Herr Wolpert, ich stimme Ihnen zu, was die Bedenken betrifft. Diese gibt es in unserer Fraktion genauso. Von dieser Seite her bedanke ich mich für den Antrag, diese Frage in den Ausschüssen für Recht und Verfassung
Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zum Abstimmungsverfahren zu der Drs. 5/1323. Es ist beantragt worden, den Antrag in den Innenausschuss und in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu überweisen. Ich schlage vor, den Innenausschuss als federführenden Ausschuss zu benennen. Gibt es dazu Einverständnis?
- Gut. Dann würde ich vorschlagen: Ausschuss für Recht und Verfassung federführend, Innenausschuss mitberatend. Können wir uns darauf einigen? - Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Kartenzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist der Antrag in der Drs. 5/1323 zur federführenden Beratung in den Rechtsausschuss und zur Mitberatung in den Innenausschuss überwiesen worden. Wir können den Tagesordnungspunkt 16 verlassen.
Einbringer ist der Abgeordnete Herr Rothe. Herr Rothe, Sie haben das Wort. Anschließend wird der Innenminister das Wort nehmen.
Herr Präsident, ich passe die Dauer meiner Einbringungsrede dem Debattenformat an. Es wird wohl die erste Dreiminutendebatte in diesem Hause sein.
Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns im Landtag regelmäßig mit dem Datenschutz und haben dazu bereits einige Plenardebatten geführt. Schwerpunkt der bisherigen Debatten war der Datenschutz im öffentlichen Bereich. Der kritische Blick richtet sich oft allein auf den Staat und seine Behörden als mögliche Verletzter des Datenschutzes. Das entspricht der Staatsgerichtetheit der Grundrechte. Heute geht es einmal um den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich.
Anlass des Antrags der Fraktionen der CDU und der SPD sind die in jüngster Zeit recht zahlreich gewordenen Berichte über Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen durch Unternehmen wie Telekom, Lidl, Siemens, Burger King, Lufthansa und andere. Es ist davon auszugehen, dass die Firmen, die durch die Medien geisterten, keine Einzelfälle sind, und dass es ein erhebliches Dunkelfeld gibt.
Die Liste der datenschutzrechtlichen Verstöße ist lang: Mit zweifelhaften Methoden sollen Unternehmen Beschäftigte ausgekundschaftet haben. Mitarbeiter, Füh
rungskräfte und Journalisten wurden über einen längeren Zeitraum abgehorcht, ausgespäht und überwacht, auch mithilfe von Videokameras. Detektive spürten Betriebsangehörigen hinterher und sammelten personenbezogene Informationen. Gespräche aller Art wurden dokumentiert. Es wurde Tagebuch darüber geführt, wie es den Mitarbeitern geht, mit wem sie telefonieren, wie oft sie rauchen und ob sie sich glücklich äußern oder nicht.
Diese Vorfälle zeigen, dass es nicht nur der Staat ist, der gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstößt; es sind eben auch Private, die das tun. Damit gelangt der Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich in unser Blickfeld.
Meine Damen und Herren! Der Datenschutz soll den Einzelnen vor Beeinträchtigungen seines Persönlichkeitsrechtes bewahren, die aus dem Umgang mit seinen personenbezogenen Daten herrühren können. Mit dem so genannten Volkszählungsurteil hat das Bundesverfassungsgericht vor 25 Jahren aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in Verbindung mit der Unantastbarkeit der Menschenwürde das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hergeleitet.
Bei den Grundrechtsverletzungen im nicht-öffentlichen Bereich handelt es sich um Handlungen von natürlichen und juristischen Personen, von Gesellschaften und anderen Personenvereinigungen des privaten Rechts.
In Sachsen-Anhalt kontrolliert das Landesverwaltungsamt als Aufsichtsbehörde die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften im nicht-öffentlichen Bereich. Den von Datenschutzverletzungen Beteroffenen, den betrieblichen Beauftragten für den Datenschutz und den anderen verantwortlichen Stellen steht das Amt beratend zur Seite.
