Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zusammenfassend möchte ich heute feststellen, dass der vorgelegte Entwurf die Grundforderung nach einer nachvollziehbaren, belastbaren Ermittlung der aufgabenangemessenen Finanzausstattung umsetzt und die steuerkraftunabhängige Finanzierung der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises durch das Land Sachsen-Anhalt sichert.
Zudem greift er die Beschlusslage zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes vom 17. Januar 2007 auf, bei der unter anderem eine als Übergangsregelung gedachte Neubemessung und -verteilung der Teilmasse für Sozialhilfelasten aufgenommen wurde. Die durch das SGB II weitestgehend abgelöste klassische Sozialhilfe sowie Teilleistungen nach dem SGB XII sind im Rahmen der Finanzbedarfsermittlung konkretisiert worden und ersetzen jetzt die oben genannte Übergangsregelung. Damit ist der Einstieg in eine aufgabenangemessene Auszahlung der Finanzausgleichsmittel gelungen.
Allerdings - das darf man sagen -: Das ist zunächst nur der Einstieg, noch nicht die konsequente und komplette Umsetzung. Auf dieser Grundlage kann die Revision der Finanzausgleichsjahre 2012 ff. aufsetzen, um dann in einem weiteren Schritt den Weg in die aufgabenbezogene Auszahlung der Zuweisungen fortzusetzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wünsche dem Landtag eine glückliche Hand bei der Beratung des Gesetzentwurfs und hoffe, dass es uns gemeinsam gelingen wird, so rechtzeitig fertig zu sein, dass das neue FAG zum1. Januar 2010 das alte FAG ablösen kann. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister, für die Einbringung. - Eine Frage? - Bitte schön, Frau Dr. Hüskens, fragen Sie.
Ich weiß jetzt nicht, ob ich das bei der Vielfalt Ihrer Ausführungen überhört habe, aber was mich einmal interessieren würde: Wie ist es eigentlich zu der Veränderung gekommen?
Es hat ja einen Gesetzentwurf gegeben, der zur Anhörung hinausgegangen ist. Dann hat es sehr kurzfristig, bevor das Kabinett den Gesetzentwurf beschlossen und dem Landtag zugeleitet hat, noch eine starke Veränderung gegeben, in deren Rahmen Sie aus der Aufgaben
bezogenheit quasi wieder hinausgegangen sind, also quasi einen Schritt zurück machen hinter das, was Sie eigentlich wollten. Gibt es dafür einen Grund?
Ich habe gerade versucht, den Hintergrund ausführlich zu erläutern. Hätten wir den ersten Gesetzentwurf unverändert in den Landtag eingebracht, würde dieser zu einer Verschiebung zwischen den drei kommunalen Gruppen als Empfänger der FAG-Leistungen in Höhe von 165 Millionen € führen. Das heißt, der kreisangehörige Raum, die kreisangehörigen Städte und Gemeinden hätten 165 Millionen € weniger bekommen, als sie nach dem alten FAG bekommen hätten. Die 165 Millionen € hätten sich dann auf kreisfreie Städte und Landkreise verteilt.
Dieses Volumen ist einfach zu groß. Das können die kreisangehörigen Städte und Gemeinden nicht in einem Schritt verkraften. Sie müssen ja trotzdem in Zukunft ihre Aufgaben im kreisangehörigen Raum erfüllen können. Dieser Einschnitt wäre zu groß gewesen, wenn man weiß, dass der kreisangehörige Raum gegenwärtig von der FAG-Masse etwa 700 Millionen € bekommt. Sie können ausrechnen, welchen prozentualen Anteil 165 Millionen € ausmachen. Da sich das dann noch unterschiedlich zwischen den Gemeinden austariert, wäre eine ganze Reihe von Gemeinden nicht mehr in der Lage gewesen, ihre Aufgaben wahrzunehmen.
Um aber trotzdem aufs Gleis zu setzen, dass wir künftig die FAG-Masse stärker ausgabenbezogen und aufgabenbezogen verteilen, haben wir versucht, an Stellschrauben zu drehen, die diesen Effekt von 165 Millionen € abmildern. Wir haben die besonderen Ergänzungstöpfe. Das waren im ersten Gesetzentwurf, wenn ich mich recht entsinne, zehn; im zweiten Gesetzentwurf sind es noch zwei. Wir haben die Mittel aus den besonderen Ergänzungstöpfen, die jetzt nicht mehr drin sind, wieder in den allgemeinen Finanzausgleich gepackt, also in die allgemeine Finanzausgleichsmasse.
