Protocol of the Session on June 27, 2008

Gerade diese für Flächenländer enorme Haushaltslast, diese Schuldenlast, diese Pro-Kopf-Schuldenlast wird in der Gewichtung in diesem Ranking ganz stark nach vorn getrieben. Das ist unser ganz großes Problem auch für die nächsten zehn, 15, 20 Jahre.

Ich denke, eigentlich sagt dieses Ranking nur eines aus, nämlich dass wir unsere Hausaufgaben machen müssen und dass wir im Hinblick auf Konsolidierungsfragen über

alle Fraktionen hinweg gemeinsam handeln müssen und nicht nachlassen dürfen.

(Zustimmung bei der CDU, von Frau Fischer, SPD, und von Minister Herrn Dr. Daehre)

Des Weiteren ist von Detlef Gürth das Problem des Wohlstands schon richtig benannt worden. Ja, wir haben normiert - einschließlich der Jahresarbeitszeiten - die höchste Bruttowertschöpfung pro Arbeitsplatz in Ostdeutschland. Dies ist nicht durch die geringsten Löhne erkauft, sondern wir sind im Lohnniveau im guten Mittelfeld. Aber wir sind insgesamt an dieser Stelle in einem Bereich angesiedelt, in dem die Kaufkraft, das Wohlstandsniveau eben mit dem korreliert, was in der Statistik an Gesamtstandortfaktoren festgemacht wird. Deswegen hängen wir auch hinten.

In meinem gestrigen Redebeitrag zur sozialen Marktwirtschaft habe ich gesagt, das ist die nächste Aufgabe, die wir erfüllen müssen - in Anführungsstrichen -, soweit das Politik überhaupt kann, aber akklamatorisch kann sie es in jedem Fall. Wir müssen die Lohnentwicklung in Ostdeutschland und in Sachsen-Anhalt als entscheidenden Punkt für die Zukunft dieses Landes sehen, wenn wir die Demografie in den Griff bekommen wollen, wenn wir den Fachkräftebedarf der Wirtschaft abdecken wollen und wenn wir letztendlich auch insgesamt die Nachfrage nach Dienstleistungen erhöhen wollen, die uns in diesem Ranking negativ auf die Füße fällt, weil schlicht und einfach die Dienstleistungsqualität und das Dienstleistungsvolumen sehr stark mit der Finanzmasse, die vorhanden ist, korreliert. Dies ist dringend entwicklungsbedürftig.

Zu der Investitionsquote kann ich nur Folgendes sagen: Wir haben in diesem Halbjahr schon eine Investitionssumme eingebucht, die nicht einmal in Spitzenjahren der Vorgängerregierung möglich war. Das ist nicht die Schuld des früheren Wirtschaftsministers und das ist nicht nur - in Klammern - mein Verdienst, dass wir jetzt besser sind. Wir haben hervorragende Bedingungen. Ich will einfach, dass dieses Land im Hinblick auf diese Rankings, die über drei oder vier Jahre ermittelt wurden, nicht schlechtgeredet wird, weil die aktuelle Wirtschaftsbilanz ganz hervorragend aussieht.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn Sie sich die Entwicklung der Industrie allein in den ersten vier Monaten ansehen und 2007 mit 2008 vergleichen, dann ist dort eine Steigerung zu verzeichnen. Die Auslandsumsätze sind um 20 % gestiegen. Ich könnte Ihnen die einzelnen Branchen aus der Mitteilung des Landesamtes für Statistik vorlesen: plus 18 %, plus 8 %, plus 5 %, plus 12 %, plus 6 %. Das sind die einzelnen Branchen. Ich will es Ihnen aus Zeitgründen jetzt ersparen. Allein der Maschinenbau ist um 19,1 % gewachsen. Die Beschäftigung ist gegenüber dem Vergleichszeitraum um 9 300 gewachsen.

