Protocol of the Session on June 19, 2009

Aber jetzt zum Thema „Ermäßigter Mehrwertsteuersatz für Hotellerie und Gastronomie“. Ich denke, das ist ein Thema, das uns umtreiben kann. Wir wissen, dass gerade die Betriebe in diesem Bereich auch bei uns im Land zu kämpfen haben. Viele haben Investitionen getätigt, die sich jetzt amortisieren müssen. Wir bemühen uns tatkräftig - ich weiß das vom Kollegen Zimmer, der Chef des Tourismusverbandes ist, und auch vom Wirtschaftsministerium -, in diesem Bereich noch erfolgreicher zu werden.

(Zuruf von der FDP)

Der Kurzzeittourismus ist ein Thema, eine Marktlücke, die uns sozusagen als Zielgruppe anerkannt worden ist.

(Unruhe)

Vielleicht dürfte ich mal um mehr Aufmerksamkeit bitten. - Danke.

Weil das so ist, kommt dieser Antrag jetzt wohlfeil daher und will uns suggerieren: Wenn wir in dem einen Mehrwertsteuersegment eine Senkung vornehmen würden, dann wären die Probleme gelöst. - So einfach sollten wir uns das nicht machen.

Immerhin kommt der Kanon der Mehrwertsteuerlogik mit dem niedrigen und dem hohen Mehrwertsteuersatz aus einer Zeit von vor 20, 30 Jahren. Daher auch die Unwuchten, Herr Kollege Schrader, Sie haben es beschrieben. Babywindeln, Blumen, Hundefutter, all das können wir durchdeklinieren und nun wollen wir in einem kleinen Segment beginnen, die Mehrwertsteuer zu senken. Ich denke, das bringt uns in der Systematik der Steuerdebatte und der Mehrwertsteuer nicht wirklich weiter. Denn wir als CDU haben im Vorfeld der letzten Bundestagswahl klar gesagt, dass wir die Mehrwertsteuer erhöhen wollen - aus den bekannten damaligen Gründen.

(Herr Kosmehl, FDP: Um wie viel Prozent?)

Das ist uns damals um die Ohren geflogen als „MerkelSteuer“ und wie all die Dinge hießen. Hinterher haben wir uns vernünftig geeinigt

(Lachen bei der FDP)

und haben die Mehrwertsteuer dann auch erhöht. Ich denke, dass die CDU ihre Glaubwürdigkeit da klar unter Beweis gestellt hat.

Aber - das will ich an dieser Stelle noch einmal deutlich sagen - wir können uns nicht auf einzelne Punkte beschränken. Wir sollten den gesamten Komplex „Tourismus versus Steuerdebatte“ in Gänze in den zuständigen Ausschüssen bereden. Dann können sich die Kollegen im Wirtschaftsausschuss noch einmal über die Situation in der Hotellerie und im Gaststättenwesen unterhalten und darüber, ob es wirklich Sinn macht, über Steuermaßnahmen nachzudenken.

Wir im Finanzausschuss werden uns, denke ich, das Thema Mehrwertsteuer in Gänze anschauen, damit wir in Vorbereitung der kommenden steuerpolitischen Diskussion, die wir im Bund führen, als Fraktion und als Koalition eine klare Meinung haben. Dann können wir uns, denke ich, auch über das Jahr 2010 hinaus mit steuerpolitischen Konzepten sehen lassen und darüber getrost mit den Kolleginnen und Kollegen Bürgerinnen und Bürger im Lande diskutieren.

In diesem Sinne beantrage ich die Überweisung in die Ausschüsse und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Herr Kosmehl hat eine Nachfrage. Bitte sehr.

Herr Kollege Tullner, ich hoffe, dass Sie mir die Frage beantworten können. Vielleicht hätte ich Sie Ihrem Fraktionsvorsitzenden als Mathematiker stellen müssen.

Können Sie mir vielleicht ganz kurz erklären, wie Sie von 2 % CDU-Angebot für eine Mehrwertsteuererhöhung vor der letzten Bundestagswahl und 0 % der Sozialdemokraten auf 3 % Mehrwertsteuererhöhung gekommen sind?

(Zuruf: Das können nur Juristen!)

Kollege Kosmehl, wenn Sie sich vielleicht noch daran erinnern, was vor 2002 passiert ist - damals haben wir Koalitionsverhandlungen mit Ihnen geführt; wir führen diese gelegentlich auch mit anderen Partnern -, dann werden Sie dem doch entnommen haben, dass wir eine klare Position hatten. Dann gibt es Verhandlungen und dann einigt man sich.

Ich denke, wir haben eine klare Konzeption für die Verhandlungen gehabt und müssen uns im Nachhinein auch nichts vorwerfen lassen. Wenn Sie die Frage an die Koalition im Bund, was die SPD angeht, stellen wollen, dann müssen Sie die Kollegen der SPD fragen, die können die Frage gern beantworten.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Dr. Klein.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte um die Einführung eines ermäßigten Mehr

wertsteuersatzes für arbeitsintensive Branchen in der Bundesrepublik könnte man fast schon eine „unendliche Geschichte“ nennen. Seit 1999 steht dieses Thema wiederholt auf der Tagesordnung. Damals gab es den ersten Beschluss des EU-Finanzministerrates, diesbezüglich zumindest Modellprojekte zu ermöglichen.

Herr Schrader hat darauf verwiesen, dass es im Monat März nun zu einem einstimmigen Beschluss der EU-Finanzminister kam, einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für arbeitsintensive Dienstleistungen in Gaststätten dauerhaft zu ermöglichen. Aber die verschiedenen Bundesfinanzminister hatten und haben trotz ihrer Zustimmung in der EU nicht die Absicht, diese Möglichkeit in der Praxis zu erproben. Insbesondere die Haltung von Steinbrück ist nicht nachvollziehbar. In der EU stimmt er zu, aber im eigenen Land lehnt er ab.

Die Haltung unseres Finanzministers kann ich im Augenblick noch irgendwie nachvollziehen. Er hat gerade im Bundesrat dem Schuldenverbot zugestimmt, da kann er jetzt nicht schon wieder für Steuersenkungen eintreten. Auch das ist eine Krux, die man dabei hat.

Hier hat - das muss ich sagen - auch die FDP einen echten Lernprozess durchgemacht. Ich kann mich noch an Debatten im Bundestag erinnern, als ich damals Mitarbeiterin war, in denen die FDP unsere Anträge zur Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Dienstleistungen regelmäßig abgelehnt hat.

Ich kann Ihnen etwa - Herr Schrader, reden Sie nicht - eine Äußerung von Frau Frick in einer Debatte im Jahr 1999 zitieren:

„Da die Senkung der Umsatzsteuer nicht zwangsläufig zu einer Reduzierung des Preises führt, ist nicht zu erwarten, dass es zu einer größeren Nachfrage der Konsumenten und damit zu mehr Arbeitsplätzen kommt.“

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

„Die Erfahrung zeigt, dass Steuerreduzierungen durch die Unternehmen nicht ohne Weiteres weitergegeben werden.“

Das ist O-Ton aus dem Jahr 1999. Jetzt haben wir das Jahr 2009. Deswegen ist es ein echter Lernprozess, zumindest seit dem Jahr 2007. Auch damals hat die FDP den Antrag der Fraktion DIE LINKE im Bundestag zu arbeitsintensiven Dienstleistungen abgelehnt. Ich gebe jedoch zu: Unsere Themen waren ein bisschen anders als das Thema Hotel- und Gaststättengewerbe.

(Herr Dr. Schrader, FDP: So ist es!)

Es ging um Waren und Dienstleistungen für und an Kindern, es waren apothekenpflichtige Medikamente und es waren die arbeitsintensiven Dienstleistungen als solche. Darin besteht ein gewisser Unterschied.

Unter den gegebenen Bedingungen könnten wir auch eine Ausdehnung auf das Gaststättengewerbe mittragen, obwohl in Sachsen-Anhalt der Wettbewerb mit den angrenzenden EU-Ländern nicht so ausgeprägt ist wie im Saarland oder in Bayern. Allerdings zeigen auch die Erfahrungen aus den Nachbarländern, dass die Preise in den Gaststätten um maximal 20 % sinken, wenn man denn den ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwendet.

Wir sind der Meinung, dass gerade auch Catering-Firmen, die Kindertagesstätten, Schulen, Pflegeheime und

Krankenhäuser beliefern und die Essen ausgeben und deswegen den vollen Mehrwertsteuersatz zahlen, künftig in den Genuss eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes kommen sollten.

Wir haben Bedenken wegen der Refinanzierung - eine Kritik, die wir immer kriegen. Wir haben natürlich einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung in unserem Änderungsantrag unterbreitet; denn zu den prognostizierten Steuerausfällen werden weitere Steuerausfälle kommen. Ich habe die folgenden Zahlen gefunden: 3,8 Milliarden € bei arbeitsintensiven Dienstleistungen und rund 4,5 Milliarden € im Gaststätten- und Hotelgewerbe.

Eine Möglichkeit, diese Steuerausfälle zu begrenzen, ist die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Diese würde - wenn wir auf dem unteren Level blieben - rund 16 Milliarden € bringen. Das ist die Zahl, die in der vergangenen Woche in der Sendung „Monitor“ genannt wurde. Ich nehme noch nicht einmal unsere Berechnungen.

Mit Mitteln in Höhe von 16 Milliarden € könnten wir problemlos eine Absenkung der Mehrwertsteuer in ausgewählten Bereichen gegenfinanzieren. Entlastet würden möglicherweise kleinere Unternehmen und es gäbe vielleicht

(Herr Gallert, DIE LINKE: Jetzt gucken wir mal, ob die FDP zustimmt!)

- ja, ja - die Chance, die Binnennachfrage auch anzukurbeln.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Deswegen werbe ich für unseren Änderungsantrag.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP - Herr Gallert, DIE LINKE: Ja!)

Ich möchte noch Folgendes ergänzen: Herr Tullner sagte, der Antrag soll überwiesen werden.

(Herr Tullner, CDU: Ja!)

Mein Vorschlag wäre eine Überweisung an den Wirtschaftsausschuss,

(Herr Tullner, CDU: Genau! Schön!)

damit dort geprüft werden kann, wie wirtschaftlich eine solche Ermäßigung wirklich wäre.