Protocol of the Session on April 17, 2008

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/1193

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/1219

Der Einbringer ist der Abgeordnete Herr Grünert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Verabschiedung des Gesetzes über ein neues kommunales Haushalts- und Rechnungswesen wurden besonders die Regelungen nach dem Eigenbetriebsrecht aufgehoben.

Gleiches war jedoch für die Zweckverbände nicht explizit geregelt. Da die Zweckverbände nach den Grundsätzen der kaufmännischen Buchführung entsprechend dem Handelsgesetzbuch arbeiten, führt eine Rückführung zum neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen zu einer Verschlechterung der bisherigen Praxis. Das ist übrigens auch in einer Stellungnahme des Wasserverbandstages nachzulesen.

Ein Wahlrecht zwischen neuem kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen oder kaufmännischer Buchführung, wie es andere Länder, zum Beispiel Niedersachsen, ermöglichten, wurde in Sachsen-Anhalt ausgeschlossen.

Nach unseren Erkenntnissen hat die beabsichtigte gesetzliche Umstellung folgende Sachverhalte zur Folge.

Erstens wird es eine Anpassung und einen Neuerwerb von Software geben müssen. Dadurch entstehen Umschulungserfordernisse. Das hat zumindest die Landesregierung in ihrer Begründung eingeräumt.

Zweitens wird es eine Änderung der Abschreibungszeiträume geben. Das heißt, es werden in der Regel wesentlich kürzere Abschreibungszeiträume und damit höhere Abschreibungssätze zu veranschlagen sein. Dies führt zu einer Gebührenerhöhung, da Abschreibungen Bestandteil der Gebührenbemessung sind. Die ausgesonderte, nicht mehr nutzbare Software müsste gesondert abgeschrieben werden. Da dies nicht gebührenfähig ist, werde diese Kosten per Umlage durch die Mitgliedsgemeinden aufzufangen sein.

Für den Bereich Trinkwasser als Betrieb gewerblicher Art sind gesonderte Steuerbilanzen zu erstellen, sodass zusätzlicher Aufwand für die Erstellung von Abschlüssen auf der Grundlage des Handelsgesetzbuches entsteht. Das Länder übergreifende Benchmarking und das Benchmarking mit privatrechtlich organisierten Verbänden ist dort zumindest sehr erschwert.

Diese Wirkungen waren bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes nicht bedacht oder nur unzureichend abgewogen worden. Es wurden lediglich die in der Literatur und in pilothaft geführten Einzelkommunen geltend gemachten Einsparungen als Begründung für die Umstellung von der Kameralistik auf die Doppik geltend gemacht. Eine auf die Zweckverbände bzw. Eigenbetriebe bezogene Einzelbewertung erfolgte nicht. Demzufolge soll die Landesregierung diese Auswirkungen im Rahmen einer Unterrichtung darstellen.

Um nur einige beispielhafte Aussagen zu Mehraufwendungen bei der Anpassung der Software zu nennen: Im WAZ Huy-Fallstein entstehen Mehraufwendungen von rund 200 000 €, im WV Stendal-Osterburg 270 000 € Aufwendungen, im Abwasserverband Holtemme 220 000 € Aufwendungen und im TAZV Blankenburg und Umgebung von rund 150 000 €. Allein in diesem Verband führt die Umstellung bzw. Erweiterung der Software zu einer Gebührenerhöhung beim Schmutzwasser um 3 Cent pro Kubikmeter und beim Trinkwasserbereich um 7 Cent pro Kubikmeter.

Zur Problematik der Abschreibungen. Bei EDV-Software verkürzt sich der Abschreibungszeitraum durch die Einführung des neuen kommunalen Rechnungswesen von zehn Jahren auf drei bis fünf Jahre. Bei Bauten auf eigenen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten verkürzt sich die AfA von 50 Jahren auf 30 bis 40 Jahre. Bei Kanälen verringern sich die AfA-Zeiträume von 70 Jahren auf 30 bis 40 Jahre und bei Trinkwassernetzen von 70 Jahren auf 20 bis 40 bzw. 30 bis 50 Jahre.

