Protocol of the Session on October 9, 2008

Mir scheint, dass der Finanzminister in dieser Einschätzung, zumindest was das Sondervermögen Altlastensanierung angeht, ein wenig zur österreichischen Sicht der Dinge neigt.

Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftsminister hat heute in einem Interview mit der „Mitteldeutschen Zeitung“ richtig ausgeführt, dass man den Finanzbedarf für Investitionen in Sachsen-Anhalt genau beobachten müsse. Die Bereitstellung von Krediten dürfte durch die drei Säulen, die wir im deutschen System haben, grundsätzlich erst einmal gesichert sein. Gleichwohl ist darüber nachzudenken, wie man eventuelle Spitzen abfangen, das Geschäftsmodell der Landesbank eventuell umstrukturieren oder die Idee anders ausrichten kann.

Aber darüber hinaus gilt es, internationale Standards zu vereinheitlichen. Insbesondere sind die Vereinigten Staaten von Amerika in das internationale Geflecht von Standards einzubinden. Die Vereinigten Staaten dazu zu bringen, sich daran zu beteiligen, dürfte sich vor dem Hintergrund der jetzigen Krise einfacher als vorher gestalten. Dabei dürfte insgesamt die Transparenz kein schlechter Anfang sein.

Meine Damen und Herren! Die Rolle Sachsen-Anhalts ist dabei klein, aber Sachsen-Anhalt spielt auch eine Rolle. Dieser Rolle muss man mit Verantwortung gerecht werden. Es geht nicht nur darum, aber eben auch darum, die Belastungen, die unsere Bürgerinnen und Bürger treffen könnten, abzufangen bzw. abzumildern. Es geht auch darum, solche Verwerfungen für die Zukunft zu vermeiden.

Es geht aber nicht darum, die Bevölkerung mit einem Systemwechsel zu schockieren, sondern darum, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, Vertrauen in das Finanzsystem und vor allen Dingen Vertrauen in die Politik und darin, dass sich die Agierenden nicht streiten, sondern in der Lage sind, gemeinsam zu handeln. Das, meine Damen und Herren, ist eine Botschaft, die von diesem Landtag ausgehen sollte.

Die soziale Marktwirtschaft ist für uns das System, dem man vertrauen kann. Die soziale Marktwirtschaft ist in der Lage, diese Krise zu bewältigen. Man muss aber auch dazu stehen. Wir Liberalen stehen zu privatem Eigentum, zu Freiheit und zu Verantwortung, wir stehen zur soziales Marktwirtschaft. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Wolpert. Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Gallert. - Bitte schön, Herr Gallert.

Herr Wolpert, ich wollte nur noch einmal darauf hinweisen, dass die Aufzählung von öffentlichen Banken, die Probleme haben, interessant ist. Dies hat eine öffentliche Debatte und auch eine starke mediale Reflexion zur Folge gehabt.

Aber haben Sie sich einmal angeschaut, welche Wertberichtigungen, welche Abschreibungen und welche Aktienverluste die privaten Banken in dieser Zeit erlitten haben? - Ich sage Ihnen sehr deutlich: Das, was man bei der BayernLB als Skandal bezeichnet, ist gegenüber dem, was sich die Deutsche Bank und die Commerzbank im gleichen Zeitraum geleistet haben, wirklich als Peanuts anzusehen.

Der Vorteil bei den öffentlichen Banken bestand darin, dass darüber diskutiert worden ist und dass es zum Teil wirklich politische Konsequenzen gegeben hat. Im Übrigen wurde auch deutlich - diesbezüglich gebe ich Ihnen völlig Recht -, dass Landesbanken immer dann in Schwierigkeiten gekommen sind, wenn sie Sachen gemacht haben, aus denen sie sich eigentlich herauszuhalten haben. Hätte zum Beispiel die SachsenLB wie eine Landesbank funktioniert, dann wäre sie nicht krachen gegangen.

(Herr Tullner, CDU: Eben!)

Aber sie hat eben genau das getan, was sie nicht hätte tun sollen. Hingegen sehen wir, dass die NordLB, die sich zumindest im Wesentlichen daran gehalten hat, gestärkt aus dieser Geschichte herausgeht. Deswegen plädiere ich ausdrücklich für die Stärkung des öffentlichen Bankensektors. Er hat sich an dieser Stelle im Gegensatz zu den Briten und den Amerikanern als entscheidender Anker erwiesen.

Herr Wolpert, das war keine direkte Frage, sondern eine Intervention. Ich gebe Ihnen trotzdem noch einmal das Wort.

Vielen Dank. Das ist sehr nett, Herr Präsident. - Ich habe es schon als Frage verstanden.

