Vielen Dank, Herr Minister Bullerjahn. - Die Debatte der Fraktionen wird mit dem Beitrag der Fraktion DIE LINKE eröffnet. Es spricht Herr Grünert. Bitte schön, Herr Grünert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts liegt uns heute ein Papier vor, welches neben der Landkreis- und der Gemeindeordnung und dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit weitere, erst vor wenigen Monaten beschlossene Gesetze wiederum einer Änderung unterzieht. Unserer Hoffnung, dass mit den vorgeschlagenen Änderungen auf die tatsächlichen Problemstellungen Bezug genommen wird, wird dieser Entwurf auch unter dem Aspekt der Fortentwicklung nicht gerecht.
Wegen der zur Erörterung dieses Themas nicht genügenden Redezeit werde ich nur wenige Punkte beleuchten.
Zu Artikel 1. Die beabsichtigte Möglichkeit der Umwandlung von Zweckverbänden in Eigenbetriebe, Anstalten des öffentlichen Rechts bzw. Kapitalgesellschaften ist in der Tendenz richtig, nur sollten hierbei die Grundsätze des § 123 der Gemeindeordnung zwingend vorgeschrieben werden.
Die Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Wirtschaftsführung nach dem neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen oder der kaufmännischen Buchführung nach dem Handelsgesetzbuch wird von uns ausdrücklich begrüßt. Dies zeigt ja ein Stück weit die Wirkung unseres Antrags, den wir dem Landtag im Zusammenhang mit dem Hilfeschrei der Wasserverbände vorgelegt haben.
Die Änderungen der Gemeinde- und der Landkreisordnung sind aus unserer Sicht nicht oder nur punktuell sinnvoll. Es ist nicht erklärbar, dass einerseits durch die Bildung von Einheits- bzw. Verbandsgemeinden eine effizientere Verwaltung erzielt und andererseits Außenstellen der Verwaltung in Ortsteilen zugelassen werden sollen. Wenn das die Effizienzrendite sein soll, stellt sich die Frage: Geht es hinsichtlich der Effizienz nur um die Kürzung der Aufwandsentschädigung? - Hierin kann ich keine Verbesserung erkennen.
Auch hält unsere Fraktion die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus in Form der Erhöhung der Mindestmitgliederzahlen von Fraktionen für ein nicht taugliches Mittel, da es sich auch gegen kleine Parteien, Wählergemeinschaften und Zusammenschlüsse richtet. Insofern, Herr Bullerjahn - Sie sind heute in Vertretung des Innenministers hier -, erachten wir es schon als ein grundsätzliches demokratisches Problem, kleine Wählergemeinschaften, die nicht verwaltungshemmend, sondern eher befruchtend wirken, einfach auszuschließen, indem man die Fraktionsstärken hochzieht.
Demokratie- und mitbestimmungsvereinfachende Regelungen fehlen aus unserer Sicht gänzlich. Aus diesem Grund hat die Fraktion DIE LINKE mit ihrem Änderungs
antrag eine ganze Reihe von Vorschlägen unterbreitet, die besonders die Mitgestaltungsrechte der Bürger im Rahmen von Bürgerinitiativen, Bürgerbegehren, Bürgerentscheiden, Unterrichtungen und Fragestunden, wie sie in einigen anderen Bundesländern bereits praktiziert werden, betreffen.
Natürlich - das wird Sie sicherlich nicht wundern - haben wir unsere Forderungen nach einem qualifizierten Ortschaftsverfassungsrecht, einer anzahlmäßigen Stärkung der Verbandsgemeinderäte, aber auch nach einer Stärkung des ehrenamtlichen Teils der Vertretungen in unseren Änderungsantrag einfließen lassen.
Eine Regelung möchte ich herausgreifen: Wir schlagen vor, dass Fraktionen grundsätzlich Anspruch auf eine angemessene sächliche und personelle Ausstattung zur Einrichtung einer Fraktionsgeschäftsstelle haben. Dies ist insofern berechtigt, als Umfang und Inhalt der Entscheidungsfindung sich gegenüber 1993 wesentlich verstärkt haben und das allein im Ehrenamt nicht zu realisieren ist. Hierzu braucht auch der ehrenamtliche Teil professionelle Unterstützung, und das, denke ich, kann man durchaus mit den Fraktionsgeschäftsstellen verbinden.
