Protocol of the Session on June 18, 2009

(Zustimmung bei der FDP)

Danke, Herr Kosmehl, für die Einbringung. - Die Landesregierung hat auf einen Redebeitrag verzichtet. Für die Fraktion der CDU spricht der Abgeordnete Herr Stahlknecht.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kosmehl, im zweiten Teil Ihrer Rede haben Sie völlig zutreffend ausgeführt, dass das Gedenken sowohl an die Zeit von 1933 bis 1945 als auch an die Zeit des SED-Regimes unerlässlich und wichtig ist.

Ich gebe Ihnen insoweit Recht, als diejenigen, die eine demokratische Zukunft gestalten wollen und müssen, das Gedenken an Diktaturen zu keiner Zeit verlieren dürfen. Dafür ist diese Stiftung - ich glaube, darüber herrscht Einigkeit in diesem Hohen Hause - sehr wichtig.

Gleichwohl haben wir - ich glaube, das war im letzten Jahr - beschlossen, dass wir den unmittelbaren Einfluss des Landtages zunächst einmal nicht wollen. Die Gründe dafür waren vielfältig. Wir Juristen würden sagen: Es gab ein Motivbündel. Insbesondere war es uns wichtig, dass zunächst einmal die Gremien, die dort außerhalb des unmittelbaren politischen Apparats tätig sind, zueinanderfinden, dass sie diese Stiftung selber, ohne das Gefühl zu haben, von uns bevormundet zu werden, lebensfähig und zukunftsfähig machen und dass sie sich ihrer eigenen Verantwortung in diesem Stiftungsrat bewusst werden, weil nicht allein wir in diesem Hohen Haus die Verantwortung für das Gedenken gepachtet haben. Das haben wir vor einem Jahr beschlossen.

Nun hat es Schwierigkeiten gegeben. Wir sind aber der Auffassung, dass nicht jede Schwierigkeit im Leben dadurch beseitigt wird, dass Mitglieder des Hohen Hauses dabei sind. Insofern wollen wir dieser Stiftung noch ei

nen Zeitrahmen und die Chance geben, sich aus eigenen Kräften ohne unmittelbaren politischen Einfluss ihrer Verantwortung bewusst zu werden.

Wenn sich das, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, so weit stabilisiert hat, dann ist es wesentlich angenehmer, wenn Mitglieder des Landtages dazukommen und dann die anderen, die das aufgebaut haben, sagen: das war unser Werk, als wenn wir uns jetzt an dieser Stelle wieder hineinmogeln und den anderen das Gefühl geben, ohne uns geht es nicht, und wir quasi versuchen würden, sie in ihrer Gedenkverantwortung zu entmündigen.

Insofern kommt Ihr Antrag, Herr Kosmehl, zu früh. Manchmal kommen Sie zu spät; diesmal kommen Sie aus unserer Sicht zu früh. Aber gleichwohl wollen wir über Ihren Antrag im Ausschuss beraten. Vielleicht beraten wir ihn dann dort auch so lange, bis wir alle gemeinsam mit den Mitgliedern des Stiftungsrates der Auffassung sind, dass die Zeit reif ist und die Strukturen dort so stabil sind, dass diese Struktur auch einige, vier oder fünf von uns erträgt und uns gemeinsam das gestalten lässt, was uns wichtig ist. Daher bitte ich Sie, den Antrag mit uns zusammen in den Innenausschuss zur Beratung zu überweisen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Herr Stahlknecht, es gibt noch eine Nachfrage von Frau Dr. Hüskens. - Bitte sehr.

Herr Stahlknecht, das war jetzt der schöne Versuch, das Ganze platt zu reden.

Ich habe Sie nicht verstanden.

Ich habe eine Nachfrage, weil ich das nicht ganz nachvollziehen kann. Sie haben gesagt, Sie wollten so lange warten, bis die anderen, die in diesem Gremium sind, das Ganze in den Griff kriegen und es funktioniert. Warum sollen denn dann, wenn es ohne Vertreter des Landtags funktioniert, anschließend die Vertreter des Landtags dazukommen?

