Wir haben schon eine Menge über die Krise und Krisensituationen usw. in Sachsen-Anhalt gesprochen. Jetzt haben wir uns der Zukunft der jungen Menschen zugewandt, die sich in der Ausbildung befinden. Wir wollen, dass sie eine Zukunft haben, dafür ihre Ausbildung ordentlich zu Ende bringen können und als gute Fachkräfte in unserem Land bleiben.
Wir haben heute früh über die Karstadt-Insolvenz gesprochen. Ich konnte noch einmal nachfragen, wie die derzeitige Situation ist, und Folgendes mitteilen: Bei Karstadt wird die Beschäftigung der Auszubildenden gesichert, das heißt, es wird keine Abstriche bei den Azubis geben. Das finde ich erst einmal sehr gut.
Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich mich gefragt, was das Anliegen des Antrages ist, denn wir haben eigentlich noch keine Probleme. Dann habe ich versucht, mich bei denjenigen sachkundig zu machen, die es besser wissen als ich, das heißt bei den Akteuren der Gewerkschaften. Dort habe ich festgestellt, dass es Konkurse gibt, von denen auch Auszubildende betroffen sind. Derzeit ist es aber so, dass sie in der Lage sind, gemeinsam mit den Kammern und den zuständigen Arbeitgeberverbänden die Probleme zu lösen. Das finde ich gut. Das heißt aber nicht, dass wir nicht schon morgen ein Problem haben könnten, das uns gemeinsam tief Luft holen lässt.
Unsere Fraktion hält diesen Antrag für richtig, und wir unterstützten ihn auch. Dennoch ist meine Forderung, dass wir ihn nicht losgelöst von dem Berufsbildungsbericht 2008 diskutieren können. Es ist in den Diskussionsbeiträgen schon angeklungen, niemand hat es außer acht gelassen, wie sich die Ausbildungsplätze überhaupt entwickeln werden.
Deswegen möchte ich ein paar Punkte benennen: Das eine ist das Verhältnis der Ausbildungsverhältnisse zu den Schulabgängern. Das heißt, wir haben im Berufsbildungsbericht für das Jahr 2008 23 690 Schulabgänger gehabt und 16 842 Ausbildungsverhältnisse. Dazwischen liegt eine große Diskrepanz. Wir haben an Altbewerbern 10 155 Jugendliche, die sich beworben haben. Das sind 52 % aller gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber.
Ich finde, solchen Zahlen müssen wir uns zuwenden, weil man sie nicht einfach ignorieren kann, auch nicht die Ergänzung, die der Herr Minister gemacht hat. Im Bericht wird die negative Entwicklung der Anzahl der betrieblichen Ausbildungsverhältnisse genannt. Frau Take hat das kurz angerissen. Der Grund dafür ist nach Auffassung des Verfassers des Berichtes - ich zitiere -:
„Hier ist der Effekt des nachlassenden Bewerberdrucks spürbar, deutlich weniger Bewerberinnen und Bewerber machen es für Unternehmen schwieriger, Jugendliche für eine Ausbildung in ihrem Betrieb zu interessieren und geeignete Jugendliche für die von ihnen angebotenen Ausbildungsplätze zu finden.“
Ich finde, hierzu ist eine Analyse notwendig, um zu schauen, reicht die Qualifizierung aus, muss man in der Schule etwas anders machen bzw. reicht es aus, dass wir die Jugendlichen in der Schule an die Betriebe oder die Unternehmen heranführen. Ich finde, hier müssen wir genauer hinschauen. Das möchte ich auch.
Der zweite Punkt ist die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen in Sachsen-Anhalt. Auch das müssen wir tiefgründiger unter die Lupe nehmen, denn von allen Be
trieben haben 56 % eine Ausbildungsberechtigung. Es bilden aber nur 25 %, also ein Viertel aller Unternehmen, aus. Bundesweit liegt die Quote bei 32 %. Das ist in einer Zeit, in der sich Fachkräftelücken entwickeln bzw. auftun, einfach zu wenig.
Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze ist gegenüber dem Jahr 2007 um 1 000 Ausbildungsplätze zurückgegangen. Während noch im Jahr 2007 11 200 Jugendliche eine betriebliche Ausbildung aufgenommen haben, waren es im Jahr 2008 nur noch 10 554 Jugendliche, die eine betriebliche Ausbildung aufgenommen haben.
Der DGB kritisiert, dass den jungen Menschen noch immer kein auswahlfähiges Ausbildungsplatzangebot zur Verfügung steht. Deswegen kann ich Ihre Äußerung, Herr Franke, nicht unterstützen, dass Sie sagen, dann müssen sie eben Lust für anderes bekommen. Das könnte aus meiner Sicht ein Grund dafür sein, wenn man es richtig betrachtet, dass zu viele Jugendliche die Ausbildung abbrechen.
