Protocol of the Session on June 27, 2008

Man muss darüber diskutieren, welches die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind. Diesbezüglich sehe ich Alternativen zu den Modellen, die Sie entwickelt haben. Das ist kein grundsätzlich anderes Modell, aber es gibt immer Alternativen bezüglich der Frage: In welche Richtung sollte man noch etwas mehr nachdenken?

Das zur Ergänzung. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Meine Damen und Herren! Meldungen zu weiteren Debattenbeiträgen sehe ich jetzt nicht. Wir sind damit am Ende der Aktuellen Debatte. Beschlüsse werden bekanntlich nicht gefasst. Ich verlasse diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

a) Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und zur Förderung der frühkindlichen Bildung

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 5/1331

b) Beratung

Position der Landesregierung zur Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/1321

Den Gesetzentwurf der Landesregierung wird Frau Ministerin Dr. Kuppe einbringen. Die FDP-Fraktion hat signalisiert, dass sie den Antrag im Rahmen des Debattenbeitrags einbringen wird. Frau Ministerin, Sie haben jetzt das Wort zur Einbringung des Gesetzentwurfs. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen Abgeordnete! Zahlreiche wissenschaftliche Studien und Berichte über Lebenslagen und Entwicklungen

von Kindern, aber auch Einzelfälle extremer Vernachlässigung und Gewalttaten an Kindern weisen nachdrücklich darauf hin, dass nicht für alle Kinder ein gesundes Aufwachsen und eine gute Förderung ihrer Entwicklung selbstverständlich sind. Offenbar gibt es Umstände, die es insbesondere Eltern mit Kleinkindern zum Teil schwer machen, mit den Anforderungen des Erziehungs- und Familienalltags zurechtzukommen. Hieraus erwächst ein erhöhtes Maß an öffentlicher Verantwortung für das Aufwachsen der Kinder von Anfang an.

Artikel 6 des Grundgesetzes und Artikel 11 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt schreiben das Recht und die Pflicht der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder fest und übertragen der staatlichen Gemeinschaft das Wächteramt. Die staatliche Gemeinschaft ist herausgefordert, sich familienunterstützend an der positiven Entwicklung und Entfaltung der Kinder durch Prävention und Förderung aktiv zu beteiligen und damit insbesondere auch die körperliche, geistige und seelische Unversehrtheit der Kinder zu gewährleisten.

Der vorgelegte Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und zur Förderung der frühkindlichen Bildung hat das Ziel, den Kinderschutz in Sachsen-Anhalt zu verbessern, Kinder effektiver vor Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung zu schützen und die Förderung von Kindern zu erweitern.

Bereits im Jahr 2006 forderte der Bundesrat mit insgesamt drei Entschließungen die Bundesregierung auf, eine entsprechende bundesrechtliche Regelung für den besseren Schutz von Kindern einzuführen. Die Bundesregierung verneinte eine Regelungskompetenz auf Bundesebene. Daraufhin vereinbarte die Ministerpräsidentenkonferenz in ihrer Sitzung im Dezember 2007, dass es in allen Bundesländern ein Einladungssystem zu Vorsorgeuntersuchungen für Kinder geben soll.

Mittlerweile sind die Kinderrichtlinien des gemeinsamen Bundesausschusses, in denen die Früherkennungsuntersuchungen U1 bis U9 geregelt sind, dahin gehend ergänzt worden, dass bei erkennbaren Anzeichen einer Kindesvernachlässigung oder -misshandlung der untersuchende Arzt oder die Ärztin die notwendigen Schritte einzuleiten hat.

Außerdem tritt zum 1. Juli 2008 eine zusätzliche Untersuchung, die U7a, im 34. bis 36. Lebensmonat als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Kraft.

Darüber hinaus ist mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung, das zum 1. Januar 2009 in Kraft treten soll, vorgesehen, dass die Krankenkassen im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen im Land auf eine Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen hinzuwirken haben. Dazu sollen gemeinsame Rahmenvereinbarungen geschlossen werden.

Meine Damen und Herren! Zu den Maßnahmen zur Verbesserung des Kindeswohls und des Gesundheitsschutzes, die in Ergänzung dieser Entwicklung auf Bundesebene primär in die Zuständigkeit der Länder fallen, zählen unter anderem Einlade-, Rückmelde- und Erinnerungssysteme zu den Früherkennungsuntersuchungen, was sich in dem vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Kindern und zur Förderung der frühkindlichen Bildung wiederfindet.

Schwerpunkte des Gesetzentwurfes sind die Einführung eines Einladungswesens für Früherkennungsunter

suchungen, verbesserte, die Jugendhilfe übergreifende Vernetzungen und Kooperationen, weitere Maßnahmen zum Schutz von Kindern sowie Maßnahmen zur Unterstützung von Familien und zur Förderung der frühkindlichen Bildung.

Im Rahmen der Einführung eines Einladungswesens für Früherkennungsuntersuchungen wird eine zentrale Früherkennungsstelle beim Landesamt für Verbraucherschutz eingerichtet, die zur Teilnahme an den festgelegten Untersuchungen einlädt. Diese Stelle erhält von den Kinderärztinnen und -ärzten Meldungen über durchgeführte Früherkennungsuntersuchungen. Diese werden mit den von den Meldungsämtern an die zentrale Früherkennungsstelle übermittelten Meldedaten abgeglichen.

