Protocol of the Session on October 9, 2008

Ich möchte die Bundesländer nicht noch einmal aufzählen - Frau Bull hat es bereits getan -, die schneller waren als wir. Trotzdem bin ich froh darüber, dass diese Beschlussempfehlung heute vorliegt. Ich bin noch mehr froh darüber, dass die Beschlussempfehlung in den entsprechenden Ausschüssen jeweils einstimmig gefasst wurde.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Darüber freue ich mich ganz besonders. Ich bin gespannt, wenn denn das Gesetz vorliegt - - Ich hoffe, das Gesamtgesetz wird rechtzeitig vorliegen, damit genügend Zeit für die Diskussion vorhanden sein wird. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass das nicht ganz so einfach vonstatten gehen wird wie mit dieser Beschlussempfehlung. Das sei am Rande erwähnt. Ich bin auch froh darüber, dass es bereits vorgezogene Dinge geben wird, die mit diesem Gesetzentwurf gefordert werden, sodass wenigstens bis dahin Klarheit bestehen wird.

Ich möchte es nicht versäumen, Folgendes zu erwähnen. Nicht nur ich, sondern sicherlich auch andere im Haus haben eine E-Mail vom Vorsitzenden des LSVD Sachsen-Anhalt Herrn Martin Pfarr erhalten, in der er sich ausdrücklich bedankt. Ich zitiere einmal daraus: Ich möchte es nicht versäumen, auch persönlich meinen Dank für das bislang Erreichte auszusprechen. Das gilt allen, die in den Ausschüssen mitgearbeitet haben und zu der vorliegenden Beschlussempfehlung gekommen sind.

Eines möchte ich noch sagen. Der Minister hat vollkommen Recht. Gesetze allein können das Verhalten der Menschen nicht ändern. Aber ich denke, wenn wir an dieser Stelle eine gesetzliche Regelung hinbekommen, dann ist es vielleicht auch für die Sensibilisierung und für das, was andere Menschen denken, eine Hilfe, um immer stärker zu erkennen, dass es egal ist, wie ein Mensch gestrickt ist; es ist und bleibt ein Mensch wie jeder andere. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Vielen Dank, Frau Schmidt. - Damit ist die Debatte beendet.

Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres in der Dr. 5/1523 ab. Wer stimmt zu? - Das sind sehr viele. Stimmt jemand dagegen? - Niemand. Stimmenthaltungen? - Auch niemand. Damit ist die Beschlussempfehlung ohne Gegenstimme und ohne Enthaltung so beschlossen worden.

(Zustimmung bei der SPD)

Der Tagesordnungspunkt 9 ist beendet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Beratung

Änderung der Besetzung des Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Beschluss des Landtages - Drs. 5/25/875 B

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 5/1509

Durch den vorliegenden Antrag in der Drs. 5/1509 soll der Beschluss zur Besetzung des Zehnten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses dahin gehend geändert werden, dass Frau Fischer ordentliches Mitglied und Herr Bischoff stellvertretendes Mitglied werden. Eine Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt ist nicht vorgesehen.

Damit komme ich zum Abstimmungsverfahren. Wer dem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind fast alle. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Bei den Abstimmungen müsste ein bisschen besser aufgepasst werden; denn ich kann diese nicht wiederholen und auch nicht nachfragen, ob einzelne Fraktionen dafür sind.

(Herr Stahlknecht, CDU: Die CDU ist dafür!)

- Das ist in Ordnung, Herr Stahlknecht.

(Herr Kosmehl, FDP: Immer?)

Damit ist der Antrag in der Drs. 5/1509 angenommen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung

Mindeststandards für ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz des Landes

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/1532

Einbringerin ist die Abgeordneter Frau Reinecke. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem Inkrafttreten der Föderalismusreform zum 1. September 2006 ist das Recht zur Regelung des Vollzuges der Untersuchungshaft in die Gesetzgebungskompetenz der Länder verlagert worden. Das Recht zur Regelung der Untersuchungshaft selbst, also die Voraussetzungen dafür, wie Strafverfahrenssicherungsmaßnahmen, fällt nach wie vor in die Kompetenz des Bundes.

Im Bereich des Vollzuges der Untersuchungshaft sieht die gesetzliche Lage bisher wie folgt aus. Im Strafvollzugsgesetz finden sich umfassende Bestimmungen über den Vollzug der Freiheitsstrafe. Zu den Bedingungen der Haft bei Untersuchungsgefangenen finden sich bisher auf Bundesebene, abgesehen von wenigen Einzelbestimmungen in der Strafprozessordnung, im Strafvollzugsgesetz und im Jugendgerichtsgesetz, keine gesetzlichen Regelungen. Der Untersuchungshaftvollzug wurde bisher im Wesentlichen durch zahlreiche untergesetzliche Vorschriften geregelt.

Um die bestehende Regelungslücke zu schließen, sollen nunmehr in einem Untersuchungshaftgesetz für Sachsen-Anhalt die Struktur von Haftbedingungen und die Ansprüche von Untersuchungshäftlingen verbindlich geregelt werden. Allerdings sind wir mit der Schaffung solcher gesetzlichen Bestimmungen nicht allein.

Das Land Sachsen-Anhalt beteiligt sich hierzu mit weiteren Bundesländern an einer so genannten Bund-LänderArbeitsgruppe. Das Zusammenspiel dieser Arbeitsgruppe hat sich bei der Erarbeitung eines inhaltlich übereinstimmenden Entwurfes zum Jugendstrafvollzugsgesetz bewährt. Sie erinnern sich daran. Elf Länder arbeiten in dieser Arbeitsgruppe zusammen. Das Ziel dabei ist es, weitgehend einheitliche Untersuchungshaftvollzugsgesetze zu erarbeiten.

Das Thema ist zu ernst, als dass es zur Zerreißprobe zwischen den Ländern kommen sollte. Die Tatsache, dass der Untersuchungshaftvollzug nun erstmalig durch ein umfassendes Gesetz gestaltet werden soll, ist ausdrücklich zu begrüßen. Ich denke, dass Sie mir an dieser Stelle bereits beipflichten können.

Der Untersuchungshaftvollzug ist ein komplexes und auch schwieriges Thema, und zwar nicht nur aufgrund der Vielzahl der Verfahrensbeteiligten, sondern auch aufgrund der rechtlichen Stellung der Verhafteten. Das Prinzip der Unschuldsvermutung, nach dem jeder Bürger und jede Bürgerin bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig zu gelten hat, erfordert es, dass bereits bei der Verhängung der Untersuchungshaft strenge rechtsstaatliche Maßstäbe angelegt werden.

Wenn auch viele der Verhafteten im Anschluss an die U-Haft in eine Strafhaft überwechseln, so gibt es auch einen nicht unerheblichen Teil von Verhafteten, die entweder zu einer Bewährungs- oder Geldstrafe verurteilt werden oder bei denen sich die Unschuld herausstellt. Hierauf muss sich der Vollzug der Untersuchungshaft genauso einstellen wie auf gefährliche Wiederholungstäter, bei denen die Beweislage erdrückend ist.

Um einen zeitgemäßen Vollzug bzw. Mindeststandards der Untersuchungshaft zu gewährleisten, finden sich im Antrag der Regierungskoalition Eckpunkte, die in dem Gesetzentwurf Berücksichtigung finden sollen. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde gern auf die einzelnen Punkte eingehen und diese auch kurz begründen.

Wie im Jugendstrafvollzugsgesetz des Landes sollten Entscheidungen nach dem Prinzip der Sachnähe getroffen werden. Der Richter soll nur noch über solche Sachverhalte entscheiden müssen, die zur ordnungsgemäßen Durchführung des Strafverfahrens erforderlich sind. Über Fragen des Vollzugs der Untersuchungshaft kann der Anstaltsleiter in eigener Verantwortung allein entscheiden. Die bisherige allumfassende Zuständigkeit des Richters ist weder sachgerecht noch verfassungsrechtlich geboten.

Es geht hierbei also um eine klare Kompetenzregelung. Klare Zuständigkeitsregelungen sind nämlich notwendig. In der täglichen Vollzugspraxis, also in den Haftanstalten, wird immer wieder kritisiert, dass die richterliche Zuständigkeit auch solche Entscheidungen umfasst, bei denen organisatorische Belange unter Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt im Vordergrund stehen.

Zur Besucherregelung. Wichtig ist, Untersuchungsgefangene grundsätzlich nicht schlechter zu stellen als Strafgefangene, soweit die Unschuldsvermutung und die unterschiedlichen Aufgaben der Haftarten einer Gleichbehandlung nicht entgegenstehen. Daher sollte die Mindestbesuchszeit von einer Stunde monatlich für Strafgefangene auch für Untersuchungsgefangene gelten.

Dies ist bisher nicht garantiert. Angesichts der Empfehlungen des Europäischen Antifolterausschusses sollte geprüft werden, die Mindestbesuchszeit eventuell auf zwei Stunden monatlich zu erhöhen.

Zu dem Punkt der Taschengeldregelung. In diesem Zusammenhang stellt sich auch eine sonstige Ungleichheit dar; denn mittellose Untersuchungsgefangene haben nach bisher geltender Rechtslage einen Anspruch auf Taschengeld gegen den Träger der Sozialhilfe. Die Höhe ist bislang allerdings gesetzlich nicht festgelegt. Das hat in der Praxis zu Taschengeldzahlungen in unterschiedlicher Höhe geführt. Auch hat sich eine zügige Durchsetzung der Ansprüche oftmals als schwierig erwiesen.

Zu dem Punkt Empfang von Paketen. Ich denke, hierzu ist anzumerken, dass entgegen den Regelungen im Strafvollzugsgesetz bestimmte Punkte nicht übernommen werden sollten, wenn sie sich nach Auffassung der Praxis nicht bewährt haben. Die bisherige Praxis mit der Paketregelung des Strafvollzugsgesetzes hat gezeigt, dass Pakete mit Nahrungs- und Genussmitteln permanent zum Einschmuggeln von verbotenen Gegenständen, Nachrichten und vor allem auch Rauschmitteln missbraucht werden und dies trotz intensiver Bemühungen nicht verhindert werden kann. Diese Erkenntnis hat das Land dazu bewogen, beim Jugendstrafvollzugsgesetz Konsequenzen zu ziehen und nur den seitens der Anstalt vermittelten Einkauf von Nahrungs- und Genussmitteln zuzulassen.

Die Unterbringungssituation. Hierzu sei angemerkt: Die Einzelunterbringung während der Ruhezeit, auf die Untersuchungsgefangene derzeit Anspruch haben, sollte schon wegen der Sicherungsfunktion der Untersuchungshaft beibehalten werden. Mehrfachunterbringung begünstigt zudem erfahrungsgemäß kulturelle Machenschaften und vor allen Dingen auch Gewalt von Gefangenen untereinander. Hierfür gab es Beispiele aus anderen Bundesländern, und ich denke, für die U-Haft sollte das auch gelten.

Umgekehrt hat sich in der Jugendanstalt Raßnitz der Wohngruppenvollzug bewährt. Deshalb sollte geprüft werden, ob auch junge Untersuchungsgefangene in Wohngruppen untergebracht werden können, zu denen neben den Hafträumen weitere Räume zur gemeinsamen Nutzung gehören sollten.

Ich möchte noch auf den Punkt 7 zur Teilnahme an Bildungsmaßnahmen eingehen. Erfahrungsgemäß weist ein hoher Anteil von Untersuchungsgefangenen Defizite in der Elementarbildung auf. Etliche Untersuchungsgefangene sind ohne Schulabschluss oder haben Lese- und Rechtschreibschwächen. Das wird immer wieder festgestellt. Der Ansatz, Untersuchungshaft in ein behandlungs- und erziehungsorientiertes Gesamtkonzept der Freiheitsentziehung einzubinden und so zu gestalten, dass sie den Gefangenen effektive Hilfestellungen bei der Bewältigung ihrer Probleme gewährt, könnte helfen, die negativen Folgen der Untersuchungshaft zu mindern.

Berücksichtigt man, dass ein nicht unbeachtlicher Teil der Untersuchungsgefangenen zu Freiheitsstrafen verurteilt wird, könnte gleichzeitig der Resozialisierungsprozess frühzeitiger in Angriff genommen werden. Ferner führt die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen zu sachgerechter und sinnvoller Tagesstruktur auch im Untersuchungshaftvollzug.

Insgesamt ist festzustellen, dass der Untersuchungshaftvollzug durch eine hohe Fluktuation gekennzeichnet ist. Täglich muss sich der Vollzug auf neue Situationen einstellen. Besonders aufwendig ist es, sich ein Bild von dem einzelnen Verhafteten zu machen. Dies wiederum erfordert umfangreiche Kenntnisse über die Persönlichkeit des Einzelnen. Nur wenn man sich intensiv mit jedem Einzelfall beschäftigen kann, können auch die richtigen Maßnahmen ergriffen werden.

Das bloße Wegsperren oder Wegschließen von Menschen, bei denen nicht einmal klar ist, ob sie sich einer Straftat schuldig gemacht haben - dieses Bild, denke ich, entspricht nicht den Vorstellungen von einer Untersuchungshaft. Ich gehe einfach davon aus, dass wir uns diesbezüglich in diesem Haus schon einig sind.

Deshalb werbe ich dafür: Lassen Sie uns an diesen Standards arbeiten! Ich bin der Meinung, dass es eine spannende Diskussion werden wird. Die Eckpunkte, die aufgezeigt werden, sind zu diskutieren. Wichtig ist, dass wir für das Land Sachsen-Anhalt zu einem entsprechenden Gesetz kommen.

Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag der Koalition zuzustimmen, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Stahl- knecht, CDU)

Frau Reinecke, es gibt eine Nachfrage von dem Abgeordneten Herrn Kosmehl. Würden Sie diese beantworten?

Ja.