Das sollten nur einige Hinweise auf unsere vielen Fragen zum Berufsbildungsbericht sein. Deshalb ist eine intensive Debatte unbedingt notwendig. Diese Debatte ist von der Diskussion zum heutigen Antrag der SPD nicht zu trennen.
Unter Berücksichtigung der Wirtschafts- und Finanzkrise möchte ich noch drei Punkte benennen. Es ist wichtig, dass in den Unternehmen alles getan wird, die Ausbildung zu Ende zu führen. Die aktuelle Wirtschafts- und Finanzkrise darf nicht dazu genutzt werden, um Schutzbestimmungen für die Auszubildenden abzubauen.
Alle ausbildenden Betriebe müssen das Berufsbildungsgesetz sowie die Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes unbedingt einhalten und die Arbeitsstättenverordnung sowie die Unfallverhütungsvorschriften - dazu haben wir auch eine Verantwortung - achten.
Die Unternehmen stehen insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Sicherung des eigenen Fachkräftepotenzials in der Verantwortung, ihre Auszubildenden zu übernehmen.
Herr Graner, möchten Sie noch einmal sprechen? - Das ist nicht der Fall. Dann treten wir ein in das Abstimmungsverfahren. Wir stimmen direkt über die Drs. 5/2011 ab. Wer dem Antrag der Koalitionsfraktionen zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Antrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 26 beendet.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was unterscheidet Hundefutter und Bergbahnfahren vom Essen im Restaurant, frischer Schulverpflegung und Hotelübernachtungen? - Sie können es sich denken: Hundefutter und Bergbahnfahrten haben einen reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 %. Frische Schulverpflegung und Essen im Restaurant, Speisen und Hotelübernachtungen haben in Deutschland den vollen Mehrwertsteuersatz in Höhe von 19 %.
Die Finanzminister der Europäischen Union haben beschlossen, den reduzierten Mehrwertsteuersatz auf arbeitsintensive Dienstleistungen wie die Gastronomie auszuweiten. Für Hotellerie und Beherbergung gilt das bereits seit längerer Zeit.
Auch SPD-Bundesfinanzminister Steinbrück hat dem in Brüssel zugestimmt. Zu Hause angekommen, weigert er sich aber, dies auch hierzulande umzusetzen. Das ist klar; denn er sieht fehlende Steuereinnahmen. Nach seinen Berechnungen sind es Steuermindereinnahmen in Höhe von 3 Milliarden € im Bereich der Gastronomie und in Höhe von ca. 1 Milliarde € im Bereich der Beherbergungen.
Obwohl bereits die große Mehrheit der EU-Mitgliedsländer reduzierte Mehrwertsteuersätze in den Bereichen Hotellerie und Gastronomie hat, will die Bundesregierung die sich bietende Möglichkeit nicht nutzen.
Wie sieht es in Europa aus? - Kleiner Ausblick in die Nachbarregionen: Von 27 EU-Ländern haben 22 Länder einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für Hotellerie und elf einen reduzierten Mehrwertsteuersatz für Gastronomie. Bis auf Dänemark haben alle Nachbarstaaten einen reduzierten Mehrwertsteuersatz auf Hotellerie. Wenn Belgien, Frankreich und Tschechien in Kürze den Mehrwertsteuersatz für das Gastsstättengewerbe senken, dann ist dies auch in den Restaurants aller Nachbarländer so.
Österreich hat jeweils einen Mehrwertsteuersatz in Höhe von 10 % für Hotellerie und Gastronomie. In Frankreich beträgt er ab dem 1. Juli 5,5 % für die Gastronomie. Für Beherbergungen gilt dies bereits länger. Aber auch Urlaubsländer wie Italien und Spanien mit 7 % oder Griechenland mit 9 % haben deutlich geringere Mehrwertsteuersätze als Deutschland.
Was macht der Bundestag? - Am 18. März 2009 wurde von der FDP-Bundestagsfraktion ein Antrag auf Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes in diesen Bereichen eingebracht. Am 23. April 2009 wurde dieser Antrag in den Finanzausschuss sowie in den Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus überwiesen. In einer Aktuellen Stunde hat sich die Bundesregierung aber klar gegen den ermäßigten Mehrwertsteuersatz ausgesprochen.
Was macht der Bundesrat? - Derzeit wird das Thema im Bundesrat diskutiert. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates hat mit der Stimme von Sachsen-Anhalt der Reduzierung zugestimmt, also mit der Stimme des CDU-geführten Wirtschaftsministeriums.