Auch sollte sachkundigen Einwohnern in beratenden Ausschüssen, wenn die Vertretung es wünscht, Stimmrecht eingeräumt werden. Das ist ein uralter Streit - ich weiß das -, aber ich denke, auch hierdurch könnte man der Sachkunde mehr zum Durchbruch verhelfen.
Zu den Vorstellungen der örtlichen und überörtlichen Prüfung bezogen auf kommunale Beteiligungen usw. befindet sich unsere Fraktion noch im Meinungsbildungsprozess und wird sich erst nach den - hoffentlich stattfindenden - Anhörungen positionieren.
Auf zwei Regelungen möchte ich noch verweisen, und zwar zum Ersten auf die Regelung zur Festsetzung der Haushaltsjahre, in denen Haushaltskonsolidierungskonzepte umgesetzt werden sollen. Mit dieser Stichtagsregelung erfolgt genau das, was wir eigentlich nicht wollen. Wir werden zu einem Stichtag X zur Abrechnung aufgefordert und werden gezwungen, das im Verhältnis 1 : 1 umzusetzen, was in unseren Konzepten steht.
Nehmen wir einmal die Finanzkrise, nehmen wir auch die Veräußerung öffentlichen Vermögens, so stellen wir einen Werteverfall fest, den man, bloß weil es eine Stichtagsregelung gibt, zusätzlich dulden muss. Das funktioniert nicht. Wir machen hier den Bock zum Gärtner.
Zweitens schlagen wir vor, das Kommunalwahlgesetz dahin gehend zu ändern - das ist ein neuer Artikel, der eingeführt werden soll -, dass die Gemeinden, die vorher selbständig waren, im Rahmen der Zusammenführung zu einer Einheitsgemeinde als Wahlbereich gerechnet werden, damit die Bevölkerung, die in diesen Gemeinden wohnt, die Möglichkeit hat, aktiv in diesen Wahlprozess zu gehen. Ich denke, das ist eine sinnvolle Regelung. Man kann es auf fünf Jahre befristen, bis die Gemeindegebietsänderung abgeschlossen ist. Ich denke, wir sollten so viel Vertrauen haben und dies auch umsetzen.
Namens meiner Fraktion beantrage ich abschließend die Überweisung des Gesetzentwurfs und unseres Änderungsantrags zur federführenden Beratung an den In
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Seite 43 der Begründung können Sie als ersten Satz lesen:
„Die Idee der kommunalen Selbstverwaltung ist viel zu sehr durch die bürgerschaftliche Mitwirkung geprägt, als dass der Gesetzgeber die Erfordernisse der Praxis und die Entwicklung im kommunalen Bereich ignorieren dürfte.“
Das sollten wir uns öfter sagen, wenn wir uns über innenpolitische und kommunalpolitische Themen unterhalten; denn dann würden wir vielleicht eine noch bessere Kommunalpolitik in diesem Lande machen als bisher.
Das Gesetz ist sehr umfangreich. Ich möchte nur auf acht Punkte kurz eingehen, weil die Beratungen im Einzelnen in den Sitzungen des Innenausschusses stattfinden werden.
Als Erstes möchte ich Ihnen sagen: Artikel 10 ist meiner Meinung nach das Beste, was uns passieren kann. Unter Innenminister Püchel und zuletzt unter Klaus Jeziorsky wurden schon einmal Gesamtversionen der Gemeindeordnung veröffentlicht. Das ist schon wieder fünf Jahre her. Die Verantwortlichen vor Ort brauchen unbedingt eine Vollversion, um ordentlich arbeiten zu können; darum ist dieser Artikel wirklich gut.
