Herr Minister, aber auf der anderen Seite auch ein Dank dafür an Sie, dass Sie den parlamentarischen Geschäftsführer der SPD heute Morgen noch davon überzeugt haben, dass das ein aktuelles Thema ist. Und auch ein Dank an die SPD, dass sie den Versuch unterlassen hat, diese Aktuelle Debatte durch das Verschieben innerhalb der Tagesordnung zu unterlaufen.
Meine Damen und Herren! Was steht nun in den Gutachten? Es sind zwei Gutachten, die zur Debatte stehen. Ich will nicht verschweigen, dass es zu dem Gutachten, das der Herr Innenminister vorgestellt hat, einen Arbeitsentwurf mit insgesamt 264 Seiten gibt. Auch diesen Arbeitsentwurf werde ich einbeziehen.
Was steht nun in den Gutachten und welche Schlüsse sind daraus zu ziehen? Für diejenigen, die noch keine Gelegenheit hatten, die Gutachten zu lesen, sei kurz gesagt: Es ist für alle etwas dabei.
Lassen Sie mich zunächst auf das Gutachten von Wiegand und Grimberg eingehen. Der Ansatz zu diesem Gutachten wurde so gewählt, dass die übliche Aufgabenerledigung der Gemeinden in optimaler Form angenommen wurde und deshalb bei allen Modellen in der Betrachtung außen vor gelassen werden kann, weil sie von allen gleich gut erledigt wird. Auf diese Art und Weise blendet man mit dieser Methode die Wirklichkeit aus. Das führt aber dazu, dass bezogen auf die unterschiedlichen Strukturen differenzierte Ergebnisse zur Effizienz, also zu Wirtschaftlichkeit und Kosten, erzielt werden.
Die klare Aussage ist, dass bei der Einheitsgemeinde gegenüber der Basisverwaltungsgemeinschaft eine Ersparnis von 136 000 € per annum erzielt werden kann, während bei der optimierten Verwaltungsgemeinschaft lediglich eine jährliche Ersparnis von 94 000 € erzielt werden kann. Das würde aber gleichzeitig bedeuten, dass es in der Einheitsgemeinde keine Ortschaftsräte mehr geben soll.
Dabei wird eingerechnet, dass die Verfügungsmittel, die den Ortschaftsräten zugestanden hätten, völlig eingespart werden. Das heißt, die Vereine, die sonst bei den Ortschaftsräten eine Förderung erhalten hätten, würden von der Einheitsgemeinde keine Mittel mehr bekommen. Auch das ist mit der Wirklichkeit kaum in Einklang zu bringen.
Der Ansatz dieses Gutachtens hat einfach das Manko, dass es andere Effekte, die es in der Wirklichkeit gibt, ausblendet. So kann man den Grundgedanken des Gutachtens und des Ansatzes wie folgt fortführen: Je weniger Gemeinden ich habe, desto weniger Bürgermeister und Räte habe ich, desto größer ist das Einsparpotenzial. Konsequent zu Ende gedacht heißt das: Die größte Effizienz erzielt die Struktur, in der es nur noch eine Gemeinde in Sachsen-Anhalt gibt, und die möglichst ohne Ortschaftsräte.
Meine Damen und Herren! Jetzt wird Ihnen hoffentlich klar, warum das Ausblenden der Wirklichkeit ein Problem ist, nämlich weil andere Effekte nicht berücksichtigt werden. Diese gibt es aber. Jedem ist klar, das eine solche Struktur mit Widerständen verbunden wäre; diese
Es gibt eine Karikatur, auf der sieht man einen Wissenschaftler im Dunkeln mit einer Taschenlampe den Boden beleuchten. Darunter steht: Ich untersuche nur im Licht. Das Ergebnis ist scharf und genau. Als Handlungsgrundlage dafür, wie ich den Rest des Bodens zu behandeln habe, dient sie allerdings nicht.