Ich sage einmal, wenn wir das eigentliche Problem, welches sich durch dieses Ranking zieht, überhaupt in den Griff bekommen wollen, nämlich die Bevölkerungsentwicklung, die Zukunftsfähigkeit, die demografische Komponente - das ist ein ganz stark gewichteter Faktor -, die Zukunftsfähigkeit einer Region auch in der Dynamik, wenn wir das hinbekommen wollen, dann müssen wir die Zahlen einmal fair fraktionsübergreifend nach vorn stellen und stolz darauf sein, dass wir in Ostdeutschland volkswirtschaftlich die Nummer 1 geworden sind.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Ich möchte in dem Land, welches Sie vorhin zu skizzieren versucht haben, auch nicht leben. Ich lebe aber sehr gern in Sachsen-Anhalt. Das ist das schönste Land in Deutschland,

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und von der Regierungsbank)

weil es bezüglich der Wirtschaftsdaten das dynamischste ist. Das müssen wir nach vorn stellen, damit wir den jungen Leuten das Signal geben, dass sich Leistung lohnt - das ist ein alter liberaler Grundsatz, den ich verinnerlicht habe - und dass gezeigte Leistung Erfolge bringt, dass wir auf Wachstumskurs sind und dass unsere jungen Menschen eine Chance haben. In diesem Jahr werden wir auf dem Ausbildungsmarkt nicht einmal alle Ausbildungsstellen besetzen können.

Das ist, denke ich, die richtige Botschaft. Dann bekommen wir auch die Demografie in den Griff und dann werden wir auch in diesem Ranking - auch im Bestandsranking -, weil die Gewichtung so ist, wie sie ist, ganz deutlich nach vorn kommen.

Wir können froh darüber sein, dass wir zumindest in den Jahren mit den unkorrigierten Wachstumszahlen auf Platz 2 waren. Aber ich sage Ihnen, auf den Plätzen, auf denen wir jetzt stehen, weil wir eben eine erfolgreiche Regierungsarbeit machen, werden wir nicht stehen bleiben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Herr Minister, Ihre emotionale Rede hat zu Fragen angeregt. Mir liegen drei Anmeldungen zu Fragen vor. Ich nehme an, Herr Kosmehl wird auf jeden Fall reden. Weitere Fragesteller sind Herr Gallert und Frau Rogée. Herr Kosmehl, Sie haben Geburtstag, fragen Sie heute.

(Minister Herr Dr. Haseloff: Herzlichen Glückwunsch!)

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Minister, ich habe eine Frage. Sie waren auch in den Jahren 2002 bis 2006 in der Verantwortung im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit. Ich würde Sie gern zu den Arbeitsmarktzahlen und zur Arbeitslosenquote befragen, weil das eine Zahl war, die mich zumindest stutzig gemacht hat.

Über einige Jahre - das hat auch gedauert - ist es der Vorgängerregierung gelungen, Mecklenburg-Vorpommern zu überholen. In einem Monat waren wir sogar vor Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Dann hatten wir sogar ein bisschen Abstand zwischen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gelegt. Seit dem Regierungswechsel - nicht taggenau, sondern das begann dann - ist der Vorsprung geschrumpft, und jetzt müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir erstmals in der Saison, was wir seit dem letzten Jahr der Regierung Böhmer/Rehberger nicht mehr hatten, wieder hinter Mecklenburg-Vorpommern liegen.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

- Nein, seit dem Jahreswechsel 2005/2006, Herr Gürth, haben wir die Rote Laterne nicht mehr bekommen. Das ist jetzt meine Frage: Wie schätzen Sie den Umstand ein, dass wir Mecklenburg-Vorpommern wieder vorbei lassen mussten?

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Herr Kosmehl, eine ganz klare Antwort darauf: Das erste Mal haben wir Anfang 2006 für das Kalenderjahr 2005 mit 0,1 Prozentpunkten Abstand die Rote Laterne nicht mehr gehabt. Das gelang - das kann ich Ihnen ganz klar sagen - durch sehr, sehr intensiven, von mir betriebenen Einsatz der aktiven Arbeitsmarktinstrumente.

