Protocol of the Session on May 8, 2009

Vielen Dank, Herr Dr. Eckert. - Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Kuppe das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Seit dem 26. März 2009 sind die UNKonvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und ihr Fakultativprotokoll auch für Deutschland

verbindlich. Nachdem eine Delegation aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Ratifikationsurkunde 30 Tage zuvor bei den Vereinten Nationen in New York hinterlegt hat, ist Deutschland die 50. Vertragspartei der Konvention geworden. Vorausgegangen war das Inkrafttreten des deutschen Ratifikationsgesetzes zum 1. Januar 2009.

Die UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahr 2006 stellt einen Meilenstein in der internationalen Behindertenpolitik dar. Sie führt den Menschenrechtsansatz ein, formuliert das Recht auf Selbstbestimmung, auf Partizipation und einen umfassenden Diskriminierungsschutz für Menschen mit Behinderungen und fordert eine barrierefreie und inklusive Gesellschaft. Die Konvention signalisiert nicht nur die Abkehr von einer Behindertenpolitik, die primär auf Fürsorge und Ausgleich von vermeintlichen Defiziten abhebt. Sie gibt wichtige Impulse - das ist besonders interessant - für eine Weiterentwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes.

Darüber hinaus hat die Konvention eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Sie macht deutlich, dass die Anerkennung von Behinderungen als Bestandteil des menschlichen Lebens und des Zusammenlebens zur Humanisierung einer Gesellschaft beiträgt.

Das Übereinkommen tritt als dritte Säule neben die zwei wichtigsten Instrumente zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen auf der Ebene der Vereinten Nationen, nämlich das Weltaktionsprogramm für Menschen mit Behinderungen aus dem Jahr 1982 und die Rahmenbestimmungen für die Herstellung von Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen aus dem Jahr 1993. Das Vertragswerk stellt einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Rechte behinderter Menschen weltweit dar. Es würdigt die Behinderung als einen Teil der Vielfalt des menschlichen Lebens und überwindet damit das noch in vielen Ländern vorherrschende defizitorientierte Verständnis.

In der Präambel des Übereinkommens heißt es, dass sich das Verständnis der Behinderung ständig weiterentwickelt und dass die Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen den Menschen, den Beeinträchtigungen und der Einstellung zu umweltbedingten Barrieren entsteht, die sie an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern. Es wird darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, die Behinderungsthematik zu einem festen Bestandteil der einschlägigen Strategien und Handlungsweisen für eine nachhaltige Entwicklung zu machen.

Bereits aus diesen Feststellungen folgt, dass die Umsetzung der Konvention eine Daueraufgabe aller sie ratifizierenden Staaten ist und damit nicht mit einem Aktionsplan zu erledigen ist. Ich denke, das haben Sie auch nicht gemeint, Herr Dr. Eckert.

Die Hinweise in der Präambel sind vielmehr in dem Sinne zu verstehen, dass die Belange für Menschen mit Behinderungen bei allen politischen Maßnahmen mit zu beachten sind und die Möglichkeiten der Teilhabe in einem fortdauernden Prozess zu verbessern sind. Dabei richten sich die Forderungen der Konvention an Staat und Gesellschaft gleichermaßen. Sie sind nur durch gemeinsame Anstrengungen auf nationaler Ebene zu erfüllen.

Hierzu zählt insbesondere die Aufforderung zur Bewusstseinsbildung gemäß Artikel 8. Nach diesem Artikel

werden die Vertragsstaaten verpflichtet, in der gesamten Gesellschaft bis hin zur Ebene der Familie das Bewusstsein für Menschen mit Behinderungen zu schärfen und die Achtung ihrer Rechte und ihrer Würde zu fördern. Dies geht also jeden und jede Einzelne an.

Die Herstellung der Zugänglichkeit, das heißt der Barrierefreiheit, im Sinne von Artikel 9 der Konzeption ist ebenfalls ein langandauernder Prozess, der erhebliche Anstrengungen auf allen Ebenen erfordert und dem sich die Landesregierung - ich habe es gestern dargestellt - seit geraumer Zeit intensiv ressortübergreifend widmet. Auch in dieser Hinsicht wirken Regelungen und Maßnahmen der unterschiedlichen staatlichen Ebenen zusammen; sie ergänzen sich auch gegenseitig. Soweit das Land unmittelbar und mittelbar Einfluss auf die barrierefreie Gestaltung von baulichen Einrichtungen und von Informations- und Kommunikationsdiensten hat, wird sie diesen wie in der Vergangenheit auch nachdrücklich wahrnehmen und mittelfristig - davon bin ich überzeugt - einen hohen Standard erreichen.

Dabei wird die Landesregierung die Barrierefreiheit in einem weiten Sinne verstehen, der alle Arten von Behinderungen umfasst und die selbständige Nutzung von Einrichtungen und Diensten, das heißt die Nutzung grundsätzlich ohne Inanspruchnahme fremder Hilfe, so weit wie möglich ermöglichen soll.

Das in Artikel 19 verbriefte Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, den Aufenthaltsort frei zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben wollen, dabei den Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu haben, ist ein aktueller Bestandteil des Arbeitsprogramms der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, von der ich gestern auch berichtet habe, der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die sich mit der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe befasst. Die Länder wollen über diesen Weg gemeinsam mit dem Bund in einem Prozess Konzepte für die Anforderungen an eine unabhängige Lebensführung und Einbeziehung der Gemeinschaft im Sinne von Artikel 19 der Konvention erarbeiten.

Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz wird sich dann Ende des Jahres 2009 mit der Vorlage befassen, wird diese diskutieren und daraufhin auch die konzeptionellen Vorstellungen, die dann möglichst deutschlandweit einheitlich gelten sollen, beraten. Das sind nur einige Beispiele.

Nach Artikel 35 des Übereinkommens werden die Vertragsstaaten verpflichtet, dem Ausschuss für Rechte von Menschen mit Behinderungen, der seinen Sitz in Genf hat, umfassend zu berichten.

Der erste Bericht zur Umsetzung des Übereinkommens und die dabei erzielten Fortschritte wird zwei Jahre nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens für den jeweiligen Vertragsstaat vorgelegt. Diesen Bericht erstellt die Bundesregierung nach Zuarbeit durch die Länder.

Laut Beschluss des Landtages - Herr Dr. Eckert, Sie haben es auch erwähnt - vom 26. April 2007 ist die Landesregierung gebeten, rechtzeitig vor dem Bericht der Bundesregierung den von ihr zu erarbeitenden Berichtsteil im Ausschuss für Soziales vorzulegen und über erzielte Fortschritte zu berichten. Selbstverständlich wird die Landesregierung sowohl dieser nationalen Verpflichtung, die besteht, nachkommen, als auch zu diesem Be

schluss die entsprechende Berichterstattung leisten, ihn also auch umsetzen. Das haben wir zugesagt und das werden wir auch verwirklichen. Die erste Berichterstattung zu dem Beschluss wird schon auf der Tagesordnung der nächsten Sitzung des Sozialausschusses stehen.

Ich will darüber hinaus gern auch noch zusagen, dass ich - wie in der gestrigen Debatte angesprochen - weitere Einzelheiten zur Eingliederungshilfe und zur Behindertenpolitik insgesamt dem Ausschuss gern zur Verfügung stellen werde. Frau Dr. Späthe hat noch einmal darauf hingewiesen. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit, Herr Dr. Eckert.

(Beifall bei der SPD und von der Regierungs- bank)

Vielen Dank, Frau Dr. Kuppe. - Wir hören nun die Beiträge der Fraktionen. Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Schwenke das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim Studium dieses Antrages habe ich mich gefragt: Was sagst du zu diesem Antrag angesichts des bereits hierzu gefassten Beschlusses des Landtages von Sachsen-Anhalt vom 26. April 2007, mit dem die Landesregierung gebeten wird, rechtzeitig vor dem Bericht der Bundesregierung, der innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Abkommens bezüglich der Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der UN-Konvention zu erfolgen hat, den von ihr hierfür zu erarbeitenden Berichtsteil dem Ausschuss vorzulegen und über erzielte Fortschritte zu berichten?

Frau Ministerin hat genau dies gerade erneut zugesagt. Angesichts dieser Beschlusslage erschließt sich mir der Sinn des in dem heute zu beratenden Antrag enthaltenen Forderungskataloges nicht. Bei Lichte betrachtet gehören die aufgeführten Bereiche bereits jetzt zu dem von der Landesregierung zugesagten Bericht. In diesem Zusammenhang kann in diesem Antrag bestenfalls eine Konkretisierung des bestehenden Landtagsbeschlusses gesehen werden, die aus unserer Sicht allerdings nicht erforderlich ist.

Nur am Rande möchte ich bemerken, dass angesichts der bisher im Sozialausschuss geübten Praxis diese Konkretisierung seitens der Antragstellerin auch im Sozialausschuss hätte erbeten werden können. Bisher ist solchen Bitten stets entsprochen worden. Einer vorherigen Aufforderung durch einen Beschluss des Landtages bedurfte es hierfür nicht.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE - Herr Höhn, DIE LINKE: Das ist die übliche Praxis!)

- Es ist aber nicht nötig, Frau Bull.

(Frau Bull, DIE LINKE: Ich habe doch gar nichts gesagt!)

- Entschuldigung, Frau Klein war es. Entschuldigung, ich habe mich verhört. Frau Klein war es.

Wir sind im Sozialausschuss eigentlich immer fair miteinander und entsprechen den Wünschen.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Was war das denn? - Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Er macht immer nur das, was wir wollen!)

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

- Es ist normales demokratisches Verhalten; das ist doch schon geübt, Frau Hüskens.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Ach ja? - Frau von An- gern, DIE LINKE: Ach?)

Zurück zu meinem Redebeitrag. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was ansonsten inhaltlich zu diesem Antrag zu sagen wäre, hat Frau Ministerin Dr. Kuppe in ihrem Redebeitrag bereits ausführlich dargestellt.

Ich kann mich nach all dem des Eindrucks nicht erwehren, dass in diesem Hohen Hause mit diesem Antrag der Versuch unternommen wird, politische Interessenvertretung zu betreiben. Dies wäre grundsätzlich nicht zu beanstanden, gäbe es den bereits erwähnten Landtagsbeschluss, der am 20. Mai 2009 Beratungsgegenstand im Ausschuss für Soziales sein wird, nicht.

(Herr Höhn, DIE LINKE: Damit hat es sich eben!)

Wie bereits ausgeführt, ist der Beratungsgang zu diesem Antrag noch nicht abgeschlossen. Der vorliegende Antrag ist allenfalls eine Ergänzung dieses Beschlusses.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach den Diskussionen der letzten Tage mache ich die Anmerkungen, die ich mir aufgeschrieben habe, doch - ich wollte sie ursprünglich nicht vorbringen -: Wie bereits des Öfteren in diesen Tagen angemerkt wurde, feiern wir in diesem Jahr den 20 Jahrestag der Maueröffnung.

Auch nach der gestrigen Aussprache zur Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum Thema „Teilhabe behinderter Menschen ermöglichen - Paradigmenwechsel real umsetzen“ frage ich mich, wie die DDR wohl mit solchen Initiativen umgegangen wäre, wenn sie heute noch existieren würde und nicht, Gott sei Dank, untergegangen wäre.

Angesichts des damaligen Umganges mit Menschen mit Behinderungen kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Antrag zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen überhaupt diskutiert worden wäre.

(Herr Höhn, DIE LINKE: Ja!)

Die DDR hätte vermutlich diese UN-Konvention erst gar nicht ratifiziert und hätte deren Existenz totgeschwiegen.

Vor diesem Hintergrund hätte ich mir doch mehr Respekt vor dem in den letzten 20 Jahren in diesem Bereich Realisierten gewünscht, anstatt dass Sie immer wieder den Eindruck erwecken wollen, wie furchtbar der Umgang der Landesregierung mit den Menschen mit Behinderungen und deren Interessen ist. Es kann keine Rede davon sein, auch wenn Sie immer wieder der Öffentlichkeit zu suggerieren versuchen, dass ohne Initia

tive der Fraktion DIE LINKE im Bereich der Behindertenpolitik nichts passieren würde.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach diesem zugegebenermaßen nicht unmittelbar mit diesem Antrag zusammenhängenden Exkurs wird es Sie nach all dem nicht überraschen, dass wir als CDUFraktion Ihren Antrag ablehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Schwenke. - Nun spricht für die FDPFraktion Frau Dr. Hüskens. Bitte schön.