Protocol of the Session on December 11, 2008

Die Architektenkammer verdeutlichte in ihrer Stellungnahme, dass sie es für problematisch hält, dass nach Nr. 4 zu § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe b des Gesetzentwurfes künftig Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner bereits nach der Absolvierung eines dreijährigen Studiums in die Architekten- und Stadtplanerliste eingetragen werden.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen nahm die Vorschläge der Architektenkammer auf, die Mindeststudiendauer auf vier Jahre als Eintragungsvoraussetzung für Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner zu verlängern.

Die FDP-Fraktion beantragte, die Buchstaben a und b zu streichen und die Eintragungsvoraussetzung für Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner auf einen erfolgreichen Studienabschluss abzustellen. Dieser Antrag wurde bei einer Jastimme abgelehnt. Den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen beschloss der Wirtschaftsausschuss mit 8 : 3 : 0 Stimmen.

Weitere Änderungen in diesem Gesetzentwurf sind infolge der Änderung der Nr. 4 des Gesetzentwurfes und aufgrund rechtsförmlicher Änderungen notwendig geworden.

Die Fraktion DIE LINKE gab an, dass das Ansinnen des Änderungsantrages zwar geteilt wird, es allerdings dringenden Regelungsbedarf durch das Kultusministerium gebe. Ihr entsprechender Antrag, den Gesetzentwurf mitberatend an den Bildungsausschuss zu überweisen, wurde bereits in der ersten Lesung im Landtag abgelehnt.

Für die Beschlussempfehlung in Gänze votierte der Wirtschaftsausschuss mit 8 : 3 : 0 Stimmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich bitte um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke für die Berichterstattung, Herr Abgeordneter Tögel. - Bevor wir in eine Fünfminutendebatte eintreten hat namens der Landesregierung der Wirtschaftsminister Herr Dr. Haseloff um das Wort gebeten. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem Architektengesetz Sachsen-Anhalt werden die gesetzlichen Regelungen für die Berufsstände der Architekten, der Innen- und Landschaftsarchitekten sowie der Stadtplaner getroffen. Der vorliegende Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Architektengesetzes Sachsen-Anhalt dient der Umsetzung der Richtlinie 2005/36 der Europäischen Gemeinschaft und des Europäischen Parlaments sowie des Rates über die Anerkennung von Berufsqualifikationen vom 7. September 2005, der so genannten Berufsanerkennungsrichtlinie.

Grundgedanke der Richtlinie ist es, zum weiteren Abbau der Hindernisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten des EG-Vertrages beizutragen. Dies bedeutet für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten insbesondere die Möglichkeit, als Selbständige und abhängig Beschäftigte einen Beruf in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie ihre Berufsqualifikation erworben haben, auszuüben.

Die Änderungen durch den vorliegenden Gesetzentwurf betreffen insbesondere folgende Bereiche: die Erbringung von Dienstleistungen als Architekt, Innen- und Landschaftsarchitekt oder Stadtplaner durch Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union in Sachsen-Anhalt, die Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zur Erbringung dieser Dienstleistungen in SachsenAnhalt, den Anspruch von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union auf Anerkennung der Gleichwertigkeit erworbener Berufsqualifikationen sowie die Überwachung der Berufsausübung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, welche den Beruf des Architekten, des Innen- und Landschaftsarchitekten sowie Stadtplaners in Sachsen-Anhalt ausüben.

Der Gesetzentwurf sieht für die Fachrichtung Architektur, hier insbesondere für den Hochbau, weiterhin eine vierjährige Hochschulausbildung vor und folgt insoweit den Empfehlungen des Musterarchitektengesetzes. Damit ist die automatische Anerkennung des entsprechenden Abschlusses in allen EU-Mitgliedstaaten sichergestellt und die enge Verzahnung der Bauvorlageberechtigung nach der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt sowie der Schutz des Titels „Architekt“ bzw. „Architektin“ gewährleistet.

Auch für die anderen Fachrichtungen - die Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner - bleibt es wie bisher bei dem Erfordernis eines vierjährigen Hochschulstudiums. Insoweit weicht der Gesetzentwurf von den Empfehlungen des Musterarchitektengesetzes ab.

Die Architektenkammer sowie die Berufsverbände der Innen- und Landschaftsarchitekten sowie der Stadtplaner hatten sich im Anhörungsverfahren gegen die Festlegung eines nur dreijährigen Hochschulstudiums, wie es im ursprünglichen Gesetzentwurf der Landesregierung vorgesehen war, als Berufszugangsvoraussetzung für diese Fachrichtungen gewendet. Zwischenzeitlich haben bereits neun Bundesländer die Mindeststudiendauer für diese Fachrichtungen auf drei Jahre abgesenkt. Die Praxisphase beträgt für alle Fachrichtungen weiterhin zwei Jahre.

