Protocol of the Session on June 18, 2009

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wie sollte eine moderne Haushaltspolitik in Sachsen-Anhalt aussehen? - Unsere Haushaltspolitik ist nach meiner festen Auffassung noch zu wenig von wissenschaftlicher Methodik durchdrungen.

(Zuruf von der CDU: Ja!)

In den letzten 20 Jahren - ich sage bewusst: in den letzten 20 Jahren - waren die wesentlichen Elemente beim Aufstellen eines Haushaltes die vier Grundrechenarten, die Prozentrechnung, das Kennen der Haushaltsansätze und der Mittelabflüsse des vergangenen Haushaltes sowie die politische Rückendeckung, die man braucht, um eigene Prioritäten umsetzen zu können. Dann ging der

Kampf los und der Haushalt hat dann hinterher auch immer eine Gestalt angenommen.

Dieses Verfahren hat immer funktioniert; es wird auch in Zukunft funktionieren. Aber, meine Damen und Herren, die maximal möglichen sowie die maximal sinnvollen Effekte im Sinne einer effizienten Mittelverwendung haben wir so, glaube ich, regelmäßig nicht erreicht.

Wenn wir uns anschauen müssen, dass die Sachsen heute eine deutlich geringere Gesamtverschuldung haben als wir in Sachsen-Anhalt, glaube ich schon, dass sie insgesamt über eine lange Periode hinweg in ihrem Haushaltsaufstellungs- und -durchführungsverfahren effizienter gewesen sind als wir in Sachsen-Anhalt. Diese Erkenntnis müssen wir an uns herankommen lassen, meine Damen und Herren.

(Frau Weiß, CDU: Das stimmt!)

Diese von mir jetzt vermittelte Erkenntnis ist überhaupt nicht neu. So haben auch Landesregierungen, insbesondere seit dem Jahr 2002, immer wieder versucht, mehr wissenschaftliche Grundlegung in die Erarbeitung unserer Haushalte hineinzubringen. Ich denke insbesondere an die Seitz-Gutachten und an die Benchmarking-Gutachten, die uns gezeigt haben, dass andere Bundesländer mit einem geringeren materiellen Aufwand zumindest keine schlechteren Ergebnisse erzielt haben.

Ich denke, das sollte uns Parlamentariern zu denken geben. All diese Gutachten haben gezeigt, dass jedes zukünftige Personalentwicklungskonzept nicht an diesen Untersuchungen vorbeikommt; es sei denn, wir sprengen unseren Landeshaushalt.

Meine Damen und Herren! Besonders beeindruckt haben mich - der eine oder andere hat es vielleicht gelesen oder noch in Erinnerung - die Untersuchungen von Untiedt und Kollegen aus dem Jahr 2004. Im Rahmen der so genannten HERMIN-Modelle haben wir erstmals wissenschaftlich evaluiert, wie unsere Programme wirken, wie sie der Zielerreichung tatsächlich dienen.

Das heißt, mit diesen wissenschaftlichen Untersuchungen konnten wir ein wenig mehr Objektivität in die Modellberechnungen und in die Analysen hineinbekommen. Wir konnten ein Stückchen von einer bloßen Meinung wegkommen. Wir wussten danach, wie der Einsatz bestimmter Mittel in Sachsen-Anhalt tatsächlich wirkt.

Diese Ansätze, die die Landesregierung selbst hat erarbeiten lassen, waren gut und erfolgversprechend, aber ich hatte den Eindruck, sie sind dann doch immer irgendwie im Gestrüpp der herkömmlichen Interessensverflechtungen hängengeblieben.

Der Finanzminister, meine Damen und Herren, hat in diesem Jahr die schwierige Aufgabe, in einer finanziell unübersichtlichen Zeit einen Haushalt aufzustellen, der wieder zu mehr Wachstum und Beschäftigung führt.

In dem Strategiepapier vom 9. Juni 2009 hat er eine Methode vorgestellt. Diese Methode, meine Damen und Herren, bleibt meiner Auffassung nach im Wesentlichen bei dem herkömmlichen Handlungsschema. Er geht von einem Basishaushalt und von aktuellen Steuerschätzungen aus. Er arbeitet neue oder mit Sicherheit zu erwartende Rechtslagen ein, zwingt dann durch Budgetierung die Ressorts in ein Korsett und erwartet, dass sich die Ressortminister irgendwie in diesem Korsett zurechtfinden und es irgendwann tatsächlich akzeptieren.

