Woher haben Sie denn - ich gebe an dieser Stelle in der Umkehrung die Antwort auf die Große Anfrage wieder - die verifizierbaren Erkenntnisse über die Wechselwirkung von Mindestlohn und Schwarzarbeit, wenn das Ministerium sagt, es gebe keine?
ich schätze natürlich die Herren Blüm und Geißler sehr. Soweit ich mich erinnern kann - es ist ja immer interessant, was sie sagen -, haben sie selbst noch keinen einzigen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz geschaffen.
Zu dem von Ihnen angesprochenen Zusammenhang zwischen Schwarzarbeit und Mindestlöhnen. Sie, verehrter Herr Kollege, und ich, wir zwei und ein Großteil dieses Publikums stammen aus der Vor-Pisa-Generation. Das heißt, wir haben noch gelernt, die Grundrechenarten ohne Taschenrechner zu bewältigen. Ein Teil davon ist in Erinnerung geblieben und wird noch beherrscht.
(Zurufe - Frau Budde, SPD: Das lernen die heute auch noch! Machen Sie es nicht schlimmer, als es ist! Grundrechenarten müssen sie auch heute noch ohne Taschenrechner lernen! Ihr Kind ist zu groß oder zu alt! Das muss sich der Kultusminis- ter aufschreiben! - Minister Herr Dr. Daehre: Er schreibt doch schon! - Minister Herr Prof. Dr. Ol- bertz: Ich notiere mir das doch alles schon!)
Das bedeutet: Wenn Sie sich selbst fragen, wo der Grenzwert des Preises für eine Leistung liegt, zu welchem Preis eine Leistung auf dem Markt noch regulär nachgefragt wird, dann haben Sie keinen besseren Zeugen als die Gewerkschaften; denn genau diese Frage steht bei jeder Tarifverhandlung an.
Wenn die Gewerkschaften zum Beispiel in Bezug auf Handwerksdienstleistungen wie das berühmte Friseurgewerbe nach harten Verhandlungen ein Ergebnis erzielen, das kaum zu einer Erhöhung des Bruttolohns führt, dann hat das nichts mit Leichtfertigkeit oder Schwäche zu tun, sondern die Gewerkschaft hat sich schlichtweg der Realität gebeugt, weil es für jede Dienstleistung einen Grenzwert gibt. Wenn der Preis zu hoch ist, wird sie nicht mehr nachgefragt.
Wenn zum Beispiel die Kommune Magdeburg Dienstleistungen ausschreibt, zum Beispiel die Reinigung ihrer Schulen, dann hat sie dafür ein bestimmtes Budget in ihrem Haushalt zur Verfügung. Verteuern sich diese Dienstleistungen in dem genannten Bereich beispielsweise wegen der Einführung eines Mindestlohns von 6,90 € auf 8 € oder 10 €, müsste die Kommune Magdeburg entweder wesentlich mehr Geld ausgeben oder weniger putzen lassen.
Wenn sie aber weder mehr ausgeben noch weniger putzen lassen kann, weil es etwa einen Mindeststandard im Hinblick auf die Sauberkeit in den Schulen gibt, aber niemand bereit ist, die Dienstleistung für einen geringeren Preis zu erbringen, dann wird es schwierig. Bei höheren Kosten kann man nicht dieselbe Dienstleistung bekommen; das funktioniert nicht.
Unterm Strich bedeutet das: Wenn bestimmte Dinge nicht nachgefragt werden, dann gibt es diese Jobs nicht mehr. Ein Teil der Menschen mit solchen Jobs landen in der Arbeitslosigkeit und ein Teil dieser Menschen, die davon betroffen sind, werden schwarzarbeiten. Das ist einfach eine Frage der Logik.
Ich möchte noch einen Schlusssatz zu Magdeburg sagen. Ich wollte es mir eigentlich ersparen, es gehört aber dazu. Unsere Landeshauptstadt Magdeburg ist die einzige Stadt in Sachsen-Anhalt, die nach eigenen Angaben ihrer Verantwortung zur Bekämpfung der Schwarzarbeit nicht angemessen nachkommt.
Wir haben in der Antwort auf die Kleine Anfrage eine Tabelle gefunden. Darin steht, wie viele Menschen in den Landkreisen und in den drei kreisfreien Städten des Landes einzig und allein mit der Überwachung und Bekämpfung der Schwarzarbeit vor Ort beschäftigt sind und wie viele Menschen wenigstens noch nebenbei mit der Überwachung und Bekämpfung der Schwarzarbeit beschäftigt sind. Die einzige Kommune, die jeweils die Angabe „0“ stehen hatte, war die Stadt Magdeburg.
Ich glaube, das wird der Verantwortung einer sozialdemokratisch regierten Stadt oder einer Landeshauptstadt, egal, wer sie regiert, nicht gerecht. Vielleicht sollte man da noch nacharbeiten.
Herr Gallert, Ihre Frage. - Herr Gürth, Sie sind noch nicht fertig. Sie hatten zugesagt, die drei Fragen zu beantworten. - Zunächst Herr Gallert, danach Frau Rogée.
Ob es nun eine Frage oder eine Intervention ist, das können Sie selbst entscheiden. Ich will nur auf einen Sachzusammenhang hinweisen. Herr Gürth, Sie haben am Anfang Ihrer Rede darauf hingewiesen, dass es
In Ihrer Rede haben Sie dann genau das Umgekehrte gemacht. Sie haben permanent begründet, warum Schwarzarbeit gemacht wird, warum man sie machen muss, warum man sie machen kann. Ihre zentralen Argumente waren der Unterschied zwischen Netto und Brutto und der Mindestlohn.
Nun können Sie den Mindestlohn ja verteufeln; aber Fakt ist, dass inzwischen selbst Ihre eigenen Kollegen im Bund zumindest im Kontext des Entsendegesetzes - aus unserer Sicht zu zögerlich, zu detailliert und zu niedrig - diese Geschichte machen.
Wissen Sie, mit Ihrer Argumentation kommen Sie letztlich dahin, Schwarzarbeit zu legitimieren, wenn Sie den Mindestlohn als eine Rahmenbedingung dafür nennen, dass Schwarzarbeit zunimmt. Da sage ich: Mit einer solchen Argumentation schaffen Sie genau die Akzeptanz, die Sie beseitigen wollten.
Das war eine Intervention. - Herr Gürth, ich würde jetzt gern die Frage von Frau Rogée zulassen, dann können Sie sie zusammen beantworten. - Frau Rogée, bitte.
Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Sie nicht über Schwarzarbeit reden. Kommen wir noch einmal darauf zurück. Sie haben die Aussage gemacht - ich weiß, Sie sind im Wahlkampf, das verstehe ich alles -, dass die Schwarzarbeit gegenwärtig wieder zunimmt. Wenn das so ist, dann verstehe ich Ihre Argumentation zum Mindestlohn überhaupt nicht; denn wir haben ja noch gar keinen Mindestlohn. Also kann es nicht am Mindestlohn liegen, dass die Schwarzarbeit zunimmt.
Vielleicht noch einmal zur Aufklärung: Die Gewerkschaften haben eine Beschlusslage. Darin ist die Forderung enthalten, dass der Mindestlohn bei 7,50 € beginnt und bis 9 € anwachsen soll, meinetwegen nach dem englischen Modell. Die Fraktion DIE LINKE hat 8 € gefordert und empfohlen, angesichts von Kostenentwicklungen und Kostensteigerung hin und wieder darüber nachzudenken, ob der Betrag, den man irgendwann einmal gefordert hat, heute noch realistisch ist.
Aus dem, was hier gesagt und angefragt wurde, sind mehrere Schlüsse zu ziehen. Zum Ersten, verehrter Herr Kollege Gallert: Sie haben entweder nicht zugehört
oder, weil Sie auch im Wahlkampf sind, bewusst versucht, etwas in meine Rede hineinzuinterpretieren, was ich gar nicht gesagt habe.
Natürlich sind weder Mindestlöhne noch andere Einzeltatbestände allein Ursache für wachsende Schwarzarbeit oder überhaupt für Schwarzarbeit. Für Schwarzarbeit gibt es mehrere Ursachen, die zum einen zu einer
gesellschaftlichen Akzeptanz führen; da geht es einfach um das Dulden, das Gewohnheitsrecht, Konsumwünsche, die man sich - egal mit welchen Mitteln - erfüllen will. Zum anderen gehört natürlich auch der wirtschaftliche Anreiz dazu. Man muss beides in dieselbe Waagschale legen und abwägen. Genau das haben wir als CDU-Fraktion getan, und, wie ich finde, gar nicht so schlecht.
Das Zweite, was ich zum Thema Mindestlöhne anmerken will - auch das ist wichtig zu sagen -, ist: Man hat es jetzt schon deutlich mitgekriegt; das, was eingangs der Debatte in Bezug auf Mindestlöhne befürchtet wurde, ist jetzt als Wahrheit quasi schon zu Tage getreten. Dass man im Vorfeld von Wahlen, wenn Politiker Löhne bestimmen können, keine seriösen Grundlagen mehr kriegt - das haben wir damals befürchtet -, kann man jetzt schon feststellen.
Damals wurde gesagt: Ihr fangt jetzt mit einem gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 6,50 € an, wie ihn die Gewerkschaften, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, ursprünglich gefordert haben. Dann waren wir bei 7,50 €; das haben die meisten Gewerkschaften beschlossen, nicht alle, aber die Mehrheit der Gewerkschaften. Der PDS haben dann 7,50 € nicht mehr gereicht und sie forderte 8 €. Wir haben gesagt: Die werden bald 9 € verlangen. Jetzt seid ihr schon bei 9 €. Die Bundestagswahlen sind noch gar nicht heran und es geht weiter. Ich kann nur davor warnen, unseriös mit solchen Themen umzugehen.
Es wird uns nicht weiterhelfen. Es werden Erwartungen geweckt und wenn es um die Folgen geht, schlagen Sie sich politisch in die Büsche.
Vielen Dank für Ihren Beitrag, Herr Gürth. - Jetzt hat Herr Franke von der FDP-Fraktion das Schlusswort. Bitte schön.
Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann sind wir am Ende der Aussprache angelangt und können Tagesordnungspunkt 3 verlassen.
Einbringer ist der Abgeordnete Herr Kosmehl. Danach treten wir in die Debatte ein. Bevor Herr Kosmehl das Wort erhält, möchte ich eine Gruppe von Konfirmanden aus dem Pfarramt Laucha auf der Tribüne begrüßen. Herzlich willkommen!
Ich schlage vor, meine Damen und Herren, dass wir nach diesem Tagesordnungspunkt in die Mittagspause eintreten. - Sie nicken; dann verfahren wir so. - Herr Kosmehl, Sie haben jetzt das Wort, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Der Holger hat eine schwere Zeit, er hat viele Probleme.“