Protocol of the Session on September 4, 2009

Wenn ich mir das, was ich jetzt an Beispielen genannt habe, in der Gesamtschau anschaue, muss man doch die Frage stellen: Was gilt denn nun und wie sieht der Anteil Sachsen-Anhalts dabei aus, diese Zielstellung „10 % des BIP für Bildung“ in den nächsten Jahren zu erreichen?

Im Oktober 2009 - ich habe schon darauf hingewiesen - soll ein Finanzierungsvorschlag bei der Ministerpräsidentenkonferenz auf den Tisch gelegt werden. Die Landesregierung hat ihren Haushaltsplanentwurf bereits vorgestellt. Die Frage ist natürlich, ob dieser Haushaltsplanentwurf für die nächsten zwei Jahre dieser Zielstellung folgt oder nicht. Mein Eindruck: Er folgt dieser Zielstellung nicht.

(Herr Tullner, CDU: Den kenne ich noch gar nicht!)

- Herr Kollege Tullner, ich habe vorhin schon zur Kenntnis nehmen müssen, dass hier der Eindruck erweckt wird, wir würden über irgendetwas Nebulöses reden. Ich will Sie daran erinnern, dass die Landesregierung nach der Kabinettsitzung eine, ich glaube, zwölfseitige Presseerklärung veröffentlicht hat, in der alle Schwerpunkte des Haushaltsplanentwurfes nachzulesen sind.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Die haben sie auch nicht gelesen!)

Daran habe ich mich zu orientieren, wenn ich mich mit der Landesregierung auseinandersetze. Sie können das ignorieren und in den Schredder schieben; so weit bin ich noch nicht bei der Frage der Auseinandersetzung.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Tullner, CDU - Herr Gallert, DIE LINKE: Sie gucken die Videobotschaften nicht, Sie lesen die Presse- erklärungen nicht! - Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Aber Sie reden darüber!)

Dann sind wir wieder an der Stelle angekommen, an der wir heute Morgen schon einmal waren, nämlich bei der Frage: Haben wir denn die finanziellen Mittel zur Verfügung, um Aufgaben zu finanzieren, die wir übernommen haben oder übernehmen wollen?

Wenn wir über 10 % des BIP reden, dann heißt das: Wir reden nicht nur über die Finanzierung der Aufgaben, die wir uns schon gestellt haben, sondern wir reden darüber,

dass die Länder, die Kommunen und auch der Bund neue Aufgaben übernehmen wollen. Dann kommen Sie um die Diskussion über die Rahmenbedingungen ohne Zweifel nicht herum.

Dann sind wir auch wieder bei der Diskussion - ich will es nicht komplett wiederholen -, dass wir die Einnahmen des Staates erhöhen müssen. Ansonsten ist diese Zielstellung nicht zu erfüllen. Wer glaubt, sie auf andere Weise erfüllen zu können, der möge es darstellen. An die finanzpolitische Wunderheilung der FDP glaube ich nun nicht. Ich glaube nicht, dass wir es hinbekommen, mit weniger Steuern mehr für die Bildung auszugeben.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Ich glaube, wir müssen in der Tat über Steuererhöhungen reden bei denjenigen, die es verkraften können. Davon gibt es in der Bundesrepublik eine ganze Menge, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Tullner, CDU: Reichtum für alle!)

So viel zum Bereich der Finanzierung. Ich will noch ein paar andere Punkte ansprechen, die vor knapp einem Jahr in Dresden vereinbart worden sind. Die Vereinbarung spricht von bestmöglichen Startbedingungen für jedes Kind. Dazu will ich die Frage stellen: Sind diese Startbedingungen für jedes Kind in Sachsen-Anhalt gegeben?

Sie sind es nicht. Es bleibt dabei, dass die Ungleichbehandlung bei der Frage der Ganztagsbetreuung in Sachsen-Anhalt ein Nachteil ist, wenn es darum geht, Aufstieg durch Bildung zu realisieren.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Vereinbarung spricht davon, dass jeder einen Schul- und Berufsabschluss schaffen soll. Ist das in SachsenAnhalt so? - Ich verweise auf die Debatte, die wir eben geführt haben. Wir haben hier erheblichen Handlungsbedarf.

Die Vereinbarung spricht davon, dass mehr junge Menschen ein Studium aufnehmen sollen. Das habe ich nun mit besonderer Freude gelesen, weil ich mich sehr gut daran erinnere, dass, wenn wir über die Frage diskutiert haben, dass wir mehr junge Menschen zum Studium führen wollen, nicht zuletzt auch meiner Fraktion vorgeworfen wurde, wir würden die Berufsausbildung geringschätzen und glauben, dass jeder das Abitur machen und studieren müsste.

(Zuruf von Herrn Kley, FDP - Herr Tullner, CDU: Das ist eine sehr pauschale Betrachtung!)

Aber ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass im letzten Jahr als Zielmarke 40 % vereinbart worden sind. Wir liegen in Sachsen-Anhalt im Moment bei deutlich unter 30 %. Deshalb wäre meine Frage auch mit Blick auf die Situation an den Hochschulen, wie wir diese 40 % in Sachsen-Anhalt erreichen wollen und was die Landesregierung dafür zu tun gedenkt.

