Es wurde bereits bei diesem Termin positiv festgestellt, dass Sachsen-Anhalt in der Neun-Länder-Gruppe mitwirkt und dass das Justizministerium meinungsbildend, konzentriert und erfolgsorientiert an dem Entwurf arbeitet. Das macht deutlich, dass wir keinen Wettbewerb nach unten beginnen. Im Interesse einer Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland und auch unter Wahrung internationaler Standards sind diese Länder übergreifenden Bemühungen nur zu begrüßen, nicht zuletzt auch im Hinblick auf mögliche Verlegungen von Inhaftierten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hinsichtlich der Verständigung über Ziele, Aufgaben und Regelungen und vor allem über die spezialpräventiven Ziele sind Anknüpfungspunkte für die Kooperation von Justiz und Jugendhilfe zu beachten. Die Fachkompetenz der Jugendhilfe ist bei der Umsetzung des Gesetzes zu nutzen. Das ergibt sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Ich denke, genau in diesem Kontext kann man auch auf die Frage eingehen, die Herr Wolpert angesprochen hat; denn die Prinzipien der Jugendhilfe werden uns in diesem Fall auf den richtigen Weg führen. Diesbezüglich bin ich mir ganz sicher. Außerdem liegen Angebote von Bundes- und Landesverbänden vor, die dieses Potenzial bieten. Das sollten wir an dieser Stelle einfach auch nutzen.
Für die Entwicklung eines wirksamen Resozialisierungskonzeptes wird es wichtig sein, dass die allgemein als erfolgsnotwendig anerkannten Vollzugsbedingungen und Maßnahmen kontinuierlich gewährleistet sind. Gemeint sind in diesem Zusammenhang, wie es von meinen Vorrednern schon angedeutet und angesprochen wurde, schulische und berufliche Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten, die Einzelunterbringung zur Nachtzeit und die tagesstrukturierenden Maßnahmen in Wohngruppen, um soziale Kompetenzen und Konfliktlösungsstrategien zu erwerben.
Gleiches gilt für die pädagogische und sozialtherapeutische Betreuung sowie für eine mit angemessenen Hilfen für die Phase nach der Entlassung verzahnte Entlassungsvorbereitung. Das heißt, die soziale Eingliederung des Täters und die Verhinderung von Rückfälligkeit müssen durchgängig Leitmotiv des Strafvollzugs bleiben.
Es ist einfach unerlässlich, vom ersten Tag der Inhaftierung an durch eine individuelle Vollzugsplanung den Blick auf die vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen der jungen Menschen zu lenken und darauf aufzubauen.
Die Entlassung ist eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen dem Vollzug und einem straffreien Leben. Es wird also notwendig werden, die bisherigen und künftigen Methoden auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen, um die Effizienz weiterhin zu erhöhen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Vorhalten von bedarfsgerechten Angeboten im Wohnumfeld nach der Entlassung ist wichtig. Dies zu vernachlässigen würde sich bitter rächen und wäre an der Rückfallquote ablesbar. Das wurde schon mehrfach betont.
Es gilt also, auf das bestehende Netzwerk von Vereinen sowie den Landesverband der Straffälligen- und Bewährungshilfe zurückzugreifen. Die Justizministerin hat darauf verwiesen. Ich denke, trotz einiger Lücken sind wir hierbei auf einem guten Weg. Ich weiß um die Schwierigkeiten, die es bei der Erledigung von Behördenwegen gibt, wenn ehemalige Inhaftierte in Notlagen geraten.
An einigen Stellen werden wir, wie gesagt, Übergangsfristen aufnehmen müssen, so für den Bereich der Sozialtherapie. Die neuen Besuchsregelungen, nämlich die Erhöhung auf vier Stunden monatlich, sind begrüßenswert, stellen jedoch gleichzeitig erhöhte Anforderungen an die organisatorischen Maßnahmen der Anstalt dar. Dies wurde uns auch bei dem Vor-Ort-Termin dargelegt.
Um also für eine solide haushaltsmäßige Planung Vorsorge zu treffen, wird eine Übergangsfrist notwendig sein; denn es wurde begrüßt und von jedem anerkannt, dass wir in Sachsen-Anhalt eine vom Baulichen her sehr moderne Anstalt vorweisen können. Ich denke, es ist genauso wichtig, dass wir auch qualifiziertes Personal zur Verfügung stellen. Dieses Problem haben wir mithilfe der Übergangsregelung zu klären.
Lassen Sie mich abschließend feststellen, dass der vor einem Jahr im Parlament erteilte Auftrag zur Erarbeitung eines Entwurfs in guter Qualität abgearbeitet wurde. Das heißt, die Erarbeitung erfolgte meinungsbildend und zeitnah. Darin sind Standards in den Bereichen Unterbringung, Bildung und Ausbildung enthalten.
