Protocol of the Session on September 11, 2008

- Ich sage ja nur, wo unsere Schmerzgrenze ist. Dass die Eltern der Schüler der Klassen 1 bis 10 an den Kosten beteiligt werden, um die anderen zu entlasten, das wird es mit der SPD nicht geben.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich, Frau Hüskens, meine Damen und Herren von der FDP, hat uns der Wirtschaftsaufschwung in Deutschland bei der Haushaltskonsolidierung geholfen. Sicher

lich hätte man sich das auch schon vor vier Jahren gewünscht, wenn man zu diesem Zeitpunkt regiert hat. Das ist so. Das will ich gar nicht in Abrede stellen.

Aber - da bin ich wieder beim Finanzminister - man muss diese Umstände auch nutzen. Man muss sie nutzen wollen und man muss sie zu nutzen wissen. Man darf eine solche Chance nicht vergeuden. Wir sind gemeinsam nicht der Versuchung erlegen, den Fehler von gestern zu wiederholen und nur über die Ausgaben zu reden.

Nein, Überschriften wie „SPD-Finanzminister will Lehrerstellen streichen“ gefallen mir nicht. Nein, sie gefallen mir nicht. Aber - das ist offensichtlich der Unterschied zwischen uns und der FDP - wir haben als Abgeordnete nicht bloß die Verantwortung für diese Legislaturperiode, für die wir gerade gewählt sind, sondern wir haben die Verantwortung für die Zeit darüber hinaus.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Frau Dr. Hüs- kens, FDP)

Wir müssen darüber nachdenken, was die Entscheidungen von heute nicht nur in den Jahren bis 2011 an Wirkungen haben werden, sondern auch darüber, was danach an Wirkungen kommen wird. Wir haben die Verantwortung für den gesamten Zeitraum, der unsere Entscheidungen betrifft und in den unsere Entscheidungen hineinwirken. Wir haben auch die Verantwortung für unsere Kinder; denn sie können sich gegenwärtig nicht wehren. Sie können nicht mit einer schönen Zeitmaschine in zehn oder 20 Jahren zurückreisen und sagen: Das habt ihr damals falsch gemacht. - Möglicherweise haben wir da andere Ansätze. Das sehe ich als verantwortungsvolle Politik an.

Es gibt ja, Gott sei Dank, mittlerweile den demografischen Grundkonsens in unserer Gesellschaft. Der ist elementarer Bestandteil des Generationenvertrages. Vielleicht versteht man unter diesem demografischen Grundkonsens unterschiedliche Dinge. Für mich ist wichtig, dass das dazu führt, dass die sozialen Sicherungssysteme auch in Zukunft funktionieren und nicht in fünf oder zehn Jahren kollabieren.

Konsolidieren, investieren, vorsorgen. Das Investieren ist natürlich ein sehr zentraler Bestandteil der Politik. Deshalb will ich auch mit dem Märchen aufräumen, das die Opposition, gerade die Kollegen von der LINKEN, schon wieder verbreitet. Sie tun so, als hätte die Regierung, namentlich der Finanzminister, nur die schwarze Null im Kopf und würde das Land dabei vor die Hunde gehen lassen, weil kein Geld für die Zukunftssicherung übrig bliebe. Sie tun so, als handelte es sich um seelenlose Zahlenakrobatik oder um Haushaltskonsolidierung um ihrer selbst willen.

Kollege Gallert hat das heute ein Stück weit relativiert und auch bestimmte andere Bereiche aufgezeigt. Dafür bin ich dankbar, weil ich glaube, dass es für einen solchen konsequenten und langfristigen Kurs nur breite Mehrheiten in diesem Parlament geben kann und geben darf, damit das in anderen Legislaturperioden nicht infrage gestellt wird.

Hochschulfinanzierung 400 Millionen €, Sicherung des Personalbestandes an den Hochschulen, Hochschulbau 566 Millionen €, Infrastruktur 600 Millionen €, Hochbau 1,3 Milliarden € - ich will nicht alle Zahlen wiederholen, die der Finanzminister vorhin genannt hat. Wenn wir all

das zusammenzählen und noch die anderen Mittel, die für die Bildung im Haushalt vorgesehen sind, als Investitionen dazurechnen, dann ist die Summe der Mittel, die in Zukunft für Investitionen eingesetzt werden, noch viel größer.

Wir waren uns ja zwischenzeitlich darüber einig, dass wir keine Zahlenspielereien mit der Investitionsquote mehr machen wollen. Ich glaube, diese Zeit haben wir lange überwunden. Darüber haben Herr Gürth und ich uns zehn Jahre lang gestritten. Ich glaube, das haben wir überwunden.

