Protocol of the Session on October 9, 2008

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir kommen jetzt zu den Debattenbeiträgen. Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Scharf das Wort. Bitte schön, Herr Scharf.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von Sachsen-Anhalt ist diese Krise nicht ausgegangen; wir in Sachsen-Anhalt werden wahrscheinlich diese Krise auch nicht entscheidend beeinflussen und lösen können. Aber es ist trotzdem gut und richtig, dass wir im Landtag darüber sprechen.

Ich will den Finanzminister ausdrücklich unterstützen in seiner Handlungsweise und auch in seinem Redebeitrag. Ich glaube, das, was wir in Sachsen-Anhalt praktizieren können und müssen, ist genau das, was überall in Deutschland und in der Welt notwendig ist: dass auf der einen Seite deutlich und ohne Schmu aufgeklärt wird und dass auf der anderen Seite die notwendige Sicherheit vermittelt wird, dass die Akteure jetzt nicht wie ein Hühnerhaufen hin- und herlaufen, sondern dass jeder das tut, was er an seinem verantwortungsvollen Arbeitsplatz tun kann. Ich denke, das ist das entscheidende Signal, das auch vom Landtag in Sachsen-Anhalt in dieser Zeit ausgehen kann.

Bevor ich auf einige Einzelheiten zurückgehe, möchte ich noch einen kleinen Schlenker zur Linksfraktion machen und fragen: Wollen Sie ernsthaft - jetzt frage ich bewusst mal historisch -, dass vielleicht ein Horst Kaminsky diese Krise managen sollte? Oder wäre es wirklich eine gute Vorstellung, dass man Herrn SchalckGolodkowski oder ähnliche Typen als Investmentbanker durch die Lande ziehen sieht? - Ich denke, das kann doch eigentlich keiner ernsthaft wollen.

(Frau Dirlich, DIE LINKE: Hat das jemals einer ge- sagt?)

- Nein. - Ich wollte nur sagen: Insofern stellt sich eine Systemfrage hier gar nicht.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Doch!)

- Nein. - Es stellt sich die Frage, wie wir zu einer vernünftigen Finanzwirtschaft kommen, wie wir zu vernünftigen Regeln kommen. Da ist schon die Frage wichtig, ob einzelne Marktteilnehmer versagt haben oder ob die Regeln des Marktes versagt haben. Ich denke, es ist beides vorhanden. Es haben Leute unverantwortlich gehandelt, aber wir haben auch sehr deutlich feststellen können, dass einzelne Mechanismen zur Marktregulierung, wie wir sie in Deutschland schon in umfangreicherem Maße haben, als sie in der Welt üblich sind und als man sie insbesondere im angelsächsischen Raum bisher anzuwenden bereit war, doch sinnvoll und notwendig sind.

Wenn am Ende dieser Krise steht, dass wir mehr Durchsetzungsvermögen haben in der Frage, richtige, vernünftige Regeln aufzustellen, dann werden wir es auch schaffen zu regeln, wie wir ein gewolltes und erlaubtes Gewinnverhalten des einzelnen Marktteilnehmers wieder besser damit verknüpfen können, dass auch volkswirtschaftlich insgesamt ein sinnvolles Verhalten herauskommt. Denn was ein Einzelner vernünftigerweise für sich im Interesse der Gewinnmaximierung macht, kann volkswirtschaftlich gesehen durchaus eine verheerende Strategie sein. Hiermit hat der Staat und hiermit hat der Gesetzgeber - und somit auch wir - eine Aufgabe.

Ich will ganz unumwunden zugeben - ich vermute, das trifft auf die meisten in diesem Hause zu -, dass ich von dieser Finanzkrise persönlich überrascht worden bin. Ich habe es so nicht gewusst. Ich hatte bei einigen Finanzinstrumenten ein ungutes Gefühl, aber persönlich bin ich jetzt überrascht worden, wie anscheinend auch Leute, die sich mehr als meine Person damit beschäftigt haben.