(Beifall bei der CDU)

Seit 2006 haben wir durchgängig bei vergleichbaren Entlastungswirkungen im Jahresdurchschnitt die Rote Laterne nicht gehabt. Wir werden sie auch in diesem Jahr im Jahresdurchschnitt nicht bekommen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein offenes Buch. Wir können die Zahlen ganz klar prognostizieren. Wir wissen genau, woran es liegt. Das ist nun einmal der Saisoneffekt, der in diesem Jahr zu Pfingsten angefangen hat. Wenn Sie sich die Entwicklung auch in diesem Monat ansehen - ich habe das schon einmal hochgerechnet -, stellen Sie fest, dass wir selbst in einem Hochsaisonmonat fast auf Augenhöhe mit Berlin und Mecklenburg-Vorpommern sind.

Ich spreche sogar momentan von günstigeren Saisonarbeitsmarktzahlen im Quervergleich, weil bei uns die Touristik wahrscheinlich auch nicht so schlecht Einzug gehalten hat bzw. auch arbeitsmarktpolitisch greift. An dieser Stelle mache ich mir überhaupt keine Sorgen.

Ich bin froh, dass wir die Zahlen, die wir zurzeit im Vergleich mit Mecklenburg-Vorpommern und anderen Bundesländern haben, mit einem deutlich geringeren Engagement auf dem zweiten Arbeitsmarkt vor allem auf dem ersten Arbeitsmarkt erzielt haben,

(Beifall bei der CDU)

und das vor dem Hintergrund, dass unsere Wachstumszahlen und unsere Arbeitsmarktzahlen sehr stark vom öffentlichen Sektor, der 18 % des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, überformt werden. Sie wissen, dass wir im öffentlichen Dienst im letzten Jahr 10 000 Jobs abgebaut haben. Ansonsten würde die Zahl im ersten Arbeitsmarkt von 9 300, immer in den Vergleichsmonaten gesehen, doppelt so hoch ausfallen können, weil wir eine Gegenkompensation aus dem öffentlichen Bereich haben.

Damit spreche ich wiederum genau unsere gemeinsame Hausaufgabe an: Zumindest über 16 Jahre hinweg haben wir Schulden aufgebaut, die wir jetzt auch über den öffentlichen Bereich abbauen müssen. Ansonsten kommen wir in diesem Ranking nie nach vorn.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Gallert, Sie haben das Wort zu Ihrer Frage. - Wollen Sie die beantworten, Herr Minister? - Jawohl.

Herr Minister, ich muss mich jetzt erst einmal sammeln. Ich bin wirklich beeindruckt, wie klasse Sie eine Rote Laterne interpretieren.

(Heiterkeit bei der LINKEN und bei der FDP)

Da muss man wirklich sagen, das war schon bühnenreif. Vielleicht noch eine Bemerkung zu diesem Dynamikran

king: Natürlich ist das Quatsch, aber das hätte man auch sagen müssen, als wir in diesem Dynamikranking gut standen, und in diesem Zusammenhang kann ich mich an die CDU-Vertreter erinnern, die dieses Dynamikranking ganz klasse fanden. Dabei muss man ganz deutlich sagen: Wenn man in einem Dynamikranking deswegen gut ist, weil die Leute wenig Geld verdienen, ist es besser, in einem solchen Dynamikranking schlecht zu sein.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU)

Meine Frage, die ich an Sie habe, lautet: Können Sie mir Folgendes erklären? Es gibt bei uns in Sachsen-Anhalt eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem, was Sie gestern auch noch einmal gesagt haben, nämlich der höchsten Arbeitsproduktivität - man könnte auch Bruttoinlandsprodukt je Einwohner sagen -, wo wir unter den ostdeutschen Bundesländern - und nur die nehme ich jetzt als Bezugsgröße, alles andere ist Quatsch - Zweite sind, und dem Einkommen der Bürger. Dort sind wir hauchdünn zusammen mit MV faktisch Letzter. Die anderen sind zum Teil ein bisschen, zum Teil deutlich vornweg. Woher kommt in Sachsen-Anhalt diese Diskrepanz zwischen Produktivität und Einkommen?