Dies ist von mir als Erläuterung an dieser Stelle vorzutragen gewesen. Herzlichen Dank! Ich bitte um die Ver

abschiedung des Gesetzentwurfes nach einer intensiven Diskussion durch die Fraktionen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke sehr, Herr Minister. - Die Debatte wird durch einen Beitrag von Herrn Franke von der FDP-Fraktion eröffnet. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Die FDP-Fraktion lehnt den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung ab.

Objektiv betrachtet besteht die Notwendigkeit zur Änderung des Architektengesetzes. Die EU-Richtlinie, die Hemmnisse für den freien Personen- und Dienstleistungsverkehr abbauen soll, ist von Minister Haseloff ausführlich erläutert worden. Die Ziele der Richtlinie sind aus liberaler Sicht zu begrüßen; denn sie verlangt, dass Berufsqualifikationen innerhalb Europas anerkannt werden müssen, um Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit zu gewährleisten.

Was jedoch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geschaffen werden soll, ist eine Insellösung für SachsenAnhalt, die die Bestrebungen des Bologna-Prozesses konterkariert. Das momentan noch geltende Gesetz verlangt von allen Absolventen, die sich in die Architekten- oder Stadtplanerlisten eintragen lassen wollen, den erfolgreichen Studienabschluss nach einer Studienzeit von mindestens vier Jahren. Aufgrund des Bologna-Prozesses gibt es nun aber sowohl die Bachelor- als auch die Masterabschlüsse.

Die Landesregierung wollte dies in ihrem Gesetzentwurf berücksichtigen und unterschied zwischen Architekten, die weiterhin vier Jahre studiert haben müssen, und Innen- und Landschaftsarchitekten sowie Stadtplanern, bei denen drei Jahre Studium ausreichen sollten, wie es übrigens auch in elf anderen Bundesländern möglich ist. Dagegen sprach sich vehement die Architektenkammer aus und forderte die Beibehaltung der vorgeschriebenen vier Jahre Mindeststudiendauer. Ihre Begründung: In sechs Semestern lerne man nicht die notwendigen Inhalte, um als Architekt eigenverantwortlich arbeiten zu können.

Die Landesregierung selbst wies schon in ihrem Entwurf darauf hin, dass in neun anderen Bundesländern bereits Regelungen mit dreijähriger Studiendauer für Innen- und Landschaftsarchitekten existierten. Trotzdem stimmte der Ausschuss für eine vierjährige Mindeststudienzeit in allen Fachrichtungen, obwohl der GBD darauf hinwies, dass die Umgehung der Regelung ganz leicht sei. Wenn zum Beispiel ein junger Absolvent der Fachhochschule Dessau seinen Bachelorabschluss gemacht hat, dann kann er sich in Sachsen-Anhalt nicht Architekt nennen. Dann ist er eben nur - in Anführungsstrichen - Bachelor. Zieht dieser junge Absolvent nach Helmstedt, kann er sich sofort in Niedersachsen bei der Architektenkammer eintragen lassen und als Architekt in Magdeburg arbeiten.

Das Ganze hat noch weitere Konsequenzen: Unser junger Absolvent, der jetzt in Helmstedt, Niedersachsen, wohnt, ist nach § 64 der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt bauvorlageberechtigt. Bleibt unser Absolvent allerdings in Sachsen-Anhalt - er wohnt vielleicht weiter

in der Bauhausstadt Dessau -, darf er sich weder Architekt nennen, noch bekommt er die Bauvorlageberechtigung. - Auch so kann man kluge Leute aus dem Land treiben, wenn man den Wettbewerb fürchtet.

In Baden-Württemberg gibt es keine vorgeschriebene Mindeststudiendauer; dort wird allein auf den erfolgreichen Abschluss einer deutschen Hochschule abgestellt.

Mit unserem Änderungsantrag zielen wir in die Richtung einer Regelung ohne Mindeststudienzeiten, um den hochschulpolitischen Realitäten Rechnung zu tragen und um die Diskriminierung von Absolventen zu unterbinden, die - in Anführungsstrichen - nur drei Jahre studiert haben.