Meine Damen und Herren! Zu dem Gutachten von IWH und MLU sei Folgendes bemerkt: Der Ansatz der Untersuchung unterscheidet sich deutlich von dem erstgenannten Gutachten. Es wurden nicht nur die theoretischen Möglichkeiten betrachtet, sondern die tatsächlichen Gegebenheiten aus dem Jahr 2004 in einer Querschnittsuntersuchung und aus den Jahren 1995 bis 2004 in einer Langzeituntersuchung analysiert.
Es wurde unterschieden zwischen Effizienz und Effektivität. Und das Ergebnis ist so vielfältig wie das Leben selbst. Dort steht zum einen - das wird den Innenminister freuen -, dass die Einheitsgemeinde effizienter ist als die Verwaltungsgemeinschaft.
Aber: Sie ist es nur in Teilen. In anderen Aufgabenbereichen ist die Verwaltungsgemeinschaft besser als die Einheitsgemeinde - das freut wiederum die FDPFraktion.
Als letzter Punkt: Die Verbandsgemeinde könnte ein idealer Kompromiss sein, um beide Vorteile der verschiedenen Strukturen miteinander zu verbinden - und das freut die CDU-Fraktion.
Genauer gesagt hat die Einheitsgemeinde Effizienzvorteile in den Aufgabenbereichen der inneren Verwaltung und des Personals, aber auch des Brandschutzes. Demgegenüber ist die Verwaltungsgemeinschaft stärker in den Bereichen öffentliche Sicherheit, eigene Bäder, Sporteinrichtungen und insbesondere Bau.
Erstaunlicherweise gibt es keinen empirischen Nachweis dafür, dass die Einheitsgemeinde mit ihrer vermuteten stärkeren Verwaltungskraft zu höheren Investitionen führt. Die Gutachter vermuten, der Grund liege darin, dass in den Verwaltungsgemeinschaften die Bürgermeister das größere Engagement zeigten.
Besonders interessant ist die Bemerkung der Gutachter, dass die Effizienzvorteile der Einheitsgemeinde nicht sicher auf die Struktur der Verwaltung zurückzuführen sind, sondern wahrscheinlich auf die Einwohnerdichte. Wenn das richtig wäre, dann würde das bedeuten, dass in ländlichen Gebieten die zwangsweise Bildung von Einheitsgemeinden kaum Effizienzgewinne hervorbringen würde, dass die Nachteile gegenüber der Verwaltungsgemeinschaft aber mit Sicherheit generiert würden. Das Ergebnis wäre eine Verschlechterung der Situation der ländlichen Kommunen.
An dieser Stelle sieht das Gutachten bzw. der Entwurf des Gutachtens weiterhin Untersuchungsbedarf, und zwar, so glaube ich, zu Recht. Dabei ist zu beachten, dass die Professoren Rosenfeld und Kluth als Grundlage für ihre Betrachtung das Jahr 2004 wählten. Auch für die Langzeitbetrachtung endet der Zeitraum im Jahr 2004. Einen späteren Zeitpunkt, wie etwa das Jahr 2005 oder 2006 lehnen beide ab, weil ab dem Jahr 2005 eine Änderung der Verwaltungsstruktur eingetreten ist. Sie erinnern sich: das Gesetz zur Qualifizierung der Verwaltungsgemeinschaften mit mindestens 10 000 Einwohnern.
Laut Rosenfeld und Kluth ist eine Begutachtung dieses Zeitraums deshalb nicht anzuraten, weil die Struktur noch so neu ist, dass sich zu beobachtende Befunde noch in der alten Struktur begründen könnten. Das heißt im Klartext: Es ist noch zu früh, die Effekte aus der letzten Strukturreform zu erkennen.
Meine Damen und Herren! Auch die Gutachter Wiegand und Grimberg verweisen auf diesen Aspekt; auch sie untersuchten nur bis zum Jahr 2004. Sie stellen den Zusammenhang her, dass es verfassungsrechtlich bedenklich ist, bereits jetzt wieder eine Strukturänderung herbeizuführen; denn es fehle an einem sachlichen Grund und die Kommunen würden somit zum Spielball des Gesetzgebers werden, was das Verfassungsgericht ausdrücklich untersagt hat.
