Abschließend möchte ich den luxemburgischen Premier Juncker, einen bekennenden Europäer, zitieren. Er sagte: „Europa wird entweder sozial oder es wird scheitern.“
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen ist die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 zu Ende gegangen. Am 27. Juni 2007 hat die Bundeskanzlerin in einer Rede vor dem Europäischen Parlament in Brüssel Bilanz gezogen. Diese Bilanz ist im Internet für jedermann verfügbar. Ich kann deswegen an dieser Stelle auf eine umfassende Wiedergabe der Inhalte verzichten und will nur auf einige ausgewählte Bereiche eingehen, allerdings nicht ohne vorab zu bemerken, Herr Czeke: In einem halben Jahr der Präsidentschaft in der Europäischen Union kann man es nicht jedem recht machen.
In Zukunft werden wir eine längere Agenda für die Präsidentschaft ermöglichen, um auf bestimmten Themenfeldern auch einmal hartnäckiger arbeiten zu können. Bisher ist es nun einmal so, dass jede Präsidentschaft der jeweils folgenden ein Stück weit die Agenda vorgibt, die dann konsequenterweise abzuarbeiten ist.
Die deutsche Präsidentschaft hat sehr viel und sehr erfolgreich gearbeitet, und das in einem Jahr, das wegen einer Vielzahl herausragender Ereignisse ohnehin von besonderer Bedeutung für Europa war. Um nur einige zu nennen, erinnere ich an den Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union zu Beginn dieses Jahres, an den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Gründungsverträge der Europäischen Union am 25. März 2007 und an den Beginn der Umsetzung der finanziellen Vorausschau. In einem solchen Jahr waren die Erwartungen an die deutsche Präsidentschaft natürlich besonders groß.
Vor dem Hintergrund der veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Verfassungskrise, die zweifellos da war, galt es, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger Europas in die Gestaltungs- und Zukunftsfähigkeit der Europäischen Union wiederzugewinnen.
Dabei war die deutsche Präsidentschaft wie jede Präsidentschaft darauf angewiesen, im Rat eine qualifizierte Mehrheit oder gar Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten zu erreichen. Dies, meine Damen und Herren, erfordert Kompromisse, die angesichts der Interessen von 27 Mitgliedstaaten natürlich nicht immer zu erzielen sind.
In diesem Rahmen und vor diesem Hintergrund ist es der Bundesregierung vorzüglich gelungen, Stagnation und Ratlosigkeit in Europa zu überwinden und eine neue Entschlossenheit und Geschlossenheit spürbar werden zu lassen.
Allen ist bewusst geworden: Europa gelingt nur gemeinsam. Das zeigt sich, wie ich meine, an fünf zentralen Bereichen: erstens an der Vertragsreform, zweitens an der Klima- und Energiepolitik, drittens an der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der sozialen Dimension, Herr Czeke, viertens an der Justiz- und Innenpolitik und - last, not least - fünftens an den EU-Außenbeziehungen.
Die Überwindung der Verfassungskrise und die Einigung auf eine Fortsetzung des Verfassungsreformprozesses werden mit Recht als das überragende Ergebnis der deutschen EU-Ratspräsidentschaft gewertet.
Ich stehe nicht an, hier zuzugeben, wäre es nicht gelungen, wäre die Präsidentschaft, trotz aller Erfolge auf anderen Gebieten, negativ zu beurteilen. Aber es ist gelungen.
Der Weg hierfür wurde sehr vorausschauend mit der Berliner Erklärung am 25. März 2007 geebnet. Im Ergebnis des Europäischen Rates am 21. und 22. Juni 2007 ist es gelungen, einen umsetzbaren Fahrplan für das weitere Vorgehen im Verfassungsprozess vorzulegen und konkrete Vorschläge für weitere Schritte zu unterbreiten, die im Rahmen der portugiesischen Präsidentschaft auch seriös und verlässlich abgearbeitet werden können.
Aus Ländersicht ist vor allem zu begrüßen, dass der Europäische Rat ein klares Mandat für eine Regierungskonferenz zur Reform der Europäischen Union im zweiten Halbjahr 2007 erteilt hat. Hierfür gebührt der Präsidentschaft Anerkennung, insbesondere auch weil es gelungen ist, schwierige Fragen zu lösen, an denen die Verhandlungen zeitweilig zu scheitern drohten, wie etwa die von Polen problematisierte Frage der Stimmengewichtung im Ministerrat.
Die verabredeten Lösungen ermöglichen es, die Europäische Union bis zu den Europawahlen im Jahr 2009 auf eine erneuerte tragfähige Grundlage zu stellen. Auch Frankreich und die Niederlande können damit wirklich leben. Auch in diesen Ländern ist mit Zustimmung zu diesem Ergebnis zu rechnen.
Aus deutscher Sicht will ich sagen: Ob das am Ende „Verfassung“, „Vertrag über die Grundlagen“ oder wie auch immer heißen wird, das mag dahinstehen. Auch unser Grundgesetz ist zweifellos eine Verfassung, ohne expressis verbis als solche bezeichnet zu sein. Insofern war das Zugeständnis an dieser Stelle, hinsichtlich der
Wichtig ist auch, dass die Reform der EU-Organe, Ministerrat, Europäisches Parlament und Europäische Kommission, weiterhin Bestandteil des Vertragswerks sind. Dies sichert die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und bietet eine wirkliche Chance zu mehr Transparenz. Wenn alles so umgesetzt wird, wie es dort verabredet worden ist, dann wird Europa transparenter und werden die Entscheidungsprozesse auch für die Bürgerinnen und Bürger durchschaubarer sein.
Nur am Rande will ich anmerken, Herr Czeke, dass die Ratspräsidentschaft in Europa keine Richtlinienkompetenz haben wird. Der Ratspräsident wird zu keiner Zeit vergleichbar sein mit der Bundeskanzlerin oder einem deutschen Ministerpräsidenten, sondern wird immer nur Primus inter Pares sein, derjenige, der eine Agenda abzuarbeiten hat, aber dies, wie ich schon sagte, in einem größeren Spannungsbogen, mit weniger Hektik, als dies bisher von den Rahmenbedingungen her vorgegeben war.
Wichtige Anliegen der deutschen Länder konnten erhalten bleiben, vor allem die bessere Kompetenzabgrenzung zwischen EU und Mitgliedstaaten, die Wahrung der nationalen Identität einschließlich der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung und das Frühwarnsystem der nationalen Parlamente für Verstöße gegen das Subsidiaritätsprinzip, das auf Druck der Niederlande sogar noch weiter ausgebaut werden konnte. Es wird auch ein europäisches Bürgerbegehren geben - das ist mehr Demokratie in Europa.
Aus der Ländersicht ist ebenfalls das Protokoll zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu begrüßen, das dem neuen Vertrag beigefügt werden soll. Das eröffnet die Möglichkeit, den Handlungsspielraum der Kommunen, ihre Gestaltungsfreiheit bei der Erbringung von Aufgaben der Daseinsvorsorge zu stärken. Das ist, wie wir in vielen Diskussionen hier im Plenum des Landtags, aber auch in den Ausschüssen des Landtags von Sachsen-Anhalt miterleben konnten, gerade für Deutschland und Sachsen-Anhalt von besonderem Interesse.
Ein weiteres wichtiges Resultat ist der Erhalt der Rechtsverbindlichkeit der Grundrechtecharta, auch wenn sie nicht mehr Teil des Vertrags ist und auch wenn einzelne Mitgliedstaaten sich wegen der innerstaatlichen Bedeutung, die die Grundrechtecharta bei ihnen haben könnte, Optionsrechte vorbehalten haben. Vom Grundsatz her ist dies vor allem im Hinblick auf die Bindung der EU-Organe an die gemeinsamen Grundwerte und Grundrechte in Ausübung ihrer Tätigkeit von Bedeutung. Darüber hinaus erhält der neue Vertrag auch Regelungen, die als Antwort auf die neuen Herforderungen der EU wie die Knappheit der Rohstoffe und den Klimawandel zu verstehen sind.
Meine Damen und Herren! Jetzt wird es darauf ankommen, dass die Ergebnisse des Europäischen Rates und der Regierungskonferenz, die ihre Arbeit auf dem allgemeinen Rat am 23. und 24. Juli 2007, also schon in wenigen Tagen aufnehmen soll, sachgerecht umgesetzt werden. Die Länder haben hierzu bereits Vertreter aus Bayern und Rheinland-Pfalz benannt.
Die Ratifikation wird am Ende selbstverständlich nach den jeweiligen mitgliedstaatlichen nationalen Rechten zu erfolgen haben. Dafür haben wir in Deutschland Spiel
Meine Damen und Herren! Auch in anderen Politikbereichen gab es während der Präsidentschaft große Fortschritte. Dazu zählen zweifellos die Beschlüsse des Europäischen Rats im März 2007 zu einer integrierten Energie- und Klimaschutzpolitik. Erstmals wurden die Klimaschutzziele, die interne Energiepolitik der Union, die Frage der Energieeffizienz und der Energieaußenpolitik in einem politischen Dossier zusammengefasst, das auch der Vorbereitung des G8-Gipfels diente.
Ohne eine vorbereitende geschlossene Position der Mitgliedstaaten der Europäischen Union wäre es schlechterdings unmöglich gewesen, die stärksten Industrienationen der Welt überhaupt voranzubringen. Gerade deshalb darf man der deutschen Präsidentschaft dankbar sein, dass sie es im Vorfeld geschafft hat, zunächst einmal die europäischen Mitgliedstaaten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Zur Stärkung des Binnenmarkts und der Wettbewerbsfähigkeit der Union tragen insbesondere die Initiativen zur besseren Rechtsetzung und zum Bürokratieabbau in Europa bei. Der beschlossene Bürokratieabbau könnte - das ist seriös ermittelt worden - einen mittelfristigen Wachstumsimpuls in Höhe von 1,5 % des europäischen Bruttoinlandsprodukts auslösen.
Zu den spürbar verbesserten Verbraucherrechten, die erzielt worden sind, gehören die Schaffung eines europäischen Zahlungsraumes - grenzüberschreitender Zahlungsverkehr und Verbraucherkreditrichtlinie sind die Stichwörter in diesem Zusammenhang -, die Roamingverordnung, die es ermöglicht, dass gerade auch die jungen Leute, die im Ausland sind, preiswerter telefonieren können, die neue Verordnung zum ökologischen Landbau und auch die neue europäische Fernsehrichtlinie, die wir hier ja auch schon verschiedentlich behandelt haben.
Im Bereich der Innen- und Justizpolitik gab es ebenfalls erhebliche Fortschritte. Last, not least wurde im Außenbereich eine neue Strategie gegenüber Zentralasien erarbeitet, die insbesondere im Hinblick auf die Energieaußenpolitik von besonderer Bedeutung ist. Der Erfolg des G8-Gipfels war auch insofern ein Verdienst des geschlossenen Auftretens der EU im Vorfeld.
Selbst im Verhältnis der EU zu Russland hat es, anders als es in dem Antrag zur Durchführung der Aktuellen Debatte zum Ausdruck kommt, Fortschritte gegeben, so bei der Energiezusammenarbeit oder im Bereich der Investitionssicherheit. Gleichwohl bleiben noch Fragen offen. Dies betrifft natürlich die Voraussetzungen für die Aufnahme von Verhandlungen für ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen.
Die Probleme liegen aber in erster Linie im Verhältnis zwischen Polen und Russland und nicht, wie suggeriert werden könnte, im Verhältnis zwischen Deutschland und Russland. Wir sollten uns hier nicht anmaßen, über das Verhältnis Russlands zur Europäischen Union zu richten. Ich kann mich jedenfalls an Zeiten erinnern, in denen es wesentlich frostiger war.
Natürlich vertritt jede Seite ihre Interessen hart und konsequent, aber man spricht lösungsorientiert miteinander
Die Länder haben die Bundesregierung in dem Ziel einer breiten öffentlichen Ausstrahlung der Ratspräsidentschaft unterstützt. Dazu hat es viele Veranstaltungen gegeben, die dazu beigetragen haben, dass Europa während der deutschen Präsidentschaft anschaulicher und lebendiger geworden ist. Die Bundeskanzlerin, der Bundesaußenminister und alle Fachminister, deren Erfolgsbilanzen ja öffentlich vorliegen, verdienen unseren Dank. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit;
Wir begrüßen jetzt auf der Südtribüne Schülerinnen und Schüler des Siemens-Gymnasiums Magdeburg sowie Schülerinnen und Schüler des Stein-Gymnasiums aus Weferlingen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, Herr Czeke, wenn man Sie ernst nehmen würde, dann wäre das zusammengefasst so: Das war nett in Europa, aber es gibt so viele Probleme und so viele Uneinigkeiten - völlig unverständlich bei so vielen Nationalstaaten, die versuchen, unter einem Dach zusammenzukommen -; lassen wir es sein, gehen wir zurück zu den Nationalstaaten.
Eine solche Tendenz war deutlich zu hören. Ich muss dazu sagen: Europa krankt auch daran, dass man es ständig schlechtredet.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank - Herr Gallert, DIE LINKE: Oh! - Herr Gürth, CDU: Typisch PDS!)
Ich kann mir übrigens auch vorstellen, dass andere Kolleginnen und Kollegen aus Ihrer Fraktion eine andere Rede dazu gehalten hätten.
Europa krankt im Übrigen wirklich daran, dass man es ständig schlechtredet. Wenn die LINKE in der Begründung zu ihrem Antrag auf Durchführung dieser Aktuellen Debatte das Urteil fällt, ein transparentes bürgerinnen- und bürgernahes und demokratisches Europa sei so nicht möglich, dann ist das für mich ein extrem vernichtendes Urteil.
Es ist ein Urteil, das weder der Europäischen Union als Institution noch den Ergebnissen der deutschen EURatspräsidentschaft gerecht wird. Zudem ist es ein Urteil - das ist für mich das Schlimmste daran -, das in erster Linie 50 Jahre europäischer Politik für Frieden, aber auch für Freiheit in Bausch und Bogen verdammt.