Protocol of the Session on April 26, 2007

Die Frage, was gehört wem, gehört zur menschlichen Geschichte. Damit betreten wir einen höchst sensiblen Bereich. Mit der Umsetzung der Washingtoner Erklärung befasst sich eine von Bund und Ländern finanzierte Einrichtung, nämlich die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste. Mit der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter aus dem Jahr 1999 wurde bereits ein Internet-Angebot für eine effiziente Provenienzforschung bzw. Provenienzrecherche geschaffen. Die Internet-Adresse „www.lostart.de“ wurde in der heutigen Beratung mehrfach genannt.

Seit dem Jahr 1999 gibt es eine Verpflichtung für alle öffentlichen Einrichtungen, ihre Kulturgutbestände zu überprüfen und unklare oder verdächtige Erwerbsvorgänge

offen zu legen. Für umstrittene Rückgabefälle wurde im Dezember 2002 eine beratende Kommission eingerichtet, die sich für einen fairen und gerechten Interessenausgleich einsetzt. Beispielgebend wäre an dieser Stelle die Situation zwischen dem Deutschen Historischen Museum und den Ansprüchen des Herrn Sachs mit der umfangreichen Kunstausstellung zu nennen. Auch dazu gab es sehr viele Pressemitteilungen und Informationen. Über die konkreten Forderungen kann man sich unter der Internet-Adresse „www.lostart.de“ informieren.

Betrachtet man die Arbeitsweise der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste genauer, so stellt man fest, dass eine direkte Schnittstelle zwischen dem Anspruchsteller und einer Behörde zur Verwaltung von Restitutionsforderungen geschaffen wurde. Den aktuellen Stand aller Restitutionsforderungen gibt bereits die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste wieder. Es wurde ebenfalls bereits genannt, dass zum Aufgabenspektrum auch die Veröffentlichung der Such- und Fundmeldungen in Abstimmung mit den meldenden Personen und Institutionen im Internet gehört.

Wir können also feststellen, dass sehr viele umfangreiche Daten vorhanden sind. Es ist sicherlich richtig, dass sich der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur - die Betonung liegt in diesem Fall auf „Kultur“ - diesem Thema widmet und sich bei vakanten Angelegenheiten einbringt; denn es geht wie gesagt um Besitz, um Kulturgut und um die NS-Verfolgung.

In diesem Sinne plädieren wir dafür, dieses Thema im Fachausschuss zu behandeln. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Reinecke. - Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Kosmehl das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich zu Anfang möchte ich wie meine Vorredner eine Klarstellung machen. Enteignung ist Unrecht, und Unrecht kann und darf man nicht dulden. Politik und Gesellschaft sind verpflichtet, geschehenes Unrecht, soweit möglich, zu lindern bzw. rückgängig zu machen.

Der heutige Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS betrifft einen Zeitraum, der großes Unrecht auch für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land hervorgebracht hat. Auch wenn die Enteignung von Kunstgegenständen deutlich hinter dem Leid der Menschen zurücktritt, die deportiert, interniert und ermordet wurden, dürfen wir diese Enteignungen nicht vergessen. Es sind nicht nur Bürger jüdischen Glaubens, sondern in vielen Fällen auch Familien von Widerstandskämpfern betroffen, denen ihr Eigentum entzogen wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP unterstützt die Nr. 1 des Antrages, in der die Washingtoner Erklärung ausdrücklich unterstützt wird. Provenienzforschung ist wichtig. Sie ist insbesondere wichtig, um Hintergründe aufzuklären, um Wege, die diese Kunstwerke gegangen sind, nachzuvollziehen und um eine Rückgabe oder eine Entschädigung zu ermöglichen. Dieses lässt die Washingtoner Erklärung eindeutig zu: nicht nur

die Rückgabe, sondern auch andere Lösungen. Es muss aber um eine Restitution gehen. Alles andere, also am Status quo festzuhalten, wäre aus unserer Sicht Unrecht.

(Zustimmung bei der FDP und bei der Linkspar- tei.PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben in Ihren Ausführungen einige Punkte angesprochen, die ich gern aufgreifen möchte. Bei mir ist der Satz hängen geblieben, wir dürften kein Museum aus der Verpflichtung entlassen, diese Herkunftsforschung zu betreiben. Sie haben in der Folge auch dargestellt, dass die Museen und Einrichtungen in Sachsen-Anhalt bereits intensiv dabei sind, diese Forschung zu betreiben.

Mit Freude habe ich zur Kenntnis genommen, dass Sie uns berichteten, dass sich nunmehr - offensichtlich nach längerer Diskussion - auch die Moritzburg zu einer helfenden Anstrengung bereit erklärt hat, eben diese Provenienzforschung zu betreiben, um es zu ermöglichen, Gegenstände, die sich unter Umständen in den Archiven befinden, zu lokalisieren oder deren Herkunft oder Weitergabe nachzuvollziehen.

