Protocol of the Session on January 23, 2009

Nehmen wir zum Schluss zum Beispiel das Land Finnland, das ja immer wie das Musterland für bestimmte politische Strömungen dasteht. Manche glauben ja, wenn man das finnische System auf unser Land übertragen würde, hätte man die hier bestehenden Probleme gelöst. Man schafft einfach den Hauptschulbildungsgang ab. Dann haben wir ein einheitliches gemeinsames längeres Lernen, ein einheitliches Bildungssystem; schon sind alle Probleme gelöst.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)

Schaut man einmal etwas genauer über den Tellerrand, wird deutlich, dass bei einer Abiturquote von 95 % in Finnland 72 % der Abiturienten ein Studium oder eine Art Studium abschließen. Wo bleiben aber die anderen 28 % der Abiturienten in Finnland? - Es gibt dort keine duale Berufsausbildung. Dies - das ist ein Fakt - führt dort zu einer Jugendarbeitslosenquote von über 20 %. Das kann doch nicht unser Ziel hier sein. Das wird meistens verschwiegen.

(Herr Borgwardt, CDU: Genau!)

Man hat dort zwar 95 % Abiturienten, aber eine Jugendarbeitslosenquote von 20 %.

(Beifall bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Sehr richtig!)

Ich komme jetzt wieder auf das Land Deutschland zurück. Wir haben hier mit den Hauptschulabschlüssen, die bei uns gemacht werden - wenn ich das Beispiel von Frau Mittendorf aufgreifen darf -, eine Jugendarbeitslosenquote von 10 %, trotz des Hauptschulbildungsganges.

(Zuruf von Frau Mittendorf, SPD - Herr Tullner, CDU: Hört, hört!)

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch einmal sagen: Es ist wirklich nicht das erstrebenswerte Ziel, hier das finnische Modell zu implementieren; denn daran wird deutlich, dass erreichte Quoten bzw. Anteile an Bildungsabschlüssen nicht zielführend sein können und dass sie wahrscheinlich sogar kontraproduktiv sind. Wir sollten dies wirklich der Nachfrage auf dem Markt überlassen und uns daran orientieren.

Verehrte Kollegen! Das Anliegen der Fraktion der FDP kann ich wohl verstehen, halte aber ein Konzept nicht für zielführend. Herr Kley, Sie haben in Ihrer Rede immer von einer Analyse gesprochen. Das ist dann schon zielführender. Ich denke, ein Konzept wäre nicht weit von einer sozialistischen Planwirtschaft entfernt. Aber wir werden diesen Antrag in den Ausschuss überweisen; das ist hier schon klar und deutlich geworden.

Wir sind schon dafür, im Bildungs- und im Wirtschaftsausschuss darüber berichten zu lassen. Vielleicht gibt es ja bestimmte Disparitäten. Das kann durchaus sein. Vielleicht sind sie auch zu erwarten. Ob dies so ist und ob

ein gewisser Handlungsbedarf besteht, wird sich dann im Ausschuss klären lassen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Herr Kley, Sie haben die Möglichkeit zu erwidern.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Sie sich den Text unseres Antrages anschauen, lesen Sie nirgends das Wort „Planung“ oder Ähnliches. Aber zwei Fraktionen dieses Landtages haben offensichtlich ihre Vergangenheit wieder aufleben lassen und ergehen sich in Theorien über Planwirtschaft, die sie wahrscheinlich als einziges verstehen.

(Herr Tullner, CDU, lacht)

Frau Feußner hat sich vollends demaskiert, indem sie feststellte, dass man in der DDR nur habe studieren können, wenn man ein ordentliches Elternhaus gehabt habe oder der politischen Überzeugung angehangen habe. Frau Feußner, es mag sein, dass das bei Ihnen so war. Andere hatten vielleicht auch noch andere Möglichkeiten. Aber diese Debatte hatten wir schon.

(Herr Tullner, CDU: Billige Polemik!)

Dass die LINKEN versuchen, diesen Antrag lächerlich zu machen, war zu erwarten. Denn sie gehen eben nicht davon aus, dass es notwendig ist, den Menschen in der Wirtschaft eine Perspektive zu geben,

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)

sondern sie gehen davon aus, dass die Ideologiesteigerung im Bildungssystem ihnen alleine den Erfolg vermittelt.

