Protocol of the Session on October 12, 2007

Trotzdem ist auch für das Jahr 2007 sachlich festzustellen, dass der Anteil der Altbewerber weiter gestiegen ist. Wir schieben auch weiterhin ein Bugwelle vor uns her. Die Jugendlichen, die eine Ausbildung beginnen wollen, werden immer älter. Im Jahr 2006 war nur noch gut ein Drittel der Ausbildungsanfänger jünger als 18 Jahre.

Wir halten es für notwendig, dass sich neben der klassischen dualen Ausbildung Ausbildungskooperationen, Ausbildungsprogramme im Verbund, vollzeitliche schulische Angebote und weitere Formen etablieren.

Die Angebote der außerbetrieblichen Einrichtungen sind in der gegenwärtigen Situation unverzichtbar, um ein auswahlfähiges Angebot an Ausbildungsplätzen sicher

zustellen. Darüber hinaus haben solche Formen für uns einen eigenen Wert. In manchen Ausbildungsrichtungen stoßen klassische Formen an ihre Grenzen. Zum Beispiel kann eine Ausbildung im Verbund oder in der Kooperation mehrerer Betriebe der wachsenden Komplexität von Berufen besser entsprechen als eine duale Ausbildung in einem kleinen Unternehmen. Vollzeitschulische Ausbildungsgänge mit anspruchsvollen Praktika sind oft effektiver als die Teilzeitberufsschule.

Ziel sollte es sein, den Auszubildenden in einer vollzeitschulischen Ausbildung den Zugang zur Kammerprüfung zu eröffnen. Die jungen Menschen dürfen gegenüber den Auszubildenden in der dualen Berufsausbildung nicht benachteiligt werden.

In diesem Zusammenhang sollten Sie sich, Herr Minister Haseloff, als Mitglied des Innovationskreises mit Ihren Kollegen aus den Kammern verständigen. Im Innovationskreis haben Sie auch Kollegen aus der Bundesagentur für Arbeit. Es wäre wünschenswert, dass Sie, Herr Minister, Ihre Mitstreiter auf die derzeitige Vergabepraxis der BA hinweisen würden.

Ich höre immer wieder, dass Träger der Berufsausbildung die Qualität ihrer Ausbildung nach fiskalischen Grundsätzen ordnen müssen. Das Angebot der beruflichen Bildung muss sich nach meiner Vorstellung als Wettbewerb der besten Qualität und der größten Nachhaltigkeit definieren. Übrigens ist der Begriff Nachhaltigkeit im Koalitionsvertrag der Landesregierung definiert.

Zu Anstrich 3: Entwicklung der beruflichen Fort- und Weiterbildung und der allgemeinen Erwachsenenbildung.

Das System der Erwachsenenbildung verdient größere Aufmerksamkeit. Insgesamt liegt die Teilnahmequote an Erwachsenenbildungsmaßnahmen in Deutschland laut einem OECD-Bericht unter dem Durchschnitt in den europäischen Staaten.

Für die allgemeine Erwachsenenbildung steht immer noch der Name Volkshochschule. Die Volkshochschulen stehen in der Verantwortung, das lebensbegleitende Lernen stärker zu fördern. Ihre finanzielle Ausgestaltung muss auskömmlich gesichert bleiben. Ein leistungsfähiges Netz von Volkshochschulen muss auch nach der Kreisgebietsreform erhalten bleiben.

Zum Anstrich 4: Verbesserung der Übergangsmöglichkeiten von der beruflichen zur Hochschulbildung, Anrechnung von beruflichen Ausbildungselementen auf die Hochschulausbildung und Entwicklung dualer Hochschulausbildungsangebote.

Es ist bekannt, dass in Deutschland mehr Menschen mit Hochschulabschluss das Arbeitsleben durch den Eintritt in die Rente verlassen, als Studienanfänger folgen. Das gilt insbesondere für den ingenieurtechnischen und den ingenieurwissenschaftlichen Nachwuchs. Entwicklungen in der Arbeitswelt erfordern höhere Qualifikationen und Anschlussmöglichkeiten der beruflichen Qualifikation an das Hochschulstudium.

Erläuterungen zu Anstrich 5 erspare ich mir, weil sich dieser selbst erklärt.

Meine Damen und Herren! Unter Punkt 2 unseres Antrages beschreiben wir die Methodik der Berichterstattung. Die einbringende Fraktion hält es für richtig, Schlussfolgerungen aus den Leitlinien des Innovationskreises im Zusammenhang mit der Verwirklichung einer

Reihe von Beschlüssen, die der Landtag in jüngster Zeit zu diesem Thema bereits gefasst hat, zu erörtern.

