Protocol of the Session on September 15, 2006

In dem vom Bundesinnenministerium vorgelegten Bericht zur Bewertung des Zuwanderungsgesetzes wird festgestellt - Herr Hövelmann hat es eben ausgeführt -, dass es eben bisher zu keiner befriedigenden Lösung der humanitären Probleme der langjährig in Deutschland lebenden Ausländer gekommen sei. Dringender Handlungsbedarf sei gegeben. Das wissen wir, die wir uns mit

den Fragen der Migration der Ausländer und der Asylpolitik befassen, seit langem. Ich begrüße es daher, dass die Innenminister dieses Thema auf ihrer Konferenz im November 2006 wiederholt beraten werden. Wir müssen schlichtweg abwarten, wie dort entschieden wird. Leicht wird es mit Sicherheit nicht.

Manch einer hatte ja befürchtet, dass das Befassen der IMK mit dauerhaften Aufenthaltstiteln im Mai 2006 ad acta gelegt würde. Zum Glück für alle, die eine solche Regelung dringend erwarten und auch brauchen, ist es anders gekommen. Wir haben eben vom Innenminister Herrn Hövelmann gehört, wie die Landesregierung zur Bleiberechtsregelung steht. Ich bin der Meinung, es bedarf keiner gesonderten Aufforderung, sich im Sinne der in Deutschland geduldeten Ausländer - in Sachsen-Anhalt gibt es nur sehr wenige Fälle dieser Art - zu positionieren.

Ich möchte zu dem Antrag der Linkspartei.PDS-Fraktion kommen. Ich sage an dieser Stelle auch gleich, die SPD-Fraktion wird dem nicht zustimmen. Sie haben sich zweifellos einer wichtigen humanitären Frage angenommen. Ich glaube, Sie kennen mich lange genug, um zu wissen, dass auch mir an einer schnellen Lösung im Interesse der über längere Zeit hier lebenden Ausländer sehr gelegen ist. Ich spreche mich dafür bei allen möglichen Gelegenheiten aus; dennoch muss ich ein Aber einwenden.

Der Antrag kommt zu früh, weil sich, sofern die IMK auf ihrer Sitzung im November 2006 zu einer einvernehmlich Regelung kommt, die die Altfälle regelt, weder der Bundestag noch der Bundesrat damit werden befassen müssen. Ich habe die große Hoffnung, dass eine Lösung zustande kommt.

Kindern, Jugendlichen und Familien, die schon lange als „Geduldete“ - ich muss dieses Wort wieder benutzen - hier leben und die sich in die hiesige soziale, wirtschaftliche und rechtliche Ordnung integriert haben, muss ein Bleiberecht eingeräumt werden, weil es nur dann möglich ist, dass sie sich dauerhaft und umfassend integrieren und vor allen eine Perspektive für sich entwickeln können. Die Innenminister der Länder haben zugesagt, auf ihrer Konferenz im November 2006 eine gemeinsame Lösung für dieses Problem zu finden. Nur wenn sich die Innenminister nicht einigen, muss eine bundesgesetzliche Regelung her, an der sich auch der Bundesrat und der Bundestag beteiligen werden. So weit zu Punkt 1.

Zum zweiten Punkt möchte ich kurz Folgendes bemerken: Ich glaube, auch für solche Fälle, meine Damen und Herren, haben wir seit dem vorigen Jahr die Härtefallkommission in Sachsen-Anhalt. Es war übrigens eine schwere Geburt, diese Härtefallkommission hier einzurichten. Ich habe großes Vertrauen in die sorgfältige Urteilsfindung für die schwierigen Fälle, die die Mitglieder dieser Kommission zu beraten haben, und ich bin mir gewiss, dass sie dort in guten Händen entschieden werden.