Die gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter der Kinder, die nicht zu einer Früherkennungsuntersuchung vorgestellt wurden, werden von der zentralen Früherkennungsstelle aufgefordert, diese Untersuchung nachzuholen. Also nur diese Erziehungsberechtigten betrifft es.

Wenn nach einer angemessenen Zeit keine Rückmeldung durch einen Kinderarzt oder eine -ärztin über die Durchführung dieser Untersuchung erfolgt, werden die Daten von der zentralen Früherkennungsstelle an das für das betreffende Kind zuständige Jugendamt übermittelt, welches dann über weitere Maßnahmen zur Abwendung einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls im Rahmen des geltenden § 8a des Sozialgesetzbuches VIII entscheidet.

Die Wirkung des Einladungs- und Erinnerungsverfahrens für diese Früherkennungsuntersuchungen soll zwei Jahre nach Inkrafttreten der Regelung umfassend evaluiert werden.

Der verpflichtende Aufbau lokaler Netzwerke Kinder- und Jugendschutz soll gewährleisten, dass es landesweit zu einer besseren Zusammenarbeit der mit Kindern befassten öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen kommt und damit der Kinderschutz in den Landkreisen und kreisfreien Städten verbessert wird.

Die Förderung des Fehlbildungsmonitorings als weitere Maßnahme des Kinderschutzes wird ebenfalls aufgenommen. Darüber hinaus werden Regelungen zu Schweige- und Geheimhaltungspflichten sowie zu den Befugnissen zur Unterrichtung des Jugendamtes im Hinblick auf die Gefährdung des Kindeswohls festgeschrieben.

In diesem Zusammenhang werden unter anderem das Gesundheitsdienstgesetz des Landes Sachsen-Anhalt, die Hebammenberufsordnung, das Gesetz über die Kammern für Heilberufe Sachsen-Anhalt und das Krankenhausgesetz Sachsen-Anhalt geändert, und insbesondere die Verpflichtung zur Zusammenarbeit der örtlichen Träger der Jugendhilfe, des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der Gesundheitsberufe betont.

Daneben wird mit dem Gesetzentwurf ab dem Kindergartenjahr 2009/2010 für alle Kinder ein Sprachstandsfeststellungsverfahren im vorletzten Jahr vor der Einschulung mit gegebenenfalls anschließender Sprachförderung eingeführt, um zu verhindern, dass eine zu geringe Sprachkompetenz die gesamte Bildungsbiografie eines Kindes beeinträchtigt und seine Integration in die Gesellschaft behindert.

Sprache ist von zentraler Bedeutung für die Aufnahme, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen. Sie ist eine wesentliche Grundlage für die soziale Interaktion

und für die Gestaltung einer individuellen Umwelt. Eine gut entwickelte Sprachkompetenz ist ein Schlüssel für erfolgreiche Lern- und Bildungsprozesse. Daher sind ab dem Kindergartenjahr 2009/2010 bei allen Kindern im Alter zwischen vier und fünf Jahren Sprachstandsfeststellungen vorgesehen. Die Teilnahme ist als ausgelagerter Bestandteil der Schuleingangsuntersuchung verpflichtend.

Soweit es bei einem Kind erforderlich ist, wird es im letzten Jahr vor der Einschulung an einer gezielten Sprachförderung teilnehmen. Die Verpflichtung zur Teilnahme wird im Schulgesetz verankert.

Mit der Durchführung der Sprachstandsfeststellung und der gezielten Sprachförderung werden die Kindertageseinrichtungen beauftragt. Die Vertrautheit mit der Umgebung sowie mit den Erzieherinnen und Erziehern sowie deren Qualifikation bieten eine verlässliche Basis für eine erfolgreiche Durchführung. Die Sprachförderung wird zu einer Verringerung des Anteils sprachauffälliger Kinder führen und ihre Chancen auf eine positive schulische und berufliche Entwicklung verbessern.

Die verpflichtende Sprachstandsfeststellung für alle Kinder im vorletzten Jahr vor der Einschulung wie auch die Durchführung einer erforderlichen Sprachförderung bedingen einen zusätzlichen Personalaufwand bei den Trägern der Einrichtungen. Dieser Personalaufwand ist wegen des Konnexitätsprinzips vollständig durch das Land auszugleichen.

Daneben sollen als Bestandteil des allgemeinen Bildungsauftrages von Kindertagesstätten alle Kinder des letzten Kindergartenjahres besser auf die Schule vorbereitet werden. Daher ist vorgesehen, ab September 2008 allen Kindertageseinrichtungen zusätzliche Stundenkontingente für Vor- und Nachbereitungsstunden zur Verfügung zu stellen, und zwar durchschnittlich zwei Stunden pro Einrichtung und Woche.

