Nur wenn man davon ausgeht, dass jemand bis zum Beweis des Gegenteils unschuldig ist, kann auch eine Haft, die er erlitten hat, zu Unrecht erfolgt sein. Das ist der Gedanke, der dahinter steht.
Warum entschädigt man weiterhin? - Aus zwei Gründen: Zum einen soll der Geschädigte Genugtuung erfahren und zum anderen sollen die Schädiger auch ein präventives Regulativ haben, damit man nicht allzu leichtfertig mit der Freiheitsentziehung umgeht. Das darf natürlich nicht so ausgehen, wie Sie es schon angedeutet haben, Herr Sturm, dass man plötzlich Angst hat - weil die Entschädigung so hoch sein wird -, einen Herrn Zumwinkel oder einen Herrn Ackermann zu verhaften.
Zu der Frage: Was entschädigt man? - Auf der einen Seite die Vermögensschäden - um diese geht es hier in dem Antrag nicht - und auf der anderen Seite die immateriellen Schäden, das heißt also das Trauma des Freiheitsentzuges, den Ansehensverlust, die Stigmatisierung, die man erlitten hat, bis hin zu gewissen anderen beruflichen Zwängen, die materiell nicht ausdrückbar sind, die Prangerwirkung.
- Richtig: Wer will das bemessen? - Ich will es einmal so sagen: Wie entschädigt man? - Man sagt, man entschädigt in Geld. Das ist klar; denn Freiheit kann man nicht zurückgeben. Aber die Frage ist: über eine Pauschale oder in einer angemessenen Art und Weise?
Bei der Pauschale macht man es sich einfach. Man sagt, man hat einen Betrag, der für alle gilt. Freiheit ist nicht teilbar. Freiheit ist für alle das Gleiche wert.
Man kann aber auch sagen, jeder Mensch sei biologisch unterschiedlich und jeden Menschen treffe es anders. Manche vertragen ein Trauma besser, andere schlechter. Wie gesagt, bei Herrn Ackermann geht es nicht um den Vermögensschaden. Es geht um den immateriellen Schaden, den er erlitten hat.
Um allerdings dem vorzubeugen, was ich vorhin sagte, nämlich dass man Angst hat, jemanden zu verhaften, nur weil er in eine Hochverdienergruppe gehört und man Gefahr läuft, dass der in der Lage ist, einen höheren Schaden geltend zu machen als jemand anders, bestünde auch die Möglichkeit, eine grundsätzliche Deckelung einzuziehen.
Die Österreicher haben keine Deckelung. Die Österreicher haben einen Schnitt von 100 € pro Tag. Dabei sind wir schon bei der Frage: In welcher Höhe entschädigt man? - Der Europäische Gerichtshof hat 50 € für angemessen gehalten,
nur für den immateriellen Schaden. Bei uns sind es 11 €. Alle Länder - das sind übrigens, Herr Sturm, auch fast alles Länder, in denen die FDP drin ist - sagen, das sei zu wenig. Es geht also nicht mehr um die Frage, ob wir erhöhen, sondern nur noch um die Frage, in welcher Höhe.
Überlegen Sie sich einmal Folgendes: Sie fahren in den Urlaub in ein Hotel und das gefällt Ihnen nicht. Sie haben Urlaubsfreude eingebüßt. Es gibt Urteile, nach denen Sie dafür 50 € pro Tag bekommen. Bei uns werden Sie eingesperrt und bekommen 11 €.
Sich darüber Gedanken zu machen, kann nicht allein davon bestimmt sein, welche haushalterischen Auswirkungen es hat. Deswegen ist es durchaus richtig, über angemessene Entschädigungen nachzudenken und zu streiten.
Deswegen ist der Antrag richtig. Ich finde, man kann den Antrag, ohne ihn gleich zu beschließen, an den Ausschuss überweisen, weil man vielleicht auch fragen oder darüber diskutieren sollte, in welche Richtung die Landesregierung weiter prüfen sollte. Vielleicht kann man über die Prüfkriterien noch etwas diskutieren, bevor man die Landesregierung losschickt. Das ist mir letztlich einerlei. Wichtig ist mir nur, dass darüber gesprochen wird. Insofern würden wir dem Antrag der Linksfraktion zustimmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag der Fraktion DIE LINKE das erste Mal in der Hand hatte, war ich schon etwas irritiert, nicht so sehr wegen seines Inhalts, sondern weil die LINKE ihn eingebracht hat.
Das Thema ist vor sechs Wochen auf dem Juristentag erörtert worden. Dort hat der Präsident des Deutschen Anwaltvereins Herr Kilger - der Anwaltverein ist meines Erachtens nicht unbedingt eine den LINKEN nahestehende Berufsorganisation -
mit großem Nachdruck - das hat Frau Tiedge in Ihrer Rede ja auch deutlich gemacht - eine angemessene Haftentschädigung für Justizopfer gefordert.
Herr Wolpert hat es eben ausgeführt. Ich war insoweit nicht verwundert darüber, dass die Fraktion der FDP im Bundestag vor einem reichlichen Monat den Antrag eingebracht hat, eine angemessene Haftentschädigung für Justizopfer sicherzustellen.
Die logische Fortsetzung wäre gewesen, Herr Wolpert, wenn Sie den Antrag hier gestellt hätten. Das hatten wir bei anderen Sachverhalten, bei denen die FDP im Bund den Ball gespielt hat, ja auch schon, dass versucht wurde, das Thema dann auch noch über die Landesparlamente zu puschen.
sondern eher die gute Absicht unterstellen, ein Thema hier in den Landtag einzubringen, bei dem in der Tat Handlungsbedarf besteht. Warum? - Die Freiheit ist in
(Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP - Herr Wolpert, FDP: Ich dachte, bei Ihnen ist es die Gleichheit!)
Es ist leider nicht auszuschließen - Frau Tiedge hat einige Beispiele genannt -, dass es dennoch zu Justizirrtümern kommt und jemand zu Unrecht eingesperrt, inhaftiert wird. Wenn uns die Freiheit ein hohes Gut ist, dann sollte es uns auch etwas wert sein, wenn jemand zu Unrecht seiner Freiheit beraubt worden ist.
11 € - das ist schon wiederholt gesagt worden -, wenn man dann noch den Haftkostensatz abzieht, bleibt in der Tat noch ein Betrag in Höhe von etwas mehr als 2 € übrig. Da kann man im Grunde genommen von Glück reden, dass wir keine höheren Haftkostensätze haben, sonst müsste man noch etwas mitbringen.
Dieser Entschädigungssatz ist jetzt 21 Jahre lang unverändert geblieben. Ich denke, es ist höchste Zeit, über seine Erhöhung nachzudenken.
Meine Damen und Herren! Wir haben gehört, dass der Bund für eine solche Erhöhung zuständig sei. Wir haben gehört, dass das Bundesministerium an dem Thema dran sei. Wir haben gehört, dass die Länder - so habe ich auch die Justizministerin verstanden - und auch Sachsen-Anhalt dafür offen sind, eine Erhöhung vorzunehmen. Wir haben auch gehört, dass das Thema in der nächsten Woche während der Justizministerkonferenz erörtert werden soll.
Ich bin aber schon dafür - insoweit folge ich den Intentionen des Antrags -, dass wir diesen Prozess politisch begleiten. Deshalb bitte ich darum, den Antrag an den Ausschuss für Recht und Verfassung zu überweisen. - Vielen Dank.