Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht können uns die Untersuchungen der Landesregierung in der nächsten Sitzung des Innenausschusses einmal erläutert werden.
Meine Damen und Herren! Der Reformbedarf wird des Weiteren damit begründet, dass nach dem Gutachten des IWH die bestehenden Strukturen zwingend einer Reform bedürften und die Schwächen der heutigen Verwaltungsgemeinschaften überwunden werden müssten. - Das steht so nicht im Gutachten.
Es wurde bereits nachgefragt: Es steht ausdrücklich darin, dass die Verwaltungsgemeinschaften in der heutigen Form nicht untersucht worden seien, weil deren Strukturen noch zu frisch seien und eine Verfälschung der Ergebnisse des Gutachtens ergeben könnten. Im Übrigen gehe es dem Gutachten um die Struktur für die nächsten Jahrzehnte, sprich die Bevölkerungsentwicklung bis zum Jahr 2050. - Das alles wird in dem Leitbild nicht erwähnt.
Herr Minister, ich fordere Sie auf: Geben Sie den bestehenden Strukturen, die im Jahr 2005 eingeführt worden sind, erst einmal die Chance, sich zu bewähren.
Im Übrigen erklärt die Landesregierung, die Kleinteiligkeit der Gemeinden müsse überwunden werden, damit die Aufgaben wie Kindergärten, Sporteinrichtungen und Bauhöfe in größeren Strukturen wahrgenommen werden könnten. Das von Ihnen dazu bestellte Gutachten nennt genau diese Aufgabenbereiche als diejenigen, die von den Verwaltungsgemeinschaften effizienter wahrgenommen werden als von den Einheitsgemeinden. Wozu dann diese Forderung?
Wer so die Fakten missachtet oder nur Teilwahrheiten berücksichtigt und dieses Gemisch zur Grundlage seines politischen Handelns macht, der wird Schiffbruch erleiden, und zwar zum Schaden des ganzen Landes.
Wer glaubt, dass er mit Unterschriften von mehr als 50 000 Menschen so umgehen kann, der verkennt die frustrierende Wirkung seines Handelns und darf sich über Politikverdrossenheit nicht mehr wundern.
Meine Damen und Herren! Ich bemühe Willy Brandt: Wir wollen mehr Demokratie wagen. Frau Merkel soll auch bemüht werden: Wir wollen mehr Freiheit wagen.
Meine Damen und Herren von der Landesregierung, Sie brauchen gar nichts mehr zu wagen. Es reicht aus, wenn Sie Freiheit und Demokratie vor Ort zulassen und erhalten.
Die zwangsweise flächendeckende Einführung der Einheitsgemeinde ist von zweifelhafter Notwendigkeit, fragwürdigem Effizienzgewinn und deutlichem Demokratieverlust gekennzeichnet, von den notwendigen Schulschließungen an Mehrfachstandorten ganz zu schweigen.
Es ist also kein Wunder, dass die CDU immer wieder versucht zurückzurudern. Die noch am Montag geforderte Freiwilligkeit verstehe ich noch, die Verbandsgemeinde schon weniger. Am wenigsten verstehe ich aber die SPD, die dabei mit Koalitionskrach droht, anstatt diese Möglichkeit zu nutzen.
Die Verbandsgemeinde - der Innenminister hat es gesagt - mit Mitgliedsgemeinden mit mehr als 1 000 Ein
wohnern entspricht fast dem Modell des früheren Innenministers Püchel und seinem Vorschaltgesetz aus dem Jahr 2000/2001.
Die CDU leidet an partieller Amnesie und hat vergessen, dass sie diese Vorschaltgesetze selbst abgeschafft hat. Nutzen Sie die Chance!
(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der LINKEN - Widerspruch und Unruhe bei der SPD - Unruhe bei der CDU - Frau Fischer, SPD: Sie haben es doch mitgemacht! - Frau Weiß, CDU: Sie haben wohl auch Amnesie!)
Ja, ich weiß. - An die Volksinitiative noch ein letztes Wort: Lassen Sie sich nicht entmutigen, egal wie der Landtag heute entscheidet. Es ist noch nicht aller Tage Abend.
Herzlichen Dank für Ihren Beitrag. - Wir kommen jetzt zum letzten Debattenbeitrag. Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Harms von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich auch in Ihrem Namen der Volksinitiative danken. Herr Ralf Wunschinski aus Angersdorf, Herr Kurt Hambacher aus Kabelsketal, Herr Hans-Dieter Paul aus Brachwitz, Herr Frank Stolzenberg aus Peißen, Herr Hans-Joachim Niehle aus Götschetal, Sie haben einen besonderen Beitrag für die politische Kultur in unserem Land geleistet, und zwar stellvertretend für mehrere 10 000 Bürger - wir haben heute gehört, es sind 50 000 -, die mit Namen und Hausnummer erklärt haben, dass ihnen kommunale Strukturen wichtig sind und dass die selbstbestimmte dörfliche Gemeinde oder auch die kleine Stadt ein Stückchen Heimat bedeuten. Sie haben diesem Bürgerwillen Ausdruck verliehen. Ihr Wirken ist notwendig geworden, weil die Begründung für angekündigte Reformen fehlte.