Meine Damen und Herren! Das Kinderförderungsgesetz wird auch mit der Maßgabe geändert, dass zukünftig alle Eltern bei der Aufnahme ihres Kindes in eine Kindertageseinrichtung zusätzlich zur Bescheinigung über die gesundheitliche Eignung des Kindes zum Besuch der Tagesstätte eine Bescheinigung über die Teilnahme an den Früherkennungsuntersuchungen vorlegen müssen.

Das ist eine zusätzliche Erinnerung, bedeutet aber nicht, dass Kinder ohne Früherkennungsuntersuchung vom Kita-Besuch ausgeschlossen werden. Dann würden wir genau das Gegenteil von dem erreichen, was wir wollen. Wir wollen einen verbesserten frühzeitigen Schutz für die Kinder und wir wollen Eltern frühzeitig Hilfen anbieten.

Mit dieser Regelung kommen wir zugleich einem Auftrag des Landtages nach.

Ferner verpflichtet sich das Land Sachsen-Anhalt zu einer Beteiligung an der Fortbildung von Fachkräften der Kinderbetreuung und der Kinderförderung zu Kinderschutzfachkräften, damit diese Fachkräfte Anzeichen von Verwahrlosung oder Misshandlung von Kindern besser erkennen.

Weiterhin erhält der Expertenrat auf Landesebene, die „Allianz für Kinder“, eine gesetzliche Legitimation.

Der Gesetzentwurf mit den darin beschriebenen Maßnahmen ist eingebettet in eine Reihe weiterer Initiativen und Aktivitäten zur Verbesserung des Kinderschutzes, die keiner gesetzlichen Grundlage bedürfen. Dies sind

beispielsweise das Familienhebammenprojekt, die Einrichtung von Kinder-Eltern-Zentren, die Förderung weiterer Modellprojekte, frühe Hilfen für Familien, die Förderung von Beratungsstellen und Familienzentren, die Leitfäden zum Erkennen von Gewalt an Kindern sowie eine Öffentlichkeitsarbeit, die zu einer erhöhten Sensibilisierung der Bevölkerung für das Thema Kinderschutz führen soll.

Meine Damen und Herren! Das erforderliche Anhörungsverfahren ist durchgeführt worden. Es sind insgesamt 90 Verbände und Einzelpersonen um ihre Stellungnahmen gebeten worden. Darunter befinden sich unter anderem die kommunalen Spitzenverbände, die Liga der Freien Wohlfahrtspflege, Landesbehörden, Verbände aus dem Familien-, Kinder- und Jugendbereich, Krankenkassen, Kirchen Gewerkschaften, Kammern und Vereinigungen sowie die Mitglieder des Expertenrates „Allianz für Kinder“. Eingegangen sind 32 Stellungnahmen. Ich will auf einige Punkte eingehen, die mehrfach genannt worden sind.

Aus der Sicht des Landesbeauftragten für den Datenschutz und anderer sind Kernpunkte der datenschutzrechtlichen Betrachtungen die Fragen, ob die vorgesehenen Regelungen zum Einladungswesen für Früherkennungsuntersuchungen hinsichtlich der vollständigen Erfassung der Eltern und Kinder verhältnismäßig sind, der Zweck des verbesserten Kinderschutzes mit Vorsorgeuntersuchungen erreicht werden kann und der Vertrauensschutz als Basis der Jugendamtsarbeit bestehen bleibt.

Diese Fragen werden nach sorgfältiger Prüfung auch im Vergleich mit den in anderen Bundesländern schon bestehenden Regelungen bejaht. Zwar wird der Auffassung auch von unserer Seite zugestimmt, dass mit den vorgesehenen Datenübermittlungen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten eingegriffen wird, dem steht jedoch aus der Sicht der Kinder insbesondere das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gegenüber. Dieses umfasst den Schutz von Kindern vor Vernachlässigung, soweit sie die Gesundheit gefährdet oder beeinträchtigt.

Die Vertrauensbasis zwischen Jugendamt und Eltern wird durch dieses Verfahren nicht verletzt. Das Jugendamt wird hierbei als Partner der Eltern und als Wächter, die Gesellschaft vertretend, zum Wohl des Kindes tätig.

Des Weiteren wird teilweise die Auffassung vertreten, dass den Jugendämtern mit dem Gesetz über Maßnahmen zur Stärkung des Wohls von Kindern und Jugendlichen und zur Förderung der Kindergesundheit neue Aufgaben zugewiesen werden, die eine Kostenerstattungspflicht im Rahmen der Konnexität nach Artikel 87 Abs. 3 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt auslösen.

Die §§ 1 bis 3 in Artikel 1 des Gesetzentwurfes beschreiben jedoch keine neuen Aufgaben, die das Konnexitätsprinzip zur Folge hätten. Diese Regelungen umfassen lediglich Konkretisierungen bestehender bundesrechtlicher Vorschriften, insbesondere der §§ 4, 8a, 78 und 81 des Sozialgesetzbuches VIII.

Schließlich wird im Zusammenhang mit den Regelungen zur Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung von manchen Kita-Trägern befürchtet, dass damit die im Bildungsprogramm des Landes verankerte Sprachförderung obsolet wäre.