Protocol of the Session on May 30, 2008

Wir haben aber gleichwohl gesagt, dass wir am Ende in begründeten Fällen, wenn der Gesetzgeber über die Bildung neuer Gemeindestrukturen in den Fällen entscheidet, in denen sich in der freiwilligen Phase keine gesetzeskonforme Lösung hat finden lassen, in begrenztem Umfang, wenn es keine anderen sinnvollen Lösungen gibt, auch kreisübergreifende Lösungen zulassen wollen.

Deshalb kann es nicht zielführend sein, dass heute, und zwar Jahre bevor dieses Parlament abschließend darüber entscheidet, wie einzelne Gemeinden neu strukturiert werden, die sich bis Mitte 2009 nicht gefunden haben, Jahre bevor diese Entscheidung hier diskutiert und getroffen wird, entschieden werden soll, dass die Tür für einen Wechsel über eine Kreisgrenze hinweg an einer Stelle im Land, und zwar nur an einer Stelle im Land, geschlossen werden soll. Das ist nicht nachvollziehbar und auch nicht gerechtfertigt.

Einen zweiten Punkt, den Sie in Ihrem Antrag formulieren, finde ich insofern etwas bedenklich, als Sie durch einen Beschluss des Parlaments die Landesregierung daran hindern wollen, selbst eine Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen. Das finde ich dann doch etwas merkwürdig. Etwas anderes ist es, ob der Landtag einer Gesetzesinitiative der Landesregierung folgt. Das steht im freien Ermessen und in der Entscheidungsfreiheit dieses Parlaments. Aber der Landesregierung von vornherein durch Beschluss zu untersagen, eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen - ob wir es denn machen, steht ja überhaupt nicht fest -, halte ich für in der Sache nicht zielführend.

Meine Plädoyer ist: Lassen Sie uns diese Entscheidung dann treffen, wenn sie gegebenenfalls zu treffen ist. Das ist im Rahmen der abschließenden Bildung von Gemeindestrukturen. Wenn es dort an wenigen Stellen im Land notwendig werden sollte - was heute überhaupt nicht absehbar ist -, auch Kreisgrenzen noch einmal zu ändern, dann soll es doch in der Entscheidungskompetenz dieses Parlaments liegen, ob das dann getan wird oder nicht, und nicht bereits heute an einer Stelle im Land die Tür zugemacht und das ausgeschlossen werden.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Kolze, CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt Fragen.

Ja.

Zunächst bitte Herr Gallert und dann Herr Borgwardt.

Herr Minister, ich will Sie dann doch darüber aufklären, dass wir die Position, die Herr Grünert hier vertreten hat, was den Wörlitzer Winkel betrifft, zu einem Zeitpunkt eingenommen haben, zu dem selbst wir als große Optimisten noch überhaupt nicht ahnen konnten, dass wir jemals einen Landrat in diesem Landkreis Wittenberg haben würden. Diese Positionierung haben wir vor etwa

zwei Jahren per Beschluss gefasst und - das will ich Ihnen auch noch einmal ganz deutlich sagen -

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

in ausdrücklicher Auseinandersetzung bis hin zu krisenhaften Zuständen mit unseren lieben Genossen aus Dessau.

Es ist hier mitnichten so, dass wir versuchen, irgendwo einen parteipolitischen Egoismus durchzusetzen, sondern es ist eine Geschichte, die sich aus dem Landesentwicklungsplan, so wie wir ihn uns vorstellen, ableitet.

Dann noch einmal: Ja, es gibt einen Grund, warum wir es an dieser einen Stelle tun, weil nur an dieser einen Stelle Vertreter der Landesregierung den Eindruck erwecken, als sei die Sache noch offen. An allen anderen Stellen, Herr Hövelmann, nämlich bei der Frage der Eingemeindung von Gemeinden rings um die Oberzentren, haben Sie ganz deutlich gesagt, das werde in dieser Legislaturperiode nicht mehr passieren, weil sich die Koalition darauf nicht verständigen können werde. Es gibt nur einen einzigen Fall, in dem es offen bleibt. Das ist der Wörlitzer Winkel. Genau deswegen stellen wir den Antrag dazu.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich habe daraus keine Frage entnommen, sondern eine Feststellung.

Dann bitte, Herr Borgwardt.

