Protocol of the Session on October 9, 2008

Jetzt lesen wir immer wieder die Behauptung, die SPD setze diese Beschlüsse im Verhältnis 1 : 1 um. Gleichwohl ist auch hier inzwischen ein wenig der Elan verloren gegangen; denn Frau Budde sagt nicht mehr: Wir - also SPD und CDU - werden das im Jahr 2010 umsetzen. Sie sagt nunmehr: Dies wird im Jahr 2011 ein ganz wichtiger Punkt bei den Koalitionsverhandlungen sein.

(Frau Budde, SPD: Das ist doch das Gleiche!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das zeigt deutlich, dass der Dampf an dieser Stelle herausgenommen wurde und dass es jetzt doch darum geht, dieses Thema zum Wahlkampfthema zu machen, wie es Herr Höhn damals in der Debatte beabsichtigt hatte, was ihm jedoch von der SPD untersagt worden war. Sie haben sich offensichtlich erfolgreich gewehrt; es wird nunmehr ein solches Thema werden.

Daher stellt sich ernsthaft die Frage, ob es im Bildungskonvent darum geht, über Themen zu reden, oder ob es lediglich darum geht, Wahlkampfmunition für die eine oder die andere Seite aufzubauen. Ich glaube, es ist unanständig, mit den Menschen, die dort ehrlichen Herzens arbeiten, so umzugehen.

(Beifall bei der FDP)

Ein anderes Problem ist, dass der gescholtene Finanzminister Jens Bullerjahn Unterstützung erhielt, nämlich vom Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer, der sagte: Jawohl, wenn wir mehr Leistungen wollen, dann müssen wir sie auch irgendwie finanzieren, und die Einsparmöglichkeiten sind mittlerweile am Ende.

Damit sind wir bei einem anderen Thema des Bildungskonvents, meine sehr geehrten Damen und Herren, nämlich bei der Frage, welches Bild die Landesregierung bietet. Ist das für den Betrachter einschätzbar oder nicht?

Ich darf kurz Folgendes Revue passieren lassen: In einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2002 zum Zuwanderungsgesetz - dem einen oder anderen vielleicht als so genannter Fall Brandenburg erinnerlich - wurde eindeutig festgestellt, dass ge

mäß Artikel 51 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes die Länder im Bundesrat nur einheitlich abstimmen können.

Man sollte, auch wenn der Bildungskonvent nicht der Bundesrat ist, davon ausgehen, dass die Landesregierung auch dort ein einheitliches Bild abgibt. Doch nichts von all dem ist zu spüren. Jede Ministerin und jeder Minister stimmt dort so ab, wie sie oder er es für richtig hält. Die Landesregierung sendet keine eindeutigen Signale - im Gegenteil: Man streitet sich sogar.

Offensichtlich findet im Kabinett hierzu keine Abstimmung statt. Das, so glaube ich, ist der Seriosität dieses Gremiums nicht angemessen. Die Menschen haben ein Recht darauf zu erfahren, was die Landesregierung von diesen Vorschlägen hält. An dieser Stelle müssen Sie, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Böhmer, noch deutlich nachlegen, um auch ein Bild dieser Landesregierung abgeben zu können, das man ernst nehmen kann.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der LIN- KEN)

Wir müssen uns an dieser Stelle deutlich machen, was es heißt, im Bildungskonvent zu arbeiten. Ich glaube, in der heutigen Debatte ist auch zu erwarten, dass sich die Koalitionsfraktionen klar dazu äußern. Bisher hat niemand eine Aussage darüber getroffen, wie die dort gefassten Beschlüsse finanziert werden sollen.

Und wir sind bisher erst im Bereich der frühkindlichen Bildung angelangt, meine sehr geehrten Damen und Herren. Über andere Themen ist dort noch gar nicht gesprochen worden, auch wenn Frau Budde in einem Pressegespräch feststellte, dass die CDU bisher offensichtlich nicht den Beschlüssen des Bildungskonvents zum längeren gemeinsamen Lernen zugestimmt hat. Sehr geehrte Frau Budde, Sie müssen wohl in einem anderen Bildungskonvent gesessen haben.

(Frau Budde, SPD, schüttelt den Kopf)

- Das steht in der „Volksstimme“ von heute. Es kann auch sein, dass Sie falsch zitiert wurden; das sollte man immer zugute halten.

Auf jeden Fall hat es mich erstaunt, dass Beschlüsse offenkundig vorweggenommen werden, die dort noch gar nicht gefasst worden sind. In diesem Zusammenhang fragt man sich auch, ob man noch auf den Expertenrat wartet oder ob bereits vorher feststeht, was herauskommen soll, sodass das Ganze lediglich eine Scheinveranstaltung ist. - So kann man nicht mit den Menschen umgehen.

(Beifall bei der FDP)

Ich glaube, es ist zu einer Zäsur im Bildungskonvent gekommen. Wir haben mittlerweile festgestellt, dass die Beschlüsse eine ganze Menge an Mehrausgaben bedingen und dass es Strukturveränderungen geben könnte, sofern das eine oder andere durchgesetzt wird.

An dieser Stelle sind Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, als Abgeordnete gefragt. Der Bildungskonvent hat eine klar beschriebene Aufgabe, die er erfüllt, aber rechts und links dieser Aufgabe gibt es eine ganze Reihe von Faktoren, die dort hineinspielen. Das betrifft die Frage der Finanzierung, die Frage der Arbeitsmarktlage sowie der Frage, ob man das Personal überhaupt beschaffen kann und Ähnliches.

In diesem Zusammenhang ist dringend mehr Ehrlichkeit gefragt, um dem Ganzen zu einem erfolgreichen Ab

schluss zu verhelfen und um nicht mit großem Aufwand ein Gremium zu schaffen, für das es - darauf hatten wir bereits damals hingewiesen - eigentlich keine Entsprechung im Parlamentarismus gibt und das - so scheint es sich mittlerweile abzuzeichnen - nur als Wahlkampfmunition für eine Partei dienen soll. Das können wir nicht nach außen vermitteln. Das können wir all den Eltern, Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern nicht erklären. Ich erwarte von der heutigen Debatte etwas mehr Klarheit und Ehrlichkeit.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht zeichnet sich zukünftig auch eine seriösere Arbeit im Bildungskonvent ab. Vielleicht ist es dann auch möglich, einmal über die Gesamtheit der Beschlüsse, über die Frage des Zustandekommens und über die unterschiedlichen Mehrheiten zu reden, die sich in den unterschiedlichen Gremien durchsetzen und die am Ende zweifeln lassen, ob das alles so gemeint war.

Zum Bespiel ist ein Beschluss mit einfacher Mehrheit gefasst worden, der nur mit einer Zweidrittelmehrheit außer Kraft gesetzt werden kann. Jeder Einzelne muss sich fragen, ob das in diesem Sinne gemeint ist und ob hierbei die jeweiligen Seiten zu Wort gekommen sind.

(Zustimmung von Herrn Wolpert, FDP)

Was leider nicht eingetreten ist, ist die Vorhersage, dass sich die Positionen annähern könnten und dass man ohne Ideologie am Ende ein neues System findet. Die Pressemitteilungen zeigen in zunehmendem Maße, dass hier verhärtete Positionen existieren. Es geht nicht mehr nur darum, dass eine Partei dort ein neues Schulsystem einbringt, sondern es geht darum, dass man es durchsetzt. Es findet also keine Debatte mehr statt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU und von der SPD, Sie haben das Ganze zwar aus den Koalitionsverhandlungen im Jahr 2006 herausgehalten, aber Sie werden das jetzt in diese Koalitionsverhandlungen einbringen müssen. Ich glaube, das wird schmerzhafter als alles andere zuvor sein, aber sie müssen endlich mit Ehrlichkeit in dieses Prinzip hineingehen.

Ansonsten brauchen Sie, Frau Budde, im Jahr 2011 nicht über Koalitionsverhandlungen zu reden; denn in der Opposition koaliert es sich schlecht. Ich glaube, der Bürger wird am Ende denjenigen wählen, der die ganze Zeit über ehrlich war und Gesetze geändert hat, und nicht den, der, wenn etwas nicht umsetzbar ist, ständig den Zeitpunkt verschiebt und neue Visionen entwickelt.

(Frau Budde, SPD: Dann fallen Sie unter die 5 %! - Weitere Zurufe von Herrn Bischoff, SPD, und von Herrn Miesterfeldt, SPD)

An dieser Stelle ist Ehrlichkeit gefragt. Visionen sind für andere Zeitpunkte wichtig.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank für die Einbringung, Herr Abgeordneter Kley. - Wir steigen nun in die Debatte ein. Als erster Debattenrednerin erteile ich Frau Mittendorf von der SPD das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kley, Sie haben eben gesagt, wir treten im Jahr 2011 wieder in Verhandlungen zur großen Koalition ein. Wenn es denn so sein soll - warum nicht?

(Zustimmung bei der SPD - Herr Kley, FDP: Das habe ich nicht gesagt!)

- Genau so kam es aber an.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Das ist Ihr Problem; Sie hören nicht zu! - Zuruf von Herrn Miesterfeldt, SPD)

- Frau Hüskens, man muss nicht immer von sich auf andere schließen. Das ist die eine Seite.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst bei der FDP dafür bedanken, dass sie diesen Antrag zur Aktuellen Debatte gestellt hat; denn das zeigt, dass der Bildungskonvent durchaus zu einem sehr ernst zu nehmenden gesellschaftlichen Gremium in Sachsen-Anhalt geworden ist und dass er dabei hilft, die Debatte um Bildung weiterzuentwickeln.

Sie, Herr Kley, haben eben nicht über Bildung gesprochen, sondern Sie haben über Nebenprozesse gesprochen. Über diese muss man auch reden, darauf gehe ich aber noch ein.

Ich glaube, man kann behaupten, dass der Bildungskonvent mittlerweile durchaus auch ein Impulsgeber für die Bildungspolitik im Land ist. Manchmal - mein Vorredner hat das gezeigt - kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies einigen im Landtag nicht gefällt.

Ich will an eines erinnern: Der Konvent ist zwar vom Landtag eingesetzt worden, er ist aber kein Gremium des Landtages. Von seinen 37 Mitgliedern stammen nur zehn aus dem unmittelbaren politischen Bereich. Die Arbeit des Konvents ist bewusst langfristig angelegt und seine Empfehlungen gehen mit ihren möglichen Auswirkungen weit über diese Legislaturperiode und auch über diese Koalition hinaus - es sei denn, man setzt sie fort.

Bei Abstimmungen im Konvent sind die Mitglieder der Koalitionsfraktionen und des Kabinetts nicht an die Koalitionsdisziplin gebunden. Die Zielstellung der Arbeit des Konvents besteht darin, Empfehlungen entsprechend dem Einsetzungsbeschluss für ein dauerhaft tragfähiges, international ausgerichtetes, chancengerechteres und leistungsfähiges Schulsystem auszusprechen. Genau genommen geht es dabei auch um die Erarbeitung eines bildungspolitischen Leitbildes für unser Land.

Und eines darf man dabei nicht vergessen: Diese Arbeit unterliegt nicht dem Diktat der Tagespolitik. Zunächst muss Klarheit über die inhaltliche Richtung bestehen, wobei selbstverständlich auch parteipolitische Konzepte auf dem Prüfstand stehen werden.

Die geforderte Zweidrittelmehrheit für Empfehlungen des Konvents ist eine sehr hohe Hürde, die man erst einmal nehmen muss. Wird dies geschafft, meine Damen und Herren, werden die Empfehlungen aufgrund der Zusammensetzung des Konvents letztlich von einer breiteren gesellschaftlichen Mehrheit formuliert, als gegenwärtig bei Wahlen an Zustimmung für Parteien zu beobachten ist.

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

Meine Damen und Herren! Die Frage, wie das Parlament mit den Empfehlungen des Konvents umgeht, ist in der Tat die zentrale Frage. Von ihrer Beantwortung hängt nicht nur die künftige Entwicklung unseres Bildungssystems ab, sondern auch die Glaubwürdigkeit von Politik.

Man muss betonen, dass es ein vergleichbares gesellschaftliches Gremium in dieser Form in Deutschland nicht gibt. Dieses Gremium kann, wenn wir richtig damit arbeiten, mithelfen, der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Das ist die eine große Chance und diese sollten wir gemeinsam - gemeinsam, meine Damen und Herren - nicht vergeben.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Konvent setzt sich aus Vertretern aller gesellschaftlich relevanten Gruppen zusammen, die mit dem System Schule in Beziehung stehen. Wenn dieses Gremium Empfehlungen mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet, dann ist das eigentlich ein Geschenk an die Politik, das wir annehmen sollten, und zwar dankbar.

(Zustimmung bei der SPD)