Protocol of the Session on December 11, 2008

Meine Damen und Herren! Ich möchte nochmals betonen, dass ich die Ausweitung der Schulbedarfspakete auf Schülerinnen und Schüler über das 10. Schuljahr hinaus für sinnvoll und hilfreich halte. Aus diesem Grund bitte ich Sie, dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD zuzustimmen. Dieser entspricht den momentanen Gegebenheiten und dem aktuellen Verfahrensstand besser. Darum bitte ich um Zustimmung zu dem Änderungsantrag. - Danke.

Vielen Dank, Herr Rotter. Frau Dr. Hüskens möchte eine Frage stellen. - Bitte schön.

Herr Rotter, Sie haben so stark in die andere Richtung gesprochen, dass man hier nicht verstanden hat, was Sie gesagt haben.

Das tut mir leid.

(Herr Höhn, DIE LINKE: Wir haben es auch nicht verstanden!)

Können Sie mir kurz erläutern, was der materielle Unterschied zwischen Ihrem Änderungsantrag und dem Antrag der LINKEN ist?

(Beifall bei der LINKEN - Herr Gallert, DIE LINKE: Er ist von Ihnen!)

Materiell gibt es sicherlich keinen Unterschied, allerdings entspricht er im Moment dem Verfahrensstand.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: An welcher Stelle?)

Ich möchte - das ist mir ganz wichtig - in Bezug auf die Entschließung des Bundesrates betonen, dass dort auch Bezieher von kleinen Einkommen in das Prozedere einbezogen werden. Das ist genau die Klientel, die wir nicht vergessen dürfen; denn kleine Einkommen, die sich nur ganz knapp über dem Regelsatz bewegen, sind von dieser Situation genauso betroffen und auch diesen Kindern müssen wir die Möglichkeit geben, durch diese Schulbedarfspakete eine Erleichterung zu erfahren.

Ich möchte nochmals betonen, dass ich das nicht für einen Hinderungsgrund bzw. nicht für einen schwerwiegenden Hinderungsgrund halte.

Bitte, noch eine Frage.

Ich habe ein technisches Problem. Wo finde ich das, was Sie hier haben wollen? - In dem Änderungsantrag steht einfach nur: gemäß dem Entschließungsantrag des Bundesrates darauf hinzuweisen, dass eine Ausweitung stattfindet. In Klammern steht dahinter: jährliche Leistung von 100 € im Rahmen des SGB II und des SGB XII.

Es ist das Gleiche, was die LINKEN auch beantragen. Ich sehe, ganz ehrlich gesagt, keine materiellen Unterschiede. Wenn Sie das, was Sie gesagt haben, wollen, dann sollten Sie das dem Antrag hinzufügen. Denn dann hätten Sie eine Erweiterung auf einen Personenkreis, der im Augenblick nicht in diesem Regelungskreis enthalten ist.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Hierin wird noch ge- beten!)

Im Entschließungsantrag des Bundesrates ist es gefordert. Ich denke, unser Antrag ist zielführender.

(Oh! und Lachen bei der LINKEN)

Deshalb bitte ich darum, diesem Antrag zuzustimmen.

Vielen Dank, Herr Rotter. - Nun bitte Frau Dr. Hüskens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass materiell kein Unterschied besteht, aber wenn es Ihnen besser geht, wenn der Antrag mit einer anderen Überschrift versehen und ein bisschen umformuliert wurde, dann in drei Gottes Namen.

Ich glaube, ich kann es ganz schnell machen; denn die Diskussion zeigt, dass alle Fraktionen der Auffassung zu sein scheinen, dass man dem Antrag materiell in der einen oder anderen Form zustimmen wird.

Deshalb von mir nur einen Hinweis, der mich im Rahmen der Beratung ein bisschen irritiert hat. Das Ganze ist im Bundestag besprochen worden. Meine eigene Fraktion hat damals beantragt, dass man diese Leistung auf Schüler jenseits der 10. Klasse erweitern solle - nicht weil wir der Auffassung waren, der Bundeshaushalt solle noch mehr Geld zur Verfügung stellen, sondern weil wir der Auffassung waren, dass eine Leistungsausweitung, wenn sie denn stattfindet, dann bitte für alle geschehen soll und nicht an dem einen Punkt stehen bleiben soll.

Interessant habe ich dann gefunden, dass die gleichen Fraktionen, die das im Bundestag abgelehnt haben - dort haben die CDU und SPD, soweit ich weiß, die Mehrheit -, im Bundesrat auf einmal über die Länder den Antrag gestellt haben, dass man genau dies jetzt mit aufnehmen solle. Ich weiß nicht genau, wie die Abstimmungen untereinander stattgefunden haben - offensichtlich gab es sie nicht wirklich.

(Zuruf von Herrn Wolpert, FDP)

Man kann sich meiner Meinung nach streiten, ob man das Material insgesamt haben möchte, also ob man der Auffassung ist, dass 100 € zum Schuljahresbeginn tatsächlich die Probleme lösen, die wir hierbei haben. Ich kann mir zumindest vorstellen, dass man ähnlich wie in anderen Bereichen auch in dem einen oder anderen Fall zum Sachleistungsprinzip übergehen müsste, um sicherzustellen, dass die Eltern sich nicht die Winterreifen davon kaufen, sondern es tatsächlich für Schulmaterialien einsetzen.

Aber wenn man es tut, dann sollte man es tatsächlich für alle Schüler machen. Ich glaube, eine ähnliche Diskussion haben wir im Augenblick beim Thema Schülerbeförderung, bei der wir uns insgesamt dieser Auffassung angeschlossen haben, auch wenn wir nach wie vor nicht genau wissen, wie wir es finanzieren wollen.

