Protocol of the Session on November 14, 2008

Seit dem Jahr 2001 sollte eigentlich der morbiditätsabhängige Risikostrukturausgleich zusätzlich eingeführt werden; das war bisher nicht möglich, es ist aber jetzt über die Umstrukturierung und die Neuorganisation in der Finanzierung möglich und wird auch geschehen.

Für die ostdeutschen Länder, insbesondere auch für die AOK-Versicherten und die Krankenkassen, die mehr risikobelastete Versicherte versichern, wird es einen stärkeren Zustrom an Finanzmitteln geben, sodass auch die Versorgung besser werden wird. Wir erwarten, dass die AOK in Sachsen-Anhalt mehr Zuweisungen erhalten wird, als sie nach dem bisherigen System erhalten würde. Insofern wird es unserer Krankenkasse besser gehen als bisher.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Frau Ministerin. - Das Fragerecht geht jetzt auf die SPD über. Stellen Sie bitte Ihre Frage.

Frau Ministerin, mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist auch eine Honorarreform verbunden und beschlossen worden. Insbesondere bei den Vertragsärzten hat es eine Umstellung der Vergütungssystematik gegeben. Wie sehen Sie die Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung durch diese, wie wir meinen, verbesserte Honorarordnung?

Es ist im Wettbewerbsstärkungsgesetz vorgesehen, dass die Vergütung im vertragsärztlichen Bereich von einem Punktesystem auf ein Eurosystem umgestellt wird. Ich halte das für eine richtige Folge. Es ist nicht ganz mit dem stationären Bereich und dem DRGVergütungssystem vergleichbar, aber es wird für den ambulanten Bereich ein Vergütungssystem in Euro und Cent geben.

Die floatierenden Punktwerte, bei denen niedergelassene Ärztinnen und Ärzte häufig erst drei bis sechs Monate nach dem Erbringen einer Leistung wussten, was ihre Leistung eigentlich wert war, werden überholt sein. Es wird ein neues System eingeführt, bei dem eine bestimmte Leistung einen bestimmten Preis hat. Das bringt für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte viel mehr Verlässlichkeit. Ich glaube, dass das zu mehr Stabilität in diesem Bereich beitragen wird.

Ein zweiter Punkt, der im Wettbewerbsstärkungsgesetz verankert worden ist, betrifft die Regelung, dass das Morbiditätsrisiko, also das Risiko, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte schwerkranke Versicherte auf Dauer behandeln müssen oder beispielsweise ganz viele Grippekranke auf einen Schlag behandeln müssen, nicht mehr bei der ärztlichen Seite liegt. Das Morbiditätsrisiko wird auf die Krankenkassen verlagert, sodass immer dann, wenn mehr Leistungen anfallen, die Krankenkassen die zusätzlichen Leistungen auch finanzieren müssen. Damit wird die ärztliche Seite von einem Risiko befreit, welches sie bisher zu tragen hatte. Ich glaube, auch das wird enorm zu einer Entspannung im Bereich der niedergelassenen Ärzte beitragen. Ich halte das für einen wirklich richtigen Schritt.

Ich hatte bereits erwähnt, dass zusätzliche Mittel in Höhe 2,7 Milliarden € in den vertragsärztlichen Bereich fließen werden. Das basiert auf einer Art Tarifverhandlung zwischen der Bundesärztekammer und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Das bedeutet, dass es für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Sachsen-Anhalt im kommenden Jahr eine Honorarsteigerung um 17 % geben wird. Das ist ein enormer Zuwachs. Das bedeutet aber auch, dass die Einkommen unserer niedergelassenen Ärzte jetzt fast an das Westniveau heranreichen.

Eine der größten Schwierigkeiten, die wir beim Gewinnen von neuen Ärzten für die Niederlassung in SachsenAnhalt oder überhaupt in den ostdeutschen Bundesländern hatten, wird damit ausgehebelt. Das Einkommensniveau unserer niedergelassenen Ärzte wird dann bei etwa 95 % des Einkommensniveaus der westdeutschen Ärzte liegen.