Den gleichen Änderungsantrag haben wir schon in der Ausschusssitzung gestellt. Dort wurde er allerdings abgelehnt. Trotzdem stellen wir ihn im Plenum noch einmal, da wir die vorgesehenen Regelungen für grundfalsch halten. Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass sie praktisch keine Veränderung gegenüber der bestehenden Regelung darstellen und ins Leere laufen werden, da sich die Architekten dann eher in benachbarten Bundesländern niederlassen werden. Zum Beispiel gibt es die Vier-Drei-Regelung neben Niedersachsen auch in Brandenburg und in Berlin.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte Sie, einen konkreten Schritt gegen die Abwanderung von jungen, gut ausgebildeten Hochschulabsolventen zu wagen und den Änderungsantrag der FDP zu unterstützen. - Danke.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Franke. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Miesterfeldt.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine drei Vorredner haben alles gesagt. Deshalb kann ich mich auf zwei Gedanken konzentrieren. Als der Europapolitiker Tilman Tögel

(Herr Borgwardt, CDU: Oh!)

vorhin die Beschlussempfehlung einbrachte, ging mir durch den Kopf, dass auch diese beiden Gesetzgebungsvorhaben, vor denen wir jetzt stehen, einen europapolitischen Aspekt haben, und zwar keinen unwesentlichen. Gerade hier in der Stadt Magdeburg sollte man einmal betonen, dass in dieser Stadt, ja selbst in diesem Haus, in dem wir uns zumindest zum Teil befinden, Architekten gewohnt und Ingenieure gearbeitet und gelebt haben, die einen Großteil ihrer Kraft darauf verwendet haben, sich vor europäischen Feinden zu schützen, indem sie entweder große Festungen bauten - Magdeburg hatte die größte preußische Festung - oder indem sie große Kanonen bauten - in Magdeburg wurde die größte Kanone zumindest zu Zeiten des Ersten Weltkrieges gebaut

(Herr Borgwardt, CDU: Die dicke Berta!)

- richtig, die dicke Berta -, um damit in anderen Ländern in Europa Krieg zu führen.

Deshalb wurde mir bewusst, welchen Sprung wir in den vergangenen 70, 80 Jahren gemacht haben. Europa wächst auch für Ingenieure und Architekten zusammen,

und ich glaube, zum Nutzen der Menschen, die hier leben.

Ich will kurz auf die Frage eingehen, die der Kollege Franke jetzt noch einmal angesprochen hat. Das alles kann man so sehen, wie er es ausgeführt hat. Wir haben uns sowohl als SPD-Fraktion als auch als Koalitionsfraktionen mehrheitlich der Sicht der Architektenkammer angeschlossen, die die dreijährige Ausbildung für nicht angemessen hält, sondern von der geübten Praxis ausgehen will, dass ein angehender Architekt nach acht Semestern Studium zu seinem Berufsabschluss kommt, auch angesichts dessen, dass man heute bei einer Reihe von Facharbeiterausbildungen drei Jahre lernen muss.

Ich sage deshalb: Wer dem Gesetzentwurf und unserem mehrheitlich im Ausschuss beschlossenen Vorschlag zustimmt, der tut das für eine gute Ausbildung, und gute Ausbildung hat manchmal auch etwas mit Zeit zu tun. Wir sollten nicht zu sehr dem Mythos auf den Leim gehen, der zurzeit manchmal durch das Land streicht, man möge möglichst kurz zur Schule und zum Studium gehen, das wäre das Beste. Ich glaube das persönlich nicht.

Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung. Wir werden dem Änderungsantrag der FDP-Fraktion nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Abgeordneter Miesterfeldt. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Dr. Thiel.

Zuvor können wir bei uns aber eine Studentinnengruppe der Fachhochschule Anhalt Bernburg begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte sehr, Herr Thiel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Miesterfeldt, Ihre wohlfeilen Worte habe ich gehört und zur Kenntnis genommen, aber sie ändern nichts daran, dass dieser Gesetzentwurf, so wie er hier vorliegt, schlecht gemacht ist. Ich will noch einmal begründen, warum das so ist.

Vielleicht kann sich der eine oder andere noch an die erste Debatte über dieses Thema hier im Landtag erinnern, in der wir als LINKE gesagt haben, es wäre sinnvoll, wenn sich der Europaausschuss und der Bildungsausschuss mit diesen Themen befassen würden. Sie waren der Meinung, das müsse alles nicht sein, und haben das abgelehnt.

Die ganze Beratung im Wirtschaftsausschuss, die Anhörung, hat aber deutlich gezeigt, dass es durchaus sinnvoll gewesen wäre, und zwar aus zwei Gründen - ich betone das noch einmal -: Das Erste ist, dass der Europaausschuss einmal zur Kenntnis nimmt, wie europarechtliche Regelungen in Sachsen-Anhalt umgesetzt werden. Das Zweite ist, dass sich der Bildungsausschuss auch einmal fragt, wie der Bologna-Prozess ganz konkret in Sachsen-Anhalt gestaltet wird. Dann wäre nicht so ein

Murks herausgekommen, wie er momentan auf dem Tisch liegt.