Ja, ich habe schon bemerkt, dass es einen Unterschied bei den Abschreibungsbeträgen gibt. Aber es gibt bei den genannten Banken hinsichtlich der Bilanzen erhebliche Unterschiede zwischen den staatlichen und den privaten Banken. Das kann man auch relativiert betrachten.

Aber es geht letztlich einfach darum zu erklären: Dort, wo staatliche Banken agieren, ist es nicht garantiert, dass es einen solchen Schaden nicht gibt. Das hat Herr Scharf schon gesagt. Das heißt, das System anzuprangern, wie Herr Henke es gemacht hat, und zu sagen, das sind alles die ganz Bösen und die kriegen das alle nicht gebacken, kann aber nicht zu dem Schluss führen, dass wir deshalb das Finanzsystem verstaatlichen oder so regulieren müssten, dass es quasi ein staatliches ist. Das war die Aussage.

Ich gebe Ihnen aber Recht: Bei den Landesbanken ist man durchaus in der Lage zu unterscheiden. Die NordLB ist davon nicht so betroffen. Die andere Frage ist doch aber: Hat das Geschäftsmodell der NordLB noch in irgendeiner Weise etwas mit staatlichem Handeln zu tun? - Schiffe und Flugzeuge zu finanzieren ist relativ schwer mit staatlicher Daseinsvorsorge zusammenzubringen. Darüber lässt sich auch diskutieren. Darüber ist schon diskutiert worden, bevor die Finanzkrise begonnen hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. - Wir kommen zum letzten Debattenbeitrag. Für die SPD-Fraktion hat die Abgeordnete Frau Budde das Wort. Bitte schön.

Bevor ich Frau Budde das Wort erteile, begrüße ich Damen und Herren vom christlichen Jugenddorf Schönebeck auf der Tribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Budde, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte zunächst Herrn Scharf noch sagen: Wenn man das Beispiel des Spielers aufgreift, das er in seinem Redebeitrag erwähnte, dann muss man zumindest eines feststellen: Wenn man gleichzeitig auf Schwarz und Rot setzt, verliert man nicht.

(Zurufe von der CDU - Herr Kley, FDP: Doch!)

Insofern gibt es einen Bezug zu der aktuellen Situation.

Auch wenn wir alle in den heutigen Debattenbeiträgen nicht wirklich etwas Neues sagen konnten, weil die Debatten, die in den letzten Tagen und Wochen geführt worden sind, im Grunde genommen alle Fassetten beleuchtet haben, finde ich es doch richtig, dass das Thema im Landtag debattiert und erörtert wird. Wir sehen, dass es doch sehr unterschiedliche Auffassungen in den Fraktionen gibt.

Wir erleben in der Tat gerade einen ökonomischen und damit auch einen gesellschaftspolitischen Umbruch und das nicht, weil die Kurse an den Börsen abstürzen oder eine Rezession droht. Das sind Phänomene, die wir kennen und mit denen wir umgehen können.

Aber die jetzige Krise hat aus meiner Sicht zum einen die Prediger des ungezügelten und freien internationalen Finanzmarktes, nämlich die klassischen Investmentbanken an der Wall Street, einfach hinweggefegt und zum anderen die gesellschaftliche Kritik an den Zuständen auf den internationalen Finanzmärkten endlich bei allen

ankommen lassen, auch bei denjenigen, die sich bisher mit Händen und Füßen dagegen gewehrt haben.

Wenn die Wall Street als Hohepriesterin des Liberalismus nach dem Staat ruft und wenn ein republikanischer US-Präsident im Weißen Haus, der - wörtlich - für eine neue Ära weltweiten wirtschaftlichen Wachstums durch freie Märkte in den Irak-Krieg gezogen ist, antwortet, dann muss, glaube ich, auch dem Letzten die Erkenntnis kommen, dass es so nicht weitergeht.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir können es tatsächlich nicht länger zulassen, dass in einer globalisierten und eng verzahnten Welt jeder machen kann, was er will, und dass alle anderen darunter leiden müssen. Wenn ich mir die Verluste vieler Menschen in den USA ansehe, die buchstäblich Haus und Hof verloren haben, und der Leute, die ihre Altersversorgung in angeblich bombensicheren Wertpapieren angelegt hatten, dann frage ich mich und ich frage vor allen Dingen die glühenden Verfechter des freien Marktes: Wo ist denn nun der Wohlstand, den sie uns immer versprochen haben? Wo ist der Wohlstand für diejenigen, die am Ende vielleicht noch ihren Job verlieren werden? - Ich kann das nicht sehen.

Deshalb sage ich: Das Konzept des absolut freien Marktes ist gescheitert. Wir sehen, wo das hinführt, nämlich an den Abgrund. Wenn nicht überall auf der Welt die Staaten eingesprungen wären, dann wären wir wahrscheinlich schon einen Schritt weiter und würden schon im Abgrund liegen.