Allein im TAZV Blankenburg sind bei Berücksichtigung der AfA für Kanäle und Trinkwassernetze Gebührenerhöhungen beim Schmutzwasser von 32 Cent pro Kubikmeter und beim Trinkwasser von 8 Cent pro Kubikmeter sichtbar. Insgesamt ergeben sich bei diesem Verband somit Gebührenerhöhungen aus der AfA und der Softwareanpassung beim Schmutzwasser von 45 Cent pro Kubikmeter und beim Trinkwasser von 15 Cent pro Kubikmeter.

Nun zu steuerrechtlichen Problemen bei Buchführungsvorgängen in der Sparte Trinkwasser. Die Trinkwasserversorgung stellt gemäß § 4 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes einen so genannten Betrieb gewerblicher Art dar. Alle Zweckverbände, die für die Trinkwasserversorgung zuständig sind, betreiben demnach einen Betrieb gewerblicher Art und unterliegen anders als die öffentliche Gebietskörperschaft unter anderem der Gewerbe- und Körperschaftsteuerpflicht. Grundlage für die Besteuerung ist eine Steuerbilanz, die nach steuerrechtlichen Vorgaben zu erstellen ist, also eine Bilanz auf der Grundlage handelsrechtlicher Regelungen.

(Unruhe bei der CDU)

- Sind Sie denn fertig mit dem Zwischenreden? - Steuerbilanzen sind nach den Bestimmungen des Handelsgesetzbuches gesondert zu erstellen.

(Zuruf von Herrn Stahlknecht, CDU)

- Richtig.

Der vorliegende Konten- und Produktplan des neuen kommunalen Haushalts- und Wirtschaftsrechts ist jedoch zur Erstellung der erforderlichen Bilanzen nicht geeignet. Daher müssen die Aufgabenträger zusätzliche Konten und weitere Posten in das Gliederungsschema der Doppik einführen, um die bisherige Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung nach dem HGB abbilden zu können.

Diesem steuerrechtlichen Problem wurde bisher keine Bedeutung beigemessen. Um unter anderem den festgelegten Meldepflichten gemäß dem Umsatzsteuergesetz gerecht werden zu können, ist eine Kontenerweiterung der Doppik mit den notwendigen Steuerkonten unausweichlich - dies an dieser Stelle nur als eine Fassette der Steuerproblematik.

Nun zur Problematik des Benchmarkings am Beispiel des Zweckverbandes Ostharz. Der Zweckverband beteiligt sich seit dem Jahr 2001 an verschiedenen Benchmarking-Projekten mit insgesamt 16 Unternehmen der Wasserver- und Abwasserentsorgung verschiedenster Organisationsformen in sechs Bundesländern. Darauf aufbauend wurde ein Kennzahlennetz erstellt, das automatisch generiert wird und das die Grundlage der Unternehmensführung und der damit verbundenen Entscheidungen bildet.

Die Einführung der kommunalen Doppik mithilfe des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens

verhindert dieses Benchmarking-Projekt. Es sind keine Vergleiche mehr mit Unternehmen aus anderen Bundesländern bzw. mit Unternehmen in anderen Organisationsformen möglich. Diese Tatsache steht im Widerspruch zu der berechtigten Forderung des Umweltministeriums, zukünftig nur Fördermittel auszureichen, wenn eine Beteiligung am Benchmarking vorliegt.

Meine Damen und Herren! Ich denke, die aufgezeigten Problemfelder haben den Handlungsdruck auf den Gesetzgeber verdeutlicht, eine entsprechende Anpassungsregelung zu treffen. Daher beantragt die Fraktion DIE LINKE die bereits erwähnte Unterrichtung, da wir aufgrund fehlender Informationen nicht in der Lage waren und sind, die Auswirkungen auf alle Zweckverbände des Landes Sachsen-Anhalt darzustellen.

Im Bereich der Wasserver- und Abwasserentsorgung, aber auch im Bereich der Abfallverbände sind durch eine Nichtbeachtung Gebührenerhöhungen nicht auszuschließen, die vermieden werden können. Es mutet insofern schon ein Stück weit abenteuerlich an, wenn wir gerade beim Abwasser bemüht sind - das hatten wir eben auf der Tagesordnung -, durch Liquiditäts- und Sanierungshilfen sowie durch andere Unterstützungen Gebühren zu senken und auf der anderen Seite durch eine Nichtbeachtung innerhalb der Gesetzgebung einen Gebührenaufwuchs hervorrufen. Ich denke, das würde die berechtigten Bemühungen des Landtages und der Landesregierung an dieser Stelle konterkarieren.

