Protocol of the Session on December 10, 2009

Frau Präsidentin, ich bitte um Nachsicht. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf ist in der 59. Sitzung des Landtages am 8. Mai 2009 zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Recht und Verfassung und zur Mitberatung in den Ausschuss für Finanzen überwiesen worden.

Zunächst kam der Ausschuss für Recht und Verfassung in der 41. Sitzung am 17. Juni 2009 aufgrund einer früheren Pressemitteilung des Verbandes Bitkom - diese stammt aus dem Jahr 2008 - überein, den Verband nochmals um eine Stellungnahme zu bitten. In der seinerzeitigen Pressemitteilung hatte sich der Verband kritisch hinsichtlich der Auswirkungen eines Störsenders im Umfeld der JVA Burg geäußert. Problematisiert wurde die technische Umsetzung der trennscharfen Beschränkung der Störung des Mobilfunkverkehrs auf das Gelände der Justizvollzugsanstalt, insbesondere - auch mit Blick auf die Nähe zur Autobahn - bei der Notwendigkeit des Absetzens von Notrufen.

Auf Nachfrage nach gesundheitlichen Risiken bei Störung und Unterdrückung von Mobilfunk wurde die naturwissenschaftlich belegte Stellungnahme der Strahlenschutzkommission vom 13. Mai 2008 zitiert, welche Befürchtungen über gesundheitliche Risiken und hinsichtlich gesundheitlicher Befindlichkeiten von Besuchern und Bediensteten bislang nicht bestätigt hat.

Durch die Landesregierung wurde hervorgehoben, dass es im Moment nicht um die konkrete technische Umsetzung geht, sondern um die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für die Nutzung solcher technischen Einrichtungen in den Justizvollzugsanstalten, wobei die Rahmenbedingungen der Bundesnetzagentur zu beachten sind. Erst danach kann mit den Anbietern der entsprechenden Technik konkret über die Umsetzung verhandelt werden.

In der 42. Sitzung des Ausschusses für Recht und Verfassung am 2. September 2009 wurden die vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst und dem Ministerium der Justiz in einer gemeinsamen Synopse vorgeschlagenen Änderungen bestätigt.

Der Gesetzentwurf wurde in dieser Fassung an den mitberatenden Ausschuss für Finanzen weitergeleitet. Dieser hat in seiner Empfehlung die Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung der vorläufigen Beschlussempfehlung befürwortet.

In der 44. Sitzung am 11. November 2009 verabschiedete der Rechtsausschuss die Ihnen nun vorliegende Beschlussempfehlung. Er empfiehlt dem Plenum, diese mit den aus der Synopse ersichtlichen Änderungen anzunehmen.

Ich bitte um Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Dr. Brachmann, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung spricht Frau Justizministerin Professor Dr. Kolb.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Freiheitsentzug bedeutet nicht nur den Verlust der Mobilität, sondern eben auch Einschränkungen im Hinblick auf Kommunikationsmöglichkeiten. Das hat auch gute Gründe. Wir haben einen Behandlungsvollzug. Deshalb ist es in vielen Fällen sinnvoll, den Kontakt zu alten Freunden aus dem alten Milieu zu unterbinden.

Zum einen besteht immer die Gefahr - das Szenario ist sehr realistisch, was die Zahl der von uns im Strafvollzug gefundenen Handys belegt -, dass in Paketen und auf andere sehr einfallsreiche Weise verbotene Dinge in die Anstalt geschmuggelt werden. Dazu gehören eben auch Handys. Zum anderen muss man bestimmte Gefangene auch davor schützen, dass sie nach dem Einschließen im Strafvollzug weiterhin kriminelle Aktivitäten durch Kommunikation nach außen durchführen.

Deshalb sind Mobilfunktelefone in Vollzugsanstalten grundsätzlich verboten. Das gilt nicht nur für Gefangene. Das erleben Sie auch. Wenn Sie eine JVA besuchen wollen, dann müssen Sie an der Pforte Ihr Handy abgeben.

Aber ich habe es eben dargestellt. Die Kontrolle des Handyverbotes in den Strafvollzugsanstalten ist sehr schwierig. Es werden regelmäßig Kontrollen durchgeführt. Aber den Möglichkeiten sind Grenzen gesetzt. Dazu kommt auch die rasante Entwicklung der Technik. Es gibt mittlerweile Handys mit der Größe von Scheckkarten. Die kann man nur noch sehr schwer finden. Die effizienteste Möglichkeit zur Durchsetzung des Mobilfunkverbotes im Strafvollzug ist daher tatsächlich die Verhinderung der Absetzbarkeit oder der Annahme von Telefonaten. Die entsprechenden Voraussetzungen dafür sollen mit dem Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf geschaffen werden.