Ich möchte auf den Kollegen Sturm reagieren, der die Regelungswut angesprochen hat. Ich denke, als Nichtjurist kann man darüber streiten, wie viele Regelungen in ein solches Gesetz gehören, was geregelt und reguliert werden muss und was nicht - das gilt sicherlich für alle Gesetze. Aber das Hauptargument spricht aus meiner Sicht dafür, dass wir aus dem gemeinsamen Entwurf der Neun-Länder-Gruppe nicht ausscheren. Das ist an dieser Stelle zu betonen.
Meiner Einschätzung nach ist es wichtig, dass die Jugendvollzugsanstalt einen gewissen Freiraum hat, um eigene pädagogische Konzepte zu verwirklichen. Ich bin mir sicher, dass dieser Gesetzentwurf durch das Engagement innerhalb der Jugendvollzugsanstalt mit Leben gefüllt werden wird.
Namens der SPD-Fraktion bitte ich Sie, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu überweisen. - Danke.
Vielen Dank, Frau Reinecke. Möchten Sie eine Frage von Herrn Kosmehl beantworten? - Herr Kosmehl, bitte, fragen Sie.
Frau Kollegin, Sie haben betont, dass sich die neun Länder um die Beibehaltung der Einheitlichkeit bemühen sollten. Bedeutet das, dass die Koalitionsfraktionen in den Ausschussberatungen keine Änderungen an dem
Gesetz mehr zulassen werden, um von dieser Einheitlichkeit, von der Sie gesprochen haben, nicht abzuweichen?
Herr Kosmehl, ich gehe davon aus, dass die NeunLänder-Gruppe noch im Beratungsprozess ist. Wir werden die angesprochenen Fragen mit in den Ausschuss nehmen und dort sicherlich intensiv erörtern.
Vielen Dank. - Es wurde die Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Recht und Verfassung beantragt. Gibt es weitere Anträge auf Überweisung? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir darüber ab.
Wer stimmt für die Überweisung des Gesetzentwurfes in der Drs. 5/749 in den Ausschuss für Recht und Verfassung? - Das sind alle. Damit ist die Überweisung beschlossen worden und der Tagesordnungspunkt 10 ist abgeschlossen.
„Die dritte und letzte Aufgabe des Staates besteht darin, solche öffentlichen Aufgaben und Einrichtungen aufzubauen und zu unterhalten, die, obwohl sie für ein großes Gemeinwesen höchst nützlich sind, ihrer ganzen Natur nach niemals einen Ertrag abwerfen, der hoch genug für eine oder mehrere Privatpersonen ist, um die anfallenden Kosten zu decken, weshalb man von ihnen nicht erwarten kann, dass sie diese Abgabe übernehmen.“
So der schottische Philosoph und Begründer der heutigen klassischen Volkswirtschaftslehre Adam Smith in seinem Werk „Wohlstand der Nationen“.
Aus aktuellem Anlass haben wir ausreichend Grund, hierüber erneut ernsthaft und sachlich zu debattieren. Seit einigen Monaten - die aktuelle Fassung datiert vom Juni 2007 - liegt der Entwurf eines Eisenbahnneuordnungsgesetzes auf dem Tisch, welcher im Kern sechs Punkte enthält:
erstens den Verkauf von Anteilen der Deutschen Bahn AG im Umfang von bis zu 49,9 % an private Dritte,
zweitens die Suche nach Möglichkeiten der Sicherung des Einflusses des Bundes auf die Eisenbahninfrastruktur gemäß Artikel 87e und hier insbesondere Absatz 3 des Grundgesetzes,
drittens die Sicherung des handelsrechtlichen Eigentums der Eisenbahninfrastrukturunternehmen durch die Deutsche Bahn AG,
viertens die Übertragung sämtlicher Stimmrechte in Haupt- und Gesellschafterversammlungen in den Eisenbahninfrastrukturunternehmen und damit vollständiger Verzicht des Bundes auf Sicherung der Allgemeinwohlverpflichtung gemäß Artikel 87e des Grundgesetzes,
fünftens die Sicherung laufender öffentlicher Investitionszuschüsse für die Eisenbahninfrastrukturenunternehmen in Höhe von bis zu 2,5 Milliarden € jährlich für mindestens 15 Jahre in einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund und der Deutschen Bahn AG,
sechstens den Rückkauf des Eigentums des Bundes an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen durch den Bund selbst mit Ablauf der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zum Buchwert, ermittelt durch die Deutsche Bahn AG.
Meine Damen und Herren! Diese Kernaussagen in dem vorliegenden Gesetzentwurf sind unvereinbar. Insbesondere ist der Bund nicht in der Lage, bei gleichzeitigem Verzicht auf seine Eigentumsrechte an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Allgemeinwohlverpflichtung gemäß dem Grundgesetz nachzukommen.