Das führt dazu, dass wir den kreisangehörigen Städten und Gemeinden nur noch - die Zahl habe ich in meinem Beitrag genannt - 30 Millionen € wegnehmen, um sie dem nichtkreisangehörigen Raum, also den Landkreisen und kreisfreien Städten, zukommen zu lassen, weil die Ermittlung der tatsächlichen Aufgaben und der damit verbundenen Ausgaben zu dem Ergebnis geführt hat, dass sowohl die kreisfreien Städte als auch die Landkreise unterfinanziert sind und im Gegenzug die kreisangehörigen Städte und Gemeinden - zumindest ist das die mathematische Ermittlung; die Fachleute und Praktiker vor Ort werden selbstverständlich widersprechen - überfinanziert sind. Dieses auszutarieren, das ist die Aufgabe des neuen Finanzausgleichsgesetzes.
Wenn ich jetzt den alten und den neuen Entwurf nebeneinander halte und vergleiche, was Sie herausgenommen haben, dann ist ziemlich auffallend, dass Sie die Kinderbetreuung herausgenommen haben, die Schülerbeförderung und die Straßenbaulastzuweisungen. Die Straßenbaulastzuweisungen waren schon immer aufgabenbezogen, die können eigentlich keine Auswirkungen
entfalten. Das heißt, Sie haben jetzt zwei große Blöcke herausgenommen, einmal die Kinderbetreuung und einmal die Schülerbeförderung. Aus diesen beiden Blöcken resultierten diese wahnsinnigen Unterschiede zwischen den Mitgliedern der kommunalen Familie?
Nein. Wenn Sie den ersten, also den zur Anhörung freigegebenen Gesetzentwurf und den jetzt in das Parlament eingebrachten Gesetzentwurf anschauen, dann sind wesentlich mehr besondere Ergänzungszuweisungstöpfe nicht mehr im neuen Gesetzentwurf enthalten. Wir können das im Einzelnen ja vielleicht noch einmal miteinander vergleichen.
Dieses Volumen, das bisher in den besonderen Ergänzungstöpfen drin war, wäre aufgrund der Aufgaben, die wahrgenommen werden, ausschließlich an die Landkreise und kreisfreien Städte gegangen. Das hätte dazu geführt, dass die Einnahmenverluste im kreisangehörigen Raum das Volumen ausgemacht hätten, von dem ich gesprochen habe, nämlich die insgesamt 165 Millionen €. Wir haben das jetzt durch das Drehen an Stellschrauben auf eine Verteilmasseverschiebung in Höhe von 30 Millionen € zurückgeführt.
Wenn das Parlament in den Beratungen der Auffassung ist, man wolle sich den 165 Millionen € wieder nähern, dann wäre das eine konsequentere Umsetzung des Zieles, würde aber dazu führen, dass die Einschnitte bei den kreisangehörigen Städten und Gemeinden erheblicher wären - und dann auch verkraftet werden müssten -, als es nach dem Ihnen jetzt vorliegenden Gesetzentwurf der Fall ist.
Herr Minister, ich habe von Ihnen wenig Lob gehört über das Finanzausgleichsgesetz, das ja in den vergangenen Jahren viele positive Wirkungen im Land entfaltet hat. Bisher war es vor allem darauf ausgelegt, dass man die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen ausgeglichen hat. Stimmen Sie mir darin zu, dass man sich mit diesem Gesetzentwurf darauf konzentriert, den unterschiedlichen Finanzbedarf auszugleichen und damit jetzt einen Paradigmenwechsel vornimmt?
Wir haben uns genau auf diesen Paradigmenwechsel verständigt. Die Koalitionsvereinbarung ist an dieser Stelle ganz eindeutig und auch die Rechtsprechung, die ich eingangs zitiert habe, sowohl in Thüringen als auch in Bayern hat genau diesen Ansatz gefordert. Sie haben nämlich gesagt: Das Land und/oder der Bund geben durch Gesetze vor, welche Aufgaben die Kommunen wahrzunehmen haben. Daraus folgt, dass eine entsprechend den Aufgaben vorgegebene Finanzausstattung notwendig ist.
Wir müssen ermitteln, wie viel Aufwand notwendig ist, um die gesetzlichen Aufgaben vor Ort zu erfüllen. Diesen Aufwand müssen wir durch ein Finanzausgleichsgesetz befriedigen. Das ist genau dieser Paradigmenwechsel, der stattfindet.