Wir investieren und haben neue Spielräume geschaffen, um Geld für die Bereiche in die Hand zu nehmen, in denen es dringend gebraucht wird. Natürlich wäre mehr immer besser. Das gilt immer und überall. Aber man kann nur mit dem arbeiten, was man hat, und man kann jeden Euro im Landeshaushalt nur einmal ausgeben.

Das werden auch die Oppositionsfraktionen nicht ändern können. Auch meine geschätzten Kollegen von der LINKEN werden es nicht ändern können. Ich bin froh, dass es Berlin gibt, wo auch die LINKEN, wenn sie in der Regierung sind, die Konsolidierung ganz streng mittragen, die noch zu ganz anderen Konsequenzen in der Personalwirtschaft führt.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Herr Gal- lert, DIE LINKE: Weil die Kollegen von der CDU uns einen solchen Mist hinterlassen haben!)

Deshalb bitte ich darum, nicht den Eindruck zu vermitteln, die Regierung hielte nur mühsam das Tagesgeschäft aufrecht und kümmerte sich nicht um die Zukunft des Landes. Das ist nicht nur falsch, das verängstigt auch die Menschen im Land.

Um den Aufbau eines leistungsfähigen Bildungssystems in Sachsen-Anhalt zu bewerkstelligen, hat der Landtag den Bildungskonvent einberufen. Der Konvent arbeitet gut und wir haben bereits Empfehlungen für die frühkindliche Bildung, zum Schulbau, zu den berufsbildenden Schulen und zu den Bildungschancen.

Ich will an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich sagen, was der Sinn und Zweck dieses Konvents ist. Ich weiß, dass das hier schon mehrmals thematisiert worden ist. Aber es hat mich schon geärgert, dass im Sommer einzelne Konventsmitglieder jenseits der inhaltlichen Kritik in der Sache die Arbeit des Gremiums an sich infrage gestellt haben.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der FDP: Das kann man auch!)

Das ist dem Konvent und seinen engagierten Mitgliedern nicht angemessen. Daher denke ich, dass eine Klarstellung Not tut. Herr Tullner, Sie haben an der falschen Stelle Ihr Mütchen gekühlt.

Die zentrale Aufgabe des Bildungskonvents besteht darin - darin sind wir uns wohl im Raum hier einig -, Empfehlungen für ein dauerhaftes, tragfähiges, international ausgerichtetes, chancengerechtes und leistungsfähiges Schulsystem zu erarbeiten, und zwar unabhängig von der Tagespolitik.

Am Konvent wirken Wissenschaftler, Lehrer, Elternverbände, Abgeordnete und Ministeriale mit - also alle Gruppen, die im Bildungssystem arbeiten, forschen, leben oder die es zu gestalten haben. Wir bekommen damit Empfehlungen, die fachlich fundiert sind und die auf

einer breiten - das ist das Wichtigste - gesellschaftlichen Basis stehen.

Dafür sorgen sowohl die Zusammensetzung des Konventes als auch die mit zwei Dritteln sehr hohen Quoren, die für die Beschlussfassung im Plenum des Bildungskonventes notwendig sind. Wenn die Empfehlungen vorliegen, ist es dann an uns als Parlament, diese Empfehlung umzusetzen. Das - daran darf ich erinnern - war der Anspruch.

(Herr Scharf, CDU: Es gibt gar keinen Zusam- menhang!)

- Warten Sie doch erst einmal! - Dazu haben wir den Bildungskonvent ins Leben gerufen.

Für uns als SPD ist völlig klar, dass wir die Empfehlungen umsetzen wollen. Wir wollen und werden die Arbeit des Konvents nicht infrage stellen. Für uns stellt sich daher nicht die Frage, ob und welche Empfehlungen wir umsetzen wollen, sondern wie und in welchen Schritten.

Ich glaube, dass sich die CDU noch nicht im Klaren darüber ist, ob sie mit uns in einer nächsten Legislaturperiode über das Wie und die Schritte reden will, oder ob sie das Ob infrage stellt, weil sie andere inhaltliche Vorstellungen vom Bildungssystem hat.

(Frau Feußner, CDU: Dann glauben Sie einmal weiter, weil Sie es nicht wissen!)

Wir können auch ganz ehrlich miteinander reden. Hätten wir nicht so unterschiedliche Vorstellungen über das Bildungssystem, dann hätten wir schon andere Schritte im Koalitionsvertrag vereinbart. Das war nicht machbar. Deshalb haben wir gesagt, wir loten einen breiten gesellschaftlichen Konsens aus und fragen, was für ein Bildungssystem gewünscht ist. Darüber werden wir diskutieren müssen.