Deshalb werden wir dem Antrag zustimmen. Wir überlegen uns bis zum Ende der Diskussion noch, in welcher Fassung. Aber auf jeden Fall werden wir das Ganze materiell unterstützen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Nun noch einmal Frau Fiedler, wenn sie es denn wünscht. Bitte schön.

Herr Präsident! Eigentlich wollte ich darauf verzichten, weil ich wusste, dass Sie dem einen oder anderen Antrag zustimmen würden. Aber, Herr Rotter, das mit den 100 € ist so wie mit der Stubenfliege Emma: Im Zimmer ist sie ganz angenehm, aber in der Suppe ist sie zu viel.

(Beifall bei der LINKEN und bei der FDP - Heiter- keit im ganzen Hause)

Das sind die vielen Stellen, an denen 100 € in den Familien fehlen, die auf Hartz IV oder auf Sozialhilfe angewiesen sind. Es sind die vielen Stellen, an denen es fehlt.

Ich sprach von einem Detail in dem weiten Bereich der Chancenungerechtigkeit, aber die 100 € sind eben tatsächlich für Hartz-IV-Familien oder Sozialhilfefamilien sehr, sehr viel Geld.

Dann würde ich ganz gern das, was ich vorhin weggelassen habe, doch noch sagen. Im Armuts- und Reichtumsbericht des Bundes und auch des Landes wird gesagt, dass die Armutsrisikoquote in Sachsen-Anhalt bei 30 % liege. Jeder Dritte ist von Armut betroffen. Das betrifft auch Armut, die schließlich irgendwo in der Bildung wirksam wird bzw. im Umkehrschluss als Bildungsarmut zu reeller Armut führt.

Ich würde Ihnen dringend raten: Schauen Sie sich doch bitte die Studie von „World Vision“ von 2007 an. Das ist ein christliches, überkonfessionelles Hilfswerk, also beileibe nicht in dem Verdacht, übermäßig mit der LINKEN befreundet zu sein. Die zeigen die Wahrnehmung von Kindern über ihre subjektiv empfundenen Bildungskarrieren.

Dort zeigt sich, dass lediglich ein Anteil von 21 % der Kinder aus der untersten Bildungsschicht das Abitur als mögliches Bildungsziel angeben - 21 % -; dem steht ein Anteil von 82 % aus der obersten Bildungsschicht gegenüber.

Das kann man objektiv mit statistisch ermittelten Zahlen untersetzen: Von 100 Familien aus der obersten Bildungsschicht, die nun bestimmt gut verdienen, gelangen 83 Kinder bis zum Abitur. Aus 100 Familien aus der untersten Bildungsschicht gelangen nur 23 Kinder bis zum Abitur - ganz zu schweigen davon, dass die Bildungsungerechtigkeit ja nicht erst beim Abitur anfängt.

In den letzten Tagen ist der Iglu-Ländervergleich durch die Presse gegangen. Dabei kam Folgendes zutage. - Habe ich noch ein paar Minuten? - Ja.

In der internationalen Auswertung, die vor etwa einem Jahr erschienen ist, kamen die Autoren der Studie zu folgender Erkenntnis - ich möchte gern zitieren, Herr Präsident -:

Es bedarf dieses Antrages nicht.

„Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern erhalten von ihren Lehrern und Eltern erst bei deutlich höheren Leistungswerten eine Gymnasialpräferenz als Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern.

Dieser Befund ist im Jahr 2006 noch deutlicher als im Jahr 2001.“

Das heißt im Klartext: Im Bereich Lesekompetenz konnten die Kinder bei Iglu - - Das ist eine internationale Grundschul-Leseuntersuchung für die Klasse 4, also für Zehnjährige,

(Frau Weiß, CDU: Das wissen wir!)

bei der man - wie Sie dann sicherlich auch wissen, Frau Weiß - insgesamt 700 Punkte erreichen kann - -

Die Kinder der unteren Bildungsschicht müssen 614 Punkte erreichen für eine Empfehlung für eine gymnasiale Schullaufbahn, während die Kinder aus der oberen Bildungsschicht dafür nur 537 Punkte brauchen. Das heißt also, Kinder aus unteren Bildungsschichten traut man - bei gleicher Intelligenz wohlgemerkt - weniger zu, dass sie das Abitur erreichen, als den Kindern, die aus den anderen Elternhäusern kommen.

Lehrer, mit denen ich rede, weisen das entweder weit von sich und sagen, es sei überhaupt nicht wahr und überhaupt nicht möglich, oder sie sagen: Ja, wir machen das zum Schutz der Kinder, weil wir wissen, dass die es am Gymnasium schwerer haben; wir müssen sie davor schützen, dass sie dort überfordert werden.

Aber diese Zahlen - das will ich Ihnen noch als Letztes sagen - haben offensichtlich die Kultusminister derart erschreckt, dass sie bei dem Ländervergleich auf diese Vergleichsebene gleich einmal verzichtet haben. Das ist jetzt bei der Ländervergleichsebene nicht genannt worden. Das wird später irgendwann einmal so nebenbei veröffentlicht. Ich bin sehr gespannt darauf. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN - Frau Weiß, CDU: Das stimmt aber nicht!)

Vielen Dank, Frau Fiedler. Herr Miesterfeldt wollte noch eine Frage stellen. - Ist das erledigt?

(Herr Miesterfeldt, SPD: Eigentlich nicht!)