Die verbleibenden wenigen Fälle werden von den Gerichten in Deutschland als Totschlag oder als Mord verurteilt. Es handelt sich um Verbrechen. In keinem Fall eignen sich diese Vorgänge, um den jungen Frauen in unserem Bundesland einen laxen Umgang mit menschlichem Leben zu unterstellen.
(Beifall bei der FDP und bei der LINKEN - Zu- stimmung von Herrn Kurze, CDU, und von Herrn Tullner, CDU)
Zweitens. Ich finde es in höchstem Maße verwunderlich, dass Ministerpräsident und Staatskanzlei die Aussagen von Christian Pfeiffer zum Verhältnis von Kindstötungen im Osten und im Westen für bare Münze nehmen, obwohl die Kollegen in Erfurt diese Aussagen vorher schon als unbegründbar zurückgewiesen haben.
Meines Erachtens sind Christian Pfeiffers Aussagen, zumindest wenn sie irgendetwas mit ostdeutschen Bundesländern zu tun haben, ohnehin mit allergrößter Vorsicht zu genießen,
Allen Verlautbarungen des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, soweit sie nicht von dessen Leiter Christian Pfeiffer stammen, ist zu entnehmen, dass es derzeit nicht belegbar ist, dass die Tötung von Kindern in Sachsen-Anhalt oder in Brandenburg häufiger vorkommt als in Bayern oder in Niedersachsen. Dass Christian Pfeiffer, der ehemalige SPDJustizminister von Niedersachsen, trotzdem die Behaup
tung in die Welt gesetzt hat, im Osten sei das Risiko für Kinder, getötet zu werden, viermal höher als im Westen, ist eine Unverschämtheit.
(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD und von der Regierungsbank)
Allerdings hat Herr Pfeiffer den Osten ohnehin zu seinem Feindbild erkoren und mit verschiedenen gewagten Diskussionen, etwa durch die Topfdebatte in Magdeburg - Frau Budde hat darauf schon hingewiesen - oder in dem für mich noch viel tragischeren Fall Josef aus Sebnitz in Sachsen und zuletzt eben mit seinen Kommentaren zu den Kindstötungen in Thüringen für Unruhe gesorgt. Vielleicht, Frau Budde, mahnen Sie Ihren Parteifreund einmal zur Mäßigung. Ich glaube, der braucht auch einmal ein klärendes Gespräch.
Es stört mich erheblich, dass er immer wieder scheinwissenschaftliche Äußerungen nutzt und versucht, die DDR für alle Probleme verantwortlich zu machen, die wir heute haben. Sie ist sicherlich für einige Probleme zuständig, aber nicht für alle und nicht für dieses.
Meine Damen und Herren! Um es noch einmal klar zu sagen: Die Fraktion der FDP hält die Aussagen des Ministerpräsidenten aus dem „Focus“ für falsch. Wir missbilligen vor allem die darin getroffene Aussage, Kindstötungen seien Ergebnis einer leichtfertigeren Einstellung zu menschlichem Leben. Kindstötung als Mittel der Familienplanung zu betrachten ist schon zynisch.
Meine Damen und Herren! Ich halte es darüber hinaus auch für angebracht, einmal einen Blick auf die Debatte in unserem Land zu werfen, die diese Aussage ausgelöst hat. Wenn man den ganzen Bericht liest, dann wird deutlich, dass sich der Ministerpräsident aufgefordert gefühlt hat, sich für einen stärkeren Kinderschutz einzusetzen und auch noch einmal klar zu machen, dass die Landesregierung ein Kinderschutzgesetz vorzulegen gedenkt. Dies zu betonen war wohl der Anlass des Interviews des Ministerpräsidenten.
Wir alle wissen ja, dass es hinter den Kulissen erheblichen Streit über dieses Gesetz gibt, weil es den Regierungsfraktionen zu dünn ist. Weil Ministerin Kuppe dabei jeder Hilfe bedarf, nutzt der MP auch ein Interview im „Focus“ um noch einmal klar zu machen, dass die Landesregierung dieses Gesetz will.
Deshalb finde ich es schon interessant, dass anschließend ausgerechnet die SPD nach zögerlichem Beginn mit Herrn Höppner die Aussagen des Ministerpräsidenten gar nicht genug kritisieren kann. Ich glaube, mit Ausnahme von Frau Kolb, die ja aus der Diskussion über die anonyme Geburt weiß, wie schwierig das Thema ist, haben sich sämtliche Leute zu Wort gemeldet, die in der SPD etwas zu sagen haben. Das Sozialministerium hat sich sogar daran erinnert, dass wir eine Frauenbeauftragte haben. Dann kann man sich zweimal melden.
Ich muss dazu ganz ehrlich sagen: Ich bin ziemlich überrascht, was Sie unter einer Koalition verstehen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend noch eine Bemerkung zur Rücktrittsforderung der Fraktion DIE LINKE machen. Ich kann das ja verstehen. Erstens. Die Äußerungen des Ministerpräsidenten sind indiskutabel. Zweitens. Die Regierung hat in den letzten Tagen den Eindruck eines Hühnerhaufens gemacht, und die Kollegen von der SPD wirkten ein bisschen wie losgelassene Hunde, die versuchen, das Ganze noch einmal voranzutreiben.
Aber wir werden uns Ihrer Forderung nicht anschließen, und zwar weil wir der Meinung sind, dass die Äußerungen in der Presse dafür nicht ausreichen. Wir betrachten lieber die tatsächlichen Leistungen des Ministerpräsidenten und der Minister in ihren Ämtern. Da liegt so einiges im Argen. Wenn wir daran den hohen Maßstab anlegen würden, der in den letzten Tagen in der Debatte angelegt worden ist, dann - das muss ich ganz ehrlich sagen - wäre diese Regierungsbank ziemlich leer.
(Zustimmung bei der FDP - Frau Feußner, CDU, Herr Tullner, CDU, und Herr Dr. Brachmann, SPD, lachen)
Meine Damen und Herren! Ich kann Ihnen versichern, dass wir an eines den hohen Maßstab des heutigen Tages anlegen werden: an Ihr Gesetz zum Kinderschutz. Ich hoffe doch sehr, dass wir nach all den hehren Worten, die wir heute gehört haben, mit diesem Gesetzentwurf einen Schritt vorangehen. Es wird wirklich Zeit, dass das Sozialministerium endlich wieder einmal einen ordentlichen Gesetzentwurf vorlegt.
Frau Kuppe, ich hoffe für Sie und das Gesetz, dass der Ministerpräsident, wenn die Diskussionen schwierig werden - danach sieht es ja aus -, Sie nicht so im Regen steht lassen wird wie Sie Ihn in den letzten Tagen. - Ich danke Ihnen.
Das war der Beitrag von Frau Dr. Hüskens für die FDPFraktion. - Als letztem Debattenredner erteile ich für die CDU-Fraktion Herrn Scharf das Wort.
Bevor aber Herr Scharf das Wort nimmt, begrüße ich auf der Südtribüne Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Kastanienallee Halle. Herzlich willkommen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Debatte, die das Land bewegt, gehört in das Parlament. Deshalb ist es gut und richtig, dass wir uns heute hier zur Aussprache zusammengefunden haben.
Meine Damen und Herren! Ich finde es auch gut und richtig, dass nach einigen Irritationen in den letzten Tagen der Herr Ministerpräsident heute seine Auffassung in einer klar differenzierten Rede so dargelegt hat, dass, glaube ich, auch für den Letzten klar sein muss, wie er denkt. Ich kann mich damit zu einem erheblichen Teil identifizieren, meine Damen und Herren.
(Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Dr. Daehre - Herr Weigelt, CDU: Richtig! - Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)
Meine Damen und Herren! Wir haben aber natürlich auch festzustellen, dass es der Linkspartei offensichtlich eigentlich nicht um die Klärung dieses Themas geht.
- Ja, Herr Gallert, ich muss Ihnen sagen: Der Anlass war ihnen wahrscheinlich relativ egal, der ist ihnen zufällig über den Weg gelaufen, um zu versuchen, den Ministerpräsidenten hier in einem schrägen Licht darzustellen und ihn zu diffamieren.
(Frau Bull, DIE LINKE: Das hat er schon selbst gemacht! Sehr erfolgreich! - Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)
Die Debatte haben aber Sie benutzt. Wenn Sie sich sogar noch ein Stückchen versteigen und vielleicht in wohlgesetzten Worten, aber eigentlich sehr grob definieren, dass die heutige Situation mit den Kindstötungen, über die wir zu sprechen haben, Ergebnis politischer Entscheidungen von heute sei, dann heißt das doch übersetzt ganz klar: Diejenigen, die hier in Sachsen-Anhalt politische Verantwortung tragen und die im Bund Verantwortung tragen, schaffen politische Bedingungen, die zu Kindstötungen führen. Das ist doch eigentlich der Satz, den Sie gesagt haben, meine Damen und Herren.
Wenn Sie sich darüber beschweren - ich komme nachher noch darauf zu sprechen, was man vielleicht so alles aus Statistiken ableiten kann oder nicht ableiten kann -, dann möchte ich dem entgegenhalten, dass das zumindest eine Aussage ist, die reine Ideologie ist und die durch keinerlei Tatsachen irgendwie begründbar wäre, meine Damen und Herren.
Es ist erlaubt, dass die Opposition das Thema aufgreift. Nun ist Frau Dr. Hüskens leider nicht da. Ich wollte ihr sagen: Die Nettigkeit, mit der sie vergiftete Pfeile auf die Koalition geschossen hat, war schon imponierend. Das hat sie schon sehr gut gemacht. Das muss man ihr an dieser Stelle einfach zubilligen.
Ich glaube, dass Frau Dr. Hüskens in der Lage ist, das Thema ernst aufzugreifen und ernsthaft zu behandeln.