Ich möchte mich an der Stelle für die sehr konstruktiven Diskussionen in den Ausschüssen bedanken. Alle Fraktionen haben hieran sehr intensiv mitgewirkt. Wir haben jetzt eine gute gesetzliche Grundlage, auf der wir uns über die technische Umsetzung des Vorhabens Gedanken machen können.

Wichtig ist, dass die Unterbindung des Mobilfunkverkehrs auf die Anstalt beschränkt bleibt. Das heißt, es darf zu keinen größeren Auswirkungen auf die Umgebung kommen. An der technischen Umsetzung des Projektes arbeiten wir gerade. Es geht also darum, eine metergenaue Störung des Mobilfunksignals zu erreichen.

Wir haben aber auch erreicht, dass im Rahmen der Richtlinien der Bundesnetzagentur und des Wortlautes des Telekommunikationsgesetzes geringfügige Beeinträchtigungen außerhalb der Anstaltsmauern möglich sein sollen. Im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse ist

das durchaus berechtigt und entspricht auch den praktischen Bedürfnissen des Strafvollzuges. Das gilt umso mehr, als eine dauerhafte Frequenzstörung nicht erfolgt.

Man muss sich das praktisch so vorstellen, dass die Mobilfunksignale erst festgestellt werden müssen, um den Blocker zu aktivieren. Darauf ist die Technik, die heute schon auf dem Markt ist, ausgerichtet. Die Reaktion auf das Signal erfolgt in Computergeschwindigkeit, also schneller als ein Mensch jemals reagieren könnte.

Nach den bisherigen Erkenntnissen ist die Mobilfunkblockung die zuverlässigste Möglichkeit, um den Handyverkehr in den Anstalten zu verhindern. Einfache Suchgeräte haben nur eine begrenzte Wirkung, weil sie lediglich die Handys finden, mit denen gerade telefoniert wird. Auch auf SMS reagieren sie nicht so, dass man die Handys dann tatsächlich findet.

Im Hinblick auf die Personalsituation hatten wir vorhin schon eine umfassende Debatte. Kontrollen sind personalintensiv. Im Vollzugsalltag stehen uns nicht unbegrenzte Ressourcen zur Verfügung.

Deshalb wird, so denke ich, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine gute Grundlage für eine Mobilfunkblockung in den Anstalten geschaffen. Wir werden diese entsprechend sensibel umsetzen. Wir werden in Bezug auf die konkrete Umsetzung dann sicherlich im Ausschuss für Finanzen und im Ausschuss für Recht und Verfassung Diskussionen darüber führen, welches konkrete System angewandt wird.

Im Moment bitte ich Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verfassung zuzustimmen und die Grundlage dafür zu schaffen, dass wir an diesem wichtigen Thema weiter arbeiten können. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Frau Ministerin. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Jetzt spricht Frau von Angern von der Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich will es gleich vorwegnehmen: Meine Fraktion wird sich bei der Abstimmung über die vorliegende Beschlussempfehlung der Stimme enthalten.

(Oh! bei der CDU)

Dies geschieht nicht etwa, weil wir gegen ein Verbot der Nutzung von Mobilfunkgeräten in den Justizvollzugsanstalten sind. Es gibt zwei Gründe dafür.

Der erste Grund - die Frau Ministerin führte es bereits ein Stück weit aus - liegt darin, dass in der ersten Lesung im Landtag zugesagt worden ist, dass uns sowohl im Ausschuss für Recht und Verfassung als auch im Ausschuss für Finanzen mitgeteilt werden könne, mit welchen Kosten das Gesetzesvorhaben für den Landeshaushalt verbunden sein wird. Gleichwohl ist - ich gebe das im Tenor wieder - im Ausschuss für Recht und Verfassung gesagt worden, dass das noch nicht bekannt sei, dass die Umsetzung dieser technischen Möglichkeiten erst für irgendwann geplant sei und dass man erst

einmal eine rechtliche Grundlage für eine Kostenabfrage benötige.

Ähnlich war das Aussageverhalten im Ausschuss für Finanzen. Wer die Debatten im Finanzausschuss kennt, der weiß, dass das eher unüblich ist. Ich finde es nicht wirklich seriös, dass der Gesetzentwurf trotz der offenen Fragen, die im Raum standen, durchgewunken worden ist. Zudem haben mich Ihre diesbezüglichen Aussagen auch nicht zufriedengestellt.

Der zweite Grund betrifft die Umsetzung. Ich möchte diesbezüglich aus einem Schreiben des Datenschutzbeauftragten des Landes zitieren. Er schrieb:

„Es besteht die Gefahr, dass ein Gesetz geschaffen wird, das eine nicht erfüllbare Forderung aufstellt. Die Grundrechte der Bediensteten werden jedoch bei der vermutlich bestehenden Verpflichtung, innerhalb der JVA keine Handys zu benutzen, in gleicher Weise berührt.“

Der erste Aspekt ist sehr wichtig. Das war auch das, was uns die Bitkom in einem Schreiben vom Juli 2009 - das ist noch gar nicht so lange her - mitgeteilt hat. Ich zitiere auch hieraus:

„Das in § 2 des Gesetzes verbriefte Gebot der nicht erheblichen Störung außerhalb des Geländes der JVA könnte in der tatsächlichen Umsetzung nicht realisierbar sein.“

Die genauen technischen Ausführungen erspare ich mir und verweise diesbezüglich auf das Schreiben. Darin heißt es weiter:

„Die Mobilfunkbetreiber sind gesetzlich verpflichtet, den Nutzern uneingeschränkt Notrufmöglichkeiten bereitzustellen. Störsender haben Auswirkungen auf die gesamte Netzstabilität und Qualität. Die JVA muss dabei selbst die volle Verantwortung für den Störbetrieb tragen.“

Ich denke, solange das nicht geklärt ist, solange das technisch nicht einwandfrei realisiert werden kann, sollten wir sehr vorsichtig sein mit dem Einsatz solcher Dinge im Land. Wir sehen uns möglicherweise mit Schadenersatzansprüchen Dritter konfrontiert, die haushalterische Auswirkungen haben. Da diese Probleme nach wie vor nicht ausgeräumt worden sind, werden wir uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Stimme enthalten.

Die Frau Ministerin selbst sprach die Alternative an, die es gibt, nämlich die personalintensiven Zellenkontrollen. Aber wir wissen mit Blick in das Strafvollzugsgesetz, dass diese Zellenkontrollen bereits jetzt regelmäßig erforderlich sind. Diese werden auch dann, wenn ein so genannter Handyblocker - oder was auch immer es letztlich sein wird - zur Anwendung kommt, nicht entfallen. Dieses Argument zählt für mich also nicht.

Es wurden seitens des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e. V. Vorschläge unterbreitet, beispielsweise zum Einsatz von Ortungsnetzwerken und Metalldetektoren.

Ich denke, der Ausschuss für Recht und Verfassung wird den Weg, der letztlich gegangen wird, auch weiterhin begleiten. Spätestens im Rahmen der nächsten Haushaltsberatungen werden wir uns sicherlich über die dafür erforderlichen finanziellen Mittel verständigen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau von Angern. - Von der CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Sturm.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte heute - anders als sonst - mit einem Lob beginnen. Ich möchte heute ausdrücklich Frau Ministerin Kolb und ihr Haus loben. Ich sehe zum ersten Mal einen Gesetzentwurf, der nur anderthalb Seiten lang ist. Ich habe in meinen letzten Reden immer kritisch angemerkt, dass die Entwürfe bzw. die Gesetze mindestens 80 bis 100 Seiten umfassten. Deswegen finde ich diesen Entwurf gut. Ich würde mir wünschen, dass es zukünftig so bleibt.

Wenn man mit dem Auto aus Sachsen, Thüringen, Niedersachsen oder anderen Bundesländern nach Sachsen-Anhalt kommt, dann sieht man den Werbeslogan: „Wir stehen früher auf“. Das scheint auf die Liberalen in diesem Hohen Hause nicht zuzutreffen;

(Oh! bei der FDP)

denn sonst hätten sie ein solches Gesetz schon längst in den Landtag eingebracht. Baden-Württemberg ist in dieser Angelegenheit führend. Dort regieren die CDU und die FDP. Dieses Gesetz hat Minister Dr. Goll von der FDP eingebracht.

(Herr Kosmehl, FDP: Aber nicht umgesetzt!)

In den Justizvollzugsanstalten wurden in den Jahren 2005 bis Ende 2008 690 illegale Handys gefunden. Eines dürften alle in diesem Hohen Hause wissen: Die Häftlinge rufen mit den Handys nicht ihre Omas und ihre Opas an. Diese illegalen Handys stellen eine erhebliche Gefahr für unsere Sicherheit und Ordnung dar; beispielhaft nenne ich das Thema Drogenhandel.

Sicherlich stellt dieser Handyblocker eine Einschränkung dar, meine Damen und Herren, die die Mobilität und die Flexibilität, die uns ein Handy bietet, beeinträchtigt. Diesen Nachteil müssen wir zugunsten der Ordnung und Sicherheit opfern. Meine Damen und Herren! Es ist nicht so, dass man keinerlei Verbindung nach außen mehr herstellen könnte. Nach wie vor gibt es auch Festnetzanschlüsse, die zum Telefonieren genutzt werden können.

Sie alle wissen, wie schwierig es ist, eine JVA von Handys freizuhalten. Auf irgendeine Weise kann es immer gelingen, ein Handy in die Anstalt zu schmuggeln, beispielsweise durch einen Wurf über die Mauer oder dadurch, dass Handys auseinandergebaut und dann - die Leute haben Zeit - wieder zusammengebastelt werden.