Ich begrüße das ausdrücklich. Ich hoffe, dass sich dieses Engagement verstetigt. Sofern finanzielle Notwendigkeiten bestehen, sollten Sie diese im Ausschuss vortragen, damit auch der Landtag gegebenenfalls über den Haushalt unseren Einrichtungen zu Hilfe eilen kann, damit diese Provenienzforschung tatsächlich zu einem Abschluss gebracht werden kann und wir Restitution ermöglichen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, und zwar auf die Frage, wie wir es ermöglichen können, dass eine Provenienzforschung für alle Seiten akzeptabel ist. Sollen wir nur die Einrichtungen selbst in ihren Archiven forschen lassen oder sollen wir es auch ermöglichen, anerkannte Kunsthistoriker in die Einrichtungen kommen zu lassen, um eine umfangreiche Einsichtnahme zu gestatten?

Das wird sicherlich ein Punkt sein, den man auch im Ausschuss mit Ihnen, Herr Minister, noch einmal diskutieren kann, ob es tatsächlich eine Möglichkeit gibt, eine breite Erforschung der Kataloge und Archive zu sichern. Wie gesagt, noch einmal: Es geht darum, geschehenes Unrecht zu beseitigen, und natürlich auch darum, Kunst für alle Menschen zu erhalten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kosmehl. - Für die CDU-Fraktion wird nun Herr Weigelt sprechen. Bevor ich ihm das Wort erteile, begrüße ich als Gäste auf der Nordtribüne Damen und Herren der Jugendfeuerwehr Salzwedel und auf der Südtribüne Damen und Herren vom Heimatverein Wolfsburg. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Weigelt, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Restitutionsforderungen bei Kunstwerken“, so titelt

Ihr Antrag, und bis dahin ist zumindest sprachlich noch alles verständlich. Was Sie aber im Weiteren dem Landtag als Beschlusstext anbieten, ist inhaltlich verworren und deshalb so nicht beschlussfähig.

Auch aus Ihrer Begründung erschließt sich mir der Wert unserer heutigen Debatte nicht so recht. Sie schleichen wie die Katze um den heißen Brei und scheinen dabei nicht zu bemerken, dass es nicht nur in Deutschland, aber eben auch in Deutschland viel zu lange dauerte, bis die Debatte über den größten privaten Kunstraub in der Menschheitsgeschichte in Gang gesetzt wurde.

Leider ist die Zeit zu begrenzt. Ansonsten könnte ich Ihnen aus interner Kenntnis belegen, dass Michael Naumann völlig richtig liegt, wenn er sagt, dass in den Nachkriegsjahren kein Unrechtsbewusstsein in deutschen Museen existiert habe.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Dieser Mangel an Unrechtsbewusstsein ist nur bedingt eine museumsspezifische Erscheinung. Es gab in dieser Frage einen stillschweigenden gesellschaftlichen Konsens. In der DDR, die sich an keiner Form der Wiedergutmachung beteiligt hat, hat es selbstverständlich auch keinen Impuls in die Museen gegeben, ihren Anteil an der Beute offen zu legen. Diese Praxis fand dann im Übrigen ihren unheilvollen Fortgang im Umgang mit Privatsammlungen von so genannten Republikflüchtlingen und legal Ausreisenden. Aber das sei nur am Rande erwähnt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Herr Gürth, CDU: Genau so war es!)

Meine Damen und Herren! Im Jahr 1989 wurde es höchste Zeit, sich in Washington mit den Delegierten aus 44 Staaten in einer elf Punkte umfassenden Erklärung darüber zu verständigen, dass man nach den in der NS-Zeit beschlagnahmten Kunstwerken suchen und mit den rechtmäßigen Erben eine gerechte und faire Lösung finden wolle.

Dankenswerterweise hat dann Michael Naumann im Dezember 1999 mit der gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände - über die wir auch schon gesprochen haben - einen weiteren konsequenten Schritt auf dem Weg zu einem fairen Umgang mit jüdischen Restitutionsansprüchen eingeleitet.

Mit der gemeinsamen deutschen Erklärung konnte sogar in Washington schlichtweg Übersehenes nachgebessert werden. Restitutionsfähig waren nun nicht nur die Kunstwerke, die durch Raub oder Beschlagnahmung in die Museen gelangt sind, sondern darüber hinaus auch jene, die den ehemaligen jüdischen Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen worden sind. Davon haben wir gerade schon gehört. Dafür hat sich der Begriff Fluchtkunst eingebürgert. Hierbei ging es mitunter wirklich um den berühmten Appel und das berühmte Ei, mit dem sich jüdische Bürger durch den Verkauf von Kunstwerken das Überleben gesichert haben.

Ein Prozess ist damit in Gang gesetzt worden, der eigentlich zu den normalsten Dingen eines demokratischen Rechtsstaates gehören sollte. Simpel gesagt soll hier nichts anderes getan werden - so wie es Herr Kosmehl auch sagte -, als Unrecht aufzuklären und geraubtes Kunstgut an die Nachfahren der NS-Opfer wieder herauszugeben.

Das sind erst einmal die allgemeinen Fakten. Nun geht es bei den Einzelfällen ans Eingemachte. Hierbei gibt es im rechtlichen Sinn durchaus strittige Problemfälle. Wir haben uns darüber gerade etwas vortragen lassen.

Eines kann ich aber keinem meiner Museumskollegen durchgehen lassen, nämlich wenn von manch einem schutzbehauptet wird, es gehe schon längst nicht mehr nur um moralische Wiedergutmachung in Form von Rückgabe, sondern lediglich um Millionen von US-Dollar, verschoben auf einem allzu gefräßigen Kunstmarkt.

Wir sollten uns daran erinnern, dass eine ganze Anzahl von Kunstwerken, um die es in den öffentlichen Debatten auch geht, zu einem Nulltarif, weil nämlich geraubt, in die Depots und Ausstellungen von Museen gelangt sind oder in anderen Fällen für Billiggeld in dubiosen Kunstauktionen ersteigert wurden. Über diese dubiosen Kunstauktionen muss man auch noch einmal gründlich nachdenken und recherchieren.

Ich spreche bis hierhin erst einmal von herausragenden oder auch weniger bedeutenden Kunstwerken der klassischen Kunstepochen. Nun kommen wir einmal zu den besonderen Aufregern, wir kommen in den Bereich des Expressionismus. Bei den restitutionsbelasteten Sammlungen handelt es sich auch um Sammlungen von Kunstwerken, die zum Teil sehr zeitig von jüdischen Kunstkennern zusammengetragen wurden, und dies in der Regel nicht marktwertorientiert, sondern einem ausgeprägten Kunstsachverstand geschuldet.

Diese zum Teil auch von jüdischen Künstlern geschaffenen Kunstwerke waren der Gesellschaft nichts wert. Sie wurden zum großen Teil als „entartet“ den kichernden Besuchern, die es im Übrigen auch reichlich gab, in panoptikumsartigen Ausstellungen zur allgemeinen Belustigung dargeboten. Wäre diese Kunst auf dieser pseudokunstgeschichtlichen Bewertungsebene stecken geblieben, hätte heute wohl niemand ein größeres Problem damit, derartige Machwerke den Klecksern von damals zurückzugeben.

Dass nun ausgerechnet diese Kunstwerke in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg und bis heute im Trend noch ansteigend einen schier unglaublichen Wertzuwachs erfahren haben, ist ausdrücklich auch ein Verdienst der Museen, die mittels Kompetenz und kunstgeschichtlicher Sachkunde einiges Entscheidendes in Fragen des kunst- und kulturgeschichtlichen Wertes in gleicher Zeit korrigieren konnten - aber das - das sage ich deutlich mit Blick auf die DDR-Vergangenheit - vor allem auch angetrieben durch eine dynamisch einsetzende Entwicklung auf dem so oft zu Recht gescholtenen, weil eigenen Gesetzen gehorchenden internationalen Kunstmarkt.

Das heißt verkürzt: Die Millionen, um die es heute in den Debatten geht, sind gerade das Ergebnis einer sensiblen Wechselbeziehung zwischen Kunstexperten in den Museen, einem knappen, weil nicht mehr reproduzierbaren Markt und einer zunehmenden Schar von Kunstspekulanten, flankiert von nicht unbemittelten Kunstliebhabern. Nur, darüber darf ich mich nicht wundern.

Lieber Kollege Weigelt, ich habe Ihnen bereits mehr als drei Minuten zusätzliche Redezeit gegeben.

(Minister Herr Dr. Daehre: Das ist hochinteres- sant! - Zustimmung bei der CDU)

Danke schön. Dann lasse ich den spannendsten Teil mal eben weg.

(Heiterkeit - Herr Tullner, CDU: Frag doch mal nach! - Weitere Zurufe von der CDU)

Zurück zum Kern. Die Frage der Restitutionsbegehren wird die Museen noch lange Zeit beschäftigen müssen. Ein Schlussstrich ist nicht von unserer Generation und hoffentlich auch nicht von der uns nachfolgenden zu setzen.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP, von Herrn Dr. Fikentscher, SPD, und von der Regie- rungsbank)

Damit spreche ich vor allem die von Herrn Minister Olbertz aufgezeigten rechtlichen Tatbestände an. Wer eine generelle oder sogar eine Generaldebatte zu diesem Thema vom Zaum brechen möchte, kommt hiermit zum Glück 17 Jahre zu spät.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielleicht darf ich noch Folgendes sagen: Über die Anregung von Christian von Holst, dem ehemaligen Direktor der Stuttgarter Staatsgalerie, zur Schaffung einer zentralen Forschungsstelle muss dringend nachgedacht werden. Eine solche Einrichtung macht aus meiner Sicht nicht nur Sinn, sondern ist angesichts der großen Anzahl von Anträgen und Einzelfällen wohl im Interesse der Sacharbeit dringend geboten.

Da es offensichtlich im Landtag noch ausreichend Nachholbedarf in Kenntnisfragen gibt, vor allen Dingen weil es sich hierbei um einen recht komplizierten Sachvorgang handelt, sollten wir uns

Lieber Herr Weigelt, ich möchte Sie - -