Protocol of the Session on June 19, 2009

damit dort geprüft werden kann, wie wirtschaftlich eine solche Ermäßigung wirklich wäre.

(Herr Tullner, CDU: Sehr schön!)

Denn der Finanzausschuss kann sich lediglich mit steuerlichen Aspekten befassen; der Wirtschaftsausschuss hingegen kann die wirtschaftlichen Effekte prüfen.

(Herr Tullner, CDU: Frau Dr. Klein, Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen!)

- Ja? - Dafür werbe ich. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun spricht der Abgeordnete Herr Graner von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielleicht hat es der eine oder die andere von Ihnen schon gelesen: Heute Morgen wurde im Bundestag das Bürgerentlastungsgesetz beschlossen. Kranken- und Pflege

kassenbeiträge sind danach ab dem Jahr 2010 von der Steuer absetzbar. Das Volumen der Entlastung beläuft sich auf 9,3 Milliarden €.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Dr. Brachmann, SPD: Schön!)

Der Vorschlag, über den wir heute reden - - Der Einbringer von der Fraktion der FDP hat es gesagt: Es geht um 3 Milliarden € für die Gastronomie und um 1 Milliarde € für die Beherbergungsbetriebe,

(Herr Miesterfeldt, SPD: Was?)

wenn das so überhaupt richtig ist.

Ich möchte aber darauf hinweisen, dass in der Begründung zu dem Antrag und auch in Ihrer Rede ein Punkt etwas falsch dargestellt worden ist; denn es ist mitnichten so, dass die Finanzminister der EU beschlossen haben, die Erhebung reduzierter Mehrwertsteuer auszuweiten. Sie haben sich lediglich darauf verständigt, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einzuräumen, das zu tun. Insofern ist es also nicht so, dass die EU beschlossen hätte, das müsse in allen Mitgliedstaaten so geschehen.

(Zuruf von der SPD: Ja!)

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht - das Internet macht es möglich - zusammenzustellen, wer alles in dem letzten halben Jahr gefordert hat, die Mehrwertsteuer müsse in bestimmten Bereichen reduziert werden.

Die privaten Krankenversicherer empfehlen, den Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel zu reduzieren. Die Länder Frankreich und Großbritannien - das ist auch ein EUThema - wollen eine Senkung der Mehrwertsteuer auf umweltfreundliche Produkte. Herr Westerwelle - der darf natürlich nicht fehlen - forderte schon im letzten Jahr eine Reduzierung der Mehrwertsteuer auf Gas, Strom und Öl. EU-Familienverbände wollen eine reduzierte Mehrwertsteuer auf Produkte für Kinder.

Nach Auffassung des Immobilienwirtschaft-Spitzenverbandes Deutschland sollte das Renovieren von Wohnungen reduziert besteuert werden. Die Handwerkskammer Berlin will niedrigere Steuern für arbeitsintensive Leistungen. Die Dachdecker möchten reduzierte Mehrwertsteuersätze auf den gesamten Wohnungsbau usw. usf.

Meine Damen und Herren! Es gibt vielfältige Forderungen nach einer Reduzierung der Steuersätze. Wenn man sich dann aber einmal das Gesetz im Detail anschaut, wird man vielleicht doch ein bisschen stutzig.

Ich habe mir nämlich einmal das Umsatzsteuergesetz genauer angeschaut: § 12 enthält auf drei Seiten die schon vielfach zitierten Ausnahmebestimmungen. Dazu gehören unter anderem die Heilbäder, die Zirkusvorführungen und der ÖPNV. In all diesen Bereichen haben wir bereits heute einen reduzierten Mehrwertsteuersatz.

Dann gibt es dazu noch eine Anlage. Die umfasst noch einmal sieben Seiten mit 54 Unterpunkten - Gemüse, Pflanzen usw. usf. Wer sich das anschaut, der findet vielleicht auch die Frage beantwortet, warum Kindernahrung und Tiernahrung unterschiedlich besteuert werden. In der Logik ergibt das schon einen gewissen Sinn.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Na, freilich!)

Das, was mich verwundert, meine Damen und Herren, ist: Gerade die FDP, die immer wieder beklagt, das deutsche Steuerrecht sei so umfangreich und 70 % der

Steuerliteratur weltweit sei in Deutsch geschrieben worden und so weiter, gerade Sie von der FDP fordern an dieser Stelle, dass man dieses Steuerrecht noch weiter verkompliziert.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Das verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht.

Ich habe schon länger den Verdacht, dass diejenigen, die immer über das komplizierte deutsche Steuerrecht klagen, genau die Gleichen sind, die mit Rücksicht auf Interessenverbände vorher dafür sorgen, dass Ausnahmegenehmigungen geschaffen werden.

(Beifall bei der SPD)

Nachdem ich all das gesagt habe, ist für mich klar: Wir sollten eigentlich den Antrag ablehnen. Aber mit Rücksicht auf eine große Fraktion im Landtag, die darüber noch einmal im Detail diskutieren möchte, und weil wir auch die Option 2020 wahren wollen,

(Heiterkeit - Zustimmung bei der SPD)

plädiere ich für eine Überweisung an die genannten Ausschüsse. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Graner, es gibt eine Nachfrage von Frau Dr. Klein.

(Herr Tullner, CDU: Sehr gut! Sehr gut! Fragen Sie!)

Herr Graner, Sie sagten, dass sich Ihnen am Beispiel der unterschiedlichen Besteuerung von Katzenfutter und Kinderwindeln die Logik der Ausnahmen von der regulären Mehrwertsteuer erschließe. Vielleicht könnten Sie mir einmal erklären, warum auf Katzenfutter ein Mehrwertsteuersatz von 7 % und auf Kinderwindeln ein Satz von 19 % erhoben wird. Worin liegt da die Logik?

(Zuruf von Herrn Scheurell, CDU)

Frau Dr. Klein, ich will nicht sagen, dass ich dieser Logik folge. Wenn Sie sich aber einmal die Anlagen anschauen, die Liste der dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegenden Gegenstände,

(Zuruf von Herrn Dr. Eckert, DIE LINKE)

dann werden Sie feststellen, dass dort unter der laufenden Nummer - Moment, wo war das? - Nr. 10 unter Absatz k - -

(Zuruf von Herrn Dr. Eckert, DIE LINKE)

Nein, Entschuldigung. Unter Absatz l werden die Produkte aufgezählt, die unter anderem zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz in Verkehr gebracht werden dürfen - ich zitiere -:

„Gemüse, getrocknet, auch in Stücke oder Scheiben geschnitten,“

(Herr Bischoff, SPD, und Minister Herr Dr. Daeh- re lachen)

„als Pulver oder sonst zerkleinert, jedoch nicht weiter zubereitet.“

(Zuruf: Schön!)

Es ist klar: Ein solches Gemüse können Sie natürlich als Hundefutter anbieten, einem Baby würden Sie es nicht geben. Das heißt, es wird weiter zubereitet. Also in der Steuerlogik ist es logisch.

(Heiterkeit und Zurufe - Herr Bischoff, SPD: Sinn- lose Logik!)

Herr Graner, würden Sie mir darin zustimmen, dass diese Regelungen zur Mehrwertsteuer doch stark überarbeitungsbedürftig sind?

Ich denke, das ist aus meiner Rede klar geworden. Das ist sicherlich überarbeitungsbedürftig. Es hat aber keinen Sinn, wie hier gefordert, da noch eins obendrauf zu setzen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Herr Graner. - Der Abgeordnete Herr Dr. Schrader kann noch erwidern.