Durch die Streckung der Rückzahlungen der Kommunen aus den Überzahlungen nach dem alten FAG auf drei Jahre muss das Land nun auch Einnahmeverluste kompensieren. Insgesamt - das wurde mehrfach erwähnt - sind es rund 55 Millionen € per anno als Preis für den Einstieg in ein aufgabenbezogenes FAG, welches wir in der Dezembersitzung beraten und verabschiedet haben.
Die Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes hat auch die notwendige Änderung des Aufnahmegesetzes zur Folge, die unter einem späteren Tagesordnungspunkt behandelt wird. Bisher erhielten die Kommunen im Rahmen des Aufnahmegesetzes Aufwendungen für die Unterbringung von Asylbewerbern, Asylberechtigten und sonstigen Flüchtlingen erstattet, weil diese Aufgaben übertragen worden waren. Dies ist jetzt im neuen FAG berücksichtigt, sodass die Formulierung im Aufnahmegesetz entbehrlich ist. Damit kann mit der Gesetzesänderung eine haushaltstechnische Doppelveranschlagung beseitigt und Haushaltsklarheit und -wahrheit hergestellt werden.
Meine Damen und Herren! Dies waren politische Entscheidungen zur Entlastung der Kommunen, zu denen ich auch hundertprozentig stehe. Der Einstieg in eine aufgabenbezogene Finanzierung der Kommunen stellt einen so bedeutenden Einschnitt dar, dass jedem klar sein muss, dass in der Übergangsphase - als eine solche bezeichne ich die Jahre 2010 und 2011 bezüglich des Finanzausgleichsgesetzes - gewisse Härten bei der Umstellung des Systems abgefedert werden müssen. Dies wird sicherlich auch die Akzeptanz des neuen FAG
und der Aufgabenbezogenheit der Finanzierung erhöhen. Daher ist es für mich politisch auch vertretbar, so entstandene Mehrkosten über eine Erhöhung der Neuverschuldung zu finanzieren.
Ich möchte aber gleichzeitig betonen, dass jede Million Euro Neuverschuldung Belastungen für die Folgejahre bedeutet. Der Einfachheit halber ein kleines Rechenbeispiel:
Wir haben derzeit eine Gesamtverschuldung in Höhe von 20 Milliarden €. Das macht jährlich etwa 920 Millionen € an Zinsen aus. Wir haben im Jahr 2010 739 Millionen € an neuen Schulden aufzunehmen. Dafür fallen etwa 30 bis 33 Millionen € zusätzlich an Zinsen in diesem Jahr an. Das sind also rund 950 Millionen € an Zinsen jährlich oder knapp 10 % unseres Budgets - und das nur durch die Neuverschuldung im Jahre 2010. Die Auswirkungen auf die Folgejahre bis zum Jahr 2019 hat der Finanzminister vorhin dargestellt. Können Sie sich vorstellen, welches nicht nutzbare Gestaltungspotenzial diese jährlichen Zinsausgaben bedeuten?
Die Neuverschuldung, die wir in diesem Doppelhaushalt ausweisen müssen, ist unvermeidbar; aber wir müssen auch immer an die Folgen denken. Und eines ist auch sicher: Es wird die nächsten Haushaltsjahre nicht einfacher machen, weil der Gestaltungsspielraum der Landespolitik durch hohe Zinsausgaben, durch die Degression des Solidarpaktes II, durch die Einwohnerverluste weiter geschmälert wird und wir bei der Verbesserung der Konjunkturlage zunächst die Tilgung der neu aufgenommenen Schulden im Auge haben müssen, bevor an weitere Ausgabenerhöhungen auch nur gedacht werden kann.
Nach der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise muss sehr rasch ein Tilgungsplan für die neuen Schulden aufgestellt werden. Das kann und darf nicht nur aus reinem Selbstzweck erfolgen; wir sind auch nach den Ergebnissen der Föderalismuskommission II verpflichtet, so zu handeln.
Finanzminister Herr Bullerjahn hat vorhin angekündigt, dass er die verlässliche und verbindliche Tilgung der neuen und alten Schulden durch eine Änderung der Landeshaushaltsordnung sicherstellen möchte.
Das ist der richtige Weg. Ich kann Ihnen versichern: Die SPD-Fraktion wird ihn auch bei diesem Vorhaben kräftig unterstützen.
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Haushalt stellt sicherlich auch im Hinblick auf den Vollzug eine besondere Herausforderung dar. Es muss eine globale Minderausgabe erwirtschaftet werden, die in der letzten Sitzung des Finanzausschusses um einen Betrag von 15 Millionen € erhöht wurde, um die fehlenden Einnahmen aufgrund des verworfenen Wasserentnahmeentgelts zu kompensieren.
Hinzu kommt eine weitere globale Minderausgabe in Höhe von 80 Millionen € im Jahr 2010 und 40 Millionen € im Jahr 2011, um das Defizit aus dem Haushaltsjahr 2009 zu decken. Ich finde, das war eine richtige Entscheidung; denn dadurch wurde eine weitere Erhöhung der Nettoneuverschuldung und der damit verbundenen Zinsbelastung vermieden.
Ein Haushaltsdefizit aus dem Vorjahr in den Folgejahren im Gesamthaushalt zu erwirtschaften, ist sicherlich un
gewöhnlich. Angesichts der Herausforderungen, vor die uns die globale Wirtschaftskrise stellt, war dies neben der Erhöhung der Nettoneuverschuldung aber die einzig richtige Option. Wir erwarten von der Landesregierung, dass diese GMA bis April/Mai dieses Jahres auf die Ressorts verteilt wird. Darauf hat sich der Finanzausschuss in der Sitzung am 11. Januar 2010 einvernehmlich mit dem Finanzminister verständigt.
Ich bin mir der Gesamthöhe der globalen Minderausgaben sehr wohl bewusst. Sie stellt die Exekutive vor eine große Herausforderung, uns Abgeordnete aber auch; denn wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern die Folgen erklären und diese ihnen gegenüber vertreten.
Haushaltsrisiken sind insbesondere auch durch die Politik der Bundesregierung entstanden. Das von der schwarz-gelben Koalition verabschiedete so genannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz wird nach ersten Schätzungen zu weiteren Einnahmeausfällen für das Land Sachsen-Anhalt führen. Es handelt sich um Verluste in Höhe von 41 Millionen € für das Jahr 2010 und 66 Millionen € für das Jahr 2011. Ich bedauere, dass diese Einnahmeverluste in den Haushaltsberatungen noch nicht berücksichtigt werden konnten. Wir werden beim Nachtragshaushalt, der bereits vom Finanzminister angekündigt worden ist, in der Verantwortung stehen, diese Ausfälle zu kompensieren.
Ob die Mai-Steuerschätzung Entlastung bringen wird, können wir noch nicht absehen. Was wir aber sicherlich absehen können, ist erstens, dass wir, das heißt das Land Sachsen-Anhalt, nicht mit größeren Spenden aus dem Hotelbereich werden rechnen können, die so manche auf der Bundesebene ereilt,
Zweitens mag ich gar nicht daran denken, dass eine so genannte Steuerreform der schwarz-gelben Bundesregierung über uns kommen soll. Das würde dem Landeshaushalt zusätzliche Mindereinnahmen in Höhe von 300 Millionen € bescheren. Jeder kann sich selbst ausrechnen, was das bedeuten würde.
Der dem Parlament heute vorgelegte Entwurf des Haushaltsplans ist zukunftssicher, weil er trotz der schwierigen Rahmenbedingungen dafür sorgt, dass wichtige Einrichtungen im Land erhalten bleiben bzw. gesichert werden, diesen aber gleichzeitig auferlegt, ihre Strukturen den Rahmenbedingungen anzupassen.
Damit meine ich nicht nur die finanziellen Rahmenbedingungen wie die Steuerausfälle. Auch die demografischen Veränderungen führten zu Anpassungen und müssen auch in Zukunft zu Anpassungen führen sowohl im Bereich der öffentlichen Verwaltung als auch in den Bereichen, in denen zum Beispiel freie Träger tätig sind.
Die Landespolitik hat sich als so flexibel erwiesen, neben der Sicherung bestimmter Strukturen und der Weichenstellung für Strukturanpassungen in wichtigen Bereichen Mittel einsetzen zu können, um die Bindung von Drittmitteln zu gewährleisten. Leider ist uns dies nicht komplett gelungen, weil dies noch eine weitere Erhöhung der Neuverschuldung bedeutet hätte. Weil wir das verhindern wollten, haben wir uns im Interesse künftiger Generationen gegen eine komplette Kofinanzierung entschieden.
Sobald die Folgen der Krise bewältigt sein werden und sich die Einnahmensituation entspannt haben wird, müssen die Vorsorgeelemente aber wieder so rasch wie nur möglich in vollem Umfang bedient werden. Dabei liegt mir die Steuerschwankungsreserve ganz besonders am Herzen. Wie nötig ein solches Instrument der Vorsorge ist, das hat die aktuelle Situation eindrucksvoll bewiesen. Der Weg des Konsolidierens, Investierens und Vorsorgens muss weiter konsequent beschritten werden.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte zum Abschluss meiner Rede den Fachausschüssen für die zügige Abarbeitung ihrer Einzelpläne und den Mitgliedern des Finanzausschusses für die konstruktive Arbeit in den Wochen und Monaten der Haushaltsberatung danken. Mein besonderer Dank gilt natürlich der Vorsitzenden des Finanzausschusses Frau Dr. Klein für die kompetente, engagierte und auch geduldige Leitung der gelegentlich sehr intensiven Sitzungen des Ausschusses. Sie haben Recht: In diesem Jahr war es manchmal besonders hitzig.
Danken möchte ich auch dem Präsidenten des Landesrechnungshofes Herrn Seibicke mit seinen Mitarbeitern, und auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung und der Ressorts gilt mein herzlicher Dank für die Begleitung der Beratung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank, Frau Fischer, für Ihren Debattenbeitrag. - Wir kommen jetzt zum letzten Debattenbeitrag. Ich erteile Frau Dr. Hüskens für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn einer Legislaturperiode schüren große Koalitionen immer große Erwartungen. Inzwischen sind wir am Ende der Legislaturperiode und alle ziemlich ernüchtert.
Dass große Koalitionen die parlamentarischen Rechte der anderen einschränken und sich negativ auf die parlamentarische Kultur auswirken, wissen wir inzwischen alle. Ich gebe nur das Stichwort GMA. Herr Gallert hat dazu ausgeführt.
Was mir, ehrlich gesagt, erst jetzt bewusst geworden ist, ist aber, dass sich eine große Koalition offensichtlich auch sehr negativ auf die Qualität des exekutiven Handelns und auf die Zusammenarbeit zwischen Landtag
und Landesregierung auswirkt. Anders lässt sich das Chaos, das wir in den drei Bereinigungssitzungen des Finanzausschusses aufseiten der Regierung und der Regierungsfraktionen erlebt haben, wohl nicht erklären.
Meine Damen und Herren! Ich bin seit acht Jahren Mitglied des Finanzausschusses. Ich glaube, innerhalb dieser Zeit habe ich elf Haushaltsberatungen erlebt. Für mich steht eines fest: Etwas so Unorganisiertes und Chaotisches habe ich in diesem Landtag noch nicht erlebt. Ich habe im Finanzausschuss vorher noch nie den Eindruck gehabt, dass ich an einer sozialtherapeutischen Gruppensitzung teilnehme.
Diesmal hatte ich diesen Eindruck. Ich muss ganz ehrlich sein: Ich habe überlegt, ob ich Ihnen eine Rechnung schicke.
Allein über das Aufnahmegesetz und über die Veranschlagung der Mittel, über deren Höhe wir gar nicht so uneins waren, haben wir fünfmal diskutiert. Sie haben jedes Mal eine andere Richtung eingeschlagen.
Um das Ganze zu perfektionieren, gehen wir nachher unter Tagesordnungspunkt 10 hin und machen das Ganze noch einmal, und zwar wieder das Gegenteil von dem, was Sie jetzt gleich mit dem Entwurf des Haushaltsgesetzes beschließen werden. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich weiß nicht, wo Sie waren.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht nur ein Problem mit der Art der Beratung; ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich diese als enorm befremdlich empfunden habe. Ich habe auch ein Problem mit dem Haushaltsplanentwurf selbst.