Wir hatten jüngst erst die Diskussion, dass die Erwartungshaltungen, die im Bildungssystem geweckt werden, nicht genährt werden können, weil sie häufig unrealistisch sind, weil sie eben nicht von der Realität, von den Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler und von dem Marktbedarf ausgehen und deswegen natürlich dann auch zur Unzufriedenheit führen, und zwar sowohl bei den Eltern wie bei den Kindern wie auch bei denen, die in der Bildung beschäftigt sind.

Deswegen geht unser Antrag dahin zu analysieren, mit welcher Schulform man hierbei frühzeitig arbeiten muss, um den Weg dorthin zu ebnen, und zwar nicht durch Planung, sondern durch Unterstützung. Die meisten Kinder gehen doch nicht nur deshalb aufs Gymnasium, weil das der beste Bildungsgang ist, sondern auch deshalb, weil man der Meinung ist, diese Schulen wären besser sortiert, es wäre dort anständiger und die Leute wären sauberer. Das ist Unsinn. Mit solchen Vorurteilen muss aufgeräumt werden und hierbei muss die Realschule wieder ganz klar in das Bild gestellt werden, in das sie gehört.

(Zustimmung bei der CDU - Zuruf von Herrn Tull- ner, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den LINKEN! Es hilft doch niemandem zu behaupten, es ginge nach den Bedürfnissen der Schüler, wenn sie nach zwölf Jahren Schule plötzlich dastehen und nicht wissen, wo sie ihr Leben zukünftig gestalten sollen.

Es ist auch nicht sinnvoll für die Schülerinnen und Schüler, sie zwei Jahre länger auf die Schule zu schicken, wenn sie danach eine Lehre ergreifen wollen. Das ist verschenkte Lebenszeit; das können wir uns, glaube ich, nicht leisten.

Wir reden ständig über Schulzeitverkürzung, reden über die Verkürzung von Studiengängen, über Lehrzeitverkürzung, und an dieser Stelle ist es uns völlig egal, wenn alle ein bisschen länger herumsitzen und nicht ihre Zukunft finden. Das ist meiner Meinung nach nicht weiter so zu akzeptieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einmal kurz darstellen, wie sich die FDP das vorstellt - nämlich nicht durch Planung, sondern durch Anreize. Ja, wir sind im Moment auch dabei, über eine curriculare Reform der Sekundarschule zu diskutieren. Dort muss klar herausgestellt werden, dass man hier die besten Möglichkeiten hat und dass die Verlängerung des gemeinsamen Lernens dazu führt, dass die einzelnen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler verkümmern, weil man über die Gleichmacherei nicht frühzeitig fördert, eben nicht die einzelnen Fähigkeiten unterstützt.

(Zustimmung bei der FDP, von Herrn Tullner, CDU, und von Frau Feußner, CDU)

Das ist der falsche Ansatz. Aber ich glaube, darüber werden wir uns noch lange streiten. Da die Empirie leider nicht allzu oft in der Pädagogik Einzug halten durfte, glaube ich, dass der Streit noch länger dauert, wiewohl mittlerweile doch das eine oder andere Forschungsinstitut uns hierzu schon sehr gut mit Daten unterstützt hat und die These untermauert, dass frühzeitige individuelle, gezielte Förderung den Kindern am besten tut und nicht ideologische Gleichmacherei.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte heute hat gezeigt, dass wir uns im Ausschuss noch intensiv damit befassen werden und dort vielleicht dann auch jenseits der Polemik, die hier von einigen Seiten kam, wirklich einmal zum Kern der Sache, nämlich dem, was für unsere Kinder am besten ist, gelangen können. In diesem Sinne wünsche ich uns eine intensive Beratung. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Damit ist die Debatte beendet. Wir stimmen ab über die Drs. 5/1707. Es ist beantragt worden, den Antrag in die Ausschüsse für Bildung und für Wirtschaft zu überweisen. Ich gehe davon aus, dass der Bildungsausschuss federführend sein soll. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Antragstellerin. Wer ist dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag in die genannten Ausschüsse überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 12 ist erledigt.

Wir sind damit auch am Ende der 27. Sitzungsperiode.

Ich berufe die 28. Sitzungsperiode für den 19. und 20. Februar 2009 ein und wünsche Ihnen jetzt ein schönes Wochenende, erholsam oder arbeitsreich.

Schluss der Sitzung: 12.55 Uhr.