Protocol of the Session on December 11, 2008

(Zustimmung bei der SPD)

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Zielbeschreibung, den Kinderschutz in Sachsen-Anhalt zu stärken, liegen wir ja überhaupt nicht auseinander. Es geht um den Weg. Da das Ziel aber klar ist, werden wir auch den richtigen Weg finden.

(Unruhe)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im Jahr 2006 forderte der Bundesrat mit insgesamt drei Entschließungen - -

Einen Augenblick bitte; es ist zu laut. - Bitte sehr, Frau Ministerin.

Bereits im Jahr 2006, meine sehr geehrten Damen und Herren, forderte der Bundesrat die Bundesregierung mit insgesamt drei Entschließungen auf, eine bundesrechtliche Regelung für den verbesserten Kinderschutz in

Deutschland einzuführen. Die Bundesregierung verneinte eine Regelungskompetenz auf Bundesebene.

Daraufhin vereinbarte die Ministerpräsidentenkonferenz in der Sitzung am 18. und 19. Dezember 2007, dass es wegen der Zuständigkeit für den Gesundheitsschutz in den Ländern ein Einladungssystem zu den Vorsorgeuntersuchungen für Kinder geben solle.

Mittlerweile haben bereits neun Länder Gesetze über derartige Maßnahmen zur Verbesserung des Kindeswohls und des Gesundheitsschutzes verabschiedet. In weiteren Ländern laufen die Vorbereitungen. Kernpunkte aller dieser Gesetze sind unter anderem Einlade-, Rückmelde- und Erinnerungssysteme zu den Früherkennungsuntersuchungen, ja sogar bis hin zu einer verpflichtenden Teilnahme.

Der Regierungsentwurf in Sachsen-Anhalt für ein Gesetz zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und zur Förderung der frühkindlichen Bildung enthält als einen Bestandteil auch die Einführung eines Einladewesens für Früherkennungsuntersuchungen.

Ein solches Einladewesen berührt unstreitig das durch das Grundgesetz geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Diesem Recht stehen jedoch das Recht des Kindes auf den Schutz seiner Würde nach Artikel 1 und das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nach Artikel 2 des Grundgesetzes gegenüber. In der Landesverfassung von Sachsen-Anhalt steht darüber hinaus in Artikel 24:

„Kinder genießen den besonderen Schutz des Landes vor körperlicher und seelischer Misshandlung und Vernachlässigung.“

Es muss hier also eine Abwägung der einzelnen Rechtsgüter erfolgen. Der Schutz der persönlichen Daten wird von mir nicht gering geachtet, doch darf der Schutz der Kinder vor Vernachlässigung, körperlicher und seelischer Misshandlung oder auch Missbrauch nicht dahinter zurückstehen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Deswegen bin ich davon überzeugt, dass wir bei diesem Abwägungsprozess im Interesse des Aufwachsens von Kindern in unserem Land eine tragfähige Lösung finden werden.

In die weiteren Beratungen kann auch der Gesetzentwurf des Bundes zum Kinderschutz, der seit Kurzem als Referentenentwurf vorliegt, einbezogen und somit verhindert werden, dass die Regelungen des Landes eventuell mit denen des Bundes in Konflikt geraten. Es geht in dem Entwurf des Bundesfamilienministeriums unter anderen um Regelungen zur Schweige- und Geheimhaltungspflicht von Berufsgeheimnisträgerinnen und -trägern, also unter anderem auch Ärztinnen und Ärzten, ein Punkt, den Herr Kollege Dr. Eckert vorhin angesprochen hat.

Zudem sollen Regelungen zu Hausbesuchen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendämter erweitert werden und bei Wohnortwechsel von gefährdeten Familien das bis dahin zuständige Jugendamt zur Unterrichtung und Weitergabe der erforderlichen Informationen an das Jugendamt des neuen Wohnortes verpflichtet werden.

Meine Damen und Herren! Der Ihnen heute zur Abstimmung vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Förde

rung der frühkindlichen Bildung enthält zwei Schwerpunkte, die sich aus den Artikeln 6 und 8 des Regierungsentwurfs ableiten. Dies ist zum einen die Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung und zum anderen die Finanzierung von Vor- und Nachbereitungsstunden in Kindertageseinrichtungen.

Ab dem Kindergartenjahr 2009/2010 soll für alle Kinder eine Sprachstandsfeststellung mit gegebenenfalls notwendiger anschließender Sprachförderung eingeführt werden. Ziel ist es zu verhindern, dass eine zu geringe Sprachkompetenz die gesamte Bildungsbiografie und damit auch die soziale Integration des Kindes beeinträchtigt. Damit stärken wir die frühkindliche Bildung und setzen unseren Kurs zur inhaltlichen Profilierung der Kinderbetreuung und der frühen Förderung fort.