Frau Hüskens, sehen Sie, da unterscheiden sich unsere Auffassungen. Wenn Sie der Meinung sind, dass man uns immer da, wo es nicht funktioniert, zwingend braucht, dann habe ich ein Stück weit das Gefühl, dass wir der Versuchung erliegen, unsere Funktion selbst zu überhöhen.

(Frau Dr. Hüskens, FDP, und Herr Wolpert, FDP, lachen)

Sie sagen: Wenn etwas funktioniert, dann werden wir nicht mehr gebraucht. Wenn es nicht funktioniert - das ist der Umkehrschluss -, dann werden wir gebraucht. Dazu sage ich Ihnen: Es gibt viele Bereiche, wo sich die Welt auch ohne Landtags- und Bundestagsabgeordnete zusammengefunden hat, die vernünftige Strukturen ha

ben, wo man hinterher gern auch die Meinungsbildung mit den Politikern sucht. Aber Ihre Argumentation, dass eine solche Stiftung nur dann lebensfähig werden kann, wenn unsere Erfahrungen dort maßgeblich mit einfließen, halte ich - unter uns gesagt und höflich formuliert - für sehr, sehr selbstbewusst.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Gallert.

(Herr Tullner, CDU: Aber nicht so laut!)

Herr Tullner, Sie hören sonst nicht immer ordentlich zu; deswegen müssen wir manchmal so laut sprechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Gedenkstättenstiftung erreicht uns nun ein Jahr nach der letzten Behandlung wieder. Ich möchte daran erinnern: Damals wurden die entsprechenden Landtagsvertreter abgezogen, und zwar einfach deswegen, weil einige Opferverbände mit dem von uns entsandten Mitglied so große Probleme hatten, dass sie wiederum ihre eigene Tätigkeit in dieser Stiftung davon abhängig machten, dass unser Mitglied aus den entsprechenden Gremien verschwindet. Das war die Situation. Das ist damals von der Mehrheit des Hauses so beschlossen worden. Diese Situation haben wir heute.

(Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

Damals habe ich, zumindest presseöffentlich, aber ich glaube, auch an der einen oder anderen Stelle hier im Haus das Problem auf den Tisch bekommen, dass wir diejenigen seien, die die Probleme dieser Stiftung organisiert hätten, dass wir diejenigen seien, die dort Sand ins Getriebe gestreut hätten.

Inzwischen haben wir seit mehr als einem Jahr die Situation, dass Ladtagsabgeordnete generell nicht mehr vertreten sind. Inzwischen haben wir - das darf ich wohl doch mit einiger Sicherheit sagen - in den letzten Monaten eine sehr kritische Entwicklung bei dieser Stiftung gehabt. Wir haben eine Menge Probleme auf den Tisch bekommen, auch in der Öffentlichkeit, die ganz offensichtlich nichts damit zu tun haben, wen die LINKE in den Stiftungsrat entsandt hatte.

Deswegen glauben wir auch ausdrücklich, das ein solcher Gesetzentwurf, wie ihn die FDP vorgelegt hat, mitnichten die wirklichen Probleme dieser Stiftung aufgreift, die wirklichen Probleme dieser Stiftung nicht in den Griff bekommt. Ich will hier ganz deutlich sagen: Deswegen werden wir den Gesetzentwurf nicht mit in den Ausschuss überweisen.

Was sind aber die eigentlichen Probleme der Gedenkstättenstiftung, die in der letzten Zeit mehr als deutlich sichtbar geworden sind? - Unsere Position, die wir vor einem Jahr hier artikuliert haben, ist im Grunde genommen bestätigt worden, obwohl man sie damals nicht so richtig hören wollte. Das große Problem in dieser Stiftung ist und war, dass gerade mit dieser Gesetzesänderung die Opferverbände aus der Zeit nach 1945 die Voraussetzungen für ihre Mitarbeit erfüllt sehen.

