Protocol of the Session on September 14, 2007

Ich könnte es mir jetzt einfach machen und beide Fragen mit Ja beantworten. Sie reden ja auch immer über die „Flughöhe“ einer Frage. Wir würden dann allerdings Probleme haben, wenn wir versuchen würden zu definieren, was Grundsicherung ist.

Es ist etwas scheinheilig zu sagen, ich versuche mit Hartz IV Regelungen zu schaffen, die den Menschen bewegen, etwas zu tun. Denn man sollte hinterfragen, ob das angesichts der Probleme auf unserem Arbeitsmarkt, Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen, sinnvoll ist, oder ob das nicht für Arbeitsmärkte im Westen sinnvoller ist, wo es tatsächlich den einen oder anderen gibt, der sich in sozialen Hängematten eingerichtet hat.

Jetzt zu sagen, den Eltern gebe ich zwar nichts, aber dafür gebe ich es den Kindern, ist ein bisschen merkwürdig. Das führt unter dem Strich nur dazu, dass Sie sagen, ich führe ein bedingungsloses Grundeinkommen ein und das bekommt jeder unabhängig davon, ob er etwas tut oder nicht. Diese Diskussion müssten wir im Endeffekt führen. Dazu habe ich als Liberale ganz andere Positionen als Sie.

(Frau Bull, DIE LINKE: Ich habe das auf die Transferleistungen bezogen!)

Ich glaube nicht, dass das dazu führt, dass sich die Menschen damit aktivieren lassen. Darüber müssen wir im Endeffekt reden. So absurd das ist, wir reden über einen aktivierenden Staat. Ob er das wirklich kann, weiß ich nicht. Wir sollten es aber nicht unversucht lassen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Ich habe nur auf Ihre Un- terstellung reagiert!)

Die nächste Frage wollte Frau Dr. Klein stellen. Bitte schön.

Frau Dr. Hüskens, was ist für Sie eigentlich die entsprechende Bildung für jedes Kind? - Ich hatte jetzt den Fall, dass ein Vater in meiner Sprechstunde war, der von der Arge gefragt wurde: Wie kommen Sie denn dazu, Ihr Kind auf das Gymnasium zu schicken, wenn Sie ALG-IIBezieher sind?

(Zurufe von der LINKEN und von der CDU)

Steht also Kindern von Hartz-IV-Beziehern das Gymnasium gar nicht offen? Ist das entsprechende Bildung?

Frau Dr. Klein, ich würde das als eine Unverschämtheit empfinden. Wir vertreten ganz klar die Auffassung - ich glaube, das tun wir alle -, dass jeder Mensch nach seinen Leistungen und Befähigungen gefördert werden sollte.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Ich habe auch den Zwischenruf von Herrn Gürth so verstanden. Wenn Sie den Namen des betreffenden Mitarbeiters kennen, wird Herr Gürth - Herr Haseloff ist ge

rade nicht da - das sicherlich mitnehmen und sich darum kümmern, ob der Mitarbeiter so etwas wirklich gesagt hat. Vielleicht macht das, wenn sich ein Vertreter der Regierungsfraktion darum kümmert, etwas mehr Eindruck, als wenn Sie nachfragen.

Ich denke, dem sollten wir tatsächlich nachgehen. Sie haben völlig Recht, das kann nicht der Ansatz sein. Es geht nicht darum, zu sagen, wenn ein Mensch arm ist, kann er es sich nicht leisten. Wir gehen in unserem System davon aus, dass jeder, der leisten kann, das leisten sollte, was er kann, aber sich eben nicht in irgendwelche Nischen zurückziehen kann und nur mit sozialen Transfers rechnet.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Für die SPD-Fraktion spricht nun Frau Grimm-Benne.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es kurz machen, ähnlich kurz, wie es in dieser Woche unser Vizekanzler Franz Müntefering gemacht hat, als er auf den Anstieg der Kinderarmut in Deutschland angesprochen worden ist. Er hat drei Punkte genannt: Wir brauchen mehr Arbeit, wir brauchen die Einführung des flächendeckenden Mindestlohnes und wir brauchen einen chancengerechten Zugang zu Bildung, damit sich die Armut nicht vererbt. - So einfach und so kurz diese drei Sätze sind, so schwer sind sie auch zu erfüllen.

Ich will noch einen vierten Punkt anschließen. Es geht darum, was soll und muss der Staat leisten, wem wollen wir helfen und was können wir über Transferleistungen regeln.

Ich bin in einer Familie groß geworden, in der ich die Erste war, die damals, vor fast 30 Jahren, das Abitur gemacht hat.

(Herr Gürth, CDU: Das ist schon einmal nicht schlecht!)

Zu dem Zeitpunkt gab es die Einstellung - mein Vater hat Weber gelernt und meine Mutter war Näherin, sie war die ganze Zeit zu Hause -: Meine Kinder sollen es einmal besser haben. Frau Hüskens hat vorhin versucht zu sagen, dass wir viele Eltern dahin gehend beeinflussen müssen, dass sie ihre Perspektivlosigkeit, ihre Mutlosigkeit, ihre Antriebslosigkeit und die Aussage, dass aus uns sowieso nichts mehr wird, nicht auf ihre Kinder vererben.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Minister Herrn Hövelmann)

Deswegen werden wir morgen auf unserem Parteitag neben der Diskussion über die Verlängerung von Betreuungszeiten darüber reden,

(Herr Kosmehl, FDP: Oh!)

dass wir neben der Qualität in der Bildung versuchen wollen, dass die Kindertagesstätten die ersten Anlaufstellen zur Erziehungsberatung, zur Hilfestellung für Eltern, möglicherweise auch um weitergehende Hilfestellungen aufzuzeigen, sind. Damit sollen die Eltern ertüchtigt werden, sich durchzusetzen, damit ihre Kinder eine Chance auf Bildung und einen chancengerechten Zugang erhalten. Die Eltern dürfen auch nicht entmutigt

werden, wie Frau Dr. Klein gerade beschrieben hat. Wir versuchen das - Frau Ministerin hat es angesprochen - mit Kinder-Eltern-Zentren zu erreichen.

An dieser Stelle müssen wir, so schlimm sich das auch anhört, viele Eltern ertüchtigen. Frau von Angern ist dies aus vielen Gesprächen ebenfalls bekannt. Wir müssen Eltern hinsichtlich der Haushaltsführung, der Ernährung, des Kochens, der Freizeitgestaltung und vieler anderer Punkte helfen. Wir müssen es hinbekommen, dass sie sowohl sich als auch ihren Kindern helfen können.

(Herr Borgwardt, CDU: Das sollen die Kindergär- ten leisten?)

Frau Grimm-Benne, möchten Sie eine Frage von Herrn Kosmehl beantworten?

Bitte, Herr Kosmehl.

Frau Kollegin, ohne dass Sie der Debatte auf Ihrem Parteitag vorgreifen müssen, würde mich in diesem Zusammenhang Folgendes interessieren: Wenn die Kindertagesstätten Ansprechpartner für Erziehungsberatung und dergleichen werden, werden Sie dann auch Sorge dafür tragen, dass das weiterhin Kindergärten in freier Trägerschaft sein können? Oder sagen Sie, das müssten Kindergärten sein, die von den Kommunen eigenständig betrieben werden, damit dieses Erziehungs- und Beratungsprogramm auch staatlich vermittelt wird?

(Frau von Angern, DIE LINKE: Das ist doch Quatsch!)

Herr Kosmehl, ich weiß nicht, ob Ihnen die Fördermodalitäten für die freien Träger bekannt sind. Das Land stellt den freien Trägern eine bestimmte Höhe an Mitteln zur Verfügung, damit sie die Aufgaben des Staates erfüllen.

(Herr Kosmehl, FDP: Das wollen Sie sicherstel- len?)

- Das stellen wir doch jetzt schon sicher. Ich weiß nicht, ob Sie in diesem Jahr schon in das Haushaltsgesetz gesehen haben, um zu sehen, wie viel Geld wir für KinderEltern-Zentren an freie Träger ausreichen, um genau das, was ich vorhin angesprochen habe, zu finanzieren.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und von Minister Herrn Hövelmann)

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Zum Schluss der Debatte hören wir noch einmal Frau von Angern, wenn sie möchte.

(Herr Tullner, CDU: Nicht wieder so populistisch!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das von Frau Dr. Klein angeführte Beispiel ist sicherlich

ein Einzelfall, aber die Studie des DPWV zeigt, dass Kinder aus gut situierten Haushalten eine 2,7-mal höhere Chance haben, zum Gymnasium zu kommen, als Kinder, die in Bedarfsgemeinschaften leben. Das sind keine Einzelfälle. Das ist ein Ergebnis, welches uns schon lange bekannt ist.

Frau Dr. Kuppe, Sie zitierten in Ihrer Rede aus vielen Studien. Das ist auch gut und richtig so. Das zeigt mir, dass in diesem Land nicht unbekannt ist, was in diesem Land vorfällt, wo die Probleme liegen und wo angesetzt werden muss.

Wenn ich nicht wüsste, dass wir diese Dinge schon gemeinsam im Sozialausschuss besprochen haben und ich am Ende der Ausschusssitzung an die Sozialpolitiker appelliert habe, dass wir vielleicht gemeinsam Handlungsstrategien entwickeln, die natürlich aus dem Ausschuss heraus nicht entwickelt worden sind, dann würde ich heute hier nicht stehen und diese Forderung aufmachen und Ihren Alternativantrag als Weichspüler betiteln. Aus meiner Sicht ist er das und dabei bleibe ich auch.

(Herr Gürth, CDU: Das heißt, Sie haben eine Strategie!)

Ich stehe dem Landesparteitag der SPD durchaus positiv gegenüber und ich wünsche Ihnen dahin gehend ganz viel Glück und Erfolg,

(Herr Tullner, CDU: Fahren Sie doch mit!)

dass Sie die richtigen Beschlüsse fassen. Weil ich das hoffe und weil ich Sie heute noch nicht zu einer Positionierung zwingen will, zu der Sie nach Ihrem Parteitag kommen werden, beantrage ich die Überweisung unseres Antrages in alle Ausschüsse des Landtages außer in den Ausschuss für Petitionen.

Abschließend noch ein Wort zu Ihnen, Herr Kurze. Ich habe selten erlebt, dass Kinderarmut in dieser Art und Weise verharmlost worden ist. Wenn Sie das Leben unter der Brücke als Schwelle für die Kinderarmut ansehen, dann halte ich das für puren Zynismus. Sie sollten sich überlegen, ob Sie der Richtige für die Sozialpolitik sind.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau von Angern. - Wir stimmen zunächst über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Ausschussüberweisung, den Frau von Angern gerade noch einmal gestellt hat, und damit automatisch auch über die Überweisung des Alternativantrags ab. Es ist eine Überweisung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Soziales und zur Mitberatung an alle anderen Ausschüsse, ausgenommen den Petitionsausschuss, wenn ich das richtig verstanden habe, beantragt worden. Wer stimmt diesem Antrag zu? - Die Antragsteller. Wer stimmt dagegen? - Alle anderen. Damit ist der Antrag auf Überweisung abgelehnt worden.