Der erst kürzlich veröffentlichte dritte Tätigkeitsbericht des Landesverwaltungsamtes als Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich war auf Initiative der FDP am 12. Juni 2008 bereits Beratungsgegenstand im Innenausschuss. Die Zielstellung dieses Berichtes ist auch die Information von interessierten und betroffenen Bürgerinnen und Bürgern, damit diese ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zukünftig wirkungsvoller wahrnehmen können.
Gesetzesverstöße wie die genannten können und dürfen wir nicht hinnehmen. Es ist wichtig, dass wir durch die heutige Debatte im Landtag und durch die Beratungen in den Ausschüssen das Problembewusstsein für die Belange des Datenschutzes im nicht-öffentlichen Bereich verstärken. Wir sollten uns darüber Gedanken machen, wie wir dem Datenschutz gerade im nicht-öffentlichen Bereich zu größerer Wirksamkeit verhelfen können.
Ein Ansatzpunkt, vielleicht der wichtigste, ist die Stärkung des Problembewusstseins jedes Einzelnen im Umgang mit seinen personenbezogenen Daten. Mancher gibt leichtfertig seine Daten zum Beispiel im Internet preis. Was dann damit passiert, ist nicht vorhersehbar. Deshalb erscheint es sinnvoll, schon in den Schulen darauf hinzuwirken, dass man persönliche Daten nicht leichtfertig preisgibt. Das ist gerade in Zeiten der rasanten Entwicklung der Technik von wachsender Bedeutung; denn Datenerfassung, Datenhaltung, Datenweitergabe und Datenanalyse werden immer einfacher.
Ein weiterer Ansatzpunkt für Verbesserungen könnte aus meiner Sicht sein, den Datenschutz für den öffentlichen und den nicht-öffentlichen Bereich zu bündeln. Die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch öffentliche Stellen in Sachsen-Anhalt überwacht der Landesbeauftragte für den Datenschutz. Seine Tätigkeit konzentriert sich auf Einschränkungen des Persönlichkeitsrechtes durch Behörden, aber auch durch Organe der Rechtspflege und durch andere öffentlich organisierte Einrichtungen, ungeachtet ihrer Rechtsform.
Schaut man sich die personelle Ausstattung der Dienststelle des Landesbeauftragten für den Datenschutz an, so stellt man signifikante Unterschiede zum zuständigen Referat im Landesverwaltungsamt fest. Während dort lediglich drei Beschäftigte mit Datenschutzaufgaben befasst sind, aber teilweise auch noch andere Aufgaben zu erledigen haben, verfügt der Landesbeauftragte für den Datenschutz über wesentlich mehr Personal. Es sind einschließlich des Landesbeauftragten selbst und einschließlich seiner Zuständigkeit für den Informationszugang, die wir neulich im Landtag begründet haben, 13 Fachkräfte in der Dienststelle des Landesbeauftragten für den Datenschutz tätig.
Die Struktur der Kontrollstellen für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich wird ohnehin zu überdenken sein. Ich mache darauf aufmerksam, dass derzeit ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission der Europäischen Gemeinschaft gegen die Bundesrepublik Deutschland läuft. Die Europäische Kommission ist der Auffassung, dass die Bundesrepublik gegen ihre Verpflichtung aus der so genannten Datenschutzrichtlinie verstößt, indem sie die für die Überwachung der Datenverarbeitung im nicht-öffentlichen Bereich zuständigen Kontrollstellen in den Bundesländern einer staatlichen Aufsicht unterwirft und damit die Vorgabe einer völligen Unabhängigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden fehlerhaft umsetzt.
Dieses Vertragsverletzungsverfahren sollten wir im Auge behalten. Der Europäische Gerichtshof wird hierüber in absehbarer Zukunft entscheiden.
Ich respektiere den Standpunkt der Landesregierung, das Ergebnis dieses Verfahrens abzuwarten. Sobald der Gerichtshof entschieden hat, sollten wir im Innenausschuss die Möglichkeiten einer Bündelung der Dienststellen für den Datenschutz im öffentlichen und im nichtöffentlichen Bereich beraten. Wenn ich das sage, dann unterstelle ich einmal, dass der Europäische Gerichtshof am Ende zugunsten der Europäischen Kommission entscheiden wird.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass wir nach einer Berichterstattung durch die Landesregierung in den Ausschüssen für Inneres sowie für Wirtschaft und Arbeit dieses Thema in beiden Ausschüssen mit dem Ziel diskutieren werden, den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich zu verbessern. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.