Ich danke erst einmal für die Aufmerksamkeit, obwohl es sehr laut war, sodass man sich kaum konzentrieren konnte. Aber offensichtlich sind Sie mit Ihren Gedanken schon ein Stück weiter.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Grünert, für die Einbringung. - An dieser Stelle hat in Vertretung des Ministers des Innern Herr Finanzminister Bullerjahn um das Wort gebeten. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Einführung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens für die Kommunen des Landes Sachsen-Anhalt hat die Landesregierung unter Mitwirkung der Spitzenverbände der Kommunen und der Fachverbände die Auswirkungen des neuen Haushalts- und Rechnungswesens nach einem Erfahrungszeitraum von zwei Jahren zu überprüfen.

Nach § 3 des genannten Gesetzes unterrichtet die Landesregierung den Landtag über das Ergebnis der Überprüfung, insbesondere über den Stand der Umsetzung und den festgestellten Änderungsbedarf.

Nun weiß ich nicht, wie die LINKE damals abgestimmt hat. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass das damals strittig war, als das Gesetz beschlossen wurde. Also würde ich mich bei dieser Argumentation jetzt nicht so kritisch hier hinstellen und das alles schlecht finden. Ich komme nachher noch bei einigen Punkten auf ähnliche Diskussionen zu den öffentlichen Haushalten des Landes zu sprechen.

An der einen oder anderen Stelle zeichnet sich aufgrund von Hinweisen aus der Praxis bereits Änderungsbedarf

ab. Es will überhaupt niemand in Abrede stellen, dass so etwas bei einer solchen starken Umstellung ohnehin zutage tritt. Als Beispiel möchte ich unter anderem sagen, dass der Lenkungsbeirat einmütig der Auffassung ist, dass der Zeitpunkt für die erstmalige Erstellung des Gesamtabschlusses nach § 108a des Gesetzes um drei Jahre nach dem Stichtag zur endgültigen Einführung des neuen Haushaltsrechts hinausgeschoben werden sollte.

Daher wird der Innenausschuss spätestens dann mit den Auswirkungen des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens befasst werden, wenn die Überprüfung durch die Landesregierung abgeschlossen ist und das Ergebnis der Prüfung dem Landtag zugeleitet worden ist. Vorgesehen ist, dass der Landesregierung der Bericht im vierten Quartal dieses Jahres vorliegen wird. Vor diesem Hintergrund ist eine gesonderte Befassung des Innenausschusses mit der im Antrag genannten Zielstellung nicht erforderlich.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass der Gesetzgeber bereits in Artikel 6 des Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform den Einführungszeitraum für das neue Haushaltsrecht um zwei Jahre auf den 1. Januar 2013 hinausgeschoben hat. Dies hat zur Folge, dass der auf den Kommunen lastende Druck gemildert wurde und derzeit kein dringender Handlungsbedarf vorliegt.

Gleichwohl hat das Ministerium des Innern die gesetzlich festgeschriebene Überprüfung der Vorschriften schon im vergangenen Jahr eingeleitet. Begleitet wird das Verfahren durch den Lenkungsbeirat Doppik, in dem unter anderem auch die kommunalen Spitzenverbände und der Wasserverbandstag als Fachverband vertreten sind.

Das Ziel ist es, Einvernehmen darüber zu erzielen, welche Vorschriften anzupassen und an welcher Stelle gegebenenfalls die Weichen grundsätzlich anders zu stellen sind. Das ist also ein offener Prozess. Wer die Debatte über die Einführung der Doppik in den Landeshaushalten verfolgt hat, der weiß, dass genau die Argumente, die eben ins Feld geführt wurden, auch Anlass waren, die Diskussion neu aufzumachen, nämlich die Frage der Kosten und die Frage der Sinnhaftigkeit.

Die Kostenstellen, die Sie genannt haben, also die Centbeträge pro Kubikmeter, hätten bei den Landeshaushalten ganz andere Dimensionen. Länder wie Baden-Württemberg mussten Beträge von 200 bis 300 Millionen € den Landesrechnungshöfen gegenüber ins Feld führen. Das sind unvergleichbar höhere Summen.

