Protocol of the Session on January 21, 2010

Meine Damen und Herren! Ich habe nicht nur ein Problem mit der Art der Beratung; ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich diese als enorm befremdlich empfunden habe. Ich habe auch ein Problem mit dem Haushaltsplanentwurf selbst.

Ja, wir haben eine Wirtschaftskrise und, ja, diese hat zu geringeren Steuereinnahmen geführt, aber die Steuereinnahmen, die wir in den Jahren 2010 und 2011 haben sollen, liegen nach Ihrer Prognose immer noch deutlich über dem Durchschnitt dessen, was wir in diesem Bundesland eigentlich gewöhnt sind.

Im Jahr 2010 sollen es immer noch 4,5 Milliarden € sein und im Jahr 2011 4,6 Milliarden €. Damit man einen Vergleich hat: Im Jahr 2005 waren es 4,2 Milliarden €.

Ja, es ist mehr als problematisch, bei wegbrechenden Steuereinnahmen von einem Jahr zum anderen die Ausgaben zu reduzieren. Sie bezahlen aber jetzt den Preis dafür, dass Sie geglaubt haben, das Glück von 2006 bis 2008 würde ewig anhalten.

(Minister Herr Bullerjahn: Es geht um Berlin!)

Sie haben immerhin etwas Vorsorge getroffen, was Ihnen jetzt etwas hilft, aber die Mittel nicht erwirtschaftet. Sie sind nicht das Ergebnis einer strukturellen Veränderung, also von vorausschauender Politik, sondern von hohen Steuereinnahmen - Steuereinnahmen, die so hoch waren, dass nicht einmal die Kollegen Daehre und Olbertz rechtzeitig sinnvolle Ausgaben dafür gefunden haben.

(Beifall bei der FDP - Herr Tullner, CDU: Das will etwas heißen!)

- Das will etwas heißen!

Um Ihnen die Zahlen zu nennen: In den vier Jahren von 2006 bis 2009 hat Sachsen-Anhalt 2,6 Milliarden € mehr Steuern eingenommen als in den Jahren 2002 bis 2005.

(Herr Kosmehl, FDP: Hört, hört!)

Fehler - so heißt es in der Wirtschaft - macht ein Unternehmer immer in guten Zeiten. Das, meine Damen und Herren, gilt auch für die Politik.

Meine Damen und Herren, Sie alle erinnern sich noch ganz gut an den Auftakt zu diesen Haushaltsberatungen; das war im Mai/Juni letzten Jahres. Da haben Sie sich öffentlich gestritten, ob die Schulden 500 oder 700 Millionen € betragen sollen.

(Zuruf von der LINKEN)

Da gab es also ganz unterschiedliche Angebote. Einige Wochen - und zahlreiche Zeitungsausgaben - später sind Sie zu dem Ergebnis gekommen, die Verschuldung müsse exakt 662 Millionen € betragen - keinen Euro mehr, keinen Euro weniger. Der Ministerpräsident sagte, das sei schmerzlich, aber unumgänglich.

Diese Aussage diente dann auch als Begründung für die niedrigen FAG-Mittel, sie diente als Begründung für das Thema Beratungslandschaft und auch für alle anderen Ausgabensenkungen oder Einnahmenerhöhungen im Jahr 2010. Ich lasse ganz bewusst die Zahlen für 2011 weg, weil ich glaube, dass es sich nicht lohnt, dass wir darüber reden. Diesbezüglich gehe ich davon aus, dass dazwischen eine Wahl und mindestens ein Nachtragshaushalt liegen werden.

Meine Damen und Herren! Weitere Wochen und x Finanzausschusssitzungen später liegen die Schulden bei 739 Millionen € - das ist wahrscheinlich auch schmerzlich und unumgänglich. Gleichzeitig haben die Regierungsfraktionen die globale Minderausgabe - ich lasse den Personalbereich weg - auf 220 Millionen € erhöht. Der Anteil am Gesamthaushalt liegt deutlich über 1 %. Herr Gallert hat es schon gesagt: Das sorgt eigentlich dafür, dass dieser Haushalt nicht das Papier wert ist, auf dem er steht.