Zum Gesetz. Es wird ein Sprachstandsfeststellungsverfahren eingeführt, an dem die Teilnahme als ausgelagerter Bestandteil der Schuleingangsuntersuchung für alle Kinder verpflichtend wird. Soweit es bei einem Kind erforderlich ist, hat es im letzten Jahr vor der Einschulung an einer pädagogischen Sprachförderung teilzunehmen. Diese Verpflichtung zur Teilnahme wird im Schulgesetz verankert.

Mit der Durchführung der Sprachstandsfeststellung und der Sprachförderung werden die Kindertageseinrichtungen beauftragt. Die Vertrautheit mit der Umgebung und mit den Erzieherinnen und Erziehern - für die Mehrzahl der Kinder - sowie deren Qualifikationen bieten die verlässliche Basis einer erfolgreichen Durchführung.

Mit der Sprachstandsfeststellung und der Sprachförderung ist ein jährliches Finanzvolumen von etwa 2,4 Millionen € verbunden. Die Anschaffung der Materialien und die Fortbildung der Erzieherinnen und Erzieher wird im kommenden Jahr, im Jahr 2009, zusätzlich mit 300 000 € veranschlagt.

Dies sind - ich denke, darin sind wir uns einig - Investitionen in die Zukunft unseres Landes. Die Sprachförderung wird zu einer Verringerung des Anteils sprachauffälliger Kinder führen und deren Chancen auf eine positive schulische und später auch berufliche Entwicklung verbessern.

Daneben werden als Bestandteil des allgemeinen Bildungsauftrags von Kindertagesstätten alle Kinder des letzten Kindergartenjahres besser auf die Schule vorbereitet werden. Seit September dieses Jahres werden bereits allen Kindertageseinrichtungen zusätzliche Stundenkontingente für Vor- und Nachbereitungsstunden, und zwar durchschnittlich zwei Stunden pro Einrichtung und Woche, zur Verfügung gestellt.

Für dieses Jahr erfolgte dies auf der Grundlage von Zuwendungsverträgen. Mit dem Gesetz werden dann Mittel in Höhe von 2,94 Millionen € jährlich mit der Landeszuweisung ausgereicht. Das dient der Verwaltungsvereinfachung und schafft Rechts- und Planungssicherheit für die Träger.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beide Regelungsinhalte haben in den Ausschüssen eine breite Zustimmung erfahren. Ich hoffe, dass das auch bei der Abstimmung in der heutigen Plenarsitzung der Fall sein wird. Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf zur Förderung der frühkindlichen Bildung zuzustimmen, damit das Gesetz mit Beginn des Jahres 2009 in Kraft treten kann.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Frau Ministerin. - Wir treten jetzt in die fünfminütige Debatte der Fraktionen ein.

Zuvor haben wir die Freude, Damen und Herren von der Volkshochschule Quedlinburg bei uns begrüßen zu dürfen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Als erste Rednerin der Fraktionen in dieser Debatte erhält Frau Dr. Hüskens für die FDP das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch der Rest des Kinderschutzgesetzes ist leider ein deutliches Beispiel dafür, dass gut gemeint nicht immer gut sein muss.

(Zuruf von der CDU: Na so was!)

Sicherlich verfolgen wir alle hier im Haus das Ziel, den Schutz der Kinder vor Vernachlässigung - vor allen Dingen vor Vernachlässigung durch ihre Eltern - in unserem Bundesland zu verbessern. Wir hatten eine Reihe von Anträgen dazu. Wir hatten, bevor das Gesetz eingebracht wurde, auch eine ganze Reihe von eigentlich konsensualen Diskussionen sowohl hier als auch im Ausschuss dazu.

Gleichwohl hat das Gesetz, das dann eingebracht worden ist, nicht die Erwartungen erfüllt, die wir in es gesetzt haben, und zwar aus einem einzigen Grund - das habe ich schon bei der Einbringung gesagt -: Die Landesregierung will für den Schutz der Kinder möglichst keinen Euro Landesmittel ausgeben, mit Ausnahme der Aspekte, die wir heute beschließen, für die wir bereits bei der Haushaltsberatung 2008/2009 Gelder in den Landeshaushalt eingestellt haben und bezüglich deren damals alle Fraktionen der Auffassung waren, dass dies gut angelegtes Geld sei.

Alles darüber Hinausgehende bedarf aber ebenfalls finanzieller Mittel. Man kann natürlich sagen: Es muss nicht alles Geld kosten. - Klar, dieser Illusion könnte man sich hingeben. Aber zuständig für den Kinderschutz ist nicht die Landesregierung, sondern sind die Landkreise. Wir brauchen nur einmal die Kollegen, die für Kommunalpolitik zuständig sind, zu fragen, wie es dort um die finanzielle Situation bestellt ist, vor allen Dingen in den Landkreisen, die sich schon in der Haushaltkonsolidierung befinden. Sie werden schlicht und ergreifend nur den gesetzlichen Auftrag erfüllen können und darüber hinaus nichts tun.