Der Städte- und Gemeindebund schreibt in seiner Stellungnahme zum Eckpunktepapier neben vielen anderen Hinweisen unter anderem folgenden aus meiner Sicht sehr wichtigen Satz: Eine gegen die gemeindliche Ebene durch den Landesgesetzgeber angeordnete Gemeindegebietsreform würde zu einem kaum wieder gut zu machenden Schaden für das Land insgesamt führen.
Meine Damen, meine Herren! Eine Reform gegen die gemeindliche Ebene wird es in diesem Land nicht geben.
Ich bin mir dessen nicht nur wegen der 50 000 Unterschriften, die Sie gesammelt haben, sicher, sondern auch wegen der anwesenden Landtagsabgeordneten aller Fraktionen. Wir werden diesen Schaden gemeinsam von unserem Land abwenden. Im kurzen wie im langen Gutachten können Sie nachlesen, warum empfohlen wird, dass die lokalen Akteure vor Ort entscheiden sollen, welche Form der Gemeinde gewählt wird. Die Unruhe erklärt sich im Moment sicher daraus, dass sich das mancher erst für die plenumfreie Zeit vorgenommen hat.
Vielleicht sollten wir die Debatte an dieser Stelle noch einmal fortsetzen; das würde vielleicht Sinn machen.
Nun kommt es darauf an, gemeinsam ein Leitbild zu erarbeiten - Herr Innenminister, Sie haben gesagt, dass dieser Prozess begonnen wurde -, das unseren Gemeinden und unserem Land weiterhilft. Gemeinsam - das heißt, wir alle einschließlich des Städte- und Gemeindebundes und natürlich einschließlich der Volksinitiative. Denn wer eine solche Leistung im Vorfeld erbringt, den sollte man durchaus annehmen, da es überwiegend - das wurde wiederholt festgestellt - erfahrene lokale Akteure vor Ort sind, denen wir grundsätzlich zu Dank für ihre ehrenamtliche Tätigkeit verpflichtet sind.
Wir brauchen in dieser Angelegenheit keine Eilentscheidung eines Politbüros, sondern eine intensive Debatte nach der Präsentation des Gutachtens im Landtag. Herr Wunschinski hat schon Recht damit, dass wir einen Betrag von 50 000 €, der aufgrund eines Landtagsbeschlusses ausgegeben wurde, sowie die Tätigkeit der beiden Professoren Rosenfeld und Kluth, die noch nicht einmal die Möglichkeit hatten, den entsprechenden Fachleuten im Innenausschuss ihr Gutachten zu erklären und für Nachfragen zur Verfügung zu stehen, nicht so einfach beiseite lassen können. Diese Möglichkeit zur Nachfrage sollten wir nutzen, auch in einer Landtagssitzung.
Vielleicht sollten wir auch unseren Vertretern im Innenausschuss ganz gezielt mit auf den Weg geben, den Erfahrungsaustausch mit den Kollegen in Rheinland-Pfalz zu suchen, die gerade bei dieser umstrittenen Verbandsgemeinde über jahrzehntelange Erfahrungen verfügen und zeitgleich mit uns ein Reformvorhaben vorhaben, wie in der Regierungserklärung in diesem Hause bereits verlesen wurde.
„Unverzichtbar für den ländlichen Raum ist das Engagement der Menschen vor Ort. Ein engagierter Bürgermeister kann mehr bewirken als alle Förderprogramme zusammen.“
Ich habe dem nichts hinzuzufügen. In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung zur Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses.
Danke, Herr Harms. - Wir sind damit am Ende der Debattenbeiträge. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 5/726. Hierzu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden. Der Text der Beschlussempfehlung lautet wie folgt:
„Der Landtag erklärt die Volksinitiative ‚SachsenAnhalt 2011 - Bürger gegen die flächendeckende Einführung von Einheitsgemeinden und Zwangseingemeindungen in Ober- und Mittelzentren’ für erledigt.“
Wer also für die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ist, den bitte ich darum, mit Ja zu stimmen. Wer dagegen ist, stimmt mit Nein ab. Frau Hampel wird nun mit dem Namensaufruf beginnen. Bitte schön, Frau Hampel.