Der Bund hat bereits heute mit seinem 100-prozentigen Einfluss über die Deutsche Bahn AG auf die Eisenbahninfrastrukturunternehmen DB Netz AG, DB Station & Service AG und DB Energie GmbH keine detaillierten Kenntnisse über den tatsächlichen Zustand seines Eigentums. Das ist zum Beispiel in der Bundestagsdrucksache 16/3998 nachzulesen.
Meine Damen und Herren! Welchen Einfluss will der Bund auf diese Eisenbahninfrastrukturunternehmen geltend machen, wenn er nach Abtretung aller Stimmrechte an die ihm dann nur noch zu 50,1 % gehörende Deutsche Bahn AG lediglich über maximal 23 % mittelbaren Einflusses im Aufsichtsrat der Eisenbahninfrastrukturunternehmen verfügt?
Meine Damen und Herren! Damit ist der Bund nicht einmal in der Lage, die Vorstände oder die Geschäftsführung zu besetzen, vom Einfluss auf die Qualität und Quantität des Schienenwegenetzes ganz zu schweigen.
Nach dem derzeit bekannten Zeitplan soll der vorliegende Entwurf eines Eisenbahnneuordnungsgesetzes Ende dieses Monats erstmals in einer getrennten Anhörung der Verbände und der Länder vorgestellt werden. In der Folge kann es im September 2007 - der Termin steht bereits fest - eine erste Stellungnahme des Bundesrates dazu geben, mit welcher der Gesetzentwurf in die Gremien des Bundestages eingebracht wird.
Weshalb liegt die Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG in der maßgeblich vom Vorstand der Deutschen Bahn AG beeinflussten Fassung des Entwurfes des Eisenbahnneuordnungsgesetzes nicht im Interesse der Bundesländer und damit auch nicht im Interesse von Sachsen-Anhalt? - Zwölf Argumente gegen den Verkauf der Deutschen Bahn AG an der Börse:
Erstens. Der Wert der Deutschen Bahn AG - vor allem des rollenden Materials, Lokomotiven, Reisezugwagen, Güterverkehrswagen, Triebfahrzeuge etc. - liegt bei einem Vielfachen dessen, was beim Verkauf der Eisenbahnverkehrsunternehmen DB Regio, DB Reise & Touristik, DB Railion und auch Schenker erzielt werden soll. Wird dies, wie beabsichtigt, umgesetzt, wird öffentliches Eigentum im Wert von mehreren Dutzend Milliarden Euro verschleudert.
Zweitens. Der vorliegende Entwurf des Eisenbahnneuordnungsgesetzes geht davon aus, dass der Bund nach dem teilweisen Verkauf der Eisenbahnverkehrsunternehmen ähnliche Beträge für die Infrastruktur ausgeben muss wie vor der Privatisierung. Im Fall einer Bahnprivatisierung ist der Einfluss auf die Verwendung dieser Gelder allerdings wesentlich geringer als heute. Ergo: gleiche Staatsknete, kein Einfluss.
Drittens. Alle in dem Gutachten „Privatisierung mit und ohne Netz“ betrachteten Privatisierungsvarianten, einschließlich des nun favorisierten Eigentumssicherungsmodells, gehen davon aus, dass der Schienenpersonenfern- und -nahverkehr auf dem Verkehrsmarkt Marktanteile verlieren wird. Das heißt, auch die Betreiber der Privatisierung sagen, dass bei einem Börsengang der Deutschen Bahn AG die Schiene auf dem Verkehrsmarkt weiter an Boden verlieren werde.
Viertens. Private Investoren rechnen mit einer Eigenkapitalrendite in Höhe von mindestens 10 %, also mit mehr als dem Vierfachen der derzeit ausgewiesenen aktuellen Gewinne der Deutschen Bahn AG. Da unter den gegebenen Bedingungen signifikante Steigerungen im Schienenverkehr nicht zu erwarten sind, können solche Renditen nur durch Mehreinnahmen bei den Fahrgästen, sprich Fahrpreiserhöhungen, durch weniger Service für die Fahrgäste, durch weniger Personal und niedrige Arbeitseinkommen, durch Unterlassung von Instandsetzung und Instandhaltung der Eisenbahninfrastruktur sowie durch höhere Subventionen erzielt werden. In der Realität wird es wohl einen Mix aus all diesem geben. Eine solche Praxis können wir uns aktuell in Großbritannien oder in Argentinien anschauen.
Fünftens. Private Bahnbetreiber werden sich auf die Strecken konzentrieren, auf denen sie die höchste Rendite erzielen. Sie werden im Umkehrschluss solche Strecken, auf denen sie niedrige oder gar keine Renditen erwirtschaften, entweder ausdünnen, nicht mehr betreiben oder nur mit höheren Unterstützungsleistungen von Bund, Ländern und Kommunen weiter unterhalten.