Bei den Berechnungen, die wir angestellt haben, haben wir uns - übrigens einvernehmlich mit den kommunalen Spitzenverbänden - darauf verständigt, dass wir als Berechnungsgrundlage die Istausgaben aller Kommunen in Sachsen-Anhalt aus den Haushaltsjahren 2005, 2006 und 2007 nehmen, weil das die statistisch gesicherten Daten sind, die wir in Sachsen-Anhalt haben. Alles andere wäre ja willkürlich geschätzt oder wie auch immer ermittelt, auf jeden Fall nicht auf einer tatsächlichen, belegbaren Datenbasis.
Wenn wir die Aufgaben zu den Ausgaben ins Verhältnis setzen, die die Kommunen in Sachsen-Anhalt haben, kommen Sie zu dem Mehrbedarf bei den kreisfreien Städten und bei den Landkreisen und zu dem Minderbedarf bei den kreisangehörigen Städten und Gemeinden. Das ist dann einfach Mathematik.
Herr Minister, ich habe das ja heute Morgen schon im persönlichen Gespräch angedroht: Ich kann Ihre Zahlen nicht ganz nachvollziehen. Entsprechend Ihrer Tabelle, der Anlage zum Gesetzentwurf, verlieren die kreisangehörigen Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Verbandgemeinden ca. 30 Millionen € mit dem neuen FAG. Die elf Landkreise bekommen 21 Millionen € hinzu und die drei kreisfreien Städte 9 Millionen €.
Ich habe damit ein grundsätzliches Problem, weil ich darin eine weitere Umverteilung der Finanzmittel vom ländlichen Raum in unsere Oberzentren sehe. Darüber wird diskutiert werden. Ich bin froh, dass es erst einmal nur ein Gesetzentwurf ist.
Ich denke, wir müssen an dieser Stelle grundsätzlich einen Umdenkprozess anstoßen; denn unsere Oberzentren sind auch abhängig vom ländlichen Raum und Sachsen-Anhalt ist ländlicher Raum. Wenn wir die Gelder weiterhin vom ländlichen Raum in die Oberzentren pumpen, dann wird das langfristig auch unsere Oberzentren schwächen.
Meine Frage an Sie diesbezüglich lautet: Gibt es Untersuchungen darüber, zu welchem Anteil die defizitären Einrichtungen der Oberzentren, zum Beispiel Theater oder Straßenbahnen, tatsächlich von den Besuchern aus dem ländlichen Raum bzw. von den Einwohnern des Oberzentrums genutzt werden?
Die zweite Frage, die sich hieran anschließt, bezieht sich auf die Zuweisungen an die Landkreise. Die Landkreise bekommen zusätzliche Mittel in Höhe von 21 Millionen €. Wir haben allerdings vier Landkreise, zu deren Lasten dies geht. Das sind die besonders ländlich geprägten Landkreise, nämlich der Landkreis Stendal, der Altmarkkreis Salzwedel, der Landkreis Wittenberg und der Landkreis Jerichower Land.
Nun meine Frage: Wie sollen diese Landkreise die Defizite ausgleichen? - Das können sie letztlich nur über eine Erhöhung der Kreisumlage, und die Gemeinden in diesen Landkreisen wären im Vergleich zu den anderen Gemeinden doppelt belastet. Vielleicht haben Sie dazu eine Antwort für mich.
Verehrter Herr Schulz, wir müssen uns auf eine Basis verständigen. Die Basis ist - man kann darüber reden, ob es die richtige Basis ist -, zumindest nach dem, wie ich unseren Koalitionsvertrag und die Rechtsprechung verstehe, wie wir die notwendigen Kosten ermitteln, die wir den Kommunen über einen Finanzausgleich zur Verfügung stellen müssen. Das müssen wir machen.
Dabei reden wir zunächst nicht davon, ob es ländlich, städtisch, kreisangehörig oder kreisfrei ist, sondern wir reden davon, welche Aufgaben bestehen, welche Kosten diese Aufgaben verursachen und wie wir diese Kosten über das Finanzausgleichsgesetz refinanzieren. Das ist die Basis.
Wenn man das macht, dann kommt man zumindest mathematisch zu dem Ergebnis, das Bestandteil des zur Anhörung freigegebenen Gesetzentwurfes war, nämlich eine sehr große Umverteilungslast zulasten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden.