Deshalb müssen wir darüber reden, wie wir ihnen die Möglichkeit geben können, mehr im Bereich Kinderschutz, im Bereich Jugendschutz zu tun. Dazu verweigern Sie sich einfach der Diskussion. Ich halte alle Ansätze, die heute in den Raum gestellt worden sind und die vielleicht irgendwann kommen werden, nur dann für aussichtsreich, wenn wir auch über diesen Aspekt reden.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Auch die Bundesländer, die verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen eingeführt haben, haben dies an finanzielle Anreize gekoppelt. Die finanziellen Zuwendungen werden dann gewährt, wenn die Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen werden. Genauso funktioniert das bei den gesetzlichen Krankenkassen, die damit sehr gu

te Erfahrungen gesammelt haben. Ich verstehe überhaupt nicht, warum wir uns diesem Gedanken verweigern, warum wir ihn nicht verfolgen und prüfen, ob wir solche Überlegungen auch in Sachsen-Anhalt anstellen können.

Wenn wir weiterhin so tun, als bekämen wir Leistungen der Landkreise zum Nulltarif, werden wir immer wieder solche Reaktionen erleben, wie sie in der Anhörung zu hören waren, in der eine große Frustration über die Landesregierung zu spüren war. Das hat Gott sei Dank - dafür bedanke ich mich noch einmal - auch zu Reaktionen geführt wie im Ausschuss für Recht und Verfassung, der dann tatsächlich die Reißleine gezogen hat, nachdem schon im Vorfeld das Justizministerium seine Bedenken geäußert hatte, nachdem im Vorfeld die Fraktionen ihre Bedenken geäußert hatten, nachdem im Vorfeld der Gesetz- und Beratungsdienst seine Bedenken geäußert hatte.

Das alles in den Wind zu schlagen, hielt ich und halte ich für fahrlässig und hoffe, dass wir, wenn es tatsächlich zu einem zweiten Anlauf kommt - die Worte hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube -, tatsächlich versuchen, auch verfassungsrechtlich, datenschutzrechtlich saubere Lösungen zu finden. Das ist jetzt Ihre Aufgabe. Ich bin gespannt, ob Sie in der Lage sind, diese Aufgabe noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen.

Die FDP-Fraktion wird sich bei der Abstimmung über das Rumpfgesetz, wie es vorliegt, der Stimme enthalten. Wir haben damals zwar zugestimmt; aber ich muss sagen, die vielen Änderungen, die jetzt noch dazugekommen sind, die auch heute noch angebracht wurden, lassen auch diesen Restteil des Gesetzes nicht nach einer ordentlichen handwerklichen Arbeit aussehen, weshalb wir diesem Teil des Gesetzes nicht zustimmen werden. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Frau Dr. Hüskens. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kurze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach intensiven Beratungen im federführenden Ausschuss für Soziales sowie in den mitberatenden Ausschüssen für Recht und Verfassung, für Inneres, für Finanzen sowie für Bildung haben wir wegen durchgreifender verfassungsrechtlicher Bedenken - nicht, wie wir es eben gehört haben, weil es mit der Finanzierung nicht so stimmt - Artikel 1 § 5 des Gesetzentwurfes von der heutigen Verabschiedung des Gesetzentwurfes zur Verbesserung des Schutzes von Kindern ausgenommen. Hierauf gehe ich gleich noch einmal ein. Doch zuvor möchte ich meine Stimmung zu der jetzigen Situation darlegen.

Kinderschutz in Deutschland scheint schwieriger mit der Verfassung in Einklang zu bringen zu sein als Tierschutz, den Umgang mit Tätern oder mit kranken Tätern im Rahmen der Resozialisierung oder der Therapie darin zu verankern. Für die Betreuung eines Straftäters oder eines Patienten im Maßregelvollzug gibt unser Land jährlich mehr als 100 000 € aus. Für alle inhaftierten und betreuten Täter werden insgesamt mehr als 50 Millionen € ausgegeben. Oberstaatsanwalt Vogt aus Halle sagte zu diesem Thema einmal - ich habe das im Som

mer in der „Welt“ gelesen -, man könnte annehmen, dass diese Delikte in unserem Land wie Kavaliersdelikte behandelt würden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle nicht am Rechtsstaat nörgeln, aber vor dem Hintergrund, dass es unwahrscheinlich schwer ist, ein präventives Kinderschutzgesetz zu verabschieden, dass wir wissen, dass in Deutschland nach Aussage des Deutschen Kinderschutzbundes pro Woche drei Kinder an den Folgen von Misshandlungen sterben und wir aufgrund der demografischen Entwicklung jedes Kind in Deutschland brauchen, bin ich persönlich sehr enttäuscht über das heutige Gesamtergebnis.

(Zustimmung von Frau Brakebusch, CDU)