Bei Artikel 1, § 13 GKG betreffend, - dazu hat Herr Grünert schon etwas gesagt - gibt es das Problem mit den Umlagen. Ich weiß, dass es in der Vergangenheit bei den Zweckverbänden reihenweise Umlagen - konsumtive, investive etc. - gegeben hat. Jetzt wird von besonderen Umlagen gesprochen. Ich habe keine Begründung gefunden, was besondere Umlagen sein sollen.
Es soll dann nach Umlagen differenziert werden, die nur für einzelne Gemeinden für Aufgaben, die nur für diese erfüllt werden, im Zweckverband möglich sein sollen. Hier besteht noch Klärungsbedarf; denn Sie wissen selbst, dass die kommunalen Haushalte insbesondere im konsumtiven Bereich meist nur noch aus Umlagen bestehen. Wenn noch mehr Umlagen hinzukommen, „konsolidieren“ wir unsere Gemeinden noch weiter ins Minus.
Ausdrücklich begrüßt unsere Fraktion § 16 GKG. Die Wahlmöglichkeit geht ja auf den Wasserverbandstag 2007 zurück, als die Forderung in Magdeburg massiv erhoben worden ist. Der Innenminister hat schon zum damaligen Zeitpunkt gesagt, dass er der Forderung gern nachkommen wolle. Die fachlichen Begründungen für diese Wahlmöglichkeit sind auch gegeben, sodass wird das als CDU-Fraktion insbesondere begrüßen.
Zu § 7 der Gemeindeordnung. Mit der im Gesetz enthaltenen Formulierung habe ich ganz große Probleme, und
zwar soll in der Hauptsatzung der Sitz der Gemeindeverwaltung bestimmt werden und dann sollen in den Ortschaften auch noch Außenstellen eingerichtet werden. Klipp und klar sei gesagt: Außenstellen verselbständigen sich und tragen nicht zur effektiven Arbeit einer Gemeindeverwaltung bei.
Ich muss Ihnen sagen: Auch die Formulierung, dass in der Hauptsatzung der Sitz der Gemeindeverwaltung neu zu bestimmen ist, ist gefährlich - wenn dies denn so im Gesetz stehen bleibt. Wir brauchen unbedingt eine Nachregelung, weil wir ansonsten die Wunden aufreißen, die wir von 2005 bis 2008 geschlossen haben, welche mit der Verwaltungsstrukturreform unter Klaus Jeziorsky aufgerissen worden waren. Wir würden damit also neue Wunden schlagen; ich garantiere Ihnen, dass das eindeutig so ist.
Dann habe ich als nächstes das Paket § 67 der Landkreisordnung, § 92 der Gemeindeordnung und § 102 der Gemeindeordnung, das sind die Kreisumlage, das Konsolidierungskonzept und die Kassenkredite. Darin kann ich Herrn Grünert nur beipflichten: Wir müssen uns über die Haushaltskonsolidierung unterhalten. Ich rege aber schon an, zu der Anhörung Leute aus Rheinland-Pfalz einzuladen. Meines Wissens gibt es dort Haushaltskonsolidierung ohne Haushaltskonsolidierungskonzepte, und da funktioniert es hervorragend. Vielleicht können wir uns da etwas abgucken.
Die Haushaltskonsolidierungskonzepte statisch für vier Jahre festzuschreiben widerspricht den ersten Sätzen der Begründung, muss man auch dazu sagen. Wenn wir also nicht statisch, sondern dynamisch handeln und der Entwicklung nicht hinterherlaufen, sondern ihr vorangehen wollen, müssen wir uns hierüber noch einmal gründlich Gedanken machen. Kassenkredite festzuschreiben, hat ein Für und Wider. Der Städte- und Gemeindebund sowie der Landkreistag haben sich demgegenüber misstrauisch geäußert. Darüber müssen wir auf jeden Fall reden.
Hinsichtlich der Festsetzung der Kreisumlage kann ich nur sagen: Es gibt ein Lied von Paul Simon, das heißt: „One Man's Ceiling is Another Man's Floor“. Was also dem einen der Fußboden ist, das ist dem anderen die Decke. Der Städte- und Gemeindebund freut sich über diese Regelung, der Landkreistag lehnt sie ab. So ist das manchmal im Leben.
Was mir im Gesetzentwurf fehlt - ich habe das bereits bei der Gemeindegebietsreform angesprochen -, ist die Novellierung der beamtenrechtlichen Regelungen, die auch im Rahmen der Föderalismusreform eine Rolle spielen, und zwar bezogen auf die kommunalen Wahlbeamten. Ich habe das damals angesprochen und das Beispiel der Verwaltungsleiter gebracht. Ich kann nur darauf hinweisen, dass jetzt in Thüringen eine partielle Änderung im Beamtenrecht vorgenommen und auf diese Sachen reagiert worden ist.
Meine Redezeit ist jetzt zu Ende. - Herr Grünert, über Ihren Änderungsantrag können wir uns dann im Ausschuss unterhalten. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf ist umfangreich. Man könnte sich deshalb überlegen, ob man für eine solche Debatte nicht einmal zehn Minuten Redezeit je Fraktion ansetzt. Dann muss Herr Madl seine Punkte nicht so schnell vortragen. Ich versuche nun, in fünf Minuten fertig zu werden, und gehe nur auf wenige Punkte ein.
Zunächst einmal könnte man beklagen, dass das Kommunalverfassungsrecht wieder angefasst wird und dieses im ständigen Fluss für den Anwender langsam unübersichtlich wird. Ich denke, die Regelungen, die damit getroffen worden sind, sind aber teilweise so positiv, dass man das rechtfertigen kann.
Insbesondere das Wahlrecht der Zweckverbände zwischen der Kameralistik und der Doppik halte ich für ein ganz wichtiges Element. Deshalb wird es Zeit, dass es nun eingeführt wird. Deswegen begrüßen wir diesen Punkt ausdrücklich.
Aber auch die Möglichkeit des Rechtsformwandels für Zweckverbände, die nur noch aus einem Mitglied bestehen, ist richtig. Ob die Anregung der LINKEN, die strengen Maßgaben des § 123 der Gemeindeordnung anzuwenden, richtig ist, müssen wir im Ausschuss noch einmal überprüfen. Die Auswirkungen habe ich auf die Schnelle noch nicht überblicken können.
Kritischer sehen wir allerdings die Erhöhung der Mitgliederzahl für eine Fraktionsbildung von zwei auf drei. Hierzu muss ich sagen, die Begründung, die dafür gegeben wurde, dass damit ein Effizienzmangel im Ablauf der Vorgänge innerhalb eines Kommunalparlaments behoben werde, ist nicht nachvollziehbar. Ich kenne keinen Fall, in dem es damit Schwierigkeiten gegeben hat.
Die wahre Begründung liegt doch darin, dass man versucht, der NPD über diese Vorgabe die Zuwendung als Fraktion zu verweigern und damit letztlich den Geldzufluss abzudrehen, und hofft, dass man damit den rechtsradikalen Sumpf austrocknen kann. Das ist ein löbliches Anliegen, aber dies trifft auch andere. Deshalb stellt sich die Frage, ob das der richtige Weg ist.
Der richtige Weg, mit den Nazis umzugehen, besteht nicht allein darin, dass man sie quasi auf Kosten anderer des Geldes beraubt. Vielmehr muss man sich direkt mit ihnen auseinandersetzen und sie bloßstellen. Man muss der Bevölkerung klar machen, dass diese einen Weg vorschlagen, den wir nicht gehen können.
Die überörtliche Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes sehen wir äußerst kritisch. Das liegt im Grunde daran, dass die Doppelstrukturen, die man damit aufbaut, nicht nur einen Effizienzgewinn verhindern, sondern eine Effizienzminderung bedeuten. Es ist deshalb eine Doppelstruktur, weil es Rechnungsprüfungsämter, Aufsichträte und ein Beteiligungsmanagement auf kommunaler Ebene gibt, die alle die Aufgabe haben, dort Prüfungen vorzunehmen. Dass es dann einen überörtlichen Rechnungshof geben soll, der auch noch prüft, ist nicht zwingend eine Verbesserung der Lage.