(Zustimmung bei der FDP)

Mich selbst treibt die Frage um: Was in aller Welt lässt Sie eigentlich glauben, dass das Kabinett jetzt diese Summe einsparen kann? Wir haben im letzten Jahr gehört, dass es keinen Euro mehr gebe und man nichts einsparen könne. Dann beraten wir und schließlich hören wir: Jetzt spart das Kabinett ein. - Eine Erscheinung zum 24. Dezember bekommen zu haben ist schon möglich, aber ich muss ganz offen gestehen: Ich glaube nicht, dass dieses Kabinett in der Lage ist, diese Summen einzusparen. Es gibt dafür ein schönes Zitat von Bertolt Brecht:

„Ja, mach nur einen Plan sei nur ein großes Licht und mach dann noch ’nen zweiten Plan gehn tun sie beide nicht.“

(Zustimmung bei der FDP)

Ich halte es schlichtweg für unmöglich, dass Sie die Gelder erwirtschaften. Deshalb wird das Defizit aus 2009 zu den Schulden von 2010. Wir werden im Mai noch einen dritten Plan machen.

Selbst wenn Sie auch nur Anteile dieser GMA erwirtschaften sollten, werden wir etwas anderes erleben - das haben wir während der Haushaltsberatung auch schon erlebt -, nämlich die logische Konsequenz, dass man sich weigert, aktiv zu sparen, dass all die vielen Dinge, die der eine oder andere von Ihnen jetzt schon freudestrahlend in seinem Wahlkreis erzählt, auf einmal wieder weg sind.

Da gucke ich auch Herrn Kolze an. Sie haben in Haideburg schlicht und ergreifend das Problem: Wenn das Umweltministerium die Gelder erwirtschaften muss, muss da verkauft werden. Das ist schlicht so.

Auch der Gesundheitsminister, der gerade in der Gegend herumläuft und auch schon erzählt, welche schönen Projekte es im Augenblick gibt, wird irgendwelche Beiträge entrichten müssen. Deshalb kann ich im Augenblick jedem Fachpolitiker - den Finanzpolitikern ist das relativ egal - nur empfehlen, einmal zu schauen, wo das Geld für all seine schönen Wohltaten geblieben ist, das er in seinem Wahlkreis versprochen hat und dort demnächst ausgeben möchte. Halten Sie es gut fest! Ich vermute, dass es sonst weg ist.

Meine Damen und Herren! Ich finde es ausgesprochen ärgerlich, dass der Haushalt wirklich nicht das Papier wert ist, auf dem er steht. Sie schätzen meiner Meinung nach die Möglichkeiten der Bewirtschaftung falsch ein, so wie Sie im letzten Jahr die Entwicklung der Landeseinnahmen falsch eingeschätzt haben.

Ich mache Ihnen keinen Vorwurf, dass der Doppelhaushalt nicht entsprechend aufgestellt war. Tatsächlich gingen wir 2007 alle noch davon aus, dass die Steuereinnahmen weiter steigen würden. Aber: 2008 konnten wir das Ganze schon klarer sehen. Als wir den Nachtragshaushalt 2009 verabschiedet haben, wussten wir sehr wohl, was auf uns zukommen würde.

Ich brauche auf die Diskussionen nicht weiter einzugehen. Der Nachtragshaushalt ist tatsächlich der fatale Fehler; denn Sie haben dort die Weichen in die falsche Richtung gestellt, und dafür zahlen Sie bzw. zahlt das Land heute die Rechnung.

Ein weiterer Fehler liegt aus meiner Sicht darin, dass Sie im letzten Jahr tatsächlich einen tollen Aufschlag gemacht haben. Man hat in der Öffentlichkeit den Haushalt diskutiert und gesagt: Schauen wir mal, was denn so politisch tragfähig ist. - Das Problem, dass das Finanzministerium im Augenblick hat, ist, dass man, wenn man den Berg hinter sich hat, vergisst, dass dann die Mühen der Ebene kommen. Wenn Sie Eckpunkte beschlossen haben, muss irgendjemand hingehen und das Ganze sorgfältig umsetzen. Daran fehlt es derzeit völlig.

Ich will ein Beispiel bringen, das die meisten von Ihnen nachvollziehen können. Es gibt in der Verwaltung jede Menge Sachkosten; da gibt es eine Vielzahl kleiner Titel. Da haben Sie die Vorgabe gemacht: Das, was die Kolleginnen und Kollegen im Jahr 2008 ausgegeben haben, wird im Jahr 2010 als Soll eingestellt. Das ist keine Härte, für niemanden. 2008 haben wir richtig Geld gehabt.

Es hat sich aber niemand nach dem Beschluss die Mühe gemacht, einmal nachzusehen, ob das jetzt auch umgesetzt worden ist. Selbst wenn Sie alle Limsa-infizierten Titel, an die man nicht so heran kann, wegnehmen, wenn Sie alle Sachkosten außen vor lassen, bei denen wir die Entwicklung selbst nicht aktiv beeinflussen können, kämen Sie immer noch auf ein Einsparpotenzial

von 16 Millionen €, und zumindest die Sozialpolitiker unter Ihnen wissen, dass man damit vieles machen kann.

Langfristige Planungen - ob nun bis 2010, 2020 oder 2050 - sind schön, aber wir müssen diese Planungen auch in die Realität umsetzen, und daran hapert es.

(Zustimmung bei der FDP)

Ich kann noch ein Beispiel nennen: das Sozialministerium. Bei der Haushaltseinbringung haben wir hier diskutiert, dass angeblich kein Euro mehr offen sei - Stichwort Beratungslandschaft. Der Sozialausschuss hat allein 1,77 Millionen € eingespart, der Finanzausschuss noch einmal 6,5 Millionen €.

Ich muss offen gestehen: Während der Beratungen hat mich dazu keine Kritik erreicht und bisher auch noch nicht. Ich gehe einmal davon aus, dass das, was Sozialausschuss und Finanzausschuss dort getan haben, durchaus geht. Da muss ich ganz klar sagen: Mit sorgfältiger Vorbereitung und einer sorgfältigen Abwicklung dieses Haushalts hätten Sie sich diese ganzen Diskussionen gespart, und wir hätten nicht ein ganzes Land in Unruhe bringen und gegen uns aufbringen müssen.

(Zustimmung bei der FDP)

Ein anderes Beispiel ist die Berücksichtigung Ihres Funktionalreförmchens; das ist ja nicht mehr so richtig groß gewesen. Die Summen und Positionen hätte man sicher im Auge haben können. Gleichwohl hat es quälender Diskussionen im Finanzausschuss bedurft, um die Mittel zumindest teilweise einzustellen.

(Herr Tullner, CDU: Das stimmt!)

Ich muss gestehen: So etwas muss man einander nicht geben. Ich muss ganz klar sagen: Wenn ich Regierungsfraktion wäre, wäre das eine oder andere etwas kräftigere Wort gefallen.

(Herr Tullner, CDU: Noch kräftiger?)

- Ich fand, die Regierungsfraktionen waren an diesem Punkt außerordentlich ruhig. - Das Problem ist, dass ich jetzt mit solchen Beispielen endlos fortfahren könnte. Herr Tullner und Herr Gallert haben eine lange Liste solcher Beispiele genannt. Eine solche Arbeit verdient unser Land meiner Meinung nach nicht.

(Zustimmung bei der FDP)

Es verdient kein Kabinett, das bei Haushaltsberatungen nach dem Muster verfährt: Wenn dir gegeben wird, nimm, und wenn dir genommen wird, schrei, völlig egal, ob es weh tut oder nicht! Unser Land verdient nicht nur Eckpunktepapiere, sondern auch Haushaltsberatungen, eine sorgfältige Haushaltsaufstellung, bei der wir wirklich sehen, dass die Gelder dort stehen, wo sie stehen müssen, aber eben nicht hopplahopp an der einen oder anderen Stelle Gelder eingetaktet werden, die hinterher überhaupt nicht gebraucht werden.

Meine Damen und Herren! Das ist der Grund, weshalb wir eine Vielzahl Einsparvorschläge unterbreitet haben. Das Gesamtvolumen beträgt 150 Millionen € in dem einen und 170 Millionen € in dem anderen Haushaltsjahr. Dass die Anträge gar nicht so schlecht waren, haben wir gesehen, denn viele unserer Anträge sind durchaus angenommen worden - dann allerdings zur Gegenfinanzierung anderer Wünsche und Wohltaten.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Meine Damen und Herren! Wir in der Opposition haben nicht vor, Ihre Arbeit zu machen; das sage ich ganz klar. Aber wir haben zumindest darauf hingewiesen, dass es viele kleine und große Ungereimtheiten in Ihrem Haushaltsplanentwurf gab und gibt.

Und weil der Finanzminister es uns gerade wieder vorgeworfen hat: Ich glaube, dass wir uns als FDP wirklich nicht vorwerfen lassen müssen, dass wir nicht in der Lage und bereit sind, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen. Sie sind im Augenblick nicht bereit, genau diese zu treffen.

Regieren heißt, Verantwortung zu übernehmen und übernehmen zu dürfen. Regieren heißt aber auch, unangenehme Entscheidungen treffen zu müssen und dann zu diesen auch zu stehen.

(Beifall bei der FDP)

Nach drei Jahren großer Koalition in Sachsen-Anhalt kann man dazu aber leider in der Zeitung lesen, dass einmal gesetzlich gewährte Leistungen ohne Risiko nicht mehr zurückzunehmen seien. Das, meine Damen und Herren, ist der Abschied von jeder politischen Ambition. So wird Politik nur noch verwaltet und nicht gestaltet.

(Beifall bei der FDP)