Wenn Sie mich in diesem Zusammenhang fragen - das könnte von Ihnen kommen -, wie ich es mit der Freiheit halte, dann sage ich Ihnen ganz klar, die Freiheit des einen hört für mich nicht erst dort auf, wo die Freiheit des anderen beginnt, sondern sie endet genau dort, wo sie das soziale und ökonomische Gefüge unserer Gesellschaft bedroht.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Dafür gab es bisher keine politische Mehrheit. Ich glaube, diesbezüglich ist in der gesellschaftspolitischen Debatte in den letzten Wochen wirklich etwas passiert. Wer das im Angesicht dieser Finanzkrise nicht erkennt, hat aus meiner Sicht die Zeichen der Zeit gründlich verschlafen.

Natürlich ist die Frage berechtigt: Warum haben wir keine Schulden aufnehmen können und wollen, um soziale Probleme zu lösen oder zu begradigen? - Natürlich ist die Frage erlaubt. Zum Beispiel haben Herr Gürth und ich, aber auch andere jahrelang dafür gekämpft, dass bei bestimmten Kleinkrediten für Mittelständler eben nicht das Hausbankenprinzip gilt, dass man vonseiten der Banken einmal ein bisschen Risiko eingehen sollte. Wir haben immer wieder verloren, wenn wir versucht haben, das auf parlamentarischem Wege zu verankern.

Keine Regierung war bereit, sich mit den Banken so weit anzulegen. „Anzulegen“ ist vielleicht der falsche Ausdruck, weil die Banken schlichtweg gesagt haben: Das sind für uns viel zu große Risiken; die nehmen wir nicht auf uns; wenn ihr das wollt, dann muss das Land dafür garantieren.

Das muss man bitte einmal im Verhältnis zu dem sehen, was heute passiert. Das ist wirklich abstrus. Das muss

man für sich selbst auch hinterfragen. Das war in den letzten Jahren einfach nicht durchsetzbar.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich ist es bitter, aber es ist richtig, dass die Bundesregierung auf nationaler und auf europäischer Ebene versucht, die Krise nicht noch größer werden zu lassen. Das ist ein Stück der Verantwortung, der auch wir uns stellen müssen.

Natürlich darf sie den Banken nicht unnötig Geld in den Rachen werfen, das diese hinterher möglicherweise wieder als Gewinne verfrühstücken. Aber in einer modernen global vernetzten Volkswirtschaft, wie es die Bundesrepublik ist, brauchen wir nun einmal funktionierende Kapital- und Finanzmärkte, auf denen Finanz- und Geldströme fließen. Deshalb ist die Bundesregierung in der Pflicht, alles dafür zu tun, dass insbesondere die deutsche Wirtschaft keinen größeren Schaden erleidet.

Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre aus meiner Sicht, dass die Investitionen in den Mittelstand und damit auch Projekte der öffentlichen Hand und des Staates infrage gestellt werden, dass sich die Frage stellt, ob wir die noch finanzieren können. Dann stünden noch wesentlich mehr Arbeitsplätze auf der Kippe, auch in Sachsen-Anhalt.

Darum sagen wir: Ja, die Bundesregierung muss eingreifen. Aber sie muss eben nicht um der Banken willen eingreifen und sie darf auch nicht diejenigen belohnen, die uns den Schlamassel eingebrockt haben, sondern sie muss eingreifen, um diejenigen zu schützen, die sich nicht wehren können. So bitter es ist: Der Staat muss jetzt Geld in die Hand nehmen, um zu verhindern, dass es letztendlich zu einem Zusammenbruch kommt und damit ganz viele Menschen ihren Job verlieren.

Ich glaube, dass es allemal besser ist, das jetzt zu tun, als hinterher Arbeitslosigkeit zu finanzieren; denn das wäre die Konsequenz. Aber ich sage auch: Der Staat muss nach der Krise dafür sorgen - das muss er jetzt machen, jetzt, wo es kritisch ist -, dass so etwas in dieser Form nicht wieder vorkommt.

(Zustimmung von Frau Fischer, SPD)

Was mich in den letzten Tagen extrem geärgert hat, das ist die Dreistigkeit von einzelnen Spitzenmanagern. Erst richten sie sozusagen den Schlamassel an, dann fordern sie, etwa Herr Ackermann von der Deutschen Bank, dass der Staat die faulen Kredite genauso übernimmt, wie es die US-Regierung getan hat. Dazu sage ich ganz klar: Das finde ich empörend, das ist frech, das ist dreist.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ja!)

Erst konnten sie den Hals nicht voll bekommen und jetzt rufen sie nach dem Staat, damit er ihnen wieder die Kassen füllt.