Herzlichen Dank für die Einbringung, Herr Rothe. - Nun erteile ich der Landesregierung das Wort. Herr Minister Hövelmann, bitte schön.
Bevor Sie das Wort nehmen, möchte ich die zweite Gruppe von Schülerinnen und Schülern des Domgymnasiums Magdeburg begrüßen, die auf der Nordtribüne sitzt. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch vor Kurzem stand ausschließlich der Staat wegen des Umgangs mit personenbezogenen Daten öffentlich in der Kritik, an verschiedenen Stellen auch zu Recht, wenn wir uns die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts der letzten Jahren anschauen, wenn ich an die Online-Durchsuchung, die heute bereits Gegenstand der Debatte war, an die Kfz-Kennzeichenerfassung oder ähnlich gelagerte Entscheidungen denke.
Dem Staat wurde dabei übermäßiger Datenhunger vorgeworfen. In jüngster Zeit haben wir allerdings außerhalb der staatlichen Zuständigkeit spektakuläre Fälle, die in den Medien und in der Öffentlichkeit auch das Interesse für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich, insbesondere im Bereich der Wirtschaft, neu geweckt haben.
- Ich will nur sagen, was sich entwickelt hat: Nicht mehr der Staat allein ist der Böse, auch an anderer Stelle gibt es Entwicklungen, die uns Sorge bereiten sollten.
Einzelne Unternehmen haben im Widerspruch zu gesetzlichen Regelungen Mitarbeiter ausgespäht und Kunden überwacht. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle muss man fragen: Wo ist die Unternehmenskultur geblieben, wenn man so mit Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern umgeht?
Geradezu erschreckend ist, wenn ich das so drastisch formulieren darf, mit welcher Leichtfertigkeit und wie ungeniert Verantwortliche bei der Telekom Ausspähungen unter Missachtung des Fernmeldegeheimnisses vorgenommen haben. Ich glaube, das ist ein ganz eklatanter Verstoß gegen die Persönlichkeitsrechte der Menschen, die als Kunden der Telekom darauf vertrauen, dass ihre persönlichen Daten und ihre Telefonverbindungen geheim bleiben.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, will ich in aller Deutlichkeit sagen: Ein Rechtsstaat - wir bezeichnen uns als einen solchen - kann und darf derartig gravierende Verstöße nicht hinnehmen. Und ich appelliere an die Unternehmen in unserem Land: Nehmen Sie den Datenschutz ernst! Es geht nicht um irgendwelche Nebensächlichkeiten, sondern es geht darum, dass die elementaren Rechte der Menschen in unserem Land respektiert werden.
Ich meine aber auch - das gehört zur Wahrheit dazu -, dass die meisten Unternehmen ein originäres Interesse daran haben, dass sie einen datenschutzgerechten Umgang mit personenbezogenen Daten pflegen. Warum? - Die Daten sind ihr Kapital, und der vorbildliche Umgang mit den Daten ist letzten Endes auch ein Werbefaktor für die Qualität der Dienstleistung und der Arbeit eines Unternehmens. Wir sollten deshalb nicht darin verfallen,
Allerdings, meine sehr verehrten Damen und Herren, die publizierten Fälle geben Anlass genug, die Wirksamkeit des Datenschutzes zu hinterfragen. Wir dürfen auch nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass im nicht-öffentlichen Bereich bei direkten Kontakten mit Vertragspartnern, im Versandhandel, bei Versicherungen, bei der Nutzung allgemein zugänglicher Quellen im Internet und auf andere Weise, wenn Auskunftsdateien erstellt werden, Datensammlungen entstehen, die technisch gesehen umfassende Persönlichkeitsbilder ermöglichen. Das schafft Machtpositionen und das ermöglicht Kontrolle. Daraus ergeben sich größere Risiken für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
Daher kann ich mir folgende mögliche Maßnahmen vorstellen, um den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich zu verbessern: