Protocol of the Session on February 20, 2009

Dieser Sorge kann man nur entgegentreten, wenn es gelingt, in einem Binnenmarkt mit offenen Grenzen klare und wirksame Regeln, wie es beim Umwelt- und Verbraucherschutz geschehen ist, zu installieren. Ein fairer Wettbewerb kann eben nur dann stattfinden, wenn nicht derjenige gewinnt, der den Umwelt- und Verbraucherschutz am wenigsten beachtet.

(Zustimmung von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE, und von Herrn Höhn, DIE LINKE - Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Völlig richtig!)

Allerdings muss dabei eine überflüssige Bürokratie vermieden werden, was die Arbeit des Normenkontrollrates bzw. der Expertengruppe für den Bürokratieabbau unabdingbar macht. Eine übertriebene Umsetzung der Regeln in Deutschland sowie eine zu lasche Umsetzung in anderen Mitgliedstaaten müssen vermieden werden. Die Europäische Kommission muss sich stärker auf ihre Kernaufgabe konzentrieren, auf das Funktionieren des Binnenmarktes unter Beachtung der Prinzipien von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 7. Juni 2009 entscheiden etwa 380 Millionen wahlberechtigte Bürger der Europäischen Union bei der Europawahl über die künftige Richtung in Europa. Denn das Europäische Parlament ist der entscheidende Faktor der Politik in und für Europa.

Vergegenwärtigen wir uns die Kompetenzen des Europäischen Parlaments. Das Europäische Parlament entscheidet gleichberechtigt mit dem Ministerrat über europäische Regelungen. Etwa 80 % der Wirtschaftsrahmengesetze und 60 % der Regelungen im Bereich der Innen- und Rechtspolitik werden schon jetzt auf der europäischen Ebene entschieden, meine Damen und Herren.

Das Europäische Parlament kümmert sich um die Petitionen und die Beschwerden der Bürger. Es wählt den so genannten Ombudsmann, also den Bürgerbeauftragten. Das Europäische Parlament wählt den Präsidenten der Europäischen Kommission und überprüft in Anhörungen die Eignung der Kandidaten für die Besetzung der übrigen Ämter in der Kommission.

Die EU-Ratspräsidentschaft und die Europäische Kommission müssen ihre Politik vor dem Europäischen Parlament verantworten. Das Europäische Parlament und die Kontrollrechte der nationalen Parlamente ermöglichen eine demokratische Kontrolle der direkt auf die Bürger wirkenden Rechtsakte.

So muss es ein Grundanliegen der Politik sein, gegen Wahlmüdigkeit und Vorurteile gegenüber unseren europäischen Volksvertretungen aufzubegehren. Unter bürgernaher Öffentlichkeitsarbeit verstehen wir daher auch die explizite Aufklärung des Bürgers darüber, dass die Europawahl 2009 eine Richtungswahl sein wird,

(Herr Höhn, DIE LINKE: Das stimmt!)

bei der die Regeln der Globalisierung bis weit in das 21. Jahrhundert festgelegt werden.

Wie geht es weiter mit dem Vertrag von Lissabon? Was ändert sich nach dessen Verabschiedung für den Bürger? - Das sind weitere wichtige Fragen, die den Bürgern zu erklären sind und deren Beantwortung ihm die Bedenken gegen ein engeres Zusammenwachsen der Europäischen Union nehmen soll.

Es wäre sicherlich vermessen zu glauben, man könnte EU-Skeptiker mit Informationsangeboten in begeisterte Europäer verwandeln. Eine gute Information der Bürgerinnen und Bürger kann aber dazu beitragen, das Wissen über die Europäische Union und ihre Mitglieder zu verbessern und mögliche Ängste vor Europa abzubauen.

Eine Vielzahl von Projekten und Programmen in unserem Land trägt dazu bei, den Europagedanken zu transportieren und damit das Europabewusstsein zu stärken. Eine besondere Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Europawoche - meine Vorredner gingen bereits darauf ein -, die in der ersten Maidekade jedes Jahres stattfindet. Die Europawoche stellt den Höhepunkt der Europapolitik unseres Landes dar. Hierbei werden die vielfältigen europäischen Bezüge des täglichen Lebens durch Aktivitäten vor Ort aufgezeigt.

Ein Ziel dieser Europawoche ist es ferner, Europa den Menschen näher zu bringen, aufzuzeigen, welche Chancen Europa jedem Einzelnen bieten kann. Der Hilfe der Landesregierung bei der Bewältigung dieser Ziele werden wir uns vergewissern.

Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluss. Wenn es gelingt, dass Europa sein Gewicht in der Welt weiter bündelt, wenn es einem geeinten Europa gelingt, ein handlungsfähiger und geachteter Partner anderer Weltmächten wie den USA, China und Indien zu werden, besteht eine berechtigte Hoffnung, dass ein gemeinsam handelndes Europa die Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgreich überwinden und ein Maßstab und ein Orientierungspunkt in der Welt bleiben wird.

Unsere Aufgabe dabei ist es, Sachsen-Anhalt vom Wachstum und vom Erfolg Europas profitieren zu lassen. Wir brauchen jede Stimme bei der Wahl zum Europäischen Parlament, meine Damen und Herren. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Bi- schoff, SPD)

Vielen Dank, Herr Borgwardt. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Dr. Thiel. Die wollen Sie sicherlich beantworten. - Bitte schön, Herr Thiel.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Borgwardt, noch einmal zu der Position Ihrer Fraktion zur Gestaltung des Binnenmarktes in Europa. Sie sprachen davon,

dass es verschärfte Konkurrenzbedingungen gebe. Zugleich mahnten Sie aber auch die Einhaltung von Standards im Verbraucher- und Umweltschutz an und stellten den Zusammenhang zu den Lohnkosten her.

Mir ist nicht ganz klar, welche Position Ihre Fraktion dazu hat. Denn wenn man Deutschland als Bestandteil von Europa betrachtet und die Länder vielleicht als Regionen in Europa, dann hat eigentlich die Studie der „Neuen sozialen Marktwirtschaft“ vom vorigen Jahr gezeigt, dass die Wirtschaft in den deutschen Ländern, wo hohe Standards gelten und wo hohe Lohnkosten vorliegen, viel stärker prosperiert als in den anderen. Wie ist dazu die Position Ihrer Fraktion?

(Herr Gürth, CDU: Nicht Ursache und Wirkung verwechseln!)

- Nein, nein, Kollege Gürth.

Herr Kollege Borgwardt, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Den Zusammenhang, den Sie herstellen, den sehe ich auch. Ich sehe ihn aber in einer anderen Weise. So hatte ich das auch versucht darzustellen. Ich glaube, dass die Konkurrenzsituation und die bestimmenden Faktoren die Auslöser sind.

Ein Faktor ist: Wie hält man sich an bestehende Umwelt-, Verbraucherschutz- und ähnliche Vorschriften? - Diesen Zusammenhang leugnen Sie, so glaube ich, auch nicht. Das ist unstrittig.

Es ist aber zunehmend festzustellen, dass in den Mitgliedstaaten Dinge unterschiedlich schnell umgesetzt werden. Zumindest gibt es mehrere Unternehmen, die bei mir in der Sprechstunde schon beklagt haben, dass sie den Eindruck gewinnen - der Frage muss man auch einmal nachgehen -, dass Deutschland immer sehr schnell und als einer der ersten bereit ist, Dinge konkret umzusetzen.

(Zuruf von Herrn Czeke, DIE LINKE)

- Zumindest die Unternehmen, die internationale Vernetzungen haben, kommen genau zu dieser Einschätzung, Herr Kollege Czeke. Deswegen glaube ich, dass es notwendig ist, intensiver darüber nachzudenken, warum das denn so ist, wenn es so ist, wie Sie sagen, Herr Dr. Thiel.

Ich kenne auch Norwegen und ich kenne auch Punkte, die den Anschein erwecken, als seien sie nicht so stark von dieser Problematik betroffen. Aber ich glaube, wir haben auch noch Gelegenheit, uns darüber zu unterhalten.

(Zuruf von Herrn Höhn, DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Borgwardt, für die Beantwortung. - Ich sehe keinen weiteren Redebedarf. Damit sind wir am Ende der Aussprache zur Regierungserklärung angekommen. Beschlüsse in der Sache werden nicht gefasst und der Tagesordnungspunkt 1 ist damit abgeschlossen.

Meine Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Aussprache zur Großen Anfrage

Schwarzarbeit in Sachsen-Anhalt

Große Anfrage der Fraktion der FDP - Drs. 5/1544

Antwort der Landesregierung - Drs. 5/1649

Im Ältestenrat wurde die Redezeitstruktur C vereinbart; 45 Minuten Gesamtredezeit. Die Reihenfolge ist SPD, DIE LINKE, CDU und FDP. Aber gemäß unserer Geschäftsordnung erteile ich zunächst der FDP als Fragestellerin das Wort. Herr Franke, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt in der Natur der Sache, dass man alles das, was heimlich, im Dunkeln und illegal passiert, nicht offen erkennen kann. Deshalb hat es mich kaum gewundert, dass die Antwort auf die Große Anfrage zur Schwarzarbeit so dünn ausfiel. Die Datenlage ist eben dünn, wenn man keine Daten erheben kann. Einem Schwarzarbeiter kann man nur sehr schwer statistische Fragebögen zum Ausfüllen zusenden.

Durch die Schattenwirtschaft und die Schwarzarbeit gehen dem Staat aber erhebliche Steuereinnahmen und Sozialabgaben verloren. Zugleich wird die Aufnahme sozialversicherungspflichtiger Tätigkeiten verhindert.

Nach Schätzungen belief sich das Volumen der Schattenwirtschaft im Jahr 2007 auf 349 Milliarden €. Ich wiederhole die Summe noch einmal - einen Betrag in Höhe von 3 Milliarden € hatte Herr Bullerjahn gestern als hinhörenswert angesprochen -: 349 Milliarden € allein im Jahr 2007. Das entspricht einem Anteil von 14,9 % am Bruttoinlandsprodukt. Bei einem statistischen Anteil des Landes Sachsen-Anhalt am gesamten Bruttoinlandsprodukt in Höhe von 2,1 % errechnet sich daraus ein geschätztes Volumen von 7,33 Milliarden € allein für Sachsen-Anhalt.

Es wird angenommen - so ist es nachzulesen auf Seite 8 und folgende der Antwort auf die Große Anfrage -, dass jeder Zehnte schwarzarbeitet. Je nach Umfrage gibt es in Deutschland bis zu zehn Millionen nebenberufliche Schwarzarbeiter, die durchschnittlich 400 Stunden pro Jahr tätig sind. Dies entspricht umgerechnet bis zu 2,7 Millionen Vollzeitstellen. Sofern die gesamte Wertschöpfung der Schattenwirtschaft in Höhe von 340 Milliarden € von legalen Arbeitskräften erwirtschaftet werden würde, ergäbe sich rein rechnerisch die Anzahl von sechs Millionen Vollzeitstellen in Deutschland.

Diese Angaben entsprechen natürlich nicht im Verhältnis 1 : 1 neuen Arbeitsplätzen, die in der offiziellen Wirtschaft geschaffen werden könnten, da sich die Rahmenbedingungen, wie Preise, Qualität und Garantiebedingungen, im inoffiziellen und im offiziellen Sektor unterscheiden. Doch rund ein Drittel der Stellen, bei denen legale Tätigkeiten illegal erledigt werden, könnten in den offiziellen Sektor verlagert werden.

Eine erfolgreiche Bekämpfung der Ursachen der Schwarzarbeit würde somit selbst bei statistischer Betrachtung zur Legalisierung von bis zu einer Million Vollzeitstellen in Deutschland führen. Nach der Ansicht des DGB könnten durch die Umwandlung von Schwarzarbeit in legale Arbeit sogar 1,5 Millionen Arbeitsplätze entstehen.

Mir hat einmal jemand gesagt, die beste Arbeitsvermittlung laufe an der Imbissbude auf dem Marktplatz ab. Keine Arbeitsagentur weist eine ähnlich hohe Vermittlungsquote auf. Ja, die Vermittlung in illegale Beschäftigung floriert. Es gibt auch genügend Menschen, die auf der einen Seite SGB II und Hilfen zur Unterkunft beziehen, sich aber bei Hausmeisterdiensten, beim Zeitungsaustragen oder im Umfeld von Großveranstaltungen und Diskotheken ein zweites Einkommen dazuverdienen. Es gibt auch genügend 400-Euro-Jobber, die sich nach ihrer offiziellen Arbeitszeit noch einiges schwarz im Handel, in der Gastronomie oder bei einem Taxiunternehmer dazuverdienen.

Wissen Sie denn, Herr Schwarz, ob die Zeitung, die Sie frühmorgens lesen - - Ich meine Herrn Scharf. Sie haben mich durcheinander gebracht, da Sie so vertieft im Gespräch sind.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Wissen Sie denn, Herr Scharf, ob die Zeitung, die Sie frühmorgens lesen, auf dem legalen Weg in den Briefkasten gelangt ist, und ob der Kurierfahrer, der nachts die Zeitung ausfährt, in dieser Zeit wirklich sozialversicherungspflichtig tätig war?

(Herr Wolpert, FDP: Aber seit wann fährt Herr Scharf mit dem Taxi? - Herr Scharf, CDU: Das weiß ich!)

- Bei Taxifahrern ergibt sich das gleiche Problem. Herr Miesterfeldt, wissen Sie, ob der Barkeeper, der hinter dem Tresen steht,

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)