Ihre Argumentation ist mir auch nicht fremd. Natürlich gibt es auch im kreisangehörigen Raum kommunale Infrastruktur. Auch dort sind entsprechende Aufgaben zu finanzieren. Vor diesem Hintergrund war aus meiner Sicht - die Landesregierung insgesamt hat das auch so gesehen - dieses zu verteilende Volumen zulasten des kreisangehörigen Raumes so groß, dass es nicht guten Gewissens vertretbar war. Einen solchen Einschnitt hätten die Städte und Gemeinden in den Landkreisen einfach nicht überlebt, zumindest die meisten nicht.
Deshalb haben wir uns auf den Weg gemacht und haben nach Möglichkeiten gesucht, wie wir diese eigentlich richtige Wirkung - wir haben sie mathematisch korrekt ermittelt - dennoch so abfedern können, dass auch der kreisangehörige Raum damit leben kann. Das Ergebnis ist der Ihnen jetzt vorliegende Gesetzentwurf.
Wenn Sie im Rahmen der parlamentarischen Beratung andere Stellschrauben haben und sagen, die Verschiebung soll doch wieder stärker zugunsten einer aufgabenbezogenen Finanzierung sein - das bedeutet jedoch wieder zulasten des kreisangehörigen Raumes -, dann kommt das unserem Ziel insgesamt näher, stärker aufgabenbezogen zu finanzieren, aber er erschwert natür
Zu der Frage der Finanzierung und Refinanzierung von oberzentralörtlichen Aufgaben, wie zum Beispiel Theater, Museen oder ähnliche Dinge. Ich habe keine Berechnungen angestellt, welchen Kostendeckungsgrad die Bürger des kreisfreien Oberzentrums beisteuern und welchen Kostendeckungsgrad die Bürger aus dem nichtkreisfreien Raum dazu beisteuern. Ich weiß auch nicht, ob das so einfach zu ermitteln ist. Man müsste nämlich jeden Käufer einer Theaterkarte fragen, aus welcher Gemeinde er kommt, ob er in der Kreisstadt, in dem Oberzentrum wohnt oder nicht. Ich weiß nicht, ob man das erfassen kann.
Durch die Stadt Halle wurde mir zum Beispiel einmal sehr plastisch und nachvollziehbar dargestellt, wo ihr Einzugsgebiet für die oberzentralen Einrichtungen, wie zum Beispiel das Theater, liegt. Wie das ermittelt wurde, weiß ich nicht, aber es war zumindest nachvollziehbar. Es ist so, dass knapp die Hälfte der Nutzer der Einrichtungen Bürger der Stadt waren und die andere Hälfte aus dem Umland kam. Aber je weiter das Umland von der Stadt Halle entfernt war, desto mehr nahmen die Anteile ab; das ist klar.
Insofern ist es zumindest nachvollziehbar gewesen, dass etwa die Hälfte der Einnahmen, die durch den Verkauf von Eintrittskarten eingespielt werden, von den Bürgerinnen und Bürgern des kreisfreien Oberzentrums kommt und etwa die andere Hälfte von den Bürgerinnen und Bürgern kommt, die nicht in dem kreisfreien Oberzentrum wohnen. Ich denke, das wird wahrscheinlich der Wahrheit sehr nahe kommen.
Sehr geehrter Herr Minister, Sie wissen, dass ich ein Verfechter der Jugendpauschale und des Fachkräfteprogramms bin und dies in der letzten Legislaturperiode in der anderen Koalition schon unter Beweis gestellt habe. Habe ich es eben richtig verstanden, dass bei der Jugendpauschale keine Verpflichtung innerhalb des FAG dahin gehend bestehen soll, dass die Mittel, die für die Jugendpauschale in den Finanzausgleich hineinfließen, im Verhältnis 1 : 1 durch die Landkreise und kreisfreien Städte für die Kinder- und Jugendarbeit ausgegeben werden?
In der letzten Legislaturperiode sind wir schon einmal dem Wunsch der Landräte und der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der kreisfreien Städte nachgekommen, als es darum ging, diese Mittel in das Finanzausgleichsgesetz aufzunehmen. Damals ging es darum, auf die Kofinanzierungsverpflichtung zu verzichten, weil man nicht mehr in der Lage war, den Anteil von 50 % an Kofinanzierungsmitteln aufzubringen, und damit nicht die Landesmittel abrufen konnte, um sie für die Kinder- und Jugendarbeit einzusetzen.