Ich wusste natürlich nicht, dass Herr Kollege Gallert - - Ich will auch hier nicht in den Verdacht geraten, aber ich lobe auch jemanden, wenn es stimmt. Ich will das also gern bekräftigen: Unabhängig davon, welcher Partei der Landrat angehört, kann ich Ihnen sagen, dass es einen eindeutigen Beschluss, und zwar einen einstimmigen Beschluss des Landkreises Wittenberg gibt. Dem haben Parteifreunde auch Ihrer Partei, auch der FDP und auch der CDU zugestimmt.

Das ist mir bekannt.

Das waren also Feststellungen. - Herr Reichert, bitte.

Herr Innenminister, wie bewerten Sie denn die kulturgeschichtliche Tatsache, dass zwischen Wörlitz und der Stadt Dessau eine Verbindung besteht, die man einfach nicht verleugnen kann.

(Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Was zusammengehört, sollte auch entsprechend zusammenwachsen.

(Frau Budde, SPD: Das war aber jetzt das Ge- genteil von dem, was Ihr Vorredner gesagt hat! - Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Lieber Herr Reichert, für diese Frage bin ich Ihnen so was von dankbar, weil sie mir die Gelegenheit gibt, doch noch einmal zwei Sätze ganz ernsthaft zu der Frage der Zerteilung des Wörlitzer Winkels zu sagen. Das ist ja eine Frage, die damit am Ende verbunden ist.

Von Herrn Grünert ist in seinem Redebeitrag kritisch angemerkt worden, dass zwei Minister dieser Landesregierung, namentlich Herr Daehre und ich, im August 2006 vor Ort, nämlich in Wörlitz, dafür geworben haben, dass der Wörlitzer Winkel gerade nicht zerteilt wird, sondern dafür geworben haben, dass entweder alle dahin oder alle dorthin gehen sollten, sich aber einheitlich entscheiden sollten. Ganz offensichtlich ist aber das Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen in den zehn Gemeinden des Wörlitzer Winkels nicht so ausgeprägt, wie wir uns das wünschen. Das muss man nüchtern zur Kenntnis nehmen, auch wenn es einem nicht gefällt. Es gefällt mir auch nicht. Ich will Ihnen das offen sagen, dass mir das auch nicht gefällt.

Die Bürgeranhörungen und Bürgerentscheide haben ein völlig zweigeteiltes Ergebnis ergeben. Ursprünglich sieben und jetzt acht Gemeinden - nach der Neuentscheidung in der einen Gemeinde - haben sich mit Mehrheit gegen ein Zusammengehen mit der Stadt Dessau - heute: Dessau-Roßlau - ausgesprochen. Zwei Gemeinden, nämlich Wörlitz und Vockerode, haben sich dafür ausgesprochen. Deshalb - das sage ich jetzt - müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl und der Wille zusammenzubleiben zumindest von den Menschen, die sich an der Abstimmung beteiligt haben, was das Ergebnis anbelangt, nicht zum Ausdruck gebracht worden ist.

Das finde ich nicht gut. Ich finde, der Wörlitzer Winkel gehört als Einheit zusammen; aber das ist offensichtlich eine Meinung, die von der Mehrheitsmeinung der Bevölkerung im Wörlitzer Winkel abweicht.

(Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

Vielen Dank, Herr Minister Hövelmann. - Nun hören wir die Beiträge der Fraktionen. Für die CDU-Fraktion spricht Herr Stahlknecht. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! An Ihrem Antrag - ich spreche die LINKE an - können Sie sehen, dass in einer Partei wie der meinigen ganz unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen. Es ist sogar so - das sage ich einleitend -, dass der Kollege Borgwardt - ich kann Ihnen versichern, dass das sonst mit Sicherheit nicht vorkäme - im Augenblick sogar einmal gedanklich bei Ihnen ist. Das ist fast schon ein historischer Moment, den Sie damit erzielt haben. Aber gleichwohl oder aufgrund dessen hat mich meine Fraktion gebeten zu sprechen, weil ich am wenigsten regional davon betroffen bin.

Wir haben - das ist zutreffend gesagt worden - eine Kreisgebietsreform gemacht. Darin haben wir uns verabredet - das ist verfassungsrechtlich auch so -, dass wir die Kreisgebietsreform - die wir aus guten Gründen so gemacht haben, wie sie ist - nicht wieder aufmachen werden. Das heißt, wenn die betroffenen Gemeinden nur

aufgrund des Willens des Gesetzgebers wieder herausgehen würden, dann würden wir gegen diesen ersten Grundsatz verstoßen.