Der Nachweis aber, dass die erst im Jahr 2005 vorgenommenen Änderungen unzureichend sind und dass deshalb eine neuerliche Änderung notwendig ist, ist kaum zu führen, weil die Kommunen keine Zeit hatten, diese Strukturen und deren Chancen zu nutzen.
Darin liegt auch ein Teil der Kritik der FDP an dem Vorhaben der Zwangseingemeindungen, weil es einfach nicht erwiesen ist, dass die jetzt vorhandenen Strukturen untauglich sind, um die Zukunft der Gemeinden zu sichern.
In der empirischen Untersuchung des IWH kam aber zum Tragen, dass bereits jetzt erkennbar ist, dass Chancen in den Einheitsgemeinden, also Effizienzpotenziale, nicht genutzt werden. Sie sind in Wirklichkeit nicht effektiver, und zwar deshalb, weil der Gemeinderat blockiert.
Da stellt sich mir die Frage: Wenn das schon bei einer freiwillig gebildeten Einheitsgemeinde so ist, wie hoch sind dann die Reibungsverluste in einem Gebilde, das zwangsweise zusammengeführt worden ist?
Meine Damen und Herren! Das IWH-Gutachten kommt, salopp gesagt, zu dem Schluss, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Die Gutachter gehen davon aus - ich zitiere von Seite 215 des Entwurfs des Gutachtens -,
„dass bei einer Transformation von einer Verwaltungsgemeinschaft in eine Einheitsgemeinde die Gesamtkosten steigen, das Engagement im politischen Ehrenamt abnimmt, den älteren Menschen die Ansprechpartner fehlen, die Transaktionskosten hinsichtlich örtlicher Probleme zunehmen, die Problemlösungen verzögert werden, die Wahlbeteiligung sinkt, die Frustationskosten steigen, die Identifikation abnimmt, das Engagement für wirtschaftliche Entwicklungen vor Ort fehlt und demgegenüber in der Einheitsgemeinde die allgemeinen Verwaltungsaufgaben allenfalls mittelfristig sinken, Tourismus und Gewerbe besser vermarktet werden, Brandschutz- und Flächennutzungsplanung und die Verwaltung des Anlagevermögens zu Vorteilen führen.“
Sicher ist das nicht, weil, wie oben dargestellt, nicht alle Chancen auch tatsächlich genutzt werden.
Es gibt einen Arbeitsentwurf. Darin findet sich die Aussage, dass die Verbindung der Vorteile von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften in der Verbandsgemeinschaft bei harten Beschlüssen eine höhere Akzeptanz bei Bürgern erwarten ließe. Die jetzigen Ver
waltungsgemeinschaften, also die von 2004, seien zu solchen harten Entscheidungen nicht in der Lage.
Den Satz, dass die Gutachter die Verbands- und die Einheitsgemeinde befürworten, finden Sie in dem Arbeitsentwurf des Gutachtens nicht. Dieser steht erst in der vom Innenministerium veröffentlichten Fassung. Dafür steht im Arbeitsentwurf auf Seite 214 wörtlich:
„Wenn ausschließlich das Effizienzziel im Sinne von minimalen Ausgaben je Outputeinheit verfolgt wird, gibt es nach den vorliegenden Untersuchungen keinen Grund, von heutigen Verwaltungsgemeinschaften abzurücken. Die Einheitsgemeinden bewirken sogar leicht höhere Ausgaben als die Verwaltungsgemeinschaften.“
„Da die Entscheidung auch von örtlich regionalen Spezifika abhängt, empfehlen die Gutachter, die Entscheidung über das Verwaltungsmodell grundsätzlich in das Ermessen der lokalen Akteure zu stellen.“
Ich glaube, es ist eines festzustellen, meine Damen und Herren: Jede Struktur ist so gut wie die Menschen, die sich darin bewegen. Ich glaube, wenn Menschen gezwungen werden, eine Struktur zu leben, ist sie bereits von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Es ist immer ein Zeichen von Größe, auf seinem Weg innezuhalten, nachzudenken und aufgrund neuer Erkenntnisse zuzugeben, dass ein anderer Weg besser ist. Dazu fordere ich Sie auf, meine Damen und Herren von der Koalition: Lassen Sie den Strukturen aus dem Jahr 2005 die Chance, sich zu bewähren und geben Sie den Zwang zur Einheitsgemeinde auf! - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Herzlichen Dank für die Einführung, Herr Abgeordneter Wolpert. - Ich erteile nun Herrn Minister Hövelmann das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 26. Januar 2007 hat der Landtag die Landesregierung beauftragt, ein unabhängiges Gutachten zur Frage der Effizienzvorteile von Einheitsgemeinden gegenüber Verwaltungsgemeinschaften unter Berücksichtigung der voraussichtlichen demografischen Entwicklung und der Entwicklung der öffentlichen Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt erstellen zu lassen. Dieser Auftrag wurde angesichts des im Koalitionsausschuss gefundenen Kompromisses zur vorgesehenen Gemeindegebietsreform um eine vergleichende Bewertung zum Modell der Verbandsgemeinde erweitert. Ich denke, dies war ein vernünftiger Schritt.
Mit dem vonseiten der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten des IWH Halle in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sowie
dem in der vorletzten Woche veröffentlichten Gutachten von Verwaltungswissenschaftlern der Hochschule Harz liegen nunmehr zwei Studien vor, die zur Effizienz und Wirtschaftlichkeit der einzelnen Verwaltungsmodelle im Vergleich Stellung nehmen.
In der Summe bestätigen beide Gutachten den in der Koalition gefundenen Kompromiss zur Gemeindegebietsreform.
Was sagen die Gutachter nun konkret? - Kernpunkt der Diskussion in den vergangenen Monaten und entsprechender Auftrag an die Gutachter war die Beantwortung der Frage, welches der einzelnen Verwaltungsmodelle - Einheitsgemeinde, Verwaltungsgemeinschaft oder Verbandsgemeinde - bei den Kriterien der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit vorn liegt.
Die Studien beinhalten im Kern hierzu folgende Aussagen: Das IWH kommt in seiner Effizienz- und Effektivitätsanalyse zu einem differenzierten Ergebnis. Hervorzuheben ist zunächst, dass die Gutachter - hier IWH - den Ansatz der Landesregierung bestätigen, dass es angesichts der demografischen Entwicklung und der rückläufigen öffentlichen Einnahmen zwingend einer Strukturreform der gemeindlichen Ebene in SachsenAnhalt bedarf.
Es wird festgestellt, dass den heutigen Verwaltungsgemeinschaften - wörtlich - die Kraft fehlt, insbesondere die aus gesamtwirtschaftlicher Sicht notwendigen Konzentrationen bei der Infrastruktur vorzunehmen.
Auf der Basis des Status quo, das heißt insbesondere der Zahlen der kommunalen Finanzstatistik des Jahres 2004, kommt das IWH in seiner Untersuchung zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass alle drei Gemeindestrukturmodelle ihre spezifischen Vor- und Nachteile aufweisen. Deutlich wird aber - dies ist im Hinblick auf die in Rede stehende Effizienz und Wirtschaftlichkeit entscheidend -, dass die Einheitsgemeinde bei den meisten allgemeinen Verwaltungsaufgaben sowie bei den Aufgaben des Brandschutzes und der Hilfeleistung im Vergleich zur Verwaltungsgemeinschaft mit gemeinsamem Verwaltungsamt deutlich effizienter und wirtschaftlicher ist. So lagen die durchschnittlichen Kosten pro 1 000 Einwohner für die Gemeindeorgane bei den Verwaltungsgemeinschaften knapp über 40 % und die für die Hauptverwaltung ca. 13 % über dem Niveau der Einheitsgemeinden.