Herr Minister Haseloff, ich persönlich empfinde Ihre Mitgliedschaft in dem Innovationskreis für unser Land Sachsen-Anhalt als einen Vorteil. Im Folgenden übermittele ich Ihnen unsere Botschaft für Ihre Arbeit im Innovationskreis in Stichpunkten: mehr soziale Chancengleichheit durch mehr Durchlässigkeit, Schaffung von Rahmenbedingungen für das lebensbegleitende Lernen sowie Erhöhung der Anteile von Ausbildung auf Hochschulniveau.

Meine Damen und Herren! Wir wollten eigentlich eine Direktabstimmung, können uns aber auch damit anfreunden, den Antrag an die Ausschüsse zu überweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Mewes. - Nun erteile ich Herrn Minister Haseloff das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zu den einzelnen Punkten des Antrages komme, möchte ich einige kurze Vorbemerkungen machen.

Herr Mewes, die Gesamtproblematik, die Sie und Ihre Fraktion aufgegriffen haben, ist insgesamt in der politischen und fachlichen Diskussion überall auf der Tagesordnung. Es ist auch gut, dass wir uns hier im Landtag und gegebenenfalls darüber hinaus in den Ausschüssen damit beschäftigen. Ich will aber vermeiden, dass wir bezüglich des Handlungsdrucks, den wir haben, von falschen Voraussetzungen ausgehen.

Der Staat und auch wir als Landesregierung greifen dann ein, wenn das, was in einem offenen sozialen marktwirtschaftlichen System als normal gilt, nicht 100-prozentig greift, weil es eben auch Menschen gibt, die nicht die gleiche Leistungsstärke aufweisen wie das Mittelfeld oder die Spitzenbereiche der entsprechenden Jahrgänge.

Wenn Sie die entsprechenden Zahlen nennen bzw. darauf Bezug nehmen, was die Statistiken im Bereich der Ausbildungsplatzsuchenden zum Beispiel bei Altnachfragern ausweisen, dann muss ich Ihnen ganz klar sagen, dass ich Ihnen in jedem Einzelfall individuell die Gründe nennen könnte, woran es lag. In diesen Fällen lag es wirklich nicht am System oder am Staat oder an irgendwelchen Versagenden. Man muss in diesen Fällen wirklich von individuellen Defiziten ausgehen. Diese muss man ernst nehmen und dafür müssen wir uns sozial in der Verantwortung fühlen und daher auch ein Reaktionsschema entwickeln. Aber dafür müssen wir uns nicht moralisch kritisieren lassen.

Wenn ich mir die gestern veröffentlichten Zahlen zum Ausbildungsmarkt ansehe, dann bin ich natürlich nicht damit zufrieden, dass von 25 873 Bewerbern 427 noch immer nicht vermittelt sind. Das entspricht aber einem Anteil von lediglich 1,7 %. Das ist ein absoluter Spitzenwert in Deutschland, den wir haben.

Wir haben fast allen Jugendlichen schon im ersten Schub ein Angebot unterbreitet, in den meisten Fällen auch in einem dualen Ausbildungsberuf, weil das die Voraussetzungen, die mitgebracht wurden, auch möglich gemacht haben. Bei dem anderen Teil müssen wir wirk

lich erst etwas vorschalten, damit die Ausbildungsfähigkeit gegeben ist.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, wo wir vor zehn Jahren oder noch vor einem Jahr waren, dann haben wir das beste Versorgungsergebnis seit der Wende.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Kos- mehl, FDP)

Im letzten Jahr haben wir mehr als 1 000 Nichtvermittelte in einer Nachvermittlungsoffensive unterbringen können; mit einer solchen beginnen wir jetzt gerade wieder. Wir wissen, dass wir in den nächsten Wochen auch für diese Betroffenen noch etwas machen können, zumal noch mehr als 200 duale Ausbildungsplätze in Betrieben offen sind und zumal darüber hinaus auch über Instrumente des Landes Angebote gemacht werden können, sodass wir dann beim nächsten Schub, wenn es darum geht, dass vielleicht ein Schulabschluss nachgeholt wird oder bei den Altnachfragern die entsprechenden Defizite, die zum Abbruch einer Ausbildung geführt haben, abgebaut werden, noch einmal nachsetzen können, damit diese jungen Menschen wirklich eine Chance haben.

Ich denke, das gemeinsame Bemühen der Partner im Pakt für Ausbildung hat sich in diesem Jahr wirklich ausgezahlt. Die Statistiken wurden bundeseinheitlich erhoben. Wir haben uns dazu als Landesregierung gar nicht geäußert, sondern die Bundesagentur hat das für sich selbst gemacht und spricht wirklich von guten Ergebnissen.

Auch der Wirtschaft kann man an dieser Stelle danken; denn es gibt 15 % mehr betriebliche Ausbildungsplätze als noch vor einem Jahr. Das heißt, man hat begriffen, wohin die demografische Entwicklung geht und welche Notwendigkeiten sich daraus ergeben. Auch der wirtschaftliche Aufschwung hat endlich positive Spuren im Ausbildungsmarkt hinterlassen.

Deshalb sage ich: Lassen Sie uns auf dieser Basis gut weiterarbeiten und lassen Sie uns auch schauen, welche Handlungsbedarfe dennoch dauerhaft bestehen bleiben; denn wir werden es immer auch mit Schwächeren, mit Leistungsschwächeren zu tun haben.

Deswegen sind die zehn Leitlinien zur Modernisierung der Berufsbildung dringend notwendig gewesen. Sie sind gerade vor zwei Tagen verschickt worden. Es hat noch nie eine Gruppe gegeben, die versucht hat, das Themen- und Arbeitsfeld so umfassend abzudecken.

In dieser Gruppe sind unter anderem die Bundesministerin Schavan und Vertreter der einzelnen Bundesministerien vertreten. Kollege Georgi aus dem Saarland und ich haben die Wirtschaftsministerkonferenz vertreten. Dort waren die Wirtschaftsverbände, die Gewerkschaften, die Bundesagentur, das Bundesinstitut für Berufsbildung, Unternehmen und Berufsschulen vertreten. Es war eine Gruppe, die - ich war regelmäßig dabei - versucht hat, das gesamte zusammengetragene Wissen zusammenzusteuern, um zu diesen Leitlinien zu kommen.

An dieser Stelle gibt es aus wirtschaftspolitischer Sicht zwei Hinweise:

Erstens. In den letzten Jahren haben wir in Deutschland versucht, den Tendenzen der Entwicklung dadurch Rechnung zu tragen, dass wir viele, viele neue Berufsbilder entwickelt haben. Ergebnis dessen ist, dass wir in Deutschland inzwischen mehr als 400 Berufsbilder ha

ben. Es ist in bestimmten Bereichen fast nicht mehr möglich, die erforderlichen Klassenstärken zusammenzubekommen bzw. überhaupt beim Berufsauswahlverhalten etwas in Richtung der Angebote, die die Wirtschaft dringend benötigt, zu steuern.

Deshalb haben wir uns darauf verständigt, dass diesbezüglich dringend eine Durchforstung stattfinden muss und dass man sich hinsichtlich der Grundmodule auf wesentliche Berufsbilder konzentrieren muss, um dann differenziert auf das aufzusetzen, was die einzelnen Unternehmen benötigen.

Zweitens. Aus wirtschaftspolitischer Sicht gibt es die klare Botschaft, dass die Anforderungen der Berufsbilder von Jahr zu Jahr anwachsen. Das, was ein Schüler der 10. Klasse in meinen Jahrgängen in den 60er- und 70er-Jahren mitbringen musste, würde heute nicht mehr reichen, um diese Berufsbilder mit einer erfolgreichen Prüfung abzuschließen. Die Anforderungen sind logischerweise gewachsen. Deshalb müssen wir uns darauf konzentrieren, was wir in den schulischen Strukturen vermitteln, und auf das, was die Wirtschaft beibringen muss, damit diese Berufsausbildung bei reeller Anerkennung dessen, was Menschen an Fertigkeiten mitbringen können, auch zum Erfolg führen kann.

Ich glaube, dass es alle Partner verstanden haben, sich auf die Schwerpunkte zu konzentrieren und die jungen Leute zu motivieren. Man muss ihnen aufzeigen, dass man es, wenn man sich anstrengt, über eine Ausbildung zu einem guten Einstieg in das Berufsleben bringen kann und dass es auch wirklich möglich ist, den Anforderungen zu genügen. Denn viele Dinge müssen dann on the job aufqualifiziert werden; nicht alles lässt sich schon in einer dualen Ausbildung vermitteln. Es ist ein lebenslanges Lernen angesagt. Ich glaube, das haben wir alle begriffen und versucht niederzulegen.

Dass man sich unabhängig davon noch einmal dem Bestand der in der Statistik aufgegriffenen Personen gewidmet hat, ist logisch, weil natürlich der relativ hohe Anteil von Altnachfragern schlicht und einfach nicht sofort in ein duales Ausbildungsverhältnis gebracht werden kann. Hierbei müssen, auch wenn mehrere Jahre seit dem Abbruch einer Lehre oder seit dem Verlassen der Schule ohne Abschluss vergangen sind, auf dem Weg zu einem Ausbildungsangebot auf jeden Fall Zwischenschritte gemacht werden. Ich denke, diesbezüglich haben wir in Sachsen-Anhalt mit den Kammern flächendeckend gute Programme im Angebot.

Herr Mewes, ich denke, dass es keine Kritik von Ihnen gewesen ist. Logischerweise müssen solche Angebote auch finanziellen und fiskalpolitischen Grundsätzen untergeordnet werden. Natürlich müssen wir entsprechende Mittel in den Haushaltsplan einstellen und eine Oberkante einziehen. Dies muss vor dem Hintergrund geschehen, dass Aufwand und Nutzen in einem guten Verhältnis zueinander stehen und dass wir bei der Auswahl von Trägern und bei der Definition von entsprechenden Ausbildungsmodulen möglichst ergebnisorientiert arbeiten.

An dieser Stelle hat man versucht - das ist auch an der Ausschreibungspraxis der Bundesagentur in den letzten Jahren zu sehen -, vieles nur rein fiskalpolitisch zu steuern. Das ist korrigiert worden. Man hat daraus gelernt, dass man die Qualität nicht ausreichend verbessert hat. Ich denke, wir haben, auch was die Landesprogramme anbelangt, einen guten Mittelwert gefunden.

Jetzt vielleicht ganz kurz noch etwas zu den Leitlinien. Es sind zehn Leitlinien formuliert worden; ich möchte mich auf drei, vier Leitlinien konzentrieren, die für Sachsen-Anhalt eine besondere Rolle spielen.

Erstens der Themenbereich „Mehr Schulabschlüsse erreichen, Ausbildungsreife verbessern“. An diesem Themenbereich arbeiten wir. Wir wissen, dass es immer noch eine nicht unerhebliche Anzahl von Jungen und Mädchen gibt, die die Schule ohne einen Abschluss verlassen. An dieser Stelle haben wir mit dem Kollegen Herrn Olbertz nachgelegt und haben ein Programm geschaltet.

Wir wissen, dass wir die Ausbildungsreife auch dadurch verbessern müssen, dass das Berufsauswahlverhalten und das Kennenlernen von Berufsbildern unbedingt Bestandteil des schulischen Ablaufes sein muss.

Hierfür haben wir das Programm „Brafo - Berufsauswahl richtig angehen, frühzeitig orientieren“ gestartet. Das Programm „Brafo“ ist ein in der Bundesrepublik Deutschland einzigartiges Programm, das es in dieser Form woanders nicht gibt. In den Klassenstufen 7 und 8 werden vier Berufsbilder vermittelt, die für den Branchenmix in der jeweiligen Region repräsentativ sind, was dazu führen soll, dass die jungen Menschen die richtigen Entscheidungen treffen werden.

Im Anschluss an die Vorstellung sollen diese vier Berufsbilder - es sind in diesem Jahr mehr als 15 000 Schüler, die wir durch die entsprechenden Unternehmen leiten müssen - durch Praktikumsangebote am Schuljahresabschluss ergänzt werden. Wir werden das auch in den nächsten Jahren durchführen und versuchen, das zu vertiefen.

Sowohl das Land als auch die Bundesagentur stellen dafür jeweils Mittel in Höhe von 2,5 Millionen € zur Verfügung. Das ist das erste Mal, dass sich die Bundesagentur innerhalb der schulischen Aktivitäten finanziell engagiert. Sie ist von uns davon überzeugt worden, dass es besser ist, in dieser Phase zu agieren, als im Nachgang schlicht und einfach nur den Ausputzer spielen zu müssen und die Abbrecher aufzufangen. An der Stelle haben wir etwas getan.

Eine zweite Leitlinie, die ich ansprechen möchte, ist: „Warteschleifen abbauen, Übergang in betriebliche Ausbildung sichern“. Das ist genau der Punkt, an dem wir gemeinsam mit den Kammern über Module, die wir anbieten, faktisch versuchen, das Nachholen eines Schulabschlusses zu ermöglichen. Dieser ist für die Erstaufnahme einer Ausbildung übrigens nicht zwingend erforderlich. Man könnte also ohne Schulabschluss eine Ausbildung beginnen.

An dieser Stelle müssen wir die Arbeitgeber dann über den Nachweis von Fertigkeiten davon überzeugen, dass sie kein Risiko eingehen, wenn sie einen Ausbildungsvertrag unterschreiben.