Die Vereinbarung spricht davon, dass mehr Menschen für naturwissenschaftlich-technische Berufe begeistert werden sollen. Wir haben durchaus mit Freude zur Kenntnis nehmen können, dass Sachsen-Anhalt bei den letzten Pisa-Erhebungen, bei denen es vor allem um den naturwissenschaftlichen Bereich ging, zugelegt hat.

Wir haben allerdings nach wie vor das Problem, die jungen Menschen dafür zu gewinnen und zu motivieren, genau in diesem Bereich, in dem sie durchaus gute Leistungen erzielen, ein Studium aufzunehmen und sich diesem Berufsfeld zu nähern. Das heißt, wir müssen auch darüber reden, wie wir über eine Verbesserung der Angebote in den Schulen und neben den Schulen - Stichwort: Polytechnik - die Studierneigung für die MINT-Fächer erhöhen können. Letztlich bleibt auch hier die Aufgabe, endlich mehr Frauen dafür zu gewinnen, diese Fächer zu studieren und auf diesen Gebieten Karriere zu machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Tullner, CDU: Wie unsere Kanzlerin!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Qualifizierungsinitiative des vergangenen Jahres war überschrieben mit „Aufstieg durch Bildung“. Ein Bildungssystem darf soziale Unterschiede - wenn wir über Aufstieg reden, reden wir auch über soziale Unterschiede - nicht vertiefen oder sogar vererben, sondern es muss dabei helfen, diese zu überwinden. Das ist dann Aufstieg; davon sind wir leider noch ein ganzes Stück entfernt. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Höhn. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Wolpert. Wollen Sie diese beantworten?

Aber sicher.

Bitte, Herr Wolpert, Sie haben das Wort.

Herr Kollege, Sie sprachen von Steuererhöhungen. Die Frage ist: Wen haben Sie denn da konkret im Auge, wenn Sie davon sprechen, dass es in Deutschland genügend Menschen gibt, die zur Finanzierung herangezogen werden können? Meinen Sie die arbeitende Mittelschicht, die bereits mit einer Staatsquote von 50 % überzogen ist, oder wen genau haben Sie da im Auge?

Herr Kollege Wolpert, wir können den Bundestagswahlkampf eröffnen.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Aber ich beantworte die Frage natürlich gern. - Hier im Haus, Frau Hüskens.

Wir haben ein Steuerkonzept vorgelegt. Ich kann Ihnen die Eckpunkte nennen. Natürlich reden wir bei dieser Frage über die Einkommensteuer. Damit will ich anfangen; denn darauf zielt ja auch Ihre Frage ein Stück weit ab. Wir wollen eine Steigerung des Grundfreibetrages auf 9 300 € und gleichzeitig einen linearen Verlauf bis zu einem Spitzensteuersatz von 53 %. Die Zahl dürfte der FDP noch bekannt sein. Das war der Spitzensteuersatz unter der Regierung von Helmut Kohl.

Wenn wir einen solchen Steuertarif realisieren würden, könnten wir die Einnahmen deutlich steigern und hätten bis zu einem Jahreseinkommen von 70 000 € eine Ent

lastung realisiert. Also insofern ist die Mittelschicht, von der Sie sprechen, von dieser Erhöhung nicht betroffen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Die, von der er spricht, schon! Die, die er meint, ist schon betroffen! - Zu- ruf von Herrn Wolpert, FDP)

Wir reden von einer Vermögenssteuer. Wir nennen das auch Millionärssteuer. Das heißt, wir fordern eine Belastung von 5 % ab einem Vermögen von 1 Million €. Von dem, was darunter liegt, reden wir nicht, sondern von dem, was darüber liegt.

(Herr Tullner, CDU: Bundeskanzlersteuer!)

Wir reden über eine deutlich andere Ausgestaltung der Erbschaftsteuer. Und, meine Damen und Herren, wir reden auch darüber, dass wir in Deutschland endlich dazu kommen müssen, Börsengeschäfte zu besteuern.

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade angesichts der Krise und der dadurch verursachten Kosten sage ich Ihnen, dass es doch das Mindeste wäre, den Sektor, der zu einem Großteil zu dem Problem beigetragen hat, mit dem wir uns gerade herumschlagen müssen, auch in die Pflicht zu nehmen.

Sie sehen also, wir haben Vorschläge. Sie können davon ausgehen, dass eine Partei wie die, der ich angehöre, sehr viel Wert darauf legt, dass wir eine Entlastung in der Breite herstellen, aber am Ende trotzdem mehr Geld für die öffentliche Hand zur Verfügung haben, Herr Wolpert.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Herr Höhn, dann hatte Herr Tullner noch eine Frage. Die wollen Sie auch beantworten. - Herr Tullner, bitte schön.

Bevor Herr Tullner das Wort ergreift, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Herder-Sekundarschule aus Calbe. Herzlichen willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Tullner, Sie haben das Wort.

Lieber Kollege Höhn, Sie gehören dieser Partei nicht nur an, sondern Sie stehen ihr als Vorsitzender des Landesverbandes auch vor.

Sie haben in Ihrem Beitrag weit ausgeholt und haben sehr viel Richtiges über die Bildungsrepublik Deutschland gesagt, die wir alle miteinander anstreben.

(Zustimmung von Herrn Gallert, DIE LINKE - Herr Höhn, DIE LINKE: Danke schön!)