Da sie noch mehr leisten, also mehr Versicherte versorgen, wird ihr Budget möglicherweise die 100 % des Einkommensbudgets der westdeutschen Ärzte übersteigen, sodass es aus finanziellen Gründen heraus eigentlich

kein Argument mehr geben dürfte, das dagegen spricht, dass sich ein junger Arzt oder eine junge Ärztin in Sachsen-Anhalt niederlässt. Dieses Argument ist durch diese neue Finanzierungsregelung weg.

Ich glaube, dass wir damit auch für die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung mit Blick auf die Gleichheit bei der Versorgung in Ost und West einen entscheidenden Schritt nach vorn gegangen sind.

Aber - das sage ich auch ganz deutlich - diese zusätzlichen 2,7 Milliarden € - für Sachsen-Anhalt sind es etwa 122 Millionen € - kosten eben auch Beitragssatzpunkte. Dieses Geld muss finanziert werden und das muss im Wesentlichen von den Versicherten aufgebracht werden. Wir tragen mit unseren Beiträgen dazu bei, dass die Ärzte mehr Einkommen haben werden.

Danke, Frau Ministerin. - Gibt es von der SPD noch eine Nachfrage? - Bitte sehr.

Frau Ministerin, Sie haben bereits mehrfach den MorbiRSA - wir arbeiten sehr viel mit Abkürzungen - erwähnt. Viele sehen ihn auch sehr kritisch, weil sie die Befürchtung haben, dass viele der üblichen Volkskrankheiten aus dem Leistungskatalog herausfallen und damit nicht mehr vergütet werden. Wie sehen Sie die weitere Entwicklung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs? Sehen Sie eine Weiterentwicklung? Teilen Sie meine Kritik? Wie sehen Sie das in Zukunft für SachsenAnhalt?

Dieser morbiditätsadjustierte Risikostrukturausgleich - so lautet die offizielle Formulierung - ist nach meiner Einschätzung ein wirklich notwendiges zusätzliches Element in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Wir haben bisher das System gehabt, dass es einen Risikostrukturausgleich gegeben hat, der aber die Krankheitslast einer Krankenkasse nicht berücksichtigt hat. Diesbezüglich waren gerade die großen Kassen in Ostdeutschland benachteiligt, weil der Anteil der Schwer- und auch der chronisch Kranken in Ostdeutschland höher ist als in anderen Regionen Deutschlands. Insofern haben unsere Krankenkassen immer weniger Geld zur Verfügung gehabt, als es für die Versorgung ihrer Versichertenklientel notwendig gewesen wäre.

Es ist überlegt worden, wie man den Morbi-RSA, also die Krankheitslast, tatsächlich beschreiben kann und dann in entsprechenden Zuwendungen für eine Krankenkasse geltend machen kann. Das ist ein ganz schwieriges Geschäft gewesen. Es hat nicht umsonst eines Zeitraums von 2001 bis jetzt bedurft, um ein solches System zu entwickeln.

In den letzten Jahren ist wirklich Schwung in die Sache gekommen. Ein wissenschaftlicher Beirat hat 80 Krankheiten beschrieben - entweder chronische oder schwerwiegende Erkrankungen, die in der Behandlung, vor allem in der Folgebehandlung teuer sind -, die eine Krankenkasse, wenn sie solche Versicherten hat, besonders belasten. Diese Festlegung der 80 Krankheiten ist nicht unumstritten. Das ist allerdings das, was der Beirat vor

geschlagen hat. Ich denke, wir müssen erst einmal davon ausgehen.

Ich glaube, dieses System muss immer weiterentwickelt werden. Zum Beispiel war die Frage, ob der Diabetes Mellitus darin enthalten sein muss. Die eine Seite sagt, es seien viel zu viele Krankheiten, beispielsweise auch Volkskrankheiten, die dort gar nicht hineingehören, enthalten. Die andere Seite sagt, es seien zu wenige Krankheiten enthalten; es dürften nicht nur 80 Krankheiten sein, sondern es müssten 120 sein. Wiederum andere haben gesagt, 30 Krankheiten würden auch ausreichen.

Insofern, denke ich, sind die 80 Krankheiten, die jetzt beschrieben worden sind, ein Einstieg in den Morbi-RSA. Es ist nunmehr ein fein gegliedertes System für die Risikobeschreibung entwickelt worden.