Die Argumente, die Sie ins Feld führten, werden vom Innenministerium nicht geteilt. Dort geht man davon aus, dass die Kosten für die Einführung der neuen Software bei 3 bis 5 Cent pro Kubikmeter liegen werden. Das ist also nicht das, was Sie befürchten.

Dass es zu Erhöhungen kommen wird, ist klar, aber sie werden bei Weitem nicht dieses Ausmaß haben, wie Sie es darstellen. Letztlich gibt es dann auch Möglichkeiten, die Aufwendungen zu erwirtschaften. Eine andere Struktur, eine andere Software führt auch dazu, dass es günstiger wird. Also bitte, das war vor Jahren schon klar, als es zu der Gesetzesänderung kam. Aber es ist schon angesprochen worden, dass durch die Verschiebung die Möglichkeit besteht, dem Änderungsdruck zu entsprechen.

Ein Zwischenergebnis der Diskussion im Lenkungsbeirat ist auch, dass das Ministerium des Innern mit den Ver

tretern zurzeit darüber redet, die nach dem Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit in Verbindung mit der Eigenbetriebsverordnung bereits ihre Buchführung und die Kostenregeln nach den Regeln des HGB ausrichten, immer wieder zu aktualisieren. Die Vertreter der Verbände sind Anfang März gebeten worden, ihre Kritikpunkte zu konkretisieren. Das MI wird parallel dazu die unterschiedlichen Rechnungssysteme gegenüberstellen, um die Praxisbelange zu bewerten.

Ohne dem Ergebnis der Diskussion vorzugreifen, möchte ich versichern, dass die Arbeitsebene die Argumente sorgfältig und ergebnisoffen prüfen und bewerten wird. Sollte sich herausstellen, dass den Praxisbelangen der Wasser- und Abwasserzweckverbände mit der Buchführung nach HGB langfristig wirtschaftlicher Rechnung getragen werden kann als mit dem neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesen, wird dies selbstverständlich im Bericht der Landesregierung Berücksichtigung finden. In diesem Fall könnte es in Betracht kommen, dem Gesetzgeber zu empfehlen, zugunsten der betroffenen Zweckverbände ein Wahlrecht zwischen Doppik und HGB einzuräumen.

Das Ergebnis wird zunächst vorläufig durch einen klarstellenden Erlass des MI und zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls im Rahmen der vorgesehenen Novellierung der Gemeindeordnung durch entsprechende Gesetzesänderungen umgesetzt.

Ich möchte an dieser Stelle auf die Begründung zu dem Antrag nicht näher eingehen, aber zwei Argumente aufgreifen und bewerten.

Sollte sich das Argument der Verkürzung der Abschreibungszeiträume auf die Abschreibung technischer Anlagen beziehen, kann ich Ihnen versichern, dass es keine Verkürzung der Abschreibungszeiträume bei Anwendung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens gibt. Die Vorschriften sind so gestaltet, dass es den Zweckverbänden freigestellt ist, welchen Zeitraum sie im Einzelfall konkret verwenden.

Die Aussage, dass ein Benchmarking bei der Einführung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens nicht möglich sei, überrascht mich sehr. Das Benchmarking ist ein systematischer und kontinuierlicher Prozess des Vergleichens von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen im eigenen Unternehmen und zwischen Unternehmen der gleichen Branche zur gezielten Verbesserung der eigenen Leistung. Es werden Produkte und nicht Unternehmen verglichen. Es ist also eher anzunehmen, dass das Benchmarking im Rahmen des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens im Bereich des Landes Sachsen-Anhalt einfacher wird, da die Haushalte künftig zwingend produktorientiert aufzustellen sind und damit geeignete Vergleichskriterien bieten.

Das ist übrigens eine Diskussion, die die Finanzminister ähnlich für die Landeshaushalte führen. Dort wird es wahrscheinlich günstiger sein, bei dem Produkthaushalt, ob nun mit der Doppik oder einer erweiterten KLR, eine bessere Vergleichbarkeit herzustellen; denn auf einmal werden zusätzliche Belastungen im Bereich der Vorsorge mit bewertet, die bei der Kameralistik bisher überhaupt nicht zutage treten.

Deswegen bin ich auch bei diesem Argument ganz ausdrücklich beim Innenminister. Bei der Einführung solcher Produktbewertungen wird eine objektivere Benchmark

hergestellt, als das bisher bei der Kameralistik möglich ist.