Protocol of the Session on November 16, 2007

Sachsen-Anhalt wird sich - das sei an dieser Stelle gesagt - auch in Zukunft für eine marktschonende Privatisierung einsetzen, wie wir sie zum Beispiel mit den Landesflächen durch die Landgesellschaft in SachsenAnhalt praktizieren.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht nur die Agrarpolitik, sondern auch angrenzende Politikbereiche haben Auswirkungen auf die Entwicklung der Agrarwirtschaft. Insbesondere wirkt der Umweltbereich auf die Landwirtschaft. Das Wohl und Wehe der Landwirtschaft ist nun einmal von den Launen der Natur und den Jahreszeiten abhängig.

Felder und Wiesen sind nicht bloße Produktionsflächen, sondern auch ein Teil unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das bringt für den Landwirt eine besondere Verantwortung mit sich. Dieser Verantwortung ist er sich durchaus bewusst. Auf der andere Seite bewerten mittlerweile auch Haupt- und Ehrenamtliche des Umwelt- und Naturschutzes, dass viele wertvolle Biotope auf eine nachhaltige Landwirtschaft angewiesen sind.

Aber Ökologie hat mehr zu bieten als nur Aufwand. Sie bietet auch Einkommensmöglichkeiten. So erkennen wir die Umsetzung von Umweltrichtlinien der Europäischen

Union nicht als bloße Pflichtaufgabe, sondern eben auch als Chance. Diese Chance bindet den Umweltschutz und die Wirtschaft gleichermaßen ein.

Für grundlegende Schritte in der Umweltpolitik bestehen bereits eine ganze Reihe von Instrumenten. Diese ergeben sich aus dem landwirtschaftlichen Fachrecht, wie die Düngeverordnung, oder werden im Rahmen der Cross-Compliance überprüft. Darüber hinaus fahren wir auf der Schiene der freiwilligen Lösungen. Die freiwillige Lösung ist mir viel lieber als ordnungsrechtliche Vorschriften; denn sie wird von beiden Seiten getragen und ist daher effektiver.

Ganz wichtig ist, dass umweltpolitische Forderungen als gesellschaftliche Aufgabe - das ist sie - nur erfüllt werden können, wenn es uns gelingt, einen Ausgleich zwischen den ökonomischen und sozialen Nutzungsansprüchen herzustellen. Diese Aufgabe wird auf dem Markt, wenn überhaupt, nur unzureichend entlohnt. Daher sind die Herausforderungen der Umsetzungen der Wasserrahmenrichtlinie und von Natura 2000 auch ein Teil unseres ländlichen Entwicklungsprogramms für die Jahre 2007 bis 2013.

Dabei müssen wir miteinander Konzepte finden, die fachlich gesehen sinnvoll sind. Dazu brauchen wir den Dialog mit allen Betroffenen. Vor allem bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie setzen wir auf den kooperativen Gewässerschutz. Damit wollen wir verhindern, dass sich die Landwirte aus der Fläche zurückziehen und somit die Leistungen zur Erhaltung der Kulturlandschaft wegbrechen.

Für die Umsetzung der Natura-2000-Anforderungen stellen wir in der neuen Förderperiode EU-Mittel und nationale Mittel in Höhe von immerhin rund 73 Millionen € zur Verfügung. Dazu kommen für Maßnahmen der Wasserrahmenrichtlinie mehr als 68 Millionen €. Diese Programme bieten eine breite Palette von Möglichkeiten zum Ausgleich von Bewirtschaftungsnachteilen.

Ich habe das jetzt ohne Ecken und Kanten dargestellt; es war schon ein schwieriger Prozess. Ich möchte an dieser Stelle allen danken, die Wege gefunden haben und den Dialog auch in schwierigen Situationen fortgeführt haben.

Die Idee der Europäischen Union, die Umweltpolitik auf gemeinsame Füße zu stellen, ist dort richtig und gut, wo es um Länder übergreifende Probleme geht. Tiere, Natur und Wasser kennen keine von Menschen festgelegten Grenzen. Ihr Schutz geht uns alle an.

Aber wir müssen bei den Vorschlägen aus Brüssel schon aufpassen. Zum Beispiel können wir in Sachen Bodenschutz auf einen hohen Standard zurückgreifen. Was die EU mit der derzeit in der Diskussion stehenden Bodenschutzrahmenrichtlinie vorgelegt hat, birgt ein großes Paket zusätzlicher Bürokratie ohne einen wirklichen Nutzen für den Bodenschutz in Deutschland.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Der Bundesrat hat sich gegen den vorgelegten Richtlinienvorschlag ausgesprochen. „Hand in Hand statt Kopf gegen Kopf“ ist in der Umweltpolitik unsere Devise. Gerade in Verbindung mit der Bodenschutzrahmenrichtlinie gilt: Europa darf seine Mitgliedstaaten und seine Bürger nicht mit Regeln überfrachten. Bürokratieabbau statt Regelungswut, das muss unser Ziel sein.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Lassen Sie mich an dieser Stelle noch auf ein für die Umweltpolitik und die Landwirtschaft wichtiges Innovationsfeld eingehen, nämlich die erneuerbaren Energien. Wer hätte vor zehn Jahren damit gerechnet, dass die Energiepolitik und die Agrarwirtschaft einmal so eng miteinander verbunden sein würden.

Die Europäische Union hat sich ehrgeizige Ziele für den Ausbau der Bioenergie gesetzt. Die Euphorie erfasste breite Politikbereiche. Die Herstellung und Verwendung von Bioenergie wurde massiv gefördert, aber die Wettbewerbsfähigkeit des Einsatzes hängt nicht nur hiervon ab. Wie bei allen anderen Produkten sind die Herstellungskosten und der Preis das entscheidende Kriterium, um auf dem Mark zu bestehen. Preise für Agrarprodukte und der Preis für Rohöl sind der Dreh- und Angelpunkt der Wirtschaftlichkeit.

Die negative Entwicklung der Marktlage für Biokraftstoffe ist somit nicht nur auf Steuerbelastungen zurückzuführen. Erhöhte Rohstoffpreise auf dem Agrarmarkt treffen auch diese Branche. So ist unter anderem festzustellen, dass angesichts der hohen Rohstoffpreise zwischenzeitlich viele Biogasbetreiber mit Rentabilitätsproblemen zu kämpfen haben dürften.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Markt ist und bleibt Entscheidungsort Nummer eins. Greift der Staat jedoch mit Förderungen in den Markt ein, sollte dieser für die Marktteilnehmer verlässlich sein und nicht durch eine gegensätzliche Steuerpolitik zunichte gemacht werden. So aber ist die Lage derzeit bei der Besteuerung von Pflanzenölen und Biodiesel.

Der im Energiesteuergesetz vorgeschriebene Stufenplan für die Besteuerung von Pflanzenölen und Biodiesel wirkt umwelt- und klimapolitischen Zielen und der bisher erfolgten Förderung - das ist an dieser Stelle nicht zu vergessen - entgegen. Die als Ausgleich für diese Steuerpolitik gedachte Beimischungsquote ist richtig und wichtig; aber das ist nicht der Weg, der eine Entspannung auf dem Biokraftstoffmarkt bringen kann. Denn die Beimischung ist nicht auf inländische Biokraftstoffe beschränkt.

In einer Bundesratsinitiative haben wir uns für den Erhalt des Absatzmarktes für rein pflanzenölbasierte Biokraftstoffe eingesetzt. Der Bundesrat ist unserem gemeinsam mit anderen Ländern eingebrachten Antrag gefolgt. Er bittet in seiner Entschließung die Bundesregierung um eine Flexibilisierung und eine Berücksichtigung des Energiegehaltes bei der Biokraftstoffbesteuerung. Darüber hinaus soll der Beimischungsanteil von Biodiesel nach dem Biokraftstoffquotengesetz erhöht werden, allerdings unter der Bedingung der Gewährleistung einer positiven Klimaschutz- und Umweltbilanz sowie der Absicherung regionaler Wertschöpfungsketten.

Damit sind wir beim nächsten Problem: Die ehrgeizigen Ziele beim Einsatz von Bioenergie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dürfen nicht auf Kosten der Umwelt in anderen Ländern erkauft werden.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Wir fordern daher eine Zertifizierung. Dabei darf auch der soziale Aspekt der Produktion nicht vergessen werden; denn Bioenergie mit anderer Leute Armut zu erkaufen ist nicht Sinn und Zweck der Sache.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP, von Herrn Miesterfeldt, SPD, und von der Regie- rungsbank)

Bei allen Politikentscheidungen im Bereich Bioenergie dürfen wir nicht vergessen, dass diese in den Verbund der Flächenkonkurrenten eintritt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend feststellen: Trotz der aktuellen positiven Entwicklungen stehen Landwirtschaft und Agrarpolitik zweifellos vor weiteren Herausforderungen auf den verschiedensten Ebenen. Die europäische Agrarpolitik kann nicht losgelöst von der internationalen Handelspolitik betrachtet werden. Die Erwartungen an die Europäische Union, ihre Agrarzölle weiter zu senken und somit den Zugang zu den EU-Agrarmärkten zu erleichtern, sind groß. Eine Neuausrichtung der gemeinsamen Agrarpolitik in der EU ist erkennbar, steht vor uns.

Die Marktordnungselemente sollten auf ein Mindestmaß zurückgefahren werden. Die eingeführte Entkopplung der Direktzahlungen ermöglicht der Landwirtschaft eine Ausrichtung ihrer Produktion an durch die Weltmärkte bestimmten Agrarpreisen. Aber unsere Landwirtschaft ohne Rückendeckung dem freien Markt zu überlassen, halte ich für keine günstige Lösung. Wenn hohe Umwelt, Tierschutz- und Sozialstandards im Vergleich zu den internationalen Wettbewerbern in Europa auch weiterhin Bestand haben sollen, braucht die Landwirtschaft die Unterstützung der Gesellschaft.

Bei allen Entscheidungen im Bereich der Agrarpolitik sehe ich es als eine Aufgabe, Chancengleichheit und Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe Sachsen-Anhalts unabhängig von Flächenausstattung und Produktionsstruktur, unabhängig von Betriebs- und Rechtsform zu gewährleisten. Dazu müssen wir ein wachsames Auge auf die Vorschläge der EU haben.

Anpassungen und Wegkorrekturen sind richtig und wichtig, dürfen aber nicht die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen infrage stellen, denn die Landwirte haben auch ohne politisches Hin und Her genug Anpassungsdruck. Es heißt vor allem: hart kalkulieren. Das bedeutet, mehr als sonst die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen im Blick zu haben.

Der Markt ist das A und O betriebswirtschaftlicher Entscheidungen. Dabei sollte sich der Landwirt von kurzfristigen Entwicklungen nicht blenden lassen. Das Vorhalten eines ausgeklügelten betriebswirtschaftlichen Managements wird bei schwankenden Marktpreisen eine Kernaufgabe sein. Dabei müssen die Landwirte auch zukünftig den gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht werden. Angesichts einer zunehmend unsicheren Prognosefähigkeit auf den landwirtschaftlichen Märkten ist das, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine gewaltige Aufgabe.

Außerdem geht es nicht ausschließlich um landwirtschaftliche Betriebe. Es geht auch um eine ganz beträchtliche Anzahl - wie oft vergessen wird - von Arbeitsplätzen und Leistungen in den vorgelagerten und den nachgelagerten Bereichen bis hin zu Forschung, Entwicklung und Beratung.

Das Ziel unserer Landespolitik wird es deshalb auch in Zukunft sein, die Spitzenposition der Landwirtschaft in Sachsen-Anhalt zu sichern und auszubauen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung bei der SPD und von der Regierungsbank)

Herzlichen Dank, Frau Ministerin, für die Abgabe der Regierungserklärung.

Bevor wir zur Aussprache kommen, begrüße ich Schülerinnen und Schüler der Gebrüder-Grimm-Schule in Calvörde und Damen und Herren des Europäischen Bildungswerks Schönebeck auf der Südtribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Aussprache zur Regierungserklärung. Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Krause von der LINKEN das Wort. 24 Minuten hat der Herr Krause zur Verfügung. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben eben von Ihnen, Frau Ministerin, eine Regierungserklärung mit dem Titel „Global denken, lokal handeln - Landwirtschaft vor neuen Herausforderungen“ gehört. Die Überschrift Ihrer Erklärung, Frau Ministerin, ist nicht nur zeitgemäß; danach zu verfahren, sich daran zu halten, stellt vielmehr hohe Ansprüche insbesondere an die Politik und vor allem auch an die Agrarpolitik.

Vielleicht stimmen Sie mit mir darin überein, dass das Wort „Globalisierung“ zu den Wörtern gehört, die heute am meisten verwendet werden, aber am wenigsten bzw. nur unzureichend definiert sind. Wir immer die Definition auch ausfällt - für die Landwirte stellt sich die Globalisierung vor allem als die Liberalisierung des europäischen und des Weltagrarmarktes ganz konkret und unmittelbar dar.

Die durchschlagende Wirkung war in den zurückliegenden Jahren immer ein breites Erzeugerpreisdumping auf dem Weltmarkt. Die Preisschere zwischen den Erzeugerpreisen in der Landwirtschaft und steigenden Betriebsmittelpreisen ist ständig größer geworden. Im Vergleich zu anderen Lebenshaltungskosten war der Anstieg der Nahrungsgüterpreise, wenn überhaupt, noch stets sehr moderat.

So ist der Landwirtschaft in Deutschland, aber auch in anderen europäischen Staaten eine sehr profane Aufgabe zugekommen, nämlich die einer Inflationsbremse. Hier verknüpfen sich die Möglichkeiten bzw. Chancen der Globalisierung mit nationalen wirtschaftlichen Interessen. Deutschland verkauft Autos und dafür wird über die Möglichkeit der Globalisierung zu billigen Preisen die Ernährung der Bevölkerung gesichert. Also selbst die vermeintlichen Chancen, die die Frau Ministerin verschiedentlich ansprach, zeigen uns daher eher die kalte Schulter, als dass sie von den Landwirten selbst genutzt werden können.

In diesem Kontext ist der Bauer als landwirtschaftlicher Primärproduzent bisher immer der Verlierer gewesen. Über den Preis eines Brötchens und darüber, wie der Bauer an diesem Preis beteiligt wird, hat die Frau Ministerin heute schon gesprochen. Dass ein Liter Mineralwasser in den zurückliegenden Jahren weit teurer war bzw. heute teurer ist als ein Liter Milch, ist auch allgemein bekannt. Auf der Gewinnerseite stehen bestenfalls die Verarbeitungsbranchen und ganz sicher die Großen des Handels.

Unter diesen Bedingungen konnten und können die europäischen Landwirte das für Existenz ihrer Betriebe notwendige Einkommen einschließlich einer angemessenen Entlohnung ihrer Arbeit nur etwa zur Hälfte aus dem Verkauf ihrer Produkte realisieren. Das ist die brennende Tatsache.

Wie in vielen Ländern der Erde wird deshalb auch in der EU die Landwirtschaft mit öffentlichen Mitteln entschädigt. Ich verzichte an dieser Stelle ausdrücklich und ganz bewusst auf solche Begriffe wie „subventioniert“ oder „gestützt“. Diese Begriffe sind aus meiner Sicht politische Kampfbegriffe, mit denen die Landwirtschaft kompromittiert wird, oder genauer gesagt: mit denen die Leistungen der Landwirte schlichtweg missachtet werden.

Außerdem möchte ich daran erinnern, dass die EU mit ihrem Zuwendungsniveau gegenüber der Landwirtschaft nicht an erster Stelle in der Welt, sondern im Mittelfeld der OECD-Staaten liegt.

Jene, die in der Globalisierung vor allem eine Chance sehen - in dem Sinne, dass sich die Landwirte dem globalen Wettbewerb stellen sollen, können und müssen und im Ergebnis dieses Wettbewerbes die Produktion letztlich zum stärksten Wirt wandert -, müssen sich auch vor Augen führen, mit wem und mit welchen sozialen und ökonomischen Verhältnissen am anderen Ende der Welt die hiesige Landwirtschaft in einen Wettbewerb treten soll.

Mit dem noch andauernden Streit um die Zuckermarktordnung ist hierfür ein bezeichnendes Bild aufgemacht worden. Die fortschreitende Liberalisierung des Agrarmarktes gerade in diesem Bereich führt uns in einen nachteiligen und - wie ich meine - auch peinlichen und verhängnisvollen Wettbewerb. Warum? - In den Zuckerrohrländern herrschen Umweltstandards, soziale Standards und natürliche Vegetationsbedingungen vor, die sich so sehr von den unsrigen unterscheiden - das ist nicht nur in der Zuckerbranche der Fall -, dass man eine unmittelbare Konfrontation auf dem globalen Markt einfach nicht zulassen darf.

Wer dies anders sieht, der will einfach nicht erkennen, dass wir mit einer Landwirtschaft auf der anderen Seite des Globus konfrontiert werden, die höchste Erträge mit höchsten Pestizideinsätzen realisiert. Hierbei handelt es sich um Pestizide, die zwar oft bei uns und nach deutschen Normen produziert werden und unser Bruttosozialprodukt steigern, allerdings bei uns in Europa, zumindest in Deutschland nach dem Gesetz nicht zum Einsatz kommen dürfen.

(Zustimmung bei der LINKEN)