Im Finanzausschuss des Bundesrates wurde ebenfalls mit der Stimme unseres Bundeslandes - in Klammern:
nämlich mit der Stimme des SPD-geführten Finanzministeriums - für eine Vertagung votiert. Dies bedeutet keine Zustimmung und keine Ablehnung, aber ein Stück weit spricht es dagegen. CDU und SPD scheinen in diesem Punkt unterschiedliche Meinungen zu vertreten. Vielleicht erhalten wir heute eine klare Aussage.
Wir Liberale stehen für einen fairen Wettbewerb. Deshalb darf es keine Benachteiligungen gegenüber ausländischen Konkurrenten geben. Der Bundesfinanzminister unterstützt in Brüssel den ermäßigten Mehrwertsteuersatz und im eigenen Land verwehrt er ihn.
Das ist nicht nur ungerecht, sondern auch gefährlich für viele kleine und mittlere Betriebe nicht nur in den Grenzregionen. Dies ist nicht nur in Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg, dem Saarland, NordrheinWestfalen und Sachsen, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Regionen mit reduzierten Mehrwertsteuersätzen befinden, sondern auch in Sachsen-Anhalt ein nicht zu unterschätzendes Thema.
Preise und Preisvergleiche sind in der Tourismuswirtschaft das A und O. Diese unterschiedlichen Steuersätze, die direkte Auswirkungen auf die Preise haben, sprechen sich nicht nur herum, sondern werden auch von Wettbewerbern aktiv genutzt, um Leuten zu sagen: Fahrt bitte dorthin, wo es reduzierte Mehrwertsteuersätze gibt. Touristen aus dem Ausland interessiert sehr, welche Preise und Steuersätze in den Ländern gelten, in die sie fahren wollen. Sie werden darauf ganz aktiv durch die Wettbewerber hingewiesen.
Die Auswirkungen für unser Kulturreiseland sind nicht zu unterschätzen. Das Tourismusgeschäft bricht ein. Die Ausfälle werden deutlich höher sein als die jetzt theoretisch errechneten Ausfälle durch reduzierte Mehrwertsteuersätze. „Theoretisch“ sage ich deshalb, weil insbesondere die SPD und die LINKE immer noch glauben, dass hohe Steuern hohe Einnahmen des Staates bedeuten. Das Gegenteil stimmt: Hohe Steuern würgen die Konjunktur ab, Betriebe machen dicht. Nur wenn ein Unternehmen arbeitet und nur wer Arbeit hat, der zahlt natürlich auch Steuern.
Gerade in der Krise benötigen wir ein faires Steuersystem mit Entlastungen. Reduzierte Steuersätze bringen im Enddefekt höhere Steuereinnahmen, weil viel mehr Menschen Leistungen in Anspruch nehmen und Produkte nutzen, wenn sie günstiger sind; und vor allen Dingen wo sie günstiger sind.
Nach einer aktuellen Umfrage der Dehoga würde die Branche gern 1,8 Milliarden € investieren, wenn - ja wenn sie in den Genuss des reduzierten Mehrwertsteuersatzes käme und dadurch mehr Geld in der Kasse hätte. Die Verhinderung von Investitionen durch hohe Steuern ist ein gutes Beispiel dafür, dass höhere Steuern nicht mehr, sondern weniger Staatseinnahmen bedeuten.
Die Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes erweitert die Preisspielräume der mittelständisch geprägten Tourismuswirtschaft. Sie trägt zur Stärkung der in Sachsen-Anhalt immer mehr an Bedeutung gewinnenden Branche bei. Gerade in der momentanen Wirt
schaftskrise würde eine derartige Maßnahme helfen, zahlreiche Arbeitsplätze im Hotel- und Gaststättengewerbe zu sichern.
Entscheidend ist - deshalb ist der Antrag ordnungspolitisch geboten -, dass Wettbewerbsfairness und Chancengleichheit gewährleistet sind. Wir fordern die Landesregierung daher auf, die von Bayern initiierte Bundesratsinitiative zur Senkung der Mehrwertsteuer zu unterstützen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ob es gewollt war, dass wir am Freitagnachmittag um 16.15 Uhr eine Steuerdebatte führen, die natürlich vom Wahlkampf überlagert ist und bei der es um die prinzipielle Frage geht: „Wie hältst du es mit den Steuern?“, bei der uns zudem die ganze Welt zuhört und wir wissen, was jeder hierzu sagen wird, und bei der man darauf schaut, ob die CDU treu das abstimmen wird, was das Land im Bundesrat machen wird? Vor diesem Hintergrund sage ich von Vornherein: Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen.