Protocol of the Session on July 7, 2006

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf

Beratung

PPP/Public Privat Partnership - eine Chance für die mittelständische Wirtschaft

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/113

Einbringer ist Herr Gürth. Herr Gürth, Sie haben das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur ist im internationalen Standortwettbewerb ein wichtiger Faktor, der noch weiter an Bedeutung gewinnen wird, der geradezu eine Voraussetzung für Wachstum und Effizienzsteigerung einer Volkswirtschaft ist. Aufgrund der angespannten Lage der öffentlichen Haushalte hat sich in Deutschland in den zurückliegenden Jahren jedoch ein immenser Investitionsbedarf aufgestaut, der zu einem erheblichen Teil auf die lange vernachlässigte und aufgeschobene Sanierung bestehender Infrastruktur zurückzuführen ist.

Das Deutsche Institut für Urbanistik hat ermittelt, dass allein die Kommunen in den Jahren 2000 bis 2009 jährlich rund 68 Milliarden € für Investitionen benötigen werden. Mit einem Viertel des Betrages entfällt der höchste Bedarf auf den Verkehrsbereich, auf Straßen und ÖPNV, gefolgt von den Bereichen soziale Infrastruktur mit 18,7 % sowie Wasserversorgung und Umweltschutz mit 18,2 %.

In den neuen Bundesländern gibt es hier aber einen ganz besonderen Nachholbedarf. Der Gesamtinvestitionsbedarf pro Kopf ist in den neuen Bundesländern immer noch fast doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern.

Trotz eingeleiteter Konsolidierungsmaßnahmen bei nahezu allen Gemeinden und Ländern in Deutschland ist immer noch ein deutliches Ansteigen des Defizits zu verzeichnen. Der Staat kann den Bedarf nicht mehr finanzieren. Hier geht es nicht nur um den Bedarf, der erforderlich ist, um den Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig zu halten, sondern auch um den Anteil, den der Staat im Rahmen der Daseinsvorsorge seinen Bürgern anzubieten hat und anbieten möchte.

Angesichts der aufgezeigten und spürbaren Grenzen der Leistungsfähigkeit des Staates wird seit einigen Jahren wieder verstärkt über eine partnerschaftliche Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft nachgedacht.

Insbesondere in den Bundesländern Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und auch in der Freien und Hansestadt Hamburg wird die Verbesserung der Infrastruktur über so genannte PPP-Projekte bereits

sehr umfangreich realisiert. Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Beispiele, die bereits in der Realisierungsphase sind. Aber wenn man mal von Burg-Madel absieht, muss man schauen, was alles in der Prüfung liegt und wie wenig wir vorangekommen sind.

Wenn man es genau nimmt, dann ist Public-PrivatePartnership kein neues Thema. Neulich hat der liberale Wirtschaftsminister in Niedersachsen sogar den Bau von Suez- und Panamakanal oder der Transsibirischen Eisenbahn in diesem Zusammenhang erwähnt, die auch schon in Form einer Partnerschaft von privatem Knowhow und Kapital und öffentlicher Hand auf den Weg gebracht worden sind.

Ich würde sagen, dass das vielleicht ein bisschen weit hergeholt ist, weil die Situation heute nicht mit der damaligen vergleichbar ist und weil auch die Anforderungen an die Investoren heute andere sind. Denn für den Bau des Panamakanals zum Beispiel gab es jede Menge privates Kapital, das keinerlei Rendite erwirtschaftet hat. Vielmehr hat man Geld, das man hatte, aus Nationalstolz, aus einem Pflichtgefühl heraus, aus Patriotismus oder warum auch immer dem Staat zur Verfügung gestellt.

Das Land Sachsen-Anhalt hatte bereits eine Task-Force eingesetzt und eine Strategie entwickelt, wie PPP-Projekte zu prüfen und zu realisieren sind. In der Tat hat PPP eine gute Chance, in einer so genannten Win-WinSituation betriebswirtschaftliche Kompetenz mit den Erfahrungen und der Kompetenz der öffentlichen Hand in den Bereichen der Daseinsvorsorge zu verknüpfen.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen jedoch: Wer bei PPPModellen an eine private Vorfinanzierung von Vorhaben im Bereich der Daseinsvorsorge denkt, greift zu kurz, da sie lediglich eine kurzzeitige Liquidität verschafft und finanzielle Lasten in die Zukunft verschiebt. Aber diese Finanzierungsmodelle können als PPP, als Public-Private-Partnerships, bezeichnet werden; denn bislang wurden alle möglichen Verbindungen zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand so betitelt. Das ist auch legitim, da es bisher keine anerkannte, zweifelsfreie, keine einheitliche Definition dieses Begriffes gibt.

Gerade deshalb haben die Koalitionsfraktionen diesen Antrag gestellt, um bei dem Thema Public-Private-Partnerships qualitativ einen Schritt voranzukommen, indem wir erste Erfahrungen auswerten, die offenen Fragen und Probleme ansprechen und versuchen, diese gemeinsam mit den Partnern zu beantworten.

Das Spektrum der Kooperationsform reicht von der Zulieferung auf vertraglicher Basis bei weiter bestehendem öffentlichen Eigentum über so genannte BOT- und BOOModelle - das bedeutet Build, Operate, Transfer bzw. Build, Operate, Own -, in denen der private Sektor auch Kapital investiert bis hin zu vollem privatem Eigentum und privater Leistung.

Beim Betreibermodell zum Beispiel lässt die öffentliche Hand eine Einrichtung teilweise oder vollständig von einem Privaten betreiben. Diesem werden üblicherweise Finanzierung, Bau und Betrieb ganz oder teilweise übertragen. Die Verantwortung für die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe für den Bürger verbleibt jedoch beim Hoheitsträger. Die Bürger sind diesem gegenüber zur Zahlung von Nutzungsgebühren verpflichtet. Die öffentliche Hand zahlt den Betreibern ein Betreiberentgelt.

Im Unterschied zum Betreibermodell erhält der Private bei Konzessionsmodellen zum Beispiel das Recht, seine

Kosten über Entgelte von den Nutzern direkt zu finanzieren. Es kommt also zu einer unmittelbaren Beziehung zwischen den Bürgern und den privatrechtlichen Unternehmen.

Ich will wegen der vorangeschrittenen Zeit nicht noch Vermietungs-, Leasing- oder Kooperationsmodelle beschreiben; das ist alles nachlesbar.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Ich will jedoch eines noch deutlich machen: Entscheidendes gemeinsames Merkmal ist die auf Dauer angelegte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privatem Unternehmen. Das bedeutet vor allem: PPP verlangt einen Bewusstseinswandel der öffentlichen Hand.

(Herr Tullner, CDU: Das ist ganz wichtig!)

Der Staat wandelt sich vom allumfassenden Produzenten und Bereitsteller öffentlicher Infrastruktur zu einem Nachfrager oder Mittler ganzheitlicher komplexer Dienstleistungen. Anstatt selbst zu bauen und zu betreiben, kontrolliert er die Einhaltung der vertraglich geforderten Leistungen, die den Bürgern zur Verfügung gestellt werden sollen.

Gleichzeitig aber - das ist an die Wirtschaft gerichtet - müssen sich die Unternehmen, die bislang beispielsweise Bau- und Betriebsleistungen isoliert erbracht haben, zu umfassenden Problemlösern und Dienstleistern entwickeln. Für Unternehmen bedeutet dies jedoch, dass sich dadurch für sie auch neue Aufgabenfelder eröffnen können.

Aber, meine Damen und Herren, PPP-Projekte versprechen nur Erfolg, wenn sie sorgfältig vorbereitet worden sind und Akzeptanz finden. Ein PPP-Modell bedarf der uneingeschränkten politischen Unterstützung und die angestrebte Win-Win-Situation für alle Beteiligten, für die Verwaltung, für den Bürger, für die Politik und für die privaten Partner, muss in den Mittelpunkt gerückt werden. Die Bedingungen hierfür müssen transparent sein. Das gilt insbesondere für den Wirtschaftlichkeitsvergleich. Das Vertragswerk muss Regelungen für absehbare, aber auch für nicht absehbare Veränderungen während der Projektlaufzeit vorsehen. Es muss ein laufendes Monitoring und Controlling gewährleisten.

Eine ganz besondere Aufgabe und Herausforderung ist die angemessene Beteiligung der einheimischen mittelständischen Wirtschaft an PPP-Projekten. In den zurückliegenden Jahren musste man feststellen, dass Tausende Arbeitsplätze im Bausektor abgebaut wurden, obwohl noch ein enormer Nachholbedarf in der Ertüchtigung der Infrastruktur vorhanden ist. Gerade deswegen muss die Chance zur Beteiligung der mittelständischen Wirtschaft hinreichend genutzt werden. Das ist die Absicht der Koalitionsfraktionen.

(Zustimmung bei der CDU)

Damit sind wir schon bei einem ernsten Problem. Allgemein herrscht die Meinung vor, dass die Größenordnung für PPP-Projekte erst bei einem Projektvolumen von 10 Millionen € - manche sagen, erst bei 25 Millionen € - anfängt, damit es sich rechnet. Ich bezweifle dies. Ich halte diese Verallgemeinerung für falsch. Richtig ist zwar, dass die Vorlaufkosten für die individuelle Machbarkeitsstudie oder die Angebotserstellung sehr hoch sein können; aber gerade kleinere Projekte kann man auch realisieren und sie können für mittelständische Unternehmen eine Chance auf Teilhabe bieten. Dafür wollen wir uns stark machen.

Meine Damen und Herren! Dies wird uns nur gelingen, wenn wir uns der Thematik umfassend annehmen. Die Absicht dieses Antrages ist es - deswegen will ich wegen der vorangeschrittenen Zeit meinen Redebeitrag etwas abkürzen -, mit allen beteiligten Ausschüssen im Landtag gemeinsam mit der Landesregierung und mit Partnern der freien Wirtschaft und Experten alle vorhandenen Probleme aufzulisten und dafür Antworten zu finden, was die Standardisierung, die Kontrolle und die Abwicklung und dergleichen betrifft.

PPP ist kein Wundermittel zur Sanierung der öffentlichen Haushalte durch die Erschließung neuer Geldquellen. Um die Finanzmisere bei Bund, Ländern und Gemeinden zu überwinden, müssen sich die Rahmenbedingungen generell ändern. Das muss allen klar sein. PPP ermöglicht jedoch den Transfer von Know-how und privatem Kapital zugunsten der Ertüchtigung der Infrastruktur, die den Bürgern und der Wirtschaft angeboten werden kann und zum Teil auch angeboten werden muss.

Wir sind gut beraten, unsere Hausaufgaben zu machen, die noch offenen Fragen zu klären und somit für Transparenz und Vertrauen, also für die notwendige Akzeptanz zu sorgen, um erfolgreich marktwirtschaftliches Know-how, Kapital und Partnerschaft mit der öffentlichen Hand gemeinwohlorientiert zu nutzen. - Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU)

Herr Gürth, herzlichen Dank für Ihre umfangreiche Einführung. - Ich gebe jetzt Herrn Minister Bullerjahn das Wort zu diesem Thema. Bitte schön.

(Zurufe von der FDP)

Ich habe es mir nicht ausgesucht, dauernd hier vorn zu stehen.

(Zurufe von der FDP)

- Es ist ja nicht Ihr Antrag. Da kann ich jetzt ganz ruhig bleiben.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Initiative, in einer gemeinsamen Anhörung der beteiligten Ausschüsse Bilanz zu ziehen und über den bisher in Sachsen-Anhalt bei PPP erreichten Stand zu diskutieren, ist nachvollziehbar und völlig richtig. Auch die SPD-Fraktion - daran kann ich mich noch gut erinnern - hat im Jahr 2003 den Antrag gestellt, Grundaussagen zu PPP und zur Entwicklung einer PPP-Strategie im Land SachsenAnhalt zu machen.

Mittlerweile hat sich eine ganze Reihe von PPP-Initiativen auf Landesebene und auf kommunaler Ebene entwickelt. Das größte Projekt ist hierbei die Justizvollzugsanstalt Burg-Madel, und dies sogar deutschlandweit.

Auf der kommunalen Ebene ist eine ganze Reihe von Projekten in der Pipeline. Es handelt sich vor allem um Schulbau- bzw. Schulsanierungsprojekte, aber auch um Projekte für Kindertagesstätten, Sporthallen und Rathäuser. Besonders positiv ist hierbei, dass vier der bisher acht geplanten Projekte ein Investitionsvolumen von weniger als 10 Millionen € aufweisen. Dies ist eine Größenordnung, die Projekte auch für mittelständische Unternehmen attraktiv macht.

Die Landesregierung wird zur umfänglichen Realisierung der genannten Projekte neu festlegen, unter welchen Voraussetzungen Kommunen, die sich in der Haushaltskonsolidierung befinden, eine kommunalaufsichtliche Genehmigung für ihr PPP-Projekt erhalten werden. Den Prüfungsmaßstab will ich an dieser Stelle schon grob skizzieren.

Zur Nachhaltigkeit: Ist für das Projekt eine Laufzeit des Modells von 25 Jahren erforderlich?

Zur Wirtschaftlichkeit: Ist das PPP-Modell wirtschaftlicher als eine Umsetzung im Rahmen des klassischen Verfahrens?

Finanzielle Leistungsfähigkeit: Kann die laufende Bedienung des PPP-Projekts im Rahmen der Haushaltskonsolidierung als gesichert angesehen werden?

Das Innenministerium und das Finanzministerium planen für Ende August eine gemeinsame Kabinettsvorlage. In dieser werden die weiteren Voraussetzungen geschaffen, damit PPP sowie auch die Leistungsfähigkeit der Kommunen gleichzeitig definiert werden können, sodass Rechtssicherheit und auch Klarheit für den Vollzug in den Verwaltungen bestehen.

In die Phase der Realisierung ist bisher nur ein Projekt gelangt. Für den Neubau der Sekundarschule in Barleben wurde am 23. Juni 2006 der Grundstein gelegt. Die drei großen angedachten PPP-Projekte Justizvollzugsanstalt Burg-Madel und Schul- sowie Kita-Sanierung in Halle befinden sich derzeit im Verhandlungsverfahren. Diese drei großen Projekte können deshalb im Moment noch nicht behandelt werden; denn es gibt eine gewisse Vertraulichkeit, die bestimmten Regelungen unterworfen ist. Über Erfahrungen aus diesen Projekten kann erst dann diskutiert werden, wenn die Verfahren abgeschlossen worden sind.

Trotzdem glaube ich aber, dass es möglich ist, sich dieser Diskussion zeitnah zu stellen. Wir müssen nur gemeinsam einen Zeitplan aufstellen, damit wir konkret wissen, wann wir welches Projekt dann auch in den Ausschüssen behandeln können, um keine Verfahrensfehler zu machen. Ich denke, es sollte allen daran gelegen sein, diese Projekte nicht zu erschweren.

Ich freue mich auf die Ausschussberatungen und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.