Der zweite Grundsatz ist: Wir haben eine Kommunalreform verabredet, im Begleitgesetz. Darin steht der Grundsatz, dass wir innerhalb der Verwaltungsgemeinschaften 1 : 1 umsetzen wollen. Das wäre die zweite Ausnahme, wenn wir die Gemeinden davon ausnehmen würden: erstens von den bestehenden Kreisgrenzen und zweitens von dem Grundsatz 1 : 1.

Gleichwohl wissen wir aber auch, dass es im Rahmen der anstehenden Kommunalreform, in der wir uns befinden, am Ende möglicherweise Situationen geben wird, in denen man von der Regel Ausnahmen machen wird. Das muss man mit Fingerspitzengefühl machen und das muss man mit Vorsicht machen. Dann spielen auch solche Argumente, die der Kollege Reichert gebracht hat, eine Rolle und dann spielen im Gegensatz dazu - das muss abgewogen werden - auch solche Argumente eine Rolle, ob der Kreis künftig noch wirtschaftlich lebensfähig ist.

Deshalb werden wir Ihren Antrag, anders als es die Regierungsbank vorgeschlagen hat, in Absprache mit unserem Koalitionspartner und insbesondere auf Bitte unseres Koalitionspartners nicht ablehnen, sondern an den Ausschuss überweisen, weil wir genau das, was ich skizziert habe - ich denke, relativ emotionslos -, dort beraten wollen.

Nun lassen Sie mich vielleicht doch noch einen Satz sagen, ein kleiner Seitenhieb: Ich denke schon - darin würde ich dem Herrn Minister Recht geben -, dass dann, wenn der Landrat eine andere Farbe hätte, Ihre Begeisterung für diesen Antrag etwas zurückhaltender gewesen wäre, vor allen Dingen deshalb, weil Sie ein Verfechter der Großkreise sind und sich hier mittlerweile für eine wesentlich kleinere Lösung einsetzen. Das widerspricht eigentlich dem - -

(Herr Gallert, DIE LINKE, meldet sich zu Wort)

- Das habe ich gewusst, dass Sie sich jetzt melden, Herr Gallert. Dann hat es sich ja gelohnt.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Na bitte! - Herr Tullner, CDU: Das Sein bestimmt das Bewusstsein!)

- Ja, so ist das.

Insofern, denke ich mir einmal, war nichts anderes zu erwarten. Ich bitte darum, den Antrag in den Ausschuss zu überweisen.

Vielen Dank, Herr Stahlknecht. Herr Gallert hat eine Frage. - Bitte, Herr Gallert.

Ich will Sie nur darauf aufmerksam machen, dass es nach unserem Konzept der Großkreise eben genau keine weiteren Eingemeindungen nach Dessau geben sollte. Genau weil wir diese Schwierigkeit sehen, unter anderem auch der Teilung des Wörlitzer Winkels, nach dem, was die Leute wollen, haben wir gesagt: Wir wollen einen Großkreis machen. Dann sind sie in einem gemeinsamen Kreis drin, ohne dass der Zwang zur Eingemeindung besteht.

Insofern können Sie sagen, dass unser Antrag nichts anderes als die logische Fortführung unseres alten Konzepts unter diesen Bedingungen ist.

Das ist das Schöne an der Politik, dass man, wenn man rhetorisch einigermaßen gut drauf ist, für alles eine Begründung findet, Herr Gallert. Das schätze ich an Ihnen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Und Sie können mich nicht widerlegen!)

Vielen Dank, Herr Stahlknecht. - Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Wolpert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Minister, Sie haben mich direkt dazu gereizt, zum Thema Polemik noch etwas zu sagen. Ich könnte nun auch polemisch sagen, dass Sie mit Ihrer Mitteilung vom 17. März 2007, die Teilung des Wörlitzer Winkels nach Dessau hin sei vorstellbar, der weiteren Zerteilung des Kreises Anhalt-Zerbst Vorschub geleistet haben, wie Sie das schon als Landrat getan haben.

Ich will aber nicht polemisch sein. Deswegen sage ich das nicht.

(Minister Herr Hövelmann: Nach Ihrem Handeln gibt es den Landkreis Anhalt-Zerbst nicht mehr!)