern die Erlangung eines Schulabschlusses zu ermöglichen.

Die entsprechend einer aktuellen Erhebung herausragende Stellung unseres Landes bei der Kinderbetreuung - meine Vorredner gingen auch darauf schon ein - ist eine weitere Benchmark im Kampf gegen Armut und soziale Ausgrenzung.

Sachsen-Anhalt ist damit Vorreiter für einen gezielten finanziellen Sozialtransfer zur Sicherung der wirtschaftlichen Stabilität von Familien. Wir schaffen damit europaweit die besten Voraussetzungen für eine Chancengleichheit aller Kinder.

Seitdem die CDU im Bund Regierungsverantwortung trägt, haben wir auch im Bund das umfangreiche System der Mindestsicherung zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung an aktuelle gesellschaftliche Erfordernisse angepasst. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Reform des Kindergeldes, die Wohngeldreform im Jahr 2009, die Anhebung des Kindergeldes in den Jahren 2009 und 2010 sowie die Anhebung der steuerlichen Freibeträge für Kinder.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Errungenschaften des deutschen Sozialstaats gerade in der gegenwärtigen Finanzmarkt- und Konjunkturkrise zu sichern und auszubauen, ist nach Auffassung der CDU nur eine Seite der Medaille bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung.

Wir müssen all unsere Bemühungen darüber hinaus darauf ausrichten, mehr Menschen im erwerbsfähigen Alter in Vollbeschäftigung zu bringen. Herr Kosmehl ging darauf bereits ein.

In Abgrenzung zu den Vorstellungen der Fraktion DIE LINKE gehen wir nicht davon aus, dass sich das Problem der sozialen Ausgrenzung allein durch die Erhöhung der finanziellen Mittel für die sozialen Sicherungssysteme lösen lässt.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Also, Herr Kollege Borgwardt!)

- Sehr verehrter Herr Dr. Thiel, ich kann mich an einen Wahlkampfslogan erinnern: „1 000 € für alle!“ Das können wir jetzt gern weiterführen.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Ein Spruch war: „Reichtum für alle!“)

- Ja. Auf dem einem Plakat stand: „Reichtum für alle!“, und auf dem anderen: „Reichtum besteuern!“. Das wissen wir noch.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das war sehr erfolg- reich!)

- Ich weiß nicht, ob Ihnen das so viel geholfen hat, Herr Gallert.

Ich unterstütze in diesem Zusammenhang voll und ganz - Sie haben mir das Stichwort geliefert - die Aussage unseres Finanzministers Herrn Bullerjahn in seinem Interview, abgedruckt in der „Volksstimme“ am 15. Januar 2010, in dem er sinngemäß ausführte: Der erste linke Ministerpräsident, Herr Gallert, würde das Land Sachsen-Anhalt als Wirtschaftsstandort eben nicht weiter voranbringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die Thesen - -

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

- Wissen Sie, was Herr Bullerjahn gesagt hat: „schaden“. Das hielt ich doch für ein bisschen stark. Deswegen habe ich gesagt: „nicht weiter voranbringen“, Herr Gallert. Wenn Sie aber meinen, Sie müssten darauf reagieren, dann können wir das gern machen.

Aber auch die Thesen von Roland Koch zur Novellierung der Hartz-IV-Gesetzgebung spiegeln nicht die Vorstellungen der überwiegenden Mehrheit innerhalb der CDU wider, wie man Menschen wieder in ein Beschäftigungsverhältnis bringen kann. Der Gastkommentar in der Zeitung „Die Welt“ vom gestrigen Tag, Roland Koch sei der Thilo Sarrazin der CDU, bedarf meines Erachtens keiner weiteren Ausführungen.

Die Forderung Roland Kochs und die öffentlichen Reaktionen darauf werfen jedoch ein weiteres Grundproblem bei der Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung auf: Es geht darum, mehr gemeinsame Verantwortung für die Stärkung des sozialen Zusammenhalts zu übernehmen.

Hierbei sind vor allem die Medien - ich bedauere, das jetzt bei diesem entscheidenden Thema nur noch wenige Vertreter hier sind - in der Pflicht, einen sensibleren Umgang mit den betroffenen Menschen zu erreichen. Es müssen Vorurteile und Diskriminierung gegenüber Betroffenen abgebaut werden. Das beginnt nicht nur mit Umsetzungsstrategien, sondern auch in den Köpfen der Menschen. Hartz IV ist eben nicht „Sofa-Arno“, der in seiner sozialen Hängematte liegt und alle bedauert, die täglich ihrer Arbeit nachgehen, wie es in vielen Reportagen leider kolportiert wird.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Ich glaube nicht, dass wir uns darüber streiten müssen, dass sich irgendjemand nicht bewusst wäre, wie viele Kinder in Europa und in der Welt hungern und arm sind. Wir sollten vielmehr jede Gelegenheit nutzen, um das Bewusstsein der Menschen für dieses Thema zu stärken. Wir dürfen nicht wegschauen und Armut und Ausgrenzung ignorieren. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Borgwardt. - Damit ist die Aktuelle Debatte abgeschlossen und folglich auch Tagesordnungspunkt 9 beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Fragestunde - Drs. 5/2369

Es liegt Ihnen heute nur eine Kleine Anfrage vor. Ich rufe den Fragesteller, Herrn Abgeordneten Hauser auf, der für die FDP spricht. Es geht um die Stilllegung der Lichtsignalanlage in der Ortslage Welsleben an der B 246a. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Bitte keine große Aufregung; es nur eine Kleine Anfrage, aber die muss sein.

Seit März 2009 ist die Lichtsignalanlage in der Ortslage Welsleben an der B 246a abgeschaltet. Der Betrieb dieser Ampelanlage ist aber zum Schutz der Kinder und Fußgänger notwendig, damit diese die Straße gefahrlos überqueren können. Deshalb wurde diese Anlage im Jahr 1997 errichtet. Nach massiven Protesten der Bürger hat die Kreisverwaltung des Salzlandkreises das Verfahren an das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, Herrn Dr. Daehre, zur Entscheidung abgegeben.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Gründe gab es für die Abschaltung der Lichtsignalanlage?

2. Wann und wie wird das Ministerium darüber entscheiden?

- Vielen Dank.

Danke sehr, Herr Hauser. - Die Antwort der Landesregierung gibt der Minister für Landesentwicklung und Verkehr Herr Dr. Daehre.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beantworte die Anfrage des Abgeordneten Johannes Hauser im Namen der Landesregierung wie folgt.

Zu 1: Die Fußgängerlichtsignalanlage in der Ortslage Welsleben wurde auf der Grundlage einer zwischenzeitlich verbindlichen Verwaltungsentscheidung des zustän

digen Salzlandkreises abgeschaltet. Zum Abbau unnötiger Beschränkungen im Straßenverkehr werden Verkehrsregelungen in regelmäßigen Abständen auf ihre Notwendigkeit hin überprüft - Stichwort Schilderwald.

In Abstimmung mit anderen Dienststellen, so mit der zuständigen Polizeidienststelle, kam der Salzlandkreis zu dem Ergebnis, dass aufgrund der derzeit vor Ort festgestellten Verkehrsverhältnisse die Voraussetzungen für den Weiterbetrieb der Fußgängerlichtsignalanlage nicht mehr vorliegen. Festgestellt wurde, dass unter anderem die Verkehrsbelegung der B 246a sowie die Fußgängerzahlen den Weiterbetrieb der Lichtsignalanlage nach § 45 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung nicht rechtfertigen. Entsprechende Annahmen und Prognosen zum Zeitpunkt der Errichtung der Lichtsignalanlage - so zur künftigen Einwohnerentwicklung in dem angrenzenden Wohngebiet - haben sich nicht realisiert.

Zu 2: Gegen die Entscheidung des Salzlandkreises wurden sowohl förmlicher Widerspruch als auch nichtförmliche Beschwerden eingelegt. Begründet wurden diese mit der Notwendigkeit der Beibehaltung der Fußgängerlichtsignalanlage zum Schutz der Fußgänger. Die Beschwerden wurden von den zuständigen Stellen als unbegründet zurückgewiesen. Der Salzlandkreis hat mit der verkehrsbehördlichen Anordnung zur Abschaltung der Fußgängerlichtsignalanlage vom 13. März 2009 in eigener Zuständigkeit abschließend entschieden.

Dies entspricht der gesetzlichen Aufgabenübertragung und deren Erledigung durch die Kommunen. Eine Abgabe zur Entscheidung durch Landesbehörden oder durch das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr aufgrund von Bürgerbeschwerden hat der Salzlandkreis deshalb richtigerweise nicht vorgenommen. Das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr wird aus diesem Grund nicht anstelle des Salzlandkreises über die Abschaltung der Fußgängerlichtsignalanlage entscheiden.

Vom Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr wurden die Eingaben in der Sache als Fachaufsichtsbeschwerden geprüft. Auch wenn das Verwaltungshandeln keinen Anlass zur Beanstandung gab, wurde der Salzlandkreis gebeten, die Fußgängerlichtsignalanlage zunächst nicht zu entfernen.

Nach Auskunft der Gemeinde Bördeland soll in der Ortslage Welsleben ein Einkaufsmarkt errichtet werden. Mit der Konkretisierung dieser Investition - was zunächst positiv ist - hat der Salzlandkreis den Eintritt in eine neue Sach- und Rechtsprüfung bei Beibehaltung der Fußgängerlichtsignalanlage zugesagt.

(Heiterkeit - Zuruf von der FDP: Bravo!)