Wir haben aber das Problem, dass ganz wesentliche Opferverbände aus der Zeit von 1933 bis 1945 nach wie vor die Voraussetzungen für ihre Mitarbeit in dieser Stif

tung nicht erfüllt sehen, und zwar in einem ganz entscheidenden Punkt. Das ist die Frage der zwangsweisen Stasi-Überprüfung der Beiratsmitglieder, die diese Organisationen entsenden. Da haben wir nach wie vor die Situation, dass weder Vertreter der Sinti und Roma noch der Zentralrat der Juden in den entsprechenden Stiftungsgremien mitarbeiten, weil es da ganz klar die Aussage gibt, die ich vor zwei Tagen noch einmal von einem Vertreter des Zentralrats der Juden gehört habe: Wir lassen uns von einem deutschen Staat nicht noch einmal überprüfen. - Das ist die Situation.

Das bedeutet, dass diese Organisationen auch weiterhin nicht in dem Stiftungsbeirat und damit in dem Stiftungsrat, wohin sie entsendet werden können, mitarbeiten. Das ist die Situation, die wir bereits im April letzten Jahres hier hatten.

Damals hat Herr Kolze gesagt: Das wird sich schon irgendwie geben. - Nein, das hat sich natürlich nicht gegeben, weil die Situation so ist. Das steht übrigens so im Gesetz. Herr Scharf hat damals gesagt: Na ja, dann muss man eben bestimmte Dinge politisch entscheiden; schließlich gibt es ja auch Leute, die Verfolgte der NaziDiktatur waren und die später für die Stasi gearbeitet haben; dann entscheiden wir so und dann ist es eben so.

Das bedeutet aber in der Konsequenz, dass es in dieser Stiftung eine Rahmenbedingung gibt, die verhindert, dass ganz wesentliche Opferorganisationen aus der Zeit von 1933 bis 1945 darin mitarbeiten. Das ist eine Situation, mit der wir uns nach wie vor nicht abfinden können. Das ist das eigentliche Problem der Gedenkstättenstiftung.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Jetzt kann man über unsere These, die lautet: Dann brauchen wir eben eine institutionelle Trennung, nach wie vor hinweggehen. Es besteht nur, und zwar fernab jeder politischen Bewertung, folgende Situation: Die Opferverbände aus der Zeit nach 1945 verlangen zwingend eine Stasi-Überprüfung. Wer sich nicht überprüfen lässt, ist für sie inkompatibel mit dieser Stiftung, und sie würden mit hoher Wahrscheinlichkeit genau dasselbe Verfahren anwenden wie das letzte Mal bei der Vertreterin, die wir entsandt haben.

Das ist die eine Kondition, die unbedingt erfüllt werden muss. Das ist aber die gleiche Kondition, die die anderen von der Mitarbeit ausschließt. Dann ist es eine logische Operation, was man damit macht. Deswegen ist unser Vorschlag nach wie vor, beide Bereiche zu trennen; denn - das ist inzwischen auch unsere Position - das ist auch eine institutionelle Garantie, die Dinge nicht miteinander zu vermengen oder platt zu machen, die eben nicht in eine gemeinsame Kiste gehören.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Herrn Mies- terfeldt, SPD)

Ich sage es hier noch einmal mit aller Deutlichkeit: Industrieller Massenmord, wie er auch in Sachsen-Anhalt in Bernburg und in Langenstein-Zwieberge stattgefunden hat, ist eine Einmaligkeit in der Geschichte. Das kann ich nicht unbedingt in einer gemeinsamen Stiftung bearbeiten, selbst dann nicht, wenn ich dort zwei Beiräte habe, selbst dann nicht, wenn ich unter diesem Dach eine entsprechende Trennung vornehme.

Wir haben auch gedacht, dass das geht. Aber die Erfahrung belegt eben, dass es so nicht gegangen ist, und die

Erfahrung belegt, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nicht gehen wird. Das ist die Situation, vor der wir stehen.