(Zuruf von Frau Feußner, CDU)

Mir ist völlig klar, dass es CDU-Politiker gibt, die das inhaltlich infrage stellen. Aber mir ist auch klar, dass das nicht alle CDU-Politiker infrage stellen. Ich weiß durchaus, dass es auch in den Reihen der CDU für Veränderungen im Bildungssystem Sympathien gibt.

Ich weiß auch, dass es den Kollegen von den LINKEN nicht schnell genug gehen wird und dass sie versuchen werden, uns zu treiben, und dass sie das auch tun werden. Eine Umsetzung ist aber nur möglich, wenn wir die entsprechenden Mittel haben. An dieser Stelle sagen wir: Über eine Verschuldung wollen wir es nicht, sondern über das Freiräumen von Spielräumen, die dafür zur Verfügung stehen.

(Beifall bei der SPD)

Diese hat der Finanzminister heute genannt. Es wird vermutlich nicht so schnell gehen oder ganz sicher nicht so schnell gehen, wie Sie es sich vorstellen.

Die nächste Aufgabe des Bildungskonventes ist noch viel brisanter; denn es ist das Thema Strukturveränderungen. Jeder weiß, dass Strukturveränderungen ein gutes Mittel sind, um zu effektivieren, zu optimieren und Chancen zu verbessern. So ist das auch in der Bildungspolitik. Wir werden uns darüber streiten und uns damit auseinandersetzen müssen. Ich glaube, dass mit Strukturveränderungen auch eine finanziell bessere Situation zustande kommen wird, also dass wir auch mit weniger Mitteln ein besseres Bildungssystem finanzieren

können, wenn wir zusätzlich Strukturen verändern. Das werden wir diskutieren müssen.

(Herr Gürth, CDU: Aber nicht bei der Gesamt- schule!)

Ich bin nicht davon überzeugt, dass wir etwas davon in dieser Legislaturperiode umsetzen können. Aber es zeichnet die SPD möglicherweise auch aus, dass sie darüber hinausdenkt. Dann muss man sich die Partner suchen, die mit darüber hinausdenken.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang habe ich mit Interesse die Sommerinterviews und sonstige Äußerungen der Partei- und Fraktionsvorsitzenden gelesen. - Herr Höhn, mir ist so ein kleiner verschämter Satz in einem Interview aufgefallen - er ist nicht anwesend, dann nenne ich ihn den anderen -: „Die schwarze Null bei der Neuverschuldung ist für uns kein Dogma.“

Das sollten Sie laut und deutlich sagen. Das hat Herr Gallert heute auch getan. Ich bin für Offenheit und Ehrlichkeit. Sie wollen neue Schulden - ich sage das ganz deutlich -, weil Sie sonst nicht wissen, wie Sie das im bestehenden System bezahlen wollen.

(Herr Gallert, DIE LINKE, hebt seine Stimmkarte)

- Die musst du gar nicht hochheben. - Ich weiß, dass man in der Bundesrepublik etwas ändern könnte, um die Einnahmesituation zu verändern, aber in dem System, in dem wir uns jetzt bewegen, gibt es keine Antwort außer Schulden. Das ist für uns eben nicht die Antwort.

(Beifall bei der SPD)

Auf der einen Seite sagen Sie von der Linken, und das mit viel Überzeugung: Die Aufnahme von neuen Schulden ist notwendig; ohne die geht es gar nicht. Auf der anderen Seite kritisieren Mitglieder Ihrer Fraktion die maßvollen Schätzungen und Prognosen des Finanzministers, die darauf beruhen.

Frau Dr. Klein, eine von mir sehr geschätzte Kollegin, hat dazu gesagt:

„Die Beendigung der Neuverschuldung wie auch die geplante Schuldentilgung beruhen ausschließlich auf den erhofften Steuermehreinnahmen. Wendet sich das Blatt, wird man neu berechnen müssen. Was bleibt, ist ein ungedeckter Scheck.“

Die Aussage ist okay; denn wenn sich irgendwelche Parameter verändern, dann verändert sich natürlich auch das Ergebnis. Die Frage ist nur, wie diese beiden Aussagen zueinander passen. Wenn das eine nicht akzeptiert wird, weil es ein ungedeckter Scheck ist, wie hoch ist dann die Unterdeckung auf dem Scheck, wenn wir alles mit Schulden bezahlen?