Wir lehnen Ihre Aufforderung an die Landesregierung ab, von jeglichen Maßnahmen, die den Aufenthalt beenden, abzusehen, also einen Abschiebestopp zu erlassen, der einen Vorgriff auf eine möglicherweise für diesen Fall zu treffende Altfallregelung, deren Ausgestaltung wir noch gar nicht kennen, darstellt. Ich bin mir sicher, dass der Minister des Innern Herr Hövelmann im Ausschuss für Inneres über das Ergebnis der Verhand

lungen zur inhaltlichen Ausgestaltung der Altfallregelung nach der Konferenz der Innenminister im November 2006 berichten wird, und sehe dem mit Spannung entgegen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Fischer. - Nun spricht für die FDPFraktion Herr Kosmehl. Zuvor haben wir die Freude, Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schule Halberstadt auf der Südtribüne begrüßen zu können.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte Herr Kosmehl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, vielleicht nehme ich das Ergebnis, dass die FDP-Fraktion den Antrag ablehnen wird, vorweg. Trotzdem, Frau Kollegin Rente, will ich Ihnen ein bisschen zu Hilfe eilen, weil das, was der Herr Innenminister und Frau Fischer hier vorgetragen haben, mehr als nur wenig war. Ich hätte fast gesagt, es war weniger als nichts, wie auch immer.

(Herr Kolze, CDU: Weniger ist manchmal mehr! - Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

Ich glaube, Frau Kollegin Fischer, Sie haben geschickt die Situation dargestellt und die Diskussion ein bisschen beschrieben. Aber ich habe keine einzige Position dahin gehend gehört, wie die SPD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt zum Bleiberecht steht

(Beifall bei der FDP und bei der Linkspartei.PDS)

und wie sie dies ausgestalten will. Das ist auch der Vorwurf an Sie, Herr Minister. Ich habe von Ihnen nicht gehört, welche Kriterien Sie anlegen, damit es eine Altfallregelung für hier geduldete Ausländerinnen und Ausländer geben kann. Nichts habe ich von Ihnen gehört. Ich glaube, mit dem Hinweis, wir warten einmal die IMK im November ab, kann man ein Parlament nicht abspeisen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der Links- partei.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie wissen, seit Mai 2005, seit der denkwürdigen Wahl in Nordrhein-Westfalen, dem Desaster für die SPD, gibt es in Nordrhein-Westfalen einen FDP-Innenminister. Seit wir einen Innenminister in Nordrhein-Westfalen haben, ist dieses Thema auch wieder Gesprächsstoff in der IMK geworden, und zwar an oberster Stelle. So gibt es seit der IMK im November 2005 bereits einen konkreten Vorschlag, wie eine Altfallregelung aussehen könnte.

Die IMK und die Innenminister und -senatoren haben sich bisher immer von der einer IMK zur nächsten getröstet nach dem Motto: Wir reden noch einmal darüber; wir warten noch einmal. Deshalb ist mein Vertrauen darauf, was Sie gesagt haben, nämlich dass wir auf den November dieses Jahres warten sollen und dann wird das schon klappen, sehr gering. Ich glaube, sie werden es wieder verschieben, weil sie keine Mehrheit dafür finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will an dieser Stelle zwei konkrete Punkte ansprechen. Ich will Ihnen zum einen darstellen, was für die FDP notwendig

ist, um eine solche Altfallregelung tatsächlich hinzubekommen. Wir wollen diese Altfallregelung. Wir haben sie im Zuwanderungsgespräch mit der Koalition von RotGrün und der CDU/CSU - daran war die FDP auch beteiligt - angeregt, damit wir überhaupt einen Kompromiss im Zuwanderungsrecht hinbekommen. Damals ist es leider daran gescheitert, dass wir die Kollegen von CDU/CSU nicht überzeugen konnten, auf Kriterien einzugehen, um eine solche Regelung tatsächlich in das Gesetz aufzunehmen.

Deshalb war das Evaluierungsergebnis auch nicht überraschend. Da wir keine Regelung getroffen haben, mussten wir natürlich feststellen, dass der Bedarf immer noch da ist und dass wir an dieser Stelle dringend etwas machen müssen.

Umso mehr überraschte es mich, dass in der „Welt“ vom 15. September 2006 ein Artikel zu finden ist, nach dem der Bundesinnenminister Herr Schäuble alle Innenministerkollegen von SPD und Union für den 28. September nach Berlin einberufen hat, um in der Koalition Einigkeit über eine Bleiberechtsregelung für Altfälle zu finden. Vielleicht kennen Sie das Ergebnis dieses zukünftigen Treffens bereits. Ich bin sehr gespannt, woher der Sinneswandel bei Herrn Schäuble kommt, und ich bin gespannt, ob es Herrn Schäuble gelingen wird, Herrn Beckstein in gewisser Weise einzufangen, ihn zumindest auch in den Kompromiss einzubinden.