Wir glauben schon, dass der Umstand, dass zum Beispiel der Zentralrat der Juden und der Verband der Sinti und Roma in den Gremien nicht mitarbeiten, auch Folgen hatte. Ich erinnere nur einmal an die Diskussion über den mangelnden Abfluss von Investitionsmitteln.

Wir haben massenhaft Proteste gehabt, als es um den Moritzplatz ging, übrigens berechtigte Proteste. Wir haben uns das vor Ort angesehen. Es ist völlig richtig, was dort gesagt worden ist. Aber die Lichtenburg hat dann bloß am Rande eine Rolle gespielt. Dass in Langenstein-Zwieberge genau das gleiche Problem bestand, haben wir wirklich erst mitbekommen, als wir uns mit den Leuten unterhalten haben. Aber da gab es keine öffentlichen Proteste, obgleich das Problem in Langenstein-Zwieberge im Endeffekt genau dasselbe ist wie beim Moritzplatz. Das hat natürlich damit zu tun, wer in diesem Stiftungsbeirat vertreten ist und wer in dem Stiftungsbeirat nicht vertreten ist.

Das ist die Situation, mit der wir uns auseinandersetzen. Dafür ist der Gesetzentwurf der FDP-Fraktion keine Lösung; er ist auch keine Antwort. Deswegen wird er von uns abgelehnt. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Reinecke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stellen Sie das Thema Gedenkstättenstiftung des Landes Sachsen-Anhalt erneut in den Mittelpunkt. Es ist ohne Frage ein sehr wichtiges Thema; denn wie die letzten Wochen und Monate gezeigt haben, lief die Arbeit der Stiftung nicht so, wie wir alle uns das vorgestellt oder gar gewünscht hätten.

Sie wollen nun in § 7 des Gedenkstättenstiftungsgesetzes einen neuen Absatz 2 einfügen. Danach soll der Landtag nach der zum Zeitpunkt der Wahl bestehenden Zahl der Fraktionen Mitglieder in den Stiftungsrat wählen, wobei jede Fraktion im Landtag ein Mitglied vorschlagen kann. Die zu wählenden Mitglieder sollen in Einzelwahl gewählt werden.

Seit der letzten Änderung des Gesetzes zur Gedenkstättenstiftung des Landes Sachsen-Anhalt im April 2008, bei der § 7 Abs. 2 gestrichen worden ist, ist mehr als ein Jahr vergangen; Herr Stahlknecht hat bereits darauf hingewiesen. Diese Änderung hatte zur Konsequenz, dass die Stiftungsratsmitglieder des Landtages abberufen wurden.

Die seit dem 1. Januar 2007 eingerichtete Gedenkstättenstiftung hat den Zweck, das Wissen um die in ihrer Grausamkeit einzigartigen Verbrechen während der nationalsozialistischen Diktatur im Bewusstsein der Menschen zu bewahren und weiterzutragen. Des Weiteren ist es ihre Aufgabe, die schweren Menschenrechtsverletzungen während der Zeit der sowjetischen Besatzung und der Zeit der SED-Diktatur darzustellen und hierüber

Kenntnis zu verbreiten. Auch das wurde von den Vorrednern bereits benannt.

Um die Arbeit der Stiftung politisch begleiten zu können, war vorgesehen, dass im Stiftungsrat Vertreter der im Landtag vertretenen Fraktionen mitarbeiten sollen. Nun aber zu sagen, dass seit der Abberufung der Stiftungsratsmitglieder eine politische Begleitung der Arbeit durch den Landtag nicht mehr stattgefunden habe, halte ich nicht für richtig; denn die Stiftungsbeiräte, insbesondere die Verbände der Opfer der SED-Diktatur, hatten gerade wegen der Besetzung durch Mitglieder der Fraktionen des Landtages die Stiftungsarbeit blockiert.