Nach Alter und Geschlecht werden jetzt 40 Gruppen gebildet, die die Bevölkerung, also die Versichertenstruktur, abbilden. Bezüglich der Erwerbsminderung sind sechs Gruppen gebildet worden. Aus diesen 80 Erkrankungen, die in den Morbi-RSA mit einfließen, sind 106 Risikogruppen gebildet worden, mit Risikohierarchien usw. Es ist ein ziemlich kompliziertes System. Insgesamt gibt es 152 so genannte Risikobewertungsgruppen.

Das Bundesversicherungsamt ist jetzt dabei, nach der Festlegung des Versicherungsbeitrages von 15,5 % herunterzurechnen, um zu wissen: Wie sieht die Grundpauschale aus und wie sehen die Zusatzpauschalen entsprechend diesen 152 Risikobewertungsgruppen aus? - Das Bundesversicherungsamt rechnet derzeit und wird bis morgen, bis zum 15. November das Ergebnis vorlegen. Dann werden diese Ergebnisse auf die einzelnen Krankenversicherungen heruntergebrochen. Dann wird jede Krankenkasse wissen, welche Mittel sie entsprechend ihrer Versichertenstruktur aus dem Gesundheitsfonds zu erwarten hat.

Insofern betone ich noch einmal: Der Risikostrukturausgleich mit der Berücksichtigung der Krankenlast für eine Krankenkasse ist ein echter Fortschritt. Für SachsenAnhalt wird sich die finanzielle Zuwendung gerade wegen der hohen Betroffenheit bei verschiedenen dieser Krankheiten, die in den 80 Diagnosen stecken, wirklich ausweiten und der Versichertenstruktur besser gerecht werden.

Das bedeutet nicht, dass wir das System nicht noch weiterentwickeln müssen, aber es ist ein richtiger und guter Einstieg in dieses System.

Danke schön, Frau Ministerin. - Bevor das Fragerecht auf die Fraktion DIE LINKE übergeht, habe ich die Freude, Damen und Herren als Gäste des Hörfunks des Mitteldeutschen Rundfunks auf der Nordtribüne begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte sehr.

Frau Ministerin, die Gesundheitspolitiker der Koalition im Bund versprechen sich wahre Wunder vom Gesundheitsfonds für die Lösung der finanziellen Probleme in der GKV. Doch der Gesundheitsfonds trägt meiner Meinung nach so, wie er angelegt ist, in keiner Weise zur

Lösung der Finanzierungsprobleme in der GKV bei. Er belastet vor allen Dingen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Renterinnen und Rentner und Geringverdiener und er beseitigt nicht die Ungerechtigkeiten im Finanzierungssystem der GKV.

Die paritätische Finanzierung in der GKV ist schon lange außer Kraft gesetzt worden. Mit diesem Gesetz wird sie aber vollends ausgehebelt.

Ich frage Sie, Frau Ministerin: Welche Chancen sehen Sie, das Solidaritätsprinzip in der GKV wieder zu stärken und eventuell doch einen Weg zur Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung, die alle Bürgerinnen und Bürger und alle Einkommen in die GKV-Finanzierung einbezieht, zu finden?

Sehr geehrte Frau Penndorf, dass Mitglieder der Koalitionsfraktionen auf Bundesebene Wunder vom Gesundheitsfonds erwarten, habe ich noch nicht gehört. Er ist auch kein Wunderwerkzeug, überhaupt nicht. Er ist ein Instrument für die Organisation der Finanzierung; er regelt keine neue Finanzierung.

Es gibt noch keine abschließend gute Finanzreform in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die ist nicht zustande gekommen. Aber das, was jetzt geregelt worden ist, bewahrt die solidarische Krankenversicherung. Dieser Meinung bin ich.

Die Parität stimmt nicht mehr, damit haben Sie absolut Recht. Die Versicherten müssen für 0,9 Prozentpunkte mehr an Beitrag bezahlen. Das ist aber nicht verändert worden. Es ist schon seit einigen Jahren so und das ist beibehalten worden.