Aber, meine Damen und Herren, eine von mir eben in diesem Sinne angesprochene wissenschaftlich begründete Aufgaben- und Ausgabenkritik ist dieses Verfahren noch nicht. Wir werden, so bitter es ist, auch in SachsenAnhalt den Umfang der Staatstätigkeit an die Staatseinnahmen anpassen müssen. Und wer wie die LINKEN die Lage verschönert und immer nur behauptet, wir hätten kein Ausgaben-, sondern nur ein Einnahmenproblem, der sagt den Menschen nicht die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von der LIN- KEN)

Ich komme noch einmal auf den Haushalt zurück. Lassen Sie uns einen Moment innehalten. Die Landesregierung sollte einmal überlegen, ob es nicht gerade in der Krise den Versuch wert ist, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten Jahre nicht ganz zu vergessen und nicht ganz beiseite zu legen, sondern zu versuchen, ressortübergreifend, das heißt grenzüberschreitend Bedarfe und Kosten-Nutzen-Relationen zu ermitteln, um die begrenzten Mittel wirklich effektiv einzusetzen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn dieses Verfahren, das mühsamer ist als das jetzt angedachte Verfahren - - Das jetzt angedachte Verfahren führt zum Ziel; darin bin ich mir ganz sicher. Es hat immer zum Ziel geführt. Aber es verschenkt Effizienzgewinne, die wir im Moment dringend brauchen.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Wenn dieses Verfahren, das etwas komplizierter ist, einen erhöhten Beratungsbedarf im Landtag und in den Fraktionen mit sich bringen sollte, Herr Professor Böhmer, Herr Bullerjahn, werden sich die Fraktionen diesem Mehraufwand an Beratung gewiss nicht entziehen, wenn es dem Wohle des Landes dient.

Zur Haushaltskonsolidierung konkret. Wir haben die Nettoneuverschuldung ab dem Jahr 2007 auf null reduzieren können. Das war auch für zukünftige Haushalte vorgesehen. Allerdings haben wir infolge der Finanzmarktkrise und der damit einhergehenden einbrechenden Steuereinnahmen einen so genannten Nachjustierungsbedarf.

Trotzdem führt an der Haushaltskonsolidierung kein Weg vorbei. Wir werden die Ausgaben an die rückläufigen Einnahmen anpassen müssen. Insbesondere denke ich an ein Abschmelzen der Osttransferleistungen und an die zu erwartenden weiteren Einnahmeausfälle aufgrund des demografischen Wandels. Im Moment scheint uns der demografische Wandel in Sachsen-Anhalt das Leben wieder ein Stückchen schwerer zu machen, als wir es noch vor einiger Zeit angenommen haben.

Das Land Sachsen-Anhalt wird bis zum Jahr 2020 rund 2,5 Milliarden € an Transferzahlungen des Bundes und der EU verlieren - 2,5 Milliarden €. Das heißt: Das Aufstellen der Haushalte wird jetzt und in Zukunft wahrscheinlich von Jahr zu Jahr schwieriger und nicht einfacher werden, meine Damen und Herren.

Trotzdem, meine Damen und Herren, müssen wir Wachstum und Beschäftigung unter diesen Bedingungen sichern und fördern. Das heißt: Wir werden wahrscheinlich nicht darum herumkommen, uns aufgrund des notwendigen Konsolidierungsdrucks auch in den nächsten Jahren wieder über Standards zu unterhalten. Das habe ich jetzt ganz abstrakt gesagt, aber ich weiß, dass damit die

Büchse der Pandora wieder geöffnet wird. Aber, meine Damen und Herren, wir werden, wenn wir tatsächlich eine nachhaltige Haushaltspolitik machen wollen, nicht darum herumkommen.

Diesbezüglich muss der viel gescholtene Finanzminister von mir gar nicht in Schutz genommen werden. Er hat mir mit seiner Liste lediglich aufgezeigt, worüber man alles nachdenken kann. Aber allein das Aufzeigen des Gedachten hat schon zu Empörung und Aufregung im ganzen Lande geführt. Er weiß selbst, dass diese Liste im Großen und Ganzen so nicht umsetzbar ist. Ich denke, im Detail will er sie auch gar nicht umsetzen.

(Zurufe von Herrn Franke, FDP, und von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Aber wir müssen doch den Handlungsrahmen für uns erkennen. Wir müssen doch erkennen, welche Positionen von uns einmal durchdacht werden müssen, um zu sehen, wie wir die Einnahmen und die Ausgaben in ein vernünftiges Verhältnis bringen können, meine Damen und Herren.

Damit sind wir wieder bei den Personalausgaben. Bei all den schönen Diskussionen über die Personalbedarfe, die wir haben, werden uns die Benchmark-Gutachten immer wieder sagen, wo wir im gesamtdeutschen Vergleich stehen. Und die anderen Bundesländer werden nicht zulassen, dass wir in Sachsen-Anhalt die eigenen Aufgaben uneffektiver erledigen, als es andere Bundesländer tun.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Sie müssen etwas konkreter werden!)

Hiermit haben wir eine Aufgabe, der wir uns nicht entziehen können.

Die Personal-Enquetekommission leistete in diesem Zusammenhang einen wichtigen und mühevollen Beitrag. Aber das Ziel hat diese Kommission auch noch nicht erreicht. Den Handlungsrahmen, in dem wir uns letztlich bewegen müssen, zeigt sie uns jedoch ganz deutlich, meine Damen und Herren.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ach!)