Wir haben aber doch einige Sicherungssysteme, die zum Teil bereits geholfen haben, aber die offensichtlich als Absicherungssysteme für Investmentgeschäfte unterdimensioniert sind. Dazu gehört auch der Einlagenfonds und eben auch die Frage, wie wir das Banken

geschäft untereinander vertrauenswürdiger gestalten können.

Ich will auch daran erinnern, dass Frau Merkel durchaus vorgehabt hat, auf dem G8-Gipfel ein stärkeres Kontrollsystem für die internationalen Finanzmärkte zu implementieren; aber die Angelsachsen waren offensichtlich noch nicht so weit. Wenn wir aber das chinesische Schriftzeichen für Krise, welches gleichzeitig das Schriftzeichen für Chance ist, ernst nehmen, dann können wir hoffen, dass nach überstandener Krise ein geordneteres Finanzsystem zur Verfügung stehen wird.

(Herr Henke, DIE LINKE: Auf wessen Kosten?)

- Was heißt, auf wessen Kosten? Wenn Sie sagen, Sie weigern sich, Bürgschaften auszugeben, wenn Sie sagen, Sie weigern sich, Finanzmittel in die Hand zu nehmen, dann möchte ich - das passt zufällig - den Politiker aus dem Deutschen Bundestag - zufällig FDP - Otto Fricke zitieren.

(Frau Budde, SPD: Der ist nicht zufällig in der FDP!)

Er hat nach meiner Auffassung richtigerweise gesagt, wenn der Staat jetzt bürgt, dann muss er morgen nicht zahlen. - Das heißt, man muss auch den Zeitpunkt erkennen, an dem man den Mut hat, einzugreifen und Geld in die Hand zu nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wer an dieser Stelle ideologisch verklemmt ist, der wird hinterher viel, viel mehr Geld hinlegen müssen, als wenn man jetzt das Richtige macht.

Ich will aber auch ganz deutlich sagen: Einige Teilnehmer am Finanzmarkt haben eine Strategie verfolgt, die man richtig ächten muss. Wenn nämlich bei unseriösen Finanzprodukten schon im Kalkül steht, wir blähen die ganze Sache so auf - der Engländer sagt: „too big to fail“ -, dass sich hinterher niemand mehr traut, auch die wirtschaftliche Strafe auszusprechen, dann ist das eine Strategie, die wir gesellschaftlich nicht zulassen dürfen, meine Damen und Herren.

Ich will ganz deutlich sagen: In etwas anderer, verdeckter Form haben wir das im Landtag auch schon erlebt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass mir manchmal erzählt worden ist, das mit den Produkten des Finanzmarktes sei schon in Ordnung, aber sie seien leider inzwischen so groß geworden, dass man immer schwieriger Käufer dafür finde. Das heißt doch nichts anderes, als dass die Blase so groß geworden ist, dass niemand mehr Vertrauen dazu hatte, so etwas wirklich abkaufen zu können. Meine Damen und Herren, das muss zukünftig verhindert werden.

Ich will ganz deutlich sagen, Derivate - ein modernes Finanzprodukt - sind, glaube ich, wirklich gut und richtig, um Zinsschwankungen und Zinsentwicklungen abzudämpfen und ein Stückchen berechenbarere Finanzstrategie zu machen. Wenn dieser zusätzliche Absicherungsmechanismus aber zum eigentlichen Handelsobjekt wird, dann muss man wissen, dass die ungeheure Hebelwirkung, die diese Finanzprodukte haben, letztlich dazu führt, dass eine einzige größere Fehlkalkulation nicht mehr aufgefangen werden kann.

Lassen Sie mich ein kleines Beispiel nennen, welches vielleicht nur halb erlaubt ist. Ich habe mich als Mathe

matiker häufig mit diesen Fragen und auch mit der Spieltheorie beschäftigt. Ich kenne ein ganz einfaches Spiel, nämlich das Roulettespiel. Es gibt eine sichere Strategie, um am Roulettetisch zu gewinnen. Setzen Sie auf Rot. Wenn Sie gewonnen haben, dann haben Sie Ihren Einsatz verdoppelt. Wenn Sie verloren haben, dann setzen Sie das Doppelte des Verlorenen wieder auf dieselbe Farbe. Wenn Sie gewonnen haben, dann haben Sie den alten Verlust wieder drin, und wenn Sie verloren haben, dann setzen Sie das Doppelte von dem Verlorenen wieder auf dieselbe Farbe. Wenn Sie dreimal eine Pechsträhne haben, dann ist es das Achtfache; das geht noch. Aber wenn sie zehnmal eine Pechsträhne haben, dann haben Sie schon das 1 024-Fache, das Sie einsetzen müssen.

Das Dumme ist, eine Strategie „too big to fail“ wird Ihnen persönlich keiner durchgehen lassen. Aber wer auf den Finanzmärkten mit einer solchen Strategie arbeitet, der muss wissen, dass einfaches Spielen auf die Dauer so nicht funktionieren kann.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Auf Schwarz setzen!)

- Herr Tullner, es ist zumindest in dieser Frage egal, ob man auf Rot oder Schwarz setzt.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD - Frau Budde, SPD: Wenn man auf beides setzt, ge- winnt man immer! - Herr Wolpert, FDP: Was ist, wenn Zero kommt?)

- Die kommt noch dazu; ich wollte das Beispiel nicht so kompliziert machen.

Meine Damen und Herren! Die Lehre für uns muss doch sein - das ist volkswirtschaftlich auch ganz einfach -, dass jeder, der uns versprochen hat, man könnte in der Finanzwirtschaft auf Dauer wesentlich höhere Gewinne realisieren als in der Realwirtschaft, unseriös ist. Auf solche Leute sollten wir uns nicht einlassen, ganz egal, in welcher Verkleidung sie daherkommen. Dann bleiben wir auf den Füßen.

Es sind einige Instrumente des Finanzmarktes, die man jetzt andenken kann, bereits diskutiert worden. Ich glaube, das kann man im Finanzausschuss oder in interessierten Kreisen durchaus noch ausdehnen.

Ich persönlich halte es für wirklich entscheidend, wichtig und richtig, dass man sich beim Verkauf von Forderungen nicht der Risiken, die dahinter stehen können, vollständig entledigen darf. Es muss bei demjenigen, der so ein Geschäft eingegangen ist, auch in Zukunft das Risiko haften bleiben. Dann kann er nicht mehr hoffen, einem nicht vollständig informierten Marktteilnehmer etwas unterzuschieben. Diese Hoffnung könnte sich - in Anführungsstrichen - noch potenzieren. Zum Schluss überblickt niemand mehr, wer wem in welcher Höhe etwas zu verbürgen hat.

Zum Schluss meiner Rede möchte ich doch noch kurz auf die Fraktion DIE LINKE eingehen. Ich finde es ein Stückchen erstaunlich, dass gerade eine Partei, die sich bisher weigert, ein Grundsatzprogramm zu schreiben, solche Themen grundsätzlich aufgreift.

(Mehrere Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE melden sich zu Wort)

- Ja, jetzt heben Sie die Hand. - Ihre tatsächliche Strategie, wie wir in einer sozialen Marktwirtschaft vernünftig

agieren müssen, wie viel Staat wir brauchen, wie viel Markt wir brauchen, wie viele Instrumente vernünftig sind und wo wir in Überregulierung abdriften, meine Damen und Herren, haben Sie nie aufgeführt. Sie kommen jedes Mal vor den Landtag und entrüsten sich zusammen mit den Leuten, die sich berechtigterweise entrüsten, wenn solche Dinge vorgefallen sind, aber ein vernünftiges gesellschaftspolitisches Modell, welches uns Wohlstand und Demokratie gleichzeitig bringt, haben Sie bisher nicht auf die Reihe gebracht.

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Sie profitieren - das muss man leider sagen - von Fehlentwicklungen und auch von dem Versagen einzelner Marktteilnehmer. Aber ich will Ihnen sagen: Auf die Dauer reicht das nicht aus.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

Ich plädiere sehr dafür, dass wir in dem Rahmen, in dem wir daran teilhaben können und uns dafür einsetzen können, vernünftige wirtschaftliche Regelungen, auch für den Kapitalverkehr, mit entwickeln. Ich will es zum Abschluss noch einmal sagen: Ich finde es außerordentlich wichtig und richtig, dass der Finanzminister heute Offenheit an den Tag gelegt hat und zugleich gesagt hat: Der Landesregierung könnt ihr vertrauen, wir gehören zu den seriösen Marktteilnehmern. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Scharf. Es gibt jetzt vier Nachfragen von Herrn Henke, Frau Dr. Klein, Frau Rogée und von Herrn Gallert. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ich spreche nachher als Fraktionsvorsitzender!)

- Gut, dann gibt es drei Fragen. - Die erste Frage stellt Herr Henke. Dann folgen Frau Dr. Klein, Frau Rogée und der Fraktionsvorsitzende. Bitte, Herr Henke.

Unabhängig von Ihrem reflexartigen Verweis auf die DDR-Geschichte glaube ich nicht, dass Sie damit wirklich Vertrauen herstellen.

Nun aber meine Frage. Sie haben versucht, uns zu erläutern, dass es besser sei, eine Bürgschaft zu übernehmen, als hinterher zu zahlen. Die Vertreter der Deregulierung haben den Leuten über viele Jahre erklärt, dass es bei einem Privathaushalt nicht anders sei als bei einem öffentlichen Haushalt. Man müsse immer schön sparen. Nun bleiben wir bei Ihrer Logik. Bei einer Risikobewertung werden Bürgschaften genauso bewertet wie Kredite. Angesichts des Umstandes, dass damit eine rechtliche und finanzpolitische Verschuldung eingetreten ist, frage ich Sie, wie Sie das mit Ihren ständigen Forderungen nach einem Verschuldungsverbot vereinbaren.

Das ist eigentlich ganz einfach. Die im Moment akute Gefahr, die abgewehrt werden muss und die die Bundesregierung und auch die EU nach meiner Auffassung durch konzertiertes Handeln abwehren, ist diejenige, dass der Geldfluss zum Erliegen zu kommen droht. Dies, meine Damen und Herren, ist eine reale Gefahr,

die auch die materiellen wirtschaftlichen Verhältnisse ins Mark treffen würde. Deshalb haben die Regierungen die verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Das machen sie auch, und wenn sie über Nacht handeln müssen, dann sehen wir einmal, wie dringlich es ist, dass die Geldflüsse nicht ins Stocken kommen.

Die Frage, dass wir uns selbst Zügel anlegen müssen, um nicht in eine exorbitante Verschuldung hineinzukommen, hängt ganz einfach mit der Nachhaltigkeit und auch damit zusammen, dass wir uns immer bewusst sein müssen, dass alles, was wir selber an Schulden aufnehmen, unsere Kinder und Enkel abzahlen müssen. Aus dieser Zwangslage entlässt uns keiner.

Die Bürgschaft kennen wir doch selbst aus dem Landeshaushalt. Die Bürgschaft ist ein Instrument, das dazwischen liegt. Wir haben selbst in den Landeshaushalt, natürlich in viel geringerem Umfang, einen Bürgschaftsrahmen eingestellt. Zum Glück - das war bisher immer so - ist dieser Bürgschaftsrahmen, auch wenn er in umfangreichem Maße ausgenutzt worden ist, letztlich zu einem geringen Maße als Bürgschaft verloren gewesen.