Es war zwischenzeitlich einmal davon die Rede, dass der Arbeitgeberbeitrag eingefroren werden soll und an Beitragssatzveränderungen nicht mehr mit angekoppelt werden soll. Das ist nicht passiert, sondern Arbeitnehmer und Arbeitgeber sitzen nach wie vor im selben Boot, bis auf den Unterschied von 0,9 Prozentpunkten des Beitragssatzes. Das ist nicht verändert worden. Das ist keine Veränderung, die der derzeitigen Reform angelastet werden kann.

Sie haben Recht: Man kann die Solidarität sicherlich auf verschiedenen Wegen stärken. Wir werden sicher in der Folgezeit über die Neuordnung der finanziellen Grundlagen der solidarischen Krankenversicherung weiter diskutieren müssen. Dazu stehen nach wie vor die verschiedenen Modelle im Raum. Die CDU wird mit Sicherheit das Modell der Gesundheitsprämie weiter favorisieren. Die SPD wird dabei bleiben, die Bürgerversicherung nach vorn zu tragen. Es wird eine Auseinandersetzung in den nächsten Jahren darüber geben, welcher der bessere Weg ist. Die FDP wird wahrscheinlich dafür plädieren, dass sofort die Umstellung vom umlagefinanzierten System auf die Kapitaldeckung passiert. Zumindest steht das im Parteiprogramm der FDP drin.

Nun wissen wir, dass es überall Risiken gibt. Es wird oft davon geredet, dass bei der Umlagefinanzierung das Risiko besteht, dass über die nationale Abhängigkeit vom Arbeitsmarkt, von der Wirtschaftspolitik und von der Festsetzung der Gesetze im nationalen Rahmen gewisse Unwägbarkeiten in der Steuerung vorhanden sind. Aber bei der Kapitaldeckung, bei allen Kapitaldeckungsverfahren ist die Abhängigkeit vom globalen Kapital

markt natürlich enorm. Darin sehe ich die derzeit noch viel größere Gefahr. Deswegen muss man diese Dinge genau abwägen.

Die Einnahmebasis in der gesetzlichen Krankenversicherung zu verbreitern, was mein Ansatz ist, ist ein Element, das über die Bürgerversicherung noch besser zu regeln wäre als über die Gesundheitsprämie. Aber das wird die Auseinandersetzung zwischen den Parteien ausmachen, welches System für die Zukunft das Bessere sein wird.

(Zustimmung bei der SPD)

Gibt es noch eine Nachfrage? - Bitte sehr, Frau Penndorf.

Frau Ministerin, der Staat setzt die Rahmenbedingungen für das Handeln der Kassen und der Leistungserbringer fest, sodass durch die Intensivierung der staatlichen Regulierung der Wettbewerb innerhalb der GKV erweitert werden soll. Die Möglichkeiten des Abschlusses von Einzelverträgen, von Wahltarifen mit den Leistungserbringern sind solche Angebote.

Frau Ministerin, welche Zukunft sehen Sie in diesem Zusammenhang für die bisher immer so hochgehaltene Selbstverwaltung der GKV, weil die ja eingeschränkt ist durch die Festsetzung des Beitragssatzes?

Ich sehe den Einfluss der Selbstverwaltung ganz ähnlich wie bei den anderen Zweigen der Sozialversicherung, der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Pflegeversicherung. Auch dort gibt es die einheitlichen Beitragssätze, die es jetzt ab dem 1. Januar auch in der Krankenversicherung geben wird. Die Selbstverwaltungen entscheiden allemal über das Geschäftsgebaren der Versicherung.

Das wird bei den einzelnen Krankenversicherungen auch nach wie vor der Fall sein. Dabei geht es dann nicht mehr um die Festsetzung des Beitragssatzes, sondern um die Leistungen, vor allem auch um die Serviceleistungen, die den einzelnen Versicherten in einer Krankenkasse geboten werden. Dabei gibt es weite Spielräume, was an Dienstleistungen, was an präventiven Leistungen, was an Informationsangeboten vonseiten einer Krankenkasse den Versicherten offeriert werden kann. Das wird auch der Gegenstand des Wettbewerbes zwischen den Kassen um die Versicherten sein.

Danke sehr. - Jetzt stellt die Fraktion der CDU ihre Fragen. Doch zuvor möchten wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Klötze bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Bitte sehr, Sie haben das Wort.