Wir werden aber auch unter den Bedingungen der Krise notwendige Schwerpunktsetzungen vornehmen müssen. Ich habe am Anfang meines Redebeitrages den Lissabon-Prozess als den - für meine Begriffe - Schlüsselprozess eingeführt. Wir sollten auch bei dem Aufstellungsverfahren für diesen Haushalt dabei bleiben. Das heißt: Wir müssen insbesondere auf die Bereiche Bildung und Wissenschaft sowie auf die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Sachsen-Anhalt jetzt und in Zukunft unsere Prioritäten setzen.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Die Stärkung der Wirtschaftskraft im Land Sachsen-Anhalt muss unsere Hauptaufgabe bleiben. Ich wiederhole absichtlich, dass die Höhe des Bruttoinlandsprodukts je Einwohner in SachsenAnhalt noch immer bei lediglich 71 % des Bundesdurchschnitts liegt. Das heißt, wir müssen den notwendigen Aufholbedarf aus unseren eigenen Ressourcen heraus organisieren, aber gleichzeitig auch auf die notwendige, weiterhin bestehende gesamtdeutsche Solidarität hoffen, meine Damen und Herren.

Noch ein paar Worte zum Strategiepapier des Finanzministers. Er setzt ein Referenzjahr, und zwar das Haus

haltsjahr 2008. Das ist ein herausgegriffenes Jahr. Ob wir damit letztlich auskommen werden, müssen wir sehen. Man könnte als Referenzjahr auch das Jahr 2005 oder das Jahr 2006 wählen; dann kommt man zu anderen Szenarien. Zum Schluss müssen wir die Haushaltseckwerte erreichen, die wir mit Blick auf die Gesamtperspektive tatsächlich zu erreichen gezwungen sind.

Deshalb ist es richtig, bei Investitionen grundsätzlich einen Drittmittelverzicht zu vermeiden. Es ist richtig, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise ohne die Aufgabe der Konsolidierungsbemühungen in Sachsen-Anhalt nicht überwunden werden wird, meine Damen und Herren.

Im Übrigen müssen wir darauf hinweisen, dass wir in Sachsen-Anhalt nicht auf einer Insel leben. Das heißt, singuläres Handeln in Sachsen-Anhalt, singuläres Handeln der Landesregierung verbietet sich angesichts der Globalisierung in allen Zusammenhängen von selbst. Wir müssen uns einfach in die Strategien einfügen, die in Deutschland insgesamt und europaweit erarbeitet werden.

Zur Föderalismuskommission II. Nach der Billigung durch den Bundestag haben die Grundgesetzänderungen zur Föderalismusreform II sowie das dazugehörige Begleitgesetz am 12. Juni 2009 auch im Bundesrat die erforderliche Mehrheit erhalten. Bund und Länder sind somit verfassungsrechtlich verpflichtet, die Neuverschuldung ab dem Jahr 2011 zurückzuführen. Grundsätzlich gilt für die Länder ab dem Jahr 2020 ein Verschuldungsverbot. Dennoch, meine Damen und Herren, ist dieses System ein atmendes System.

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Wir haben ein atmendes Verschuldungsverbot; denn Ausnahmen sind aufgrund konjunktureller Einbrüche sowie zur Finanzierung von Hilfsmaßnahmen in Notsituationen zugelassen. Der Ministerpräsident hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir jetzt in der Krise durchaus reklamieren könnten, dass wir in einer Ausnahmesituation handeln müssten. Wer hier also behauptet, die Föderalismusreform II zwinge Bund und Länder in ein Korsett, aus dem sie sich in Notsituationen nicht befreien könnten, der hat die Regeln offensichtlich nicht gelesen oder will sie so interpretieren, wie sie letztlich nicht beschlossen worden sind.

Eine verfassungsrechtlich ernsthafte Frage ist aber tatsächlich die, wie Bund und Länder gleichermaßen zu Schuldenregelungen mit Verfassungsrang kommen. Ich kann mich der Auffassung gut anschließen, dass diese Schuldenregelungen gleichzeitig im Grundgesetz und in den Landesverfassungen verankert werden sollten. Die CDU-Fraktion hat sich diesen Gedanken übrigens schon seit Jahren nicht verschlossen.

Meine Damen und Herren! Wenn wir einmal die Mehrheit im Landtag von Sachsen-Anhalt betrachten, dann stellen wir fest, dass CDU, SPD und FDP dafür auch eine entsprechende Mehrheit in diesem Landtag hätten.

Es ist aber leider so, Frau Kollegin Budde, dass sich die SPD in dieser Frage im Moment einigermaßen zerrissen zeigt. Ich glaube, es muss noch einiges in Ihren Reihen geklärt werden. Ich wünschte mir nicht, dass in der CDU der zuständige Minister, der Parteivorsitzende und die Fraktionsvorsitzende so unterschiedliche Stellungnahmen in der Öffentlichkeit abgäben.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP - Lachen bei der LINKEN und bei der SPD - Frau Budde, SPD: Über den Zustand der CDU würde ich jetzt keine Aussagen treffen!)

Ich muss mir in diesem Sinne parteipolitisch vielleicht nicht Ihre Sorgen machen, Frau Kollegin Budde.

(Frau Budde, SPD: So ist das, wenn man über den Zustand von anderen Parteien und Fraktio- nen des Landtags redet!)