Wir haben gestern schon kurz darüber gesprochen, dass es zwei so genannte Produktivitätsrankings gibt. Es gibt ein in allen wesentlichen Größenordnungen normiertes Ranking, das auch die Jahresarbeitszeit berücksichtigt. Dort sind wir in Ostdeutschland Nr. 1. Darauf beziehe ich mich. Man kann immer nur etwas pro Arbeitszeit, pro Arbeitsplatz erzeugen und das dann in einen Vergleich bringen.

Wenn wir die Jahresarbeitszeit außen vor lassen, sind wir faktisch mit Brandenburg Nr. 1. Es sind nur ein paar Euro, die uns da unterscheiden. Bei 50 500 € pro Arbeitsplatz ist das wirklich nicht einmal im Prozentbereich, sondern im Promillebereich. Also, dort sind wir Spitze.

Wenn Sie auf der anderen Seite die Lohnsituation nehmen, so ist das branchenmäßig sehr, sehr unterschiedlich. Wir sind dort im Mittelfeld, um es einmal positiv zu beschreiben. Ich würde mich mit diesem Land dort gerne weiter vorn sehen. Das möchte ich ganz klar sagen. Aber wir sind dort im Mittelfeld.

Ich kann Ihnen das auch so zu erklären versuchen: Die Bruttowertschöpfung erfolgt bei uns vor allem im verarbeitenden Gewerbe und in der Industrie, weniger im Dienstleistungsbereich, weniger im Tourismusbereich wie in Mecklenburg-Vorpommern. Dort sind die Verdienste gut. Wenn nur das zählen würde, wären wir dort auch sehr, sehr gut. Wenn Sie sich die Chemie ansehen, stellen Sie fest, dass es dort in den Tarifverträgen faktisch schon ähnliche Bedingungen wie in den alten Bundesländern gibt. Zumindest gibt es da regionale Vergleiche, die man dort schon gut anstellen kann.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Dann müssten wir bei den Löhnen besonders gut sein!)

- Ja, es ist nur die Frage, welchen Anteil die chemische Industrie an der Bruttowertschöpfung ausmacht. Wir fallen in den Dienstleistungsbereichen stark ab. Da sind wir im unteren Drittel. Besonders stark fallen wir ab in Teilen der unternehmensnahen Dienstleistungen, wobei wir aber in den letzten ein, zwei Jahren auch aufzuholen beginnen, weil es nämlich für die Industrie günstiger ist, die unternehmensnahen Dienstleistungen vor Ort einzu

kaufen und nicht von den Altstandorten, weil einfach die Logistikaufwendungen - siehe Spritpreise - immer höher werden. Das ist eine sehr, sehr schwierige Sache.

Aber dieser Widerspruch besteht. Aber eigentlich ist es kein Widerspruch, es ist ein Befund, der jedoch in Bewegung ist. Wenn ich mir die Gesamtwachstumszahlen der entscheidenden Säulen ansehe - verarbeitendes Gewerbe, Industrie, ich habe das ja stichwortartig vorgelesen -, dann liegen wir dort überall im zweistelligen Bereich. Meine Hoffnung ist, dass das durchgreift auf die Bereiche, in denen wir noch keine zufriedenstellenden Einkommensstrukturen haben. Die Einkommensstrukturen sind eben in diesem Ranking, Herr Franke, deutlich stärker gewichtet als zum Beispiel alle positiven sonstigen volkswirtschaftlichen Parameter: Standortfaktoren bis hin zu Genehmigungsverfahren mit 20 % innerhalb dieser konkreten Sparte und Wohlstand - in Klammern: Einkommen - 25 %.

Da könnten wir uns jetzt entscheiden: Wollen wir aufholen? Wollen wir die Industriearbeitsplatzdichte von 70 % auf 80 % im Vergleich mit dem Westen bringen? Wollen wir weiterhin hinsichtlich der Arbeitskosten mit Taiwan und Südkorea konkurrieren, damit wir internationale Investoren greifen, oder legen wir jetzt schon nur auf den Wohlstand - in Klammern: das Einkommen - Wert, egal was es wettbewerblich bedeutet? - Dann werden wir uns über die Investitionsquoten der nächsten Jahre wundern.