(Herr Tullner, CDU: Das schafft er! - Frau Weiß, CDU: Das glaube ich nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage Ihnen ganz kurz nur die Stichworte. Ich bedauere es, dass wir nicht mehr Zeit haben als diese fünf Minuten. Ich sage Ihnen: Die aufenthaltsrechtlichen Regelungen bzw. die Altfallregelung setzen für uns voraus, dass die betroffenen Personen mindestens sechs Jahre ununterbrochen im Bundesgebiet waren, dass sie sich seit mehr als zweit Jahren in einem legalen, dauerhaften sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis befinden und dass sie sich auf einfache Weise in deutscher Sprache verständigen können.

Für uns gehören auch Ausschlussgründe dazu. Diese kommen der Koalition von CDU und SPD etwas entgegen. Wir sagen nein, wenn der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Wir sagen nein, wenn man behördliche Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung vorsätzlich hinausgezögert oder behindert hat oder sich durch kurzfristiges Untertauchen der Abschiebung entzogen hat. Wir sagen nein, wenn man gegenüber der Ausländerbehörde aufenthaltsrechtlich relevante Umstände, insbesondere die Identität, verschwiegen hat. In diesen Fällen kann es auch für hier geduldete Ausländerinnen und Ausländer keinen Bleibetitel geben. Das ist so. Ich denke, das ist eine gute Grundlage, um einen Kompromiss, auch mit den unionsgeführten Landesregierungen, zu finden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einen letzten Punkt, Frau Kollegin Rente, den der Herr Innenminister für meine Begriffe sehr deutlich angesprochen hat, den wir uns auch immer wieder vor Augen führen sollten und dessen wir uns vergewissern sollten, will ich kurz ansprechen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen, die hier geduldet werden, die aufgrund einer bestimmten Situation als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sind, eine Lebensperspektive haben, und zwar in ihrer Heimat, in den Ländern, aus denen sie fliehen mussten. Denn wir brauchen diese Menschen in ihren

Heimatländern, damit sie den Wiederaufbau und die Demokratisierung in diesen Ländern vorantreiben. Dafür sind sie sowohl im Kosovo als auch in Bosnien-Herzegowina sowie in einigen Jahren sicher auch in Afghanistan und im Irak wichtig.

Wir sollten für die wenigen Fälle eine Regelung finden, in denen wir sagen, die Menschen sind in der Zwischenzeit in Deutschland integriert, denen wollen wir nicht zumuten, dass sie zurückgehen, und die wollen vielleicht auch nicht mehr in ihre Heimat zurück. Den meisten aber sollten wir ehrlich sagen: Wir brauchen euch in euren Heimatländern, damit ihr euch vor Ort wieder etwas schaffen könnt. Diesen Menschen kann man keinen Freifahrtschein für einen lebenslangen Aufenthalt in Deutschland geben. Dafür werbe ich sehr. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kosmehl. - Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kolze. Bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kosmehl, Sie können getrost davon ausgehen, dass auch Günther Beckstein, wie im Übrigen alle Innenminister der B-Länder, ein großes Interesse daran hat, eine entsprechende Regelung herbeizuführen. Dieses Interesse unterstelle ich ebenso unserem Innenminister.

Die Frage der Bleiberechtsregelung für bereits lange Jahre in der Bundesrepublik Deutschland lebende ausländische Mitbürger ist eine von uns ernst zu nehmende Angelegenheit. Wir reden über Menschen, die seit langen Jahren gemeinsam mit uns in Deutschland leben. Sie müssen mit der ständigen Angst leben, ihre hier gewonnene neue Heimat wieder zu verlieren.

Diese Angst kann ihnen nur genommen werden, wenn sie entsprechende Lebensperspektiven und die Rechtssicherheit bekommen, sich für immer hier aufhalten zu dürfen. Aus diesem Grunde plädiere ich dafür, sich bei der Innenministerkonferenz im November dieses Jahres in Nürnberg für eine so genannte Altfallregelung einzusetzen. Ich denke, was diesen Punkt anbelangt, sind wir uns weitgehend einig.

Aber, meine Damen und Herren, ich möchte betonen, dass es mir um die grundsätzliche Schaffung einer Altfallregelung geht. Diese Regelung darf nicht pauschal formuliert werden. Ich halte es für falsch, allen in Deutschland lebenden ausländischen Personen ein Bleiberecht einzuräumen, nur weil sie bereits für eine bestimmte Zeit in Deutschland gelebt haben oder fortgesetzte Duldungen erwirkt haben.

Eine Bleiberechtsregelung darf nur denjenigen gewährt werden, bei denen besonders gewichtige humanitäre Gründe vorliegen, die für ein Bleiben sprechen, und bei denen die Integration in die hiesigen Verhältnisse bereits weit fortgeschritten ist. Die Aufgabe muss sein, differenzierende Kriterien aufzustellen, nach denen ein Bleiberecht für ausländische Personen beurteilt werden kann. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich diese Menschen voll und ganz in Deutschland integrieren können und dass sie sich hier heimisch fühlen.

Unter anderem schweben mir folgende Kriterien vor: gute Deutschkenntnisse, Familien mit Kindern, die deutsche Schulen besuchen, ausreichender Wohnraum für

diese Familien und eine Arbeitsstelle. Auf gar keinen Fall, meine Damen und Herren, darf es ein Bleiberecht für diejenigen geben, die in Deutschland bereits straffällig geworden sind, oder für solche, die ihren längeren Aufenthalt selbst herbeigeführt haben,

(Zustimmung bei der CDU)

zum Beispiel durch mutwillige Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht, nur um sich ein Bleiberecht zu erzwingen. Außerdem sollten auch diejenigen nicht bleiben dürfen, die sich über Jahre hinweg geweigert haben, unsere Gesetze zu befolgen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir leben in einem Rechtsstaat. Jeder, der hier lebt, hat unabhängig davon, ob er Deutscher oder Ausländer ist, rechtsstaatliche Verfahren einzuhalten und sich an gesetzliche Regelungen zu halten. Ein Ausländer, der keinen Aufenthaltsstatus mehr besitzt, ist verpflichtet, die Bundesrepublik zu verlassen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das mag zwar zunächst hart klingen, aber es spiegelt die Fakten wider. Diese strikte Lösung, die einen unsäglichen Zustand für Betroffene darstellen kann, gilt es zu entschärfen. Allerdings ist es meines Erachtens ebenso unabdingbar, daran festzuhalten, dass ausdrücklich zwischen ausreisepflichtigen Personen, die nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können, und solchen, die nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren wollen, differenziert wird.

Abschließend, meine Damen und Herren, möchte ich noch einmal festhalten: Da das Aufenthaltsgesetz derzeit keine allgemeine Altfall- oder Bleiberechtsregelung beinhaltet und diese Regelungslücke insbesondere für diejenigen bedauerlich ist, die seit Jahren mit ihren Familien in Deutschland wohnen, die sich integriert haben und die aufgrund der geltenden Gesetze jederzeit mit einer Ausreiseverpflichtung oder mit einer Abschiebung rechnen müssen, muss eine Regelung geschaffen werden.

Eine Ad-hoc-Entscheidung, die zu einem allgemeinen Bleiberecht ohne Einschränkung führen würde, wäre meines Erachtens ein völlig falsches Signal an diejenigen, die ihre dauerhafte Anwesenheit in Deutschland nicht selbst verschuldet und sich rechtstreu verhalten haben, und an diejenigen, die unsere Rechtsordnung beachtet haben und den bestehenden Regelungen hinsichtlich ihrer Ausreise gefolgt sind. Eine eventuelle Änderung des Aufenthaltsgesetzes darf nicht diejenigen mit einem Bleiberecht belohnen, die unsere Rechtsordnung missachten.

Aus diesen Gründen ergibt sich auch meine Negation eines einstweiligen Abschiebestopps, bis es eine klar differenzierte gesetzliche Regelung hinsichtlich des Bleiberechtes gibt. Die CDU-Fraktion lehnt den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS ab. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Nun spricht noch einmal Frau Rente, wenn sie es